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Allgemeine Zeitung. Nr. 80. Augsburg, 20. März 1840.

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Engländern nicht ungestraft ihre Ohren abschneiden und zu verschlucken geben dürfe, tyrannisch und ungerecht verfahren sind. Eines der Toryjournale freut sich höchlich über die Entdeckung, daß das gelbe Meer voll Untiefen sey, und unsere Flotte nicht im Stande seyn werde, der Schifffahrt kundige Lootsen zu erhalten, während das große Morgenblatt (die Times) auftritt mit einem Artikel, der ein würdiges Seitenstück zu den Proclamationen des großen Lin ist. Glücklicherweise indessen ist die Gerechtigkeit unseres Streits mit China zu augenfällig, als daß man sich durch die Lügen einer Faction hintergehen ließe. Seit Jahrhunderten haben wir von den tyrannischen Statthaltern dieser Barbaren Beschimpfungen und Unbilden erduldet, die schon weit früher unsere Geduld erschöpft haben würden, wären sie nicht (aus Handelsrücksichten) dem Auge des englischen Publicums geflissentlich entzogen worden. Einmal über das andere haben diese Chinesen von brittischen Schiffen brittische Unterthanen weggeschleppt und sie öffentlich erdrosselt, weil vielleicht einer ihrer Nation durch das Abfeuern einer Salutation zufälligerweise getödtet worden war. In einem von Matheson in seinem Werk über den Handel mit China erzählten Falle ward der Kanonier, der von der "Lady Hughes" einen Gruß abfeuerte, wobei zufällig ein Chinese den Tod fand, den Barbaren ausgeliefert, um erdrosselt zu werden, und ward erdrosselt - und dieß geschah auf Befehl des Schiffsofficiers. In vielen andern Fällen ward der unvorsetzliche Todtschläger listig weggefangen und ermordet. Konnte man sich des eigentlichen Thäters nicht bemächtigen, so nahm man dafür den nächsten Besten, dessen man habhaft werden konnte. Nichts als der Tod eines "rothborstigen Barbaren" konnte den unvorsetzlichsten und zufälligsten Tod eines Angehörigen des himmlischen Reichs sühnen. Genau diesem Grundsatz gemäß bemächtigten sich die Chinesen des Capitäns Elliot, der auf ihren eigenen ausdrücklichen Wunsch und unter der Sanction einer brittischen Parlamentsacte als Ihrer Maj. Repräsentant, sowohl als Richter wie als Gesandter, nach Canton gesendet worden war. In Uebereinstimmung mit dieser Praxis geschah es, daß sie, nachdem sie ihn und alle fremden Kaufleute in ihrer Gewalt hatten, denselben alle Verbindung mit ihren Freunden benahmen, alle Zufuhr von Lebensmitteln abschnitten, und endlich dem Capitän Elliot mit dem Tode drohten, wenn er nicht binnen drei Tagen gewissen Bedingungen beiträte. Diese Bedingungen waren, gewisses Eigenthum, das sich nicht innerhalb der chinesischen Besitzungen befand, und worüber Capitän Elliot keine Gerichtsbarkeit zustand, auszuliefern. Es war genau dasselbe, als hätten sie ihn sein Leben für so viele Stücke Sycee-Silber loskaufen lassen. Die Opiumfrage hat nichts zu thun mit der Nationalfrage, um die es sich in diesem Falle handelt. Opium mag Contrebande seyn in Canton, und so mögen französische Spitzen Contrebande seyn in Dover; allein französische Spitzen sind nicht Contrebande, wenn sie die Meerenge von Dover auf- und abpassiren, und Opium ist nicht Contrebande, wenn es auf offner See ist. *)*) Die Opiumfrage, die sich jetzt im besten Falle als Klagelied in England und als heuchlerische List in China zeigt, hat nichts zu thun mit der Thatsache, daß der Repräsentant der Königin von England genöthigt worden, sich von der Halsschnur dadurch loszukaufen, daß er für drei