Allgemeine Zeitung. Nr. 79. Augsburg, 19. März 1840.Die Commissarien haben der Versammlung angekündigt, daß die alte Majorität als neu und mit Zuwachs constituirt betrachtet werden könne. Diese Aeußerung ward mit lebhafter und einstimmiger Befriedigung aufgenommen. Die Versammlung hat sich sodann mit Bezeichnung der Candidaten beschäftigt, die für die Commission der geheimen Fonds vorgeschlagen werden sollen. Das Pays gibt über die Versammlung der Conservativen noch folgende Details: "Hr. Jacques Lefebvre hat bei der Sitzung präsidirt. Man sagt, daß der größte Theil des rechten Centrums sich dem Hrn. Duchatel anschließe, und daß wenigstens 25 Stimmen des linken Centrums den HH. Passy, Dufaure und Teste getreu bleiben. Dieß ist die loyale und nothwendige Folge des Gesetzes der Wahlverwandtschaften. Wenn sich die Fraction des linken revolutionären Centrums der revolutionären Linken mit Hrn. Thiers nähert, so ist es vernünftig und politisch, daß sich die conservative Fraction des linken Centrums mit ihren Chefs den conservativen Centren nähert. Die Conservativen aller Schattirungen werden wie Ein Mann votiren; denn die Intriguen, die Einzelnzusammenkünfte, die Drohungen mit Absetzungen und Auflösung sind zur Schmach des Ministeriums ausgeschlagen. Eine einzige Stimme, nur eine einzige, ging von Gruppe zu Gruppe umher, um zu Gunsten des Hrn. Thiers das Anwerbungssystem durch Schmeicheleien und Drohungen fortzusetzen; diese unselige Stimme war die des Hrn. Vatout. Man ließ aber Hrn. Vatout mitten in seinen unvollendeten Phrasen stehen, und kehrte ihm den Rücken." Das J. des Debats resumirt die Lage folgendermaßen: "Zwei gleich wichtige Umstände müssen der conservativen Meinung vorzugsweise am Herzen liegen: der förmliche Beitritt der Linken zu der Regierung des 1 März; die triumphirende, spottende, herausfordernde Sprache ihrer Journale, und das harmlose Stillschweigen des Ministeriums. Die alte Opposition hält mit ihren nahen Hoffnungen durchaus nicht hinter dem Berge; sie spricht von den Ministern, wie wenn sie mit ihr durch einen Theilungstractat verbunden wären. Inzwischen bewacht sie die Zugänge zur Staatsgewalt; sie stellt sich an der Thüre der Hotels und der ministeriellen Salons als Schildwache, wie ein wachsamer und interessirter Posten auf. Was das Ministerium betrifft, so läßt sich nichts weiteres darüber sagen, als daß es die Majorität nicht hat, daß es nicht weiß, wo es sie nehmen soll, daß es sie nehmen wird, wo es sie finden wird oder zu finden hofft. Dieß ist allerdings ein ganz aufrichtiges Geständniß, nur ist diese Aufrichtigkeit sehr sonderbar, und könnte leicht einen andern Namen verdienen, vorzüglich wenn man bedenkt, mit welcher Härte die Minister des 1 März ihren Vorgängern vorgeworfen haben, nicht zu sehen, wo die Majorität sey, und sich immer keck gerühmt haben, eine Majorität zu besitzen, die ganz bereit sey, für sie und mit ihnen zu regieren. Die Conservativen wissen sonach, daß die Linke dem Ministerium ihren Beistand versprochen hat. Die Journale dieser Partei behaupten, daß das Ministerium der Linken ewas versprochen habe; das aber, was das Ministerium versprochen, hat noch Niemand gesagt, und doch sollte es Jedermann so bald als möglich erfahren. Die Lage ist folgende. Wir haben ein parlamentarisches Ministerium, das ein