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Allgemeine Zeitung. Nr. 69. Augsburg, 9. März 1840.

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Weise begegnet? Hat es Veranlassung gegeben zu diesen Schritten? Ist es abgewichen von der deutschen Treue, und was thut es, um zu dem ihm entzogenen Rechte wieder zu gelangen? Tritt es mit Gewalt auf, um es wieder zu gewinnen, was man ihm genommen? Ist es entbrannt in wildem Aufruhr? Nein! Ruhig, in den Schranken des Gesetzes, durch das bescheidene Mittel der Bitte sucht es Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Und doch ist sie ihm nicht gewährt worden. Das kann unmöglich zum guten Ende führen. Eben darum aber erzittert der Nothschrei des Entsetzens durch das ganze deutsche Land, und keiner Ständeversammlung, die noch reden darf, mag es verargt werden, wenn sie redet. Ja, es ist für jede Kammer eine heilige Pflicht, Alles aufzubieten, was in ihrer Kraft steht, um den gestörten Rechtszustand von Hannover und mittelbar von ganz Deutschland wieder herstellen zu helfen. Die unsrige steht eben im Begriff, dieß zu thun. Wohl halten Manche dieß für ein nutzloses Beginnen, für ein deutsches Brudervolk in die Schranken zu treten; wohl sprechen viele: was kann es helfen, daß die Ständeversammlung z. B. von Sachsen Anträge stellt, wie sie von der Deputation vorgeschlagen sind? Ich theile diese Ansicht nicht. Anträge zu stellen steht uns verfassungsmäßig zu. Wir stellen sie an unsere Regierung, die bei dem deutschen Bunde repräsentirt ist wie jede andere deutsche Regierung. Wollten wir also bezweifeln, daß unsere Anträge nicht befördert und berücksichtigt würden, so müßten wir den constitutionellen Sinn unserer Regierung bezweifeln, was mir bei den unzweideutigen Zeichen, die sie namentlich auch in dieser Sache an den Tag gelegt hat, nicht in den Sinn kommen soll. Warum also zweifeln an dem Erfolge? Was wir thun, werden alle deutschen Volkskammern thun. Und thun sie es, wird da die hohe Bundesversammlung zu Frankfurt den Wünschen der Völker Gehör versagen? Sie wird es nicht, sie kann es nicht. Thäte sie es, so würde erstens der Rechtsboden von Deutschland unsicherer, als er je gewesen ist, schon weil dadurch eine Basis des Rechts, die Heiligkeit des Eides, hinweggenommen wäre. Was bindet den Schwachen an seine Pflicht? Der von ihm geleistete Eid. Blickt man aber auf jenes Land, wo man dessen, was man gestern beschworen hat, heute wieder entbunden wird, kann dieser Blick, dieses Beispiel den Werth des Eides erhalten? Aber werden nicht von oben Dämme gebaut, um dem Strom Einhalt zu thun; werden von den Mächtigen dieser Erde die Dämme selbst noch durchbrochen, was will da das Volk thun? Ist nicht das Beispiel der Großen gewöhnlich das Signal für die Kleinen? Wenn aber Eide beliebig aufrecht erhalten werden können; wenn von dem, was vor wenigen Monden beschworen worden ist, bald das Gegentheil gilt; wenn mir mein Oberer den Glauben aufnöthigen darf, daß ich an mein eidlich gegebenes Wort nicht gebunden sey, wo ist da die Heiligkeit des Eides? und wenn sie nicht mehr ist, wo will da das ewige Recht noch halten? - Hiernächst aber glaube ich, ist auch aus einem zweiten Grunde nicht zu befürchten, daß unsern Anträgen keine Folge gegeben wird. Geschähe es, schwiege man zu offenbarem Unrechte noch länger, so glaube ich, würde das Vertrauen der Völker zu dem hohen deutschen Bunde geschwächt werden. Ohnehin hat solches, wie nicht zu verkennen ist, schon manchen Stoß erlitten, weil Vertrauen nur durch Oeffentlichkeit gewonnen und erhalten wird. Was aber bei der hohen Bundesversammlung zu Frankfurt verhandelt wird, geschieht in Nebelregionen des Geheimnisses...."