Millionen Werth an Waaren aus China fortschickte. Dieß ist ein Gegenstand, bei welchem die Tories vergeblich versuchen werden zu lauern, Vexationen und Hindernisse in den Weg zu werfen. Man wird die Engländer nicht leicht überzeugen, daß sie sich der Unverschämtheit von Wilden zu unterwerfen haben, bloß weil diese Wilden eben so imbecil als unverschämt sind; man kann gute englische Hausfrauen nicht leicht überzeugen, daß sie auf ihren Thee verzichten und Schlehenblätter frühstücken sollten, weil ein tatarischer Tyrann in Mittelasien es sich in den Kopf setzt, seine Sklaven zu erdrosseln, wenn sie ihn verkaufen. Wir hegen große Hoffnungen von dieser Expedition. Trotz der Untiefen des gelben Meeres hoffen wir, daß unsere Landsleute im Stande seyn werden, uns einen umständlichen Bericht über die Pagoden von Peking zurückzubringen, und wir hoffen ferner, daß England, nach der Vertreibung der räuberischen Tyrannen, die jetzt China inne haben, den Ruhm erwerbe, dieses weite Land, mit seinen Hunderten von Millionen Seelen, der Civilisation und dem Christenthum zu gewinnen."

Ueber das Hydro-Oxygen-Gas-Mikroskop
von Professor
Dr. Berres.

Es gehört zu den vorzüglichsten Merkmalen des denkenden Menschen, daß er rastlos nach Aufklärung aller ihn umgebenden Dinge und Erscheinungen strebt. Nicht befriedigt von der oberflächlichen Kenntniß, dringt sein unermüdeter Geist in das Innere des Geschaffenen, und verfolgt die Bildungseigenheiten bis zur äußersten Gränze hin. Wo die Unzureichlichkeit seiner Sinne ihn im Vorwärtsschreiten hemmt, da erfindet und baut sein heißes Streben Instrumente und ingeniöse Werkzeuge, und er erweitert und vervielfacht, gleichsam mit von höheren Wesen entlehnter Macht, der äußern Sinne Kraft und Schärfe. Mit gerechtem Stolz blickt Deutschland auf die Leistungen der jüngsten Epoche hin, und mit wohl überlegtem und sicherem Schritt werden nun auch die geheimsten Werkstätten der Natur erforscht und Gegenstände ins Licht gesetzt, von welchen vor kurzem noch der menschliche Geist kaum eine Ahnung hatte. Unter den vielen neuen nützlichen Verbesserungen und Entdeckungen, welche einflußreich für Gegenwart und Zukunft wirken, gehört unbestreitbar auch die Verbesserung, ja die Umstaltung der Mikroskope in der letzten Zeit. Durch Beihülfe dieser Werkzeuge mit ungewöhnlich reinem und geschärftem Blick, wird es dem Naturforscher nun möglich seyn, seinen Geist in das unbekannte Gebiet der zartesten Organisation zu leiten; und so begann auf deutschem Boden eine neue Richtung im Forschen, ja ein neuer Zweig der Naturwissenschaften. Unverkennbar und kräftig trug zur Begründung dieser Epoche unser rühmlichst bekannter Optikus Plössel bei. Er ist es, der unter dem lehrreichen und freundschaftlichen Einfluß eines Jacquin, Baumgartner, Ettingshausen und Littrow das nun oben anstehende, an höhern Lehranstalten benützte componirte Mikroskop baute, und zu jenem Grade von Vollkommenheit erhob, daß wir nun mit Klarheit und noch nie erreichter Schärfe auch die zartesten Bildungseigenthümlichkeiten richtig erkennen und aufzufassen im Stande sind. So sehr jedoch dieser Fortschritt der Optik, welchen Schik, Pistor, Chevalier und Amici zu befestigen suchten, die Naturwissenschaften neu belebte, so verbleibt das Studium der Natur in Beihülfe des componirten Mikroskops immer nur für den Einzelnen lehr- und genußreich; denn die Mittheilung der auf diesem Gebiet gesammelten Schätze an eine größere Menge ist nicht allein höchst zeitraubend, sondern kann auch gewöhnlich nur unvollkommen geschehen.