Vertrauensvotum verlangt, um Zeit zu gewinnen, sich eine Majorität zu verschaffen. Das Vertrauen, um das man buhlt, soll durch förmliche Versprechungen und Verpflichtungen gewonnen werden. Die conservative Meinung wird ohne Zweifel einsehen, daß eine solche Lage nur zum großen Nachtheil der Ordnung, des parlamentarischen Ansehens und der Interessen des Landes länger fortdauern könnte." Auf die gestrige Frage des Journal des Debats, unter welchen geheimen Bedingungen die Linke dem Ministerium ihren Beistand leihe, antwortet der Constitutionnel, daß zwischen beiden kein geheimer Vertrag bestehe. Die Linke habe dem Cabinet nur deßhalb sich angeschlossen, weil dasselbe das constitutionelle Ergebniß der letzten Wahlen sey und mit ihm das Repräsentativsystem eine aufrichtige Anwendung finde. Ein solches Resultat beweise der Linken, daß keine Partei von der Gewalt systematisch ausgeschlossen, und daß hiezu nur eine einzige Bedingung nothwendig sey: die Majorität in den Wahlcollegien. In dem Entstehen des gegenwärtigen Ministeriums sehe die Linke eine Bürgschaft, daß jede Partei, welche die Majorität in der Kammer zu behaupten im Stande sey, außerhalb derselben kein Hinderniß zu überwinden habe. Das Beispiel des Vertrauens sey vom Thron herabgekommen, und diese edle Initiative trage ihre Früchte. Um darüber sich nicht zu freuen, müsse man jener Fraction von wüthenden Moderirten angehören, welche durchaus Zwiespalt wünschen, da, wo Alles zur Versöhnung sich neige und die royalistischer seyn wollten, als der König selbst. * Die Versammlung der Kammer in ihren Bureaux am 14 März um 1 Uhr war noch zu keiner Zeit so zahlreich und lebhaft gewesen. Mehr als 400 Mitglieder waren anwesend. Alle Minister-Deputirten hatten sich sehr früh eingefunden. Vier Gesetzesentwürfe waren an der Tagesordnung, aber nur der über die geheimen Fonds veranlaßte eine lebhafte und höchst wichtige Erörterung, indem das Ministerium erklärt hatte, daß es aus diesem Gesetz eine Cabinetsfrage mache. Das Resultat dieser ersten Prüfung war folgendes: 1stes Bureau. Hr. Lamartine ward zum Commissär ernannt. Er hatte 30 Stimmen unter 44. 2tes Bureau. Hr. Harle erhielt 20 Stimmen gegen Hrn. Ganneron mit 19. 3tes Bureau. Hr. Caumartin erhielt 24 St. gegen Hrn. Saunac mit 20. 4tes Bureau. Hr. Wustemberg erhielt 23 St. gegen Hrn. Duvergier de Hauranne mit 14. 5tes Bureau. Hr. Berville 28, Hr. Barrada 17; 6tes Bureau. Hr. Amilhau 23, Hr. Calmon 19; 7tes Bureau. Hr. Havin 27, Hr. Gaillard-Kerbertin 16; 8tes Bureau. Hr. Berryer 21, Hr. Lanyer 17; 9tes Bureau Hr. Defitte 25, Hr. Galos 17. Im Ganzen hat das Ministerium fünf Commissarien durchgesetzt, die HH. Caumartin, Berville, Berryer, Havin und Defitte. Die 221 haben deren 4, die HH. Lamartine, Harle, Wustemberg, Amilhau. Kurz das Ministerium hatte 191, die 221 183 Stimmen, ohne die weißen Zettel zu rechnen. Die Legitimisten enthielten sich an diesem Tage der Abstimmung. Die äußerste Linke votirte mit den 221. - Der Minister des Innern, der zum dritten Bureau gehört, erklärte, daß das Ministerium vollkommen und aufrichtig das Princip der parlamentarischen Regierung verwirklichen, durch die Kammern regieren, und sich auf die constitutionelle Majorität stützen würde. Das Ministerium werde suchen, die bereits gebildeten Allianzen fester zu knüpfen, diesen