Präsident Dr. Haase: "Ich bitte den Sprecher, in seiner Rede dergleichen Bilder wegzulassen, welche zu unangenehmen Mißverständnissen führen möchten. Dasselbe, was er auf die von ihm gewählte Weise, allem Anscheine nach, jetzt der Kammer bemerklich machen will, läßt sich mit den Worten der Deputation in ihrem Berichte ganz einfach darauf zurückführen, daß die Protokolle der Bundestagsverhandlungen in der Regel nicht veröffentlicht werden. Ich ersuche den Sprecher, diese Erinnerung im Fortgange seiner Rede vor Augen zu behalten."

Abg. Todt: "Ich muß bekennen, daß ich nicht im mindesten befürchtet habe, bei dieser Redeweise anzustoßen, da das, was ich sagte, auch bereits gedruckt vorliegt; denn wenn ich es auch auf andere Weise ausgedrückt habe, so ist es doch im Grunde dasselbe. Wenn aber Bedenken vorliegen, namentlich wenn ich schuld seyn sollte, daß die jetzige Sitzung in eine geheime übergehen müßte, so will ich mich gern der weitern Ausführung dieses zweiten Punktes enthalten, muß aber dann nur um Nachsicht bitten, daß ich in der Ausführung meiner Gründe nicht gewähren kann, was ich wohl hätte gewähren müssen, wenn ich einen vollgültigen Beweis führen soll. Ich schließe also damit, daß ich noch auf die ernsten Folgen aufmerksam mache, die aus dem Ereigniß entstehen können, und ich glaube, dieß eben ist ein dritter Grund, weßhalb nicht zu befürchten steht, daß unsern Anträgen keine Folge werde gegeben werden. Wenn das loyale Benehmen eines verlassenen Volkes nicht Hülfe findet da, wo es allein sie finden kann und bis jetzt vertrauensvoll gesucht hat, so dürften leicht Ereignisse eintreten, die der Patriot weit entfernt wünscht. Wenn aber der Bogen zu sehr angespannt wird, so springt er leicht, und es ist ein wahres Wort, was einer unserer gefeiertsten Dichter (Schiller durch die Worte Stauffachers in "Wilhelm Tell") sagt:

"Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden,
Wenn unerträglich wird die Last, greift er
Hinauf getrosten Muthes in den Himmel,
Und holt herunter seine ew'gen Rechte,
Die droben hangen unveräußerlich
Und unzerbrechlich, wie die Sterne selbst -
Zum letzten Mittel, wenn kein andres mehr
Verfangen will, ist ihm das Schwert gegeben - "

Vor solch einem Zustande" ... - Präsident Dr. Haase: "Der Sprecher hat meine frühere Erinnerung unbeachtet gelassen, und nöthigt mich dadurch, ihm die Fortsetzung seiner Rede nicht weiter zu gestatten." - Staatsminister v. Zeschau: "Ich glaube, die Rede hat eine Wendung genommen, daß man sie mit Wahrheit einer revolutionären vergleichen kann, und in der That, meine Herren, besorge ich, daß die sächsischen Kammern, wenn in ihnen derartige Reden gehalten werden, den Ruf, welchen sie bis jetzt bewahrt haben, gänzlich verlieren werden. Das Ministerium muß erklären, daß, wenn nicht entweder in öffentlicher Sitzung den Reden eine zweckmäßigere oder bessere Haltung gegeben wird, es auf geheime Sitzung anzutragen hat, oder überhaupt fernern Discussionen über diesen Gegenstand gar nicht beiwohnen kann."

Abg. Todt: "Ich werde unter diesen Umständen meine Rede schließen. Nur muß ich gegen die Aeußerung des Ministeriums protestiren, als wenn meine Rede revolutionär gewesen wäre. Hätte man mich aussprechen lassen, so würde ich hinzugesetzt haben, was hinzuzusetzen war. Es sey fern von mir, den von mir geschilderten Zustand herbeiführen zu wollen; ich habe im Gegentheil hinzusetzen wollen, daß ich ihn fürchte und verabscheue. Meine Rede ist geschlossen." Staatsminister v. Zeschau: "Ich kann meine Erklärung nicht zurücknehmen, daß ich diese Rede für revolutionär und aufregend halte. Jeder, der sie unbefangen hört und liest, wird diese Ansicht theilen."