Der Wunsch, baldigst ein Instrument und überhaupt Mittel zu gewinnen, welche dazu geeignet wären, die erforschten Gegenstände gemeinnützig und faßlich einem größern wissenschaftlichen Publicum vorstellen zu können, war demnach immer lauter,

*) Aber das ausgelieferte Opium lag doch theils in Canton auf dem Lager, theils an Bord der im Hafen von Canton befindlichen englischen Schiffe, und daß es zum Absatz in China bestimmt war, unterliegt wohl nicht dem mindesten Zweifel.

Engländern nicht ungestraft ihre Ohren abschneiden und zu verschlucken geben dürfe, tyrannisch und ungerecht verfahren sind. Eines der Toryjournale freut sich höchlich über die Entdeckung, daß das gelbe Meer voll Untiefen sey, und unsere Flotte nicht im Stande seyn werde, der Schifffahrt kundige Lootsen zu erhalten, während das große Morgenblatt (die Times) auftritt mit einem Artikel, der ein würdiges Seitenstück zu den Proclamationen des großen Lin ist. Glücklicherweise indessen ist die Gerechtigkeit unseres Streits mit China zu augenfällig, als daß man sich durch die Lügen einer Faction hintergehen ließe. Seit Jahrhunderten haben wir von den tyrannischen Statthaltern dieser Barbaren Beschimpfungen und Unbilden erduldet, die schon weit früher unsere Geduld erschöpft haben würden, wären sie nicht (aus Handelsrücksichten) dem Auge des englischen Publicums geflissentlich entzogen worden. Einmal über das andere haben diese Chinesen von brittischen Schiffen brittische Unterthanen weggeschleppt und sie öffentlich erdrosselt, weil vielleicht einer ihrer Nation durch das Abfeuern einer Salutation zufälligerweise getödtet worden war. In einem von Matheson in seinem Werk über den Handel mit China erzählten Falle ward der Kanonier, der von der „Lady Hughes“ einen Gruß abfeuerte, wobei zufällig ein Chinese den Tod fand, den Barbaren ausgeliefert, um erdrosselt zu werden, und ward erdrosselt – und dieß geschah auf Befehl des Schiffsofficiers. In vielen andern Fällen ward der unvorsetzliche Todtschläger listig weggefangen und ermordet. Konnte man sich des eigentlichen Thäters nicht bemächtigen, so nahm man dafür den nächsten Besten, dessen man habhaft werden konnte. Nichts als der Tod eines „rothborstigen Barbaren“ konnte den unvorsetzlichsten und zufälligsten Tod eines Angehörigen des himmlischen Reichs sühnen. Genau diesem Grundsatz gemäß bemächtigten sich die Chinesen des Capitäns Elliot, der auf ihren eigenen ausdrücklichen Wunsch und unter der Sanction einer brittischen Parlamentsacte als Ihrer Maj. Repräsentant, sowohl als Richter wie als Gesandter, nach Canton gesendet worden war. In Uebereinstimmung mit dieser Praxis geschah es, daß sie, nachdem sie ihn und alle fremden Kaufleute in ihrer Gewalt hatten, denselben alle Verbindung mit ihren Freunden benahmen, alle Zufuhr von Lebensmitteln abschnitten, und endlich dem Capitän Elliot mit dem Tode drohten, wenn er nicht binnen drei Tagen gewissen Bedingungen beiträte. Diese Bedingungen waren, gewisses Eigenthum, das sich nicht innerhalb der chinesischen Besitzungen befand, und worüber Capitän Elliot keine Gerichtsbarkeit zustand, auszuliefern. Es war genau dasselbe, als hätten sie ihn sein Leben für so viele Stücke Sycee-Silber loskaufen lassen. Die Opiumfrage hat nichts zu thun mit der Nationalfrage, um die es sich in diesem Falle handelt. Opium mag Contrebande seyn in Canton, und so mögen französische Spitzen Contrebande seyn in Dover; allein französische Spitzen sind nicht Contrebande, wenn sie die Meerenge von Dover auf- und abpassiren, und Opium ist nicht Contrebande, wenn es auf offner See ist. *)*) Die Opiumfrage, die sich jetzt im besten Falle als Klagelied in England und als heuchlerische List in China zeigt, hat