Allianzen aber keines der Interessen des Landes opfern. Die Wahlreform gehöre nicht zum Programm des Ministeriums; das Ministerium wolle sich durchaus nicht in die Bahn radicaler Uebertreibungen einlassen; es werde über die Septembergesetze eine Definition des Attentats geben, die geeignet sey, die constitutionellen Forderungen zu befriedigen. Auf Befehl des Kriegsministers wird im Pariser Münzgebäude eine Medaille zum Andenken an die Vertheidigung von Masagran geprägt. Die eine Seite stellt die Ansicht des Die Commissarien haben der Versammlung angekündigt, daß die alte Majorität als neu und mit Zuwachs constituirt betrachtet werden könne. Diese Aeußerung ward mit lebhafter und einstimmiger Befriedigung aufgenommen. Die Versammlung hat sich sodann mit Bezeichnung der Candidaten beschäftigt, die für die Commission der geheimen Fonds vorgeschlagen werden sollen. Das Pays gibt über die Versammlung der Conservativen noch folgende Details: „Hr. Jacques Lefebvre hat bei der Sitzung präsidirt. Man sagt, daß der größte Theil des rechten Centrums sich dem Hrn. Duchatel anschließe, und daß wenigstens 25 Stimmen des linken Centrums den HH. Passy, Dufaure und Teste getreu bleiben. Dieß ist die loyale und nothwendige Folge des Gesetzes der Wahlverwandtschaften. Wenn sich die Fraction des linken revolutionären Centrums der revolutionären Linken mit Hrn. Thiers nähert, so ist es vernünftig und politisch, daß sich die conservative Fraction des linken Centrums mit ihren Chefs den conservativen Centren nähert. Die Conservativen aller Schattirungen werden wie Ein Mann votiren; denn die Intriguen, die Einzelnzusammenkünfte, die Drohungen mit Absetzungen und Auflösung sind zur Schmach des Ministeriums ausgeschlagen. Eine einzige Stimme, nur eine einzige, ging von Gruppe zu Gruppe umher, um zu Gunsten des Hrn. Thiers das Anwerbungssystem durch Schmeicheleien und Drohungen fortzusetzen; diese unselige Stimme war die des Hrn. Vatout. Man ließ aber Hrn. Vatout mitten in seinen unvollendeten Phrasen stehen, und kehrte ihm den Rücken.“ Das J. des Débats resumirt die Lage folgendermaßen: „Zwei gleich wichtige Umstände müssen der conservativen Meinung vorzugsweise am Herzen liegen: der förmliche Beitritt der Linken zu der Regierung des 1 März; die triumphirende, spottende, herausfordernde Sprache ihrer Journale, und das harmlose Stillschweigen des Ministeriums. Die alte Opposition hält mit ihren nahen Hoffnungen durchaus nicht hinter dem Berge; sie spricht von den Ministern, wie wenn sie mit ihr durch einen Theilungstractat verbunden wären. Inzwischen bewacht sie die Zugänge zur Staatsgewalt; sie stellt sich an der Thüre der Hotels und der ministeriellen Salons als Schildwache, wie ein wachsamer und interessirter Posten auf. Was das Ministerium betrifft, so läßt sich nichts weiteres darüber sagen, als daß es die Majorität nicht hat, daß es nicht weiß, wo es sie nehmen soll, daß es sie nehmen wird, wo es sie finden wird oder zu finden hofft. Dieß ist allerdings ein ganz aufrichtiges Geständniß, nur ist diese Aufrichtigkeit sehr sonderbar, und könnte leicht einen andern Namen verdienen, vorzüglich wenn man bedenkt, mit welcher Härte die Minister des 1 März ihren Vorgängern vorgeworfen haben, nicht zu sehen, wo die Majorität sey, und sich immer keck gerühmt haben, eine Majorität