(Fortsetzung folgt.)

Weise begegnet? Hat es Veranlassung gegeben zu diesen Schritten? Ist es abgewichen von der deutschen Treue, und was thut es, um zu dem ihm entzogenen Rechte wieder zu gelangen? Tritt es mit Gewalt auf, um es wieder zu gewinnen, was man ihm genommen? Ist es entbrannt in wildem Aufruhr? Nein! Ruhig, in den Schranken des Gesetzes, durch das bescheidene Mittel der Bitte sucht es Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Und doch ist sie ihm nicht gewährt worden. Das kann unmöglich zum guten Ende führen. Eben darum aber erzittert der Nothschrei des Entsetzens durch das ganze deutsche Land, und keiner Ständeversammlung, die noch reden darf, mag es verargt werden, wenn sie redet. Ja, es ist für jede Kammer eine heilige Pflicht, Alles aufzubieten, was in ihrer Kraft steht, um den gestörten Rechtszustand von Hannover und mittelbar von ganz Deutschland wieder herstellen zu helfen. Die unsrige steht eben im Begriff, dieß zu thun. Wohl halten Manche dieß für ein nutzloses Beginnen, für ein deutsches Brudervolk in die Schranken zu treten; wohl sprechen viele: was kann es helfen, daß die Ständeversammlung z. B. von Sachsen Anträge stellt, wie sie von der Deputation vorgeschlagen sind? Ich theile diese Ansicht nicht. Anträge zu stellen steht uns verfassungsmäßig zu. Wir stellen sie an unsere Regierung, die bei dem deutschen Bunde repräsentirt ist wie jede andere deutsche Regierung. Wollten wir also bezweifeln, daß unsere Anträge nicht befördert und berücksichtigt würden, so müßten wir den constitutionellen Sinn unserer Regierung bezweifeln, was mir bei den unzweideutigen Zeichen, die sie namentlich auch in dieser Sache an den Tag gelegt hat, nicht in den Sinn kommen soll. Warum also zweifeln an dem Erfolge? Was wir thun, werden alle deutschen Volkskammern thun. Und thun sie es, wird da die hohe Bundesversammlung zu Frankfurt den Wünschen der Völker Gehör versagen? Sie wird es nicht, sie kann es nicht. Thäte sie es, so würde erstens der Rechtsboden von Deutschland unsicherer, als er je gewesen ist, schon weil dadurch eine Basis des Rechts, die Heiligkeit des Eides, hinweggenommen wäre. Was bindet den Schwachen an seine Pflicht? Der von ihm geleistete Eid. Blickt man aber auf jenes Land, wo man dessen, was man gestern beschworen hat, heute wieder entbunden wird, kann dieser Blick, dieses Beispiel den Werth des Eides erhalten? Aber werden nicht von oben Dämme gebaut, um dem Strom Einhalt zu thun; werden von den Mächtigen dieser Erde die Dämme selbst noch durchbrochen, was will da das Volk thun? Ist nicht das Beispiel der Großen gewöhnlich das Signal für die Kleinen? Wenn aber Eide beliebig aufrecht erhalten werden können; wenn von dem, was vor wenigen Monden beschworen worden ist, bald das Gegentheil gilt; wenn mir mein Oberer den Glauben aufnöthigen darf, daß ich an mein eidlich gegebenes Wort nicht gebunden sey, wo ist da die Heiligkeit des Eides? und wenn sie nicht mehr ist, wo will da das ewige Recht noch halten? – Hiernächst aber glaube ich, ist auch aus einem zweiten Grunde nicht zu befürchten, daß unsern Anträgen keine Folge gegeben wird. Geschähe es, schwiege man zu offenbarem Unrechte noch länger, so glaube ich, würde das Vertrauen der Völker zu dem hohen deutschen Bunde geschwächt werden. Ohnehin hat solches, wie nicht zu verkennen ist, schon manchen Stoß erlitten, weil Vertrauen nur durch Oeffentlichkeit gewonnen und erhalten wird. Was aber bei der hohen Bundesversammlung zu Frankfurt verhandelt wird, geschieht in Nebelregionen des Geheimnisses....“