nichts zu thun mit der Thatsache, daß der Repräsentant der Königin von England genöthigt worden, sich von der Halsschnur dadurch loszukaufen, daß er für drei Millionen Werth an Waaren aus China fortschickte. Dieß ist ein Gegenstand, bei welchem die Tories vergeblich versuchen werden zu lauern, Vexationen und Hindernisse in den Weg zu werfen. Man wird die Engländer nicht leicht überzeugen, daß sie sich der Unverschämtheit von Wilden zu unterwerfen haben, bloß weil diese Wilden eben so imbecil als unverschämt sind; man kann gute englische Hausfrauen nicht leicht überzeugen, daß sie auf ihren Thee verzichten und Schlehenblätter frühstücken sollten, weil ein tatarischer Tyrann in Mittelasien es sich in den Kopf setzt, seine Sklaven zu erdrosseln, wenn sie ihn verkaufen. Wir hegen große Hoffnungen von dieser Expedition. Trotz der Untiefen des gelben Meeres hoffen wir, daß unsere Landsleute im Stande seyn werden, uns einen umständlichen Bericht über die Pagoden von Peking zurückzubringen, und wir hoffen ferner, daß England, nach der Vertreibung der räuberischen Tyrannen, die jetzt China inne haben, den Ruhm erwerbe, dieses weite Land, mit seinen Hunderten von Millionen Seelen, der Civilisation und dem Christenthum zu gewinnen.“

Ueber das Hydro-Oxygen-Gas-Mikroskop
von Professor
Dr. Berres.

Es gehört zu den vorzüglichsten Merkmalen des denkenden Menschen, daß er rastlos nach Aufklärung aller ihn umgebenden Dinge und Erscheinungen strebt. Nicht befriedigt von der oberflächlichen Kenntniß, dringt sein unermüdeter Geist in das Innere des Geschaffenen, und verfolgt die Bildungseigenheiten bis zur äußersten Gränze hin. Wo die Unzureichlichkeit seiner Sinne ihn im Vorwärtsschreiten hemmt, da erfindet und baut sein heißes Streben Instrumente und ingeniöse Werkzeuge, und er erweitert und vervielfacht, gleichsam mit von höheren Wesen entlehnter Macht, der äußern Sinne Kraft und Schärfe. Mit gerechtem Stolz blickt Deutschland auf die Leistungen der jüngsten Epoche hin, und mit wohl überlegtem und sicherem Schritt werden nun auch die geheimsten Werkstätten der Natur erforscht und Gegenstände ins Licht gesetzt, von welchen vor kurzem noch der menschliche Geist kaum eine Ahnung hatte. Unter den vielen neuen nützlichen Verbesserungen und Entdeckungen, welche einflußreich für Gegenwart und Zukunft wirken, gehört unbestreitbar auch die Verbesserung, ja die Umstaltung der Mikroskope in der letzten Zeit. Durch Beihülfe dieser Werkzeuge mit ungewöhnlich reinem und geschärftem Blick, wird es dem Naturforscher nun möglich seyn, seinen Geist in das unbekannte Gebiet der zartesten Organisation zu leiten; und so begann auf deutschem Boden eine neue Richtung im Forschen, ja ein neuer Zweig der Naturwissenschaften. Unverkennbar und kräftig trug zur Begründung dieser Epoche unser rühmlichst bekannter Optikus Plössel bei. Er ist es, der unter dem lehrreichen und freundschaftlichen Einfluß eines Jacquin, Baumgartner, Ettingshausen und Littrow das nun oben anstehende, an höhern Lehranstalten benützte componirte Mikroskop baute, und zu jenem Grade von Vollkommenheit erhob, daß wir nun mit Klarheit und noch nie erreichter Schärfe auch die zartesten Bildungseigenthümlichkeiten richtig erkennen und aufzufassen im Stande sind. So sehr jedoch dieser Fortschritt der Optik, welchen Schik, Pistor, Chevalier und Amici zu befestigen suchten, die Naturwissenschaften neu belebte, so verbleibt das Studium der Natur in Beihülfe des componirten Mikroskops immer nur für den Einzelnen lehr- und genußreich; denn die Mittheilung der auf diesem Gebiet gesammelten Schätze an eine größere Menge ist nicht allein höchst zeitraubend, sondern kann auch gewöhnlich nur unvollkommen geschehen.