zu besitzen, die ganz bereit sey, für sie und mit ihnen zu regieren. Die Conservativen wissen sonach, daß die Linke dem Ministerium ihren Beistand versprochen hat. Die Journale dieser Partei behaupten, daß das Ministerium der Linken ewas versprochen habe; das aber, was das Ministerium versprochen, hat noch Niemand gesagt, und doch sollte es Jedermann so bald als möglich erfahren. Die Lage ist folgende. Wir haben ein parlamentarisches Ministerium, das ein Vertrauensvotum verlangt, um Zeit zu gewinnen, sich eine Majorität zu verschaffen. Das Vertrauen, um das man buhlt, soll durch förmliche Versprechungen und Verpflichtungen gewonnen werden. Die conservative Meinung wird ohne Zweifel einsehen, daß eine solche Lage nur zum großen Nachtheil der Ordnung, des parlamentarischen Ansehens und der Interessen des Landes länger fortdauern könnte.“ Auf die gestrige Frage des Journal des Débats, unter welchen geheimen Bedingungen die Linke dem Ministerium ihren Beistand leihe, antwortet der Constitutionnel, daß zwischen beiden kein geheimer Vertrag bestehe. Die Linke habe dem Cabinet nur deßhalb sich angeschlossen, weil dasselbe das constitutionelle Ergebniß der letzten Wahlen sey und mit ihm das Repräsentativsystem eine aufrichtige Anwendung finde. Ein solches Resultat beweise der Linken, daß keine Partei von der Gewalt systematisch ausgeschlossen, und daß hiezu nur eine einzige Bedingung nothwendig sey: die Majorität in den Wahlcollegien. In dem Entstehen des gegenwärtigen Ministeriums sehe die Linke eine Bürgschaft, daß jede Partei, welche die Majorität in der Kammer zu behaupten im Stande sey, außerhalb derselben kein Hinderniß zu überwinden habe. Das Beispiel des Vertrauens sey vom Thron herabgekommen, und diese edle Initiative trage ihre Früchte. Um darüber sich nicht zu freuen, müsse man jener Fraction von wüthenden Moderirten angehören, welche durchaus Zwiespalt wünschen, da, wo Alles zur Versöhnung sich neige und die royalistischer seyn wollten, als der König selbst. * Die Versammlung der Kammer in ihren Bureaux am 14 März um 1 Uhr war noch zu keiner Zeit so zahlreich und lebhaft gewesen. Mehr als 400 Mitglieder waren anwesend. Alle Minister-Deputirten hatten sich sehr früh eingefunden. Vier Gesetzesentwürfe waren an der Tagesordnung, aber nur der über die geheimen Fonds veranlaßte eine lebhafte und höchst wichtige Erörterung, indem das Ministerium erklärt hatte, daß es aus diesem Gesetz eine Cabinetsfrage mache. Das Resultat dieser ersten Prüfung war folgendes: 1stes Bureau. Hr. Lamartine ward zum Commissär ernannt. Er hatte 30 Stimmen unter 44. 2tes Bureau. Hr. Harlé erhielt 20 Stimmen gegen Hrn. Ganneron mit 19. 3tes Bureau. Hr. Caumartin erhielt 24 St. gegen Hrn. Saunac mit 20. 4tes Bureau. Hr. Wustemberg erhielt 23 St. gegen Hrn. Duvergier de Hauranne mit 14. 5tes Bureau. Hr. Berville 28, Hr. Barrada 17; 6tes Bureau. Hr. Amilhau 23, Hr. Calmon 19; 7tes Bureau. Hr. Havin 27, Hr. Gaillard-Kerbertin 16; 8tes Bureau. Hr. Berryer 21, Hr. Lanyer 17; 9tes Bureau Hr. Defitte 25, Hr. Galos 17. Im Ganzen hat das Ministerium fünf Commissarien durchgesetzt, die HH. Caumartin, Berville, Berryer, Havin und Defitte. Die 221 haben deren 4, die HH. Lamartine, Harlé, Wustemberg, Amilhau. Kurz das Ministerium hatte 191, die 221 183 Stimmen, ohne die weißen Zettel zu