Präsident Dr. Haase: „Ich bitte den Sprecher, in seiner Rede dergleichen Bilder wegzulassen, welche zu unangenehmen Mißverständnissen führen möchten. Dasselbe, was er auf die von ihm gewählte Weise, allem Anscheine nach, jetzt der Kammer bemerklich machen will, läßt sich mit den Worten der Deputation in ihrem Berichte ganz einfach darauf zurückführen, daß die Protokolle der Bundestagsverhandlungen in der Regel nicht veröffentlicht werden. Ich ersuche den Sprecher, diese Erinnerung im Fortgange seiner Rede vor Augen zu behalten.“

Abg. Todt: „Ich muß bekennen, daß ich nicht im mindesten befürchtet habe, bei dieser Redeweise anzustoßen, da das, was ich sagte, auch bereits gedruckt vorliegt; denn wenn ich es auch auf andere Weise ausgedrückt habe, so ist es doch im Grunde dasselbe. Wenn aber Bedenken vorliegen, namentlich wenn ich schuld seyn sollte, daß die jetzige Sitzung in eine geheime übergehen müßte, so will ich mich gern der weitern Ausführung dieses zweiten Punktes enthalten, muß aber dann nur um Nachsicht bitten, daß ich in der Ausführung meiner Gründe nicht gewähren kann, was ich wohl hätte gewähren müssen, wenn ich einen vollgültigen Beweis führen soll. Ich schließe also damit, daß ich noch auf die ernsten Folgen aufmerksam mache, die aus dem Ereigniß entstehen können, und ich glaube, dieß eben ist ein dritter Grund, weßhalb nicht zu befürchten steht, daß unsern Anträgen keine Folge werde gegeben werden. Wenn das loyale Benehmen eines verlassenen Volkes nicht Hülfe findet da, wo es allein sie finden kann und bis jetzt vertrauensvoll gesucht hat, so dürften leicht Ereignisse eintreten, die der Patriot weit entfernt wünscht. Wenn aber der Bogen zu sehr angespannt wird, so springt er leicht, und es ist ein wahres Wort, was einer unserer gefeiertsten Dichter (Schiller durch die Worte Stauffachers in „Wilhelm Tell“) sagt:

„Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden,
Wenn unerträglich wird die Last, greift er
Hinauf getrosten Muthes in den Himmel,
Und holt herunter seine ew'gen Rechte,
Die droben hangen unveräußerlich
Und unzerbrechlich, wie die Sterne selbst –
Zum letzten Mittel, wenn kein andres mehr
Verfangen will, ist ihm das Schwert gegeben – “

Vor solch einem Zustande“ ... – Präsident Dr. Haase: „Der Sprecher hat meine frühere Erinnerung unbeachtet gelassen, und nöthigt mich dadurch, ihm die Fortsetzung seiner Rede nicht weiter zu gestatten.“ – Staatsminister v. Zeschau: „Ich glaube, die Rede hat eine Wendung genommen, daß man sie mit Wahrheit einer revolutionären vergleichen kann, und in der That, meine Herren, besorge ich, daß die sächsischen Kammern, wenn in ihnen derartige Reden gehalten werden, den Ruf, welchen sie bis jetzt bewahrt haben, gänzlich verlieren werden. Das Ministerium muß erklären, daß, wenn nicht entweder in öffentlicher Sitzung den Reden eine zweckmäßigere oder bessere Haltung gegeben wird, es auf geheime Sitzung anzutragen hat, oder überhaupt fernern Discussionen über diesen Gegenstand gar nicht beiwohnen kann.“