Der Wunsch, baldigst ein Instrument und überhaupt Mittel zu gewinnen, welche dazu geeignet wären, die erforschten Gegenstände gemeinnützig und faßlich einem größern wissenschaftlichen Publicum vorstellen zu können, war demnach immer lauter,

*) Aber das ausgelieferte Opium lag doch theils in Canton auf dem Lager, theils an Bord der im Hafen von Canton befindlichen englischen Schiffe, und daß es zum Absatz in China bestimmt war, unterliegt wohl nicht dem mindesten Zweifel.
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Engländern nicht ungestraft ihre Ohren abschneiden und zu verschlucken geben dürfe, tyrannisch und ungerecht verfahren sind. Eines der Toryjournale freut sich höchlich über die Entdeckung, daß das gelbe Meer voll Untiefen sey, und unsere Flotte nicht im Stande seyn werde, der Schifffahrt kundige Lootsen zu erhalten, während das große Morgenblatt (die Times) auftritt mit einem Artikel, der ein würdiges Seitenstück zu den Proclamationen des großen Lin ist. Glücklicherweise indessen ist die Gerechtigkeit unseres Streits mit China zu augenfällig, als daß man sich durch die Lügen einer Faction hintergehen ließe. Seit Jahrhunderten haben wir von den tyrannischen Statthaltern dieser Barbaren Beschimpfungen und Unbilden erduldet, die schon weit früher unsere Geduld erschöpft haben würden, wären sie nicht (aus Handelsrücksichten) dem Auge des englischen Publicums geflissentlich entzogen worden. Einmal über das andere haben diese Chinesen von brittischen Schiffen brittische Unterthanen weggeschleppt und sie öffentlich erdrosselt, weil vielleicht einer ihrer Nation durch das Abfeuern einer Salutation zufälligerweise getödtet worden war. In einem von Matheson in seinem Werk über den Handel mit China erzählten Falle ward der Kanonier, der von der &#x201E;Lady Hughes&#x201C; einen Gruß abfeuerte, wobei zufällig ein Chinese den Tod fand, den Barbaren ausgeliefert, um erdrosselt zu werden, und ward erdrosselt &#x2013; und dieß geschah auf Befehl des Schiffsofficiers. In vielen andern Fällen ward der unvorsetzliche Todtschläger listig weggefangen und ermordet. Konnte man sich des eigentlichen Thäters nicht bemächtigen, so nahm man dafür den nächsten Besten, dessen man habhaft werden konnte. Nichts als der Tod eines &#x201E;rothborstigen Barbaren&#x201C; konnte den unvorsetzlichsten und zufälligsten Tod eines Angehörigen des himmlischen Reichs sühnen. Genau diesem Grundsatz gemäß bemächtigten sich die Chinesen des Capitäns Elliot, der auf ihren eigenen ausdrücklichen Wunsch und unter der Sanction einer brittischen Parlamentsacte als Ihrer Maj. Repräsentant, sowohl als Richter wie als Gesandter, nach Canton gesendet worden war. In Uebereinstimmung mit dieser Praxis geschah es, daß sie, nachdem sie ihn und alle fremden Kaufleute in ihrer Gewalt hatten, denselben alle Verbindung mit ihren Freunden benahmen, alle Zufuhr von Lebensmitteln abschnitten, und endlich dem Capitän Elliot mit dem Tode drohten, wenn er nicht binnen drei Tagen gewissen Bedingungen beiträte. Diese Bedingungen waren, gewisses Eigenthum, das sich nicht innerhalb der chinesischen Besitzungen befand, und worüber Capitän Elliot keine Gerichtsbarkeit zustand, auszuliefern. Es war genau dasselbe, als hätten sie ihn sein