rechnen. Die Legitimisten enthielten sich an diesem Tage der Abstimmung. Die äußerste Linke votirte mit den 221. – Der Minister des Innern, der zum dritten Bureau gehört, erklärte, daß das Ministerium vollkommen und aufrichtig das Princip der parlamentarischen Regierung verwirklichen, durch die Kammern regieren, und sich auf die constitutionelle Majorität stützen würde. Das Ministerium werde suchen, die bereits gebildeten Allianzen fester zu knüpfen, diesen Allianzen aber keines der Interessen des Landes opfern. Die Wahlreform gehöre nicht zum Programm des Ministeriums; das Ministerium wolle sich durchaus nicht in die Bahn radicaler Uebertreibungen einlassen; es werde über die Septembergesetze eine Definition des Attentats geben, die geeignet sey, die constitutionellen Forderungen zu befriedigen. 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Dieß ist die loyale und nothwendige Folge des Gesetzes der Wahlverwandtschaften. Wenn sich die Fraction des linken revolutionären Centrums der revolutionären Linken mit Hrn. Thiers nähert, so ist es vernünftig und politisch, daß sich die conservative Fraction des linken Centrums mit ihren Chefs den conservativen Centren nähert. Die Conservativen aller Schattirungen werden wie Ein Mann votiren; denn die Intriguen, die Einzelnzusammenkünfte, die Drohungen mit Absetzungen und Auflösung sind zur Schmach des Ministeriums ausgeschlagen. Eine einzige Stimme, nur eine einzige, ging von Gruppe zu Gruppe umher, um zu Gunsten des Hrn. Thiers das Anwerbungssystem durch Schmeicheleien und Drohungen fortzusetzen; diese unselige Stimme war die des Hrn. Vatout. Man ließ aber Hrn. Vatout mitten in seinen unvollendeten Phrasen stehen, und kehrte ihm den Rücken.“</p><lb/> <p>Das J. <hi rendition="#g">des Débats</hi> resumirt die Lage folgendermaßen: „Zwei gleich wichtige Umstände müssen der conservativen Meinung vorzugsweise am Herzen liegen: der förmliche Beitritt der Linken zu der Regierung des 1 März; die triumphirende, spottende, herausfordernde Sprache ihrer Journale, und das harmlose Stillschweigen des Ministeriums. Die alte Opposition hält mit ihren nahen Hoffnungen durchaus nicht hinter dem Berge; sie spricht von den Ministern, wie wenn sie mit ihr durch einen Theilungstractat verbunden wären. Inzwischen bewacht sie die Zugänge zur Staatsgewalt; sie stellt sich an der Thüre der Hotels und der ministeriellen Salons als Schildwache, wie ein wachsamer und interessirter Posten auf. Was das Ministerium betrifft, so läßt sich nichts weiteres darüber sagen, als daß es die Majorität nicht hat, daß es nicht weiß, wo es sie nehmen soll, daß es sie nehmen wird, wo es sie finden wird oder zu finden hofft. Dieß ist allerdings ein ganz aufrichtiges Geständniß, nur ist diese Aufrichtigkeit sehr sonderbar, und könnte leicht einen andern Namen verdienen, vorzüglich wenn man bedenkt, mit welcher Härte die Minister des 1 März ihren Vorgängern vorgeworfen haben, nicht zu sehen, wo die Majorität sey, und sich immer keck gerühmt haben, eine Majorität zu besitzen, die ganz bereit sey, für sie und mit ihnen zu regieren. Die Conservativen wissen sonach, daß die Linke dem Ministerium ihren Beistand versprochen hat. Die Journale dieser Partei behaupten, daß das Ministerium der Linken ewas versprochen habe; das aber, was das Ministerium