Abg. Todt: „Ich werde unter diesen Umständen meine Rede schließen. Nur muß ich gegen die Aeußerung des Ministeriums protestiren, als wenn meine Rede revolutionär gewesen wäre. Hätte man mich aussprechen lassen, so würde ich hinzugesetzt haben, was hinzuzusetzen war. Es sey fern von mir, den von mir geschilderten Zustand herbeiführen zu wollen; ich habe im Gegentheil hinzusetzen wollen, daß ich ihn fürchte und verabscheue. Meine Rede ist geschlossen.“ Staatsminister v. Zeschau: „Ich kann meine Erklärung nicht zurücknehmen, daß ich diese Rede für revolutionär und aufregend halte. Jeder, der sie unbefangen hört und liest, wird diese Ansicht theilen.“

(Fortsetzung folgt.)

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[0549/0013] Weise begegnet? Hat es Veranlassung gegeben zu diesen Schritten? Ist es abgewichen von der deutschen Treue, und was thut es, um zu dem ihm entzogenen Rechte wieder zu gelangen? Tritt es mit Gewalt auf, um es wieder zu gewinnen, was man ihm genommen? Ist es entbrannt in wildem Aufruhr? Nein! Ruhig, in den Schranken des Gesetzes, durch das bescheidene Mittel der Bitte sucht es Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Und doch ist sie ihm nicht gewährt worden. Das kann unmöglich zum guten Ende führen. Eben darum aber erzittert der Nothschrei des Entsetzens durch das ganze deutsche Land, und keiner Ständeversammlung, die noch reden darf, mag es verargt werden, wenn sie redet. Ja, es ist für jede Kammer eine heilige Pflicht, Alles aufzubieten, was in ihrer Kraft steht, um den gestörten Rechtszustand von Hannover und mittelbar von ganz Deutschland wieder herstellen zu helfen. Die unsrige steht eben im Begriff, dieß zu thun. Wohl halten Manche dieß für ein nutzloses Beginnen, für ein deutsches Brudervolk in die Schranken zu treten; wohl sprechen viele: was kann es helfen, daß die Ständeversammlung z. B. von Sachsen Anträge stellt, wie sie von der Deputation vorgeschlagen sind? Ich theile diese Ansicht nicht. Anträge zu stellen steht uns verfassungsmäßig zu. Wir stellen sie an unsere Regierung, die bei dem deutschen Bunde repräsentirt ist wie jede andere deutsche Regierung. Wollten wir also bezweifeln, daß unsere Anträge nicht befördert und berücksichtigt würden, so müßten wir den constitutionellen Sinn unserer Regierung bezweifeln, was mir bei den unzweideutigen Zeichen, die sie namentlich auch in dieser Sache an den Tag gelegt hat, nicht in den Sinn kommen soll. Warum also zweifeln an dem Erfolge? Was wir thun, werden alle deutschen Volkskammern thun. Und thun sie es, wird da die hohe Bundesversammlung zu Frankfurt den Wünschen der Völker Gehör versagen? Sie wird es nicht, sie kann es nicht. Thäte sie es, so würde erstens der Rechtsboden von Deutschland unsicherer, als er je gewesen ist, schon weil dadurch eine Basis des Rechts, die Heiligkeit des Eides, hinweggenommen wäre. Was bindet den Schwachen an seine Pflicht? Der von ihm geleistete Eid. Blickt man aber auf jenes Land, wo man dessen, was man gestern beschworen hat, heute wieder entbunden wird, kann dieser Blick, dieses Beispiel den Werth des Eides erhalten? Aber werden nicht von oben Dämme gebaut, um dem Strom Einhalt zu thun; werden von den Mächtigen dieser Erde die Dämme selbst noch durchbrochen, was will da das Volk thun? Ist nicht das Beispiel der Großen gewöhnlich das Signal für die Kleinen? 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Was aber bei der hohen Bundesversammlung zu Frankfurt verhandelt wird, geschieht in Nebelregionen des Geheimnisses....