Leben für so viele Stücke Sycee-Silber loskaufen lassen. Die Opiumfrage hat nichts zu thun mit der Nationalfrage, um die es sich in diesem Falle handelt. Opium mag Contrebande seyn in Canton, und so mögen französische Spitzen Contrebande seyn in Dover; allein französische Spitzen sind nicht Contrebande, wenn sie die Meerenge von Dover auf- und abpassiren, und Opium ist nicht Contrebande, wenn es auf offner See ist. <hi rendition="#sup">*)</hi><note place="foot" n="*)"> Aber das ausgelieferte Opium lag doch theils in Canton auf dem Lager, theils an Bord der im Hafen von Canton befindlichen englischen Schiffe, und daß es zum Absatz in China bestimmt war, unterliegt wohl nicht dem mindesten Zweifel.</note> Die Opiumfrage, die sich jetzt im besten Falle als Klagelied in England und als heuchlerische List in China zeigt, hat nichts zu thun mit der Thatsache, daß der Repräsentant der Königin von England genöthigt worden, sich von der Halsschnur dadurch loszukaufen, daß er für drei Millionen Werth an Waaren aus China fortschickte. Dieß ist ein Gegenstand, bei welchem die Tories vergeblich versuchen werden zu lauern, Vexationen und Hindernisse in den Weg zu werfen. Man wird die Engländer nicht leicht überzeugen, daß sie sich der Unverschämtheit von Wilden zu unterwerfen haben, bloß weil diese Wilden eben so imbecil als unverschämt sind; man kann gute englische Hausfrauen nicht leicht überzeugen, daß sie auf ihren Thee verzichten und Schlehenblätter frühstücken sollten, weil ein tatarischer Tyrann in Mittelasien es sich in den Kopf setzt, seine Sklaven zu erdrosseln, wenn sie ihn verkaufen. Wir hegen große Hoffnungen von dieser Expedition. Trotz der Untiefen des gelben Meeres hoffen wir, daß unsere Landsleute im Stande seyn werden, uns einen umständlichen Bericht über die Pagoden von Peking zurückzubringen, und wir hoffen ferner, daß England, nach der Vertreibung der räuberischen Tyrannen, die jetzt China inne haben, den Ruhm erwerbe, dieses weite Land, mit seinen Hunderten von Millionen Seelen, der Civilisation und dem Christenthum zu gewinnen.&#x201C;</p><lb/>
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[0637/0013] Engländern nicht ungestraft ihre Ohren abschneiden und zu verschlucken geben dürfe, tyrannisch und ungerecht verfahren sind. Eines der Toryjournale freut sich höchlich über die Entdeckung, daß das gelbe Meer voll Untiefen sey, und unsere Flotte nicht im Stande seyn werde, der Schifffahrt kundige Lootsen zu erhalten, während das große Morgenblatt (die Times) auftritt mit einem Artikel, der ein würdiges Seitenstück zu den Proclamationen des großen Lin ist. Glücklicherweise indessen ist die Gerechtigkeit unseres Streits mit China zu augenfällig, als daß man sich durch die Lügen einer Faction hintergehen ließe. Seit Jahrhunderten haben wir von den tyrannischen Statthaltern dieser Barbaren Beschimpfungen und Unbilden erduldet, die schon weit früher unsere Geduld erschöpft haben würden, wären sie nicht (aus Handelsrücksichten) dem Auge des englischen Publicums geflissentlich entzogen worden. Einmal über das andere haben diese Chinesen von brittischen Schiffen brittische Unterthanen weggeschleppt und sie öffentlich erdrosselt, weil vielleicht einer ihrer Nation durch das Abfeuern einer Salutation zufälligerweise getödtet worden war. In einem von Matheson in seinem Werk über den Handel mit China erzählten Falle ward der Kanonier, der von der „Lady Hughes“ einen Gruß abfeuerte, wobei zufällig ein Chinese den Tod fand, den Barbaren ausgeliefert, um erdrosselt zu werden, und ward erdrosselt – und dieß geschah auf Befehl des Schiffsofficiers. In vielen andern Fällen ward der unvorsetzliche Todtschläger listig weggefangen und ermordet. Konnte man sich des eigentlichen Thäters nicht bemächtigen, so nahm man dafür den nächsten Besten, dessen man habhaft werden konnte. Nichts als der Tod eines „rothborstigen Barbaren“ konnte den unvorsetzlichsten und zufälligsten Tod eines Angehörigen des himmlischen Reichs sühnen. Genau diesem Grundsatz gemäß bemächtigten sich die Chinesen des Capitäns Elliot, der auf ihren eigenen ausdrücklichen Wunsch und unter der Sanction einer brittischen Parlamentsacte als Ihrer Maj. Repräsentant, sowohl als Richter wie als Gesandter, nach Canton gesendet worden war. In Uebereinstimmung mit dieser Praxis geschah es, daß sie, nachdem sie ihn und alle fremden Kaufleute in ihrer Gewalt hatten, denselben alle Verbindung mit ihren Freunden benahmen, alle Zufuhr von Lebensmitteln abschnitten, und endlich dem Capitän Elliot mit dem Tode drohten, wenn er nicht binnen drei Tagen gewissen Bedingungen beiträte. Diese Bedingungen waren, gewisses Eigenthum, das sich nicht innerhalb der chinesischen Besitzungen befand, und worüber Capitän Elliot keine Gerichtsbarkeit zustand, auszuliefern. Es war genau dasselbe, als hätten sie ihn sein Leben für so viele Stücke Sycee-Silber loskaufen lassen. Die Opiumfrage hat nichts zu thun mit der Nationalfrage, um die es sich in diesem Falle handelt. Opium mag Contrebande seyn in Canton, und so mögen französische Spitzen Contrebande seyn in Dover; allein französische Spitzen sind nicht Contrebande, wenn sie die Meerenge von Dover auf- und abpassiren, und Opium ist nicht Contrebande, wenn es auf offner See ist. *) *) Die Opiumfrage, die sich jetzt im besten Falle als Klagelied in England und als heuchlerische List in China zeigt, hat nichts zu thun mit der Thatsache, daß der Repräsentant der Königin von England genöthigt worden, sich von der Halsschnur dadurch loszukaufen, daß er für drei Millionen Werth an Waaren aus China fortschickte. Dieß ist ein Gegenstand, bei welchem die Tories vergeblich versuchen werden zu lauern, Vexationen und Hindernisse in den Weg zu werfen. Man wird die Engländer nicht leicht überzeugen, daß sie sich der Unverschämtheit von Wilden zu unterwerfen haben, bloß weil diese Wilden eben so imbecil als unverschämt sind; man kann gute englische Hausfrauen nicht leicht überzeugen, daß sie auf ihren Thee verzichten und Schlehenblätter frühstücken sollten, weil ein tatarischer Tyrann in Mittelasien es sich in den Kopf setzt, seine Sklaven zu erdrosseln, wenn sie ihn verkaufen. Wir hegen große Hoffnungen von dieser Expedition. Trotz der Untiefen des gelben Meeres hoffen wir, daß unsere Landsleute im Stande seyn werden, uns einen umständlichen Bericht über die Pagoden von Peking zurückzubringen, und wir hoffen ferner, daß England, nach der Vertreibung der räuberischen Tyrannen, die jetzt China inne haben, den Ruhm erwerbe, dieses weite Land, mit seinen Hunderten von Millionen Seelen, der Civilisation und dem Christenthum zu gewinnen.“ Ueber das Hydro-Oxygen-Gas-Mikroskop von Professor Dr. Berres. _ Wien. Es gehört zu den vorzüglichsten Merkmalen des denkenden Menschen, daß er rastlos nach Aufklärung aller ihn umgebenden Dinge und Erscheinungen strebt. Nicht befriedigt von der oberflächlichen Kenntniß, dringt sein unermüdeter Geist in das Innere des Geschaffenen, und verfolgt die Bildungseigenheiten bis zur äußersten Gränze hin. Wo die Unzureichlichkeit seiner Sinne ihn im Vorwärtsschreiten hemmt, da erfindet und baut sein heißes Streben Instrumente und ingeniöse Werkzeuge, und er erweitert und vervielfacht, gleichsam mit von höheren Wesen entlehnter Macht, der äußern Sinne Kraft und Schärfe. Mit gerechtem Stolz blickt Deutschland auf die Leistungen der jüngsten Epoche hin, und mit wohl überlegtem und sicherem Schritt werden nun auch die geheimsten Werkstätten der Natur erforscht und Gegenstände ins Licht gesetzt, von welchen vor kurzem noch der menschliche Geist kaum eine Ahnung hatte. Unter den vielen neuen nützlichen Verbesserungen und Entdeckungen, welche einflußreich für Gegenwart und Zukunft wirken, gehört unbestreitbar auch die Verbesserung, ja die Umstaltung der Mikroskope in der letzten Zeit. Durch Beihülfe dieser Werkzeuge mit ungewöhnlich reinem und geschärftem Blick, wird es dem Naturforscher nun möglich seyn, seinen Geist in das unbekannte Gebiet der zartesten Organisation zu leiten; und so begann auf deutschem Boden eine neue Richtung im Forschen, ja ein neuer Zweig der Naturwissenschaften. Unverkennbar und kräftig trug zur Begründung dieser Epoche unser rühmlichst bekannter Optikus Plössel bei. Er ist es, der unter dem lehrreichen und freundschaftlichen Einfluß eines Jacquin, Baumgartner, Ettingshausen und Littrow das nun oben anstehende, an höhern Lehranstalten benützte componirte Mikroskop baute, und zu jenem Grade von Vollkommenheit erhob, daß wir nun mit Klarheit und noch nie erreichter Schärfe auch die zartesten Bildungseigenthümlichkeiten richtig erkennen und aufzufassen im Stande sind. So sehr jedoch dieser Fortschritt der Optik, welchen Schik, Pistor, Chevalier und Amici zu befestigen suchten, die Naturwissenschaften neu belebte, so verbleibt das Studium der Natur in Beihülfe des componirten Mikroskops immer nur für den Einzelnen lehr- und genußreich; denn die Mittheilung der auf diesem Gebiet gesammelten Schätze an eine größere Menge ist nicht allein höchst zeitraubend, sondern kann auch gewöhnlich nur unvollkommen geschehen. Der Wunsch, baldigst ein Instrument und überhaupt Mittel zu gewinnen, welche dazu geeignet wären, die erforschten Gegenstände gemeinnützig und faßlich einem größern wissenschaftlichen Publicum vorstellen zu können, war demnach immer lauter, *) Aber das ausgelieferte Opium lag doch theils in Canton auf dem Lager, theils an Bord der im Hafen von Canton befindlichen englischen Schiffe, und daß es zum Absatz in China bestimmt war, unterliegt wohl nicht dem mindesten Zweifel.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 80. Augsburg, 20. März 1840, S. 0637. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_080_18400320/13>, abgerufen am 21.11.2024.