versprochen, hat noch Niemand gesagt, und doch sollte es Jedermann so bald als möglich erfahren. Die Lage ist folgende. Wir haben ein parlamentarisches Ministerium, das ein Vertrauensvotum verlangt, um Zeit zu gewinnen, sich eine Majorität zu verschaffen. Das Vertrauen, um das man buhlt, soll durch förmliche Versprechungen und Verpflichtungen gewonnen werden. Die conservative Meinung wird ohne Zweifel einsehen, daß eine solche Lage nur zum großen Nachtheil der Ordnung, des parlamentarischen Ansehens und der Interessen des Landes länger fortdauern könnte.“</p><lb/> <p>Auf die gestrige Frage des <hi rendition="#g">Journal des Débats</hi>, unter welchen geheimen Bedingungen die Linke dem Ministerium ihren Beistand leihe, antwortet der <hi rendition="#g">Constitutionnel</hi>, daß zwischen beiden kein geheimer Vertrag bestehe. Die Linke habe dem Cabinet nur deßhalb sich angeschlossen, weil dasselbe das constitutionelle Ergebniß der letzten Wahlen sey und mit ihm das Repräsentativsystem eine aufrichtige Anwendung finde. 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Alle Minister-Deputirten hatten sich sehr früh eingefunden. Vier Gesetzesentwürfe waren an der Tagesordnung, aber nur der über die geheimen Fonds veranlaßte eine lebhafte und höchst wichtige Erörterung, indem das Ministerium erklärt hatte, daß es aus diesem Gesetz eine Cabinetsfrage mache. Das Resultat dieser ersten Prüfung war folgendes: 1stes Bureau. Hr. Lamartine ward zum Commissär ernannt. Er hatte 30 Stimmen unter 44. 2tes Bureau. Hr. Harlé erhielt 20 Stimmen gegen Hrn. Ganneron mit 19. 3tes Bureau. Hr. Caumartin erhielt 24 St. gegen Hrn. Saunac mit 20. 4tes Bureau. Hr. Wustemberg erhielt 23 St. gegen Hrn. Duvergier de Hauranne mit 14. 5tes Bureau. Hr. Berville 28, Hr. Barrada 17; 6tes Bureau. Hr. Amilhau 23, Hr. Calmon 19; 7tes Bureau. Hr. Havin 27, Hr. Gaillard-Kerbertin 16; 8tes Bureau. Hr. Berryer 21, Hr. Lanyer 17; 9tes Bureau Hr. Defitte 25, Hr. Galos 17. Im Ganzen hat das Ministerium fünf Commissarien durchgesetzt, die HH. Caumartin, Berville, Berryer, Havin und Defitte. Die 221 haben deren 4, die HH. Lamartine, Harlé, Wustemberg, Amilhau. Kurz das Ministerium hatte 191, die 221 183 Stimmen, ohne die weißen Zettel zu rechnen. Die Legitimisten enthielten sich an diesem Tage der Abstimmung. Die äußerste Linke votirte mit den 221. – Der Minister des Innern, der zum dritten Bureau gehört, erklärte, daß das Ministerium vollkommen und aufrichtig das Princip der parlamentarischen Regierung verwirklichen, durch die Kammern regieren, und sich auf die constitutionelle Majorität stützen würde. Das Ministerium werde suchen, die bereits gebildeten Allianzen fester zu knüpfen, diesen Allianzen aber keines der Interessen des Landes opfern. 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Die Commissarien haben der Versammlung angekündigt, daß die alte Majorität als neu und mit Zuwachs constituirt betrachtet werden könne. Diese Aeußerung ward mit lebhafter und einstimmiger Befriedigung aufgenommen. Die Versammlung hat sich sodann mit Bezeichnung der Candidaten beschäftigt, die für die Commission der geheimen Fonds vorgeschlagen werden sollen.
Das Pays gibt über die Versammlung der Conservativen noch folgende Details: „Hr. Jacques Lefebvre hat bei der Sitzung präsidirt. Man sagt, daß der größte Theil des rechten Centrums sich dem Hrn. Duchatel anschließe, und daß wenigstens 25 Stimmen des linken Centrums den HH. Passy, Dufaure und Teste getreu bleiben. Dieß ist die loyale und nothwendige Folge des Gesetzes der Wahlverwandtschaften. Wenn sich die Fraction des linken revolutionären Centrums der revolutionären Linken mit Hrn. Thiers nähert, so ist es vernünftig und politisch, daß sich die conservative Fraction des linken Centrums mit ihren Chefs den conservativen Centren nähert. Die Conservativen aller Schattirungen werden wie Ein Mann votiren; denn die Intriguen, die Einzelnzusammenkünfte, die Drohungen mit Absetzungen und Auflösung sind zur Schmach des Ministeriums ausgeschlagen. Eine einzige Stimme, nur eine einzige, ging von Gruppe zu Gruppe umher, um zu Gunsten des Hrn. Thiers das Anwerbungssystem durch Schmeicheleien und Drohungen fortzusetzen; diese unselige Stimme war die des Hrn. Vatout. Man ließ aber Hrn. Vatout mitten in seinen unvollendeten Phrasen stehen, und kehrte ihm den Rücken.“
Das J. des Débats resumirt die Lage folgendermaßen: „Zwei gleich wichtige Umstände müssen der conservativen Meinung vorzugsweise am Herzen liegen: der förmliche Beitritt der Linken zu der Regierung des 1 März; die triumphirende, spottende, herausfordernde Sprache ihrer Journale, und das harmlose Stillschweigen des Ministeriums. Die alte Opposition hält mit ihren nahen Hoffnungen durchaus nicht hinter dem Berge; sie spricht von den Ministern, wie wenn sie mit ihr durch einen Theilungstractat verbunden wären. Inzwischen bewacht sie die Zugänge zur Staatsgewalt; sie stellt sich an der Thüre der Hotels und der ministeriellen Salons als Schildwache, wie ein wachsamer und interessirter Posten auf. Was das Ministerium betrifft, so läßt sich nichts weiteres darüber sagen, als daß es die Majorität nicht hat, daß es nicht weiß, wo es sie nehmen soll, daß es sie nehmen wird, wo es sie finden wird oder zu finden hofft. Dieß ist allerdings ein ganz aufrichtiges Geständniß, nur ist diese Aufrichtigkeit sehr sonderbar, und könnte leicht einen andern Namen verdienen, vorzüglich wenn man bedenkt, mit welcher Härte die Minister des 1 März ihren Vorgängern vorgeworfen haben, nicht zu sehen, wo die Majorität sey, und sich immer keck gerühmt haben, eine Majorität zu besitzen, die ganz bereit sey, für sie und mit ihnen zu regieren. Die Conservativen wissen sonach, daß die Linke dem Ministerium ihren Beistand versprochen hat. Die Journale dieser Partei behaupten, daß das Ministerium der Linken ewas versprochen habe; das aber, was das Ministerium versprochen, hat noch Niemand gesagt, und doch sollte es Jedermann so bald als möglich erfahren. Die Lage ist folgende. Wir haben ein parlamentarisches Ministerium, das ein Vertrauensvotum verlangt, um Zeit zu gewinnen, sich eine Majorität zu verschaffen. Das Vertrauen, um das man buhlt, soll durch förmliche Versprechungen und Verpflichtungen gewonnen werden. Die conservative Meinung wird ohne Zweifel einsehen, daß eine solche Lage nur zum großen Nachtheil der Ordnung, des parlamentarischen Ansehens und der Interessen des Landes länger fortdauern könnte.“
Auf die gestrige Frage des Journal des Débats, unter welchen geheimen Bedingungen die Linke dem Ministerium ihren Beistand leihe, antwortet der Constitutionnel, daß zwischen beiden kein geheimer Vertrag bestehe. Die Linke habe dem Cabinet nur deßhalb sich angeschlossen, weil dasselbe das constitutionelle Ergebniß der letzten Wahlen sey und mit ihm das Repräsentativsystem eine aufrichtige Anwendung finde. Ein solches Resultat beweise der Linken, daß keine Partei von der Gewalt systematisch ausgeschlossen, und daß hiezu nur eine einzige Bedingung nothwendig sey: die Majorität in den Wahlcollegien. In dem Entstehen des gegenwärtigen Ministeriums sehe die Linke eine Bürgschaft, daß jede Partei, welche die Majorität in der Kammer zu behaupten im Stande sey, außerhalb derselben kein Hinderniß zu überwinden habe. Das Beispiel des Vertrauens sey vom Thron herabgekommen, und diese edle Initiative trage ihre Früchte. Um darüber sich nicht zu freuen, müsse man jener Fraction von wüthenden Moderirten angehören, welche durchaus Zwiespalt wünschen, da, wo Alles zur Versöhnung sich neige und die royalistischer seyn wollten, als der König selbst.
* Die Versammlung der Kammer in ihren Bureaux am 14 März um 1 Uhr war noch zu keiner Zeit so zahlreich und lebhaft gewesen. Mehr als 400 Mitglieder waren anwesend. Alle Minister-Deputirten hatten sich sehr früh eingefunden. Vier Gesetzesentwürfe waren an der Tagesordnung, aber nur der über die geheimen Fonds veranlaßte eine lebhafte und höchst wichtige Erörterung, indem das Ministerium erklärt hatte, daß es aus diesem Gesetz eine Cabinetsfrage mache. Das Resultat dieser ersten Prüfung war folgendes: 1stes Bureau. Hr. Lamartine ward zum Commissär ernannt. Er hatte 30 Stimmen unter 44. 2tes Bureau. Hr. Harlé erhielt 20 Stimmen gegen Hrn. Ganneron mit 19. 3tes Bureau. Hr. Caumartin erhielt 24 St. gegen Hrn. Saunac mit 20. 4tes Bureau. Hr. Wustemberg erhielt 23 St. gegen Hrn. Duvergier de Hauranne mit 14. 5tes Bureau. Hr. Berville 28, Hr. Barrada 17; 6tes Bureau. Hr. Amilhau 23, Hr. Calmon 19; 7tes Bureau. Hr. Havin 27, Hr. Gaillard-Kerbertin 16; 8tes Bureau. Hr. Berryer 21, Hr. Lanyer 17; 9tes Bureau Hr. Defitte 25, Hr. Galos 17. Im Ganzen hat das Ministerium fünf Commissarien durchgesetzt, die HH. Caumartin, Berville, Berryer, Havin und Defitte. Die 221 haben deren 4, die HH. Lamartine, Harlé, Wustemberg, Amilhau. Kurz das Ministerium hatte 191, die 221 183 Stimmen, ohne die weißen Zettel zu rechnen. Die Legitimisten enthielten sich an diesem Tage der Abstimmung. Die äußerste Linke votirte mit den 221. – Der Minister des Innern, der zum dritten Bureau gehört, erklärte, daß das Ministerium vollkommen und aufrichtig das Princip der parlamentarischen Regierung verwirklichen, durch die Kammern regieren, und sich auf die constitutionelle Majorität stützen würde. Das Ministerium werde suchen, die bereits gebildeten Allianzen fester zu knüpfen, diesen Allianzen aber keines der Interessen des Landes opfern. Die Wahlreform gehöre nicht zum Programm des Ministeriums; das Ministerium wolle sich durchaus nicht in die Bahn radicaler Uebertreibungen einlassen; es werde über die Septembergesetze eine Definition des Attentats geben, die geeignet sey, die constitutionellen Forderungen zu befriedigen.
Auf Befehl des Kriegsministers wird im Pariser Münzgebäude eine Medaille zum Andenken an die Vertheidigung von Masagran geprägt. Die eine Seite stellt die Ansicht des
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