“ Präsident Dr. Haase: „Ich bitte den Sprecher, in seiner Rede dergleichen Bilder wegzulassen, welche zu unangenehmen Mißverständnissen führen möchten. Dasselbe, was er auf die von ihm gewählte Weise, allem Anscheine nach, jetzt der Kammer bemerklich machen will, läßt sich mit den Worten der Deputation in ihrem Berichte ganz einfach darauf zurückführen, daß die Protokolle der Bundestagsverhandlungen in der Regel nicht veröffentlicht werden. Ich ersuche den Sprecher, diese Erinnerung im Fortgange seiner Rede vor Augen zu behalten.“ Abg. Todt: „Ich muß bekennen, daß ich nicht im mindesten befürchtet habe, bei dieser Redeweise anzustoßen, da das, was ich sagte, auch bereits gedruckt vorliegt; denn wenn ich es auch auf andere Weise ausgedrückt habe, so ist es doch im Grunde dasselbe. Wenn aber Bedenken vorliegen, namentlich wenn ich schuld seyn sollte, daß die jetzige Sitzung in eine geheime übergehen müßte, so will ich mich gern der weitern Ausführung dieses zweiten Punktes enthalten, muß aber dann nur um Nachsicht bitten, daß ich in der Ausführung meiner Gründe nicht gewähren kann, was ich wohl hätte gewähren müssen, wenn ich einen vollgültigen Beweis führen soll. Ich schließe also damit, daß ich noch auf die ernsten Folgen aufmerksam mache, die aus dem Ereigniß entstehen können, und ich glaube, dieß eben ist ein dritter Grund, weßhalb nicht zu befürchten steht, daß unsern Anträgen keine Folge werde gegeben werden. Wenn das loyale Benehmen eines verlassenen Volkes nicht Hülfe findet da, wo es allein sie finden kann und bis jetzt vertrauensvoll gesucht hat, so dürften leicht Ereignisse eintreten, die der Patriot weit entfernt wünscht. Wenn aber der Bogen zu sehr angespannt wird, so springt er leicht, und es ist ein wahres Wort, was einer unserer gefeiertsten Dichter (Schiller durch die Worte Stauffachers in „Wilhelm Tell“) sagt: „Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden, Wenn unerträglich wird die Last, greift er Hinauf getrosten Muthes in den Himmel, Und holt herunter seine ew'gen Rechte, Die droben hangen unveräußerlich Und unzerbrechlich, wie die Sterne selbst – Zum letzten Mittel, wenn kein andres mehr Verfangen will, ist ihm das Schwert gegeben – “ Vor solch einem Zustande“ ... – Präsident Dr. Haase: „Der Sprecher hat meine frühere Erinnerung unbeachtet gelassen, und nöthigt mich dadurch, ihm die Fortsetzung seiner Rede nicht weiter zu gestatten.“ – Staatsminister v. Zeschau: „Ich glaube, die Rede hat eine Wendung genommen, daß man sie mit Wahrheit einer revolutionären vergleichen kann, und in der That, meine Herren, besorge ich, daß die sächsischen Kammern, wenn in ihnen derartige Reden gehalten werden, den Ruf, welchen sie bis jetzt bewahrt haben, gänzlich verlieren werden. Das Ministerium muß erklären, daß, wenn nicht entweder in öffentlicher Sitzung den Reden eine zweckmäßigere oder bessere Haltung gegeben wird, es auf geheime Sitzung anzutragen hat, oder überhaupt fernern Discussionen über diesen Gegenstand gar nicht beiwohnen kann.“ Abg. Todt: „Ich werde unter diesen Umständen meine Rede schließen. Nur muß ich gegen die Aeußerung des Ministeriums protestiren, als wenn meine Rede revolutionär gewesen wäre. Hätte man mich aussprechen lassen, so würde ich hinzugesetzt haben, was hinzuzusetzen war. Es sey fern von mir, den von mir geschilderten Zustand herbeiführen zu wollen; ich habe im Gegentheil hinzusetzen wollen, daß ich ihn fürchte und verabscheue. Meine Rede ist geschlossen.“ Staatsminister v. Zeschau: „Ich kann meine Erklärung nicht zurücknehmen, daß ich diese Rede für revolutionär und aufregend halte. Jeder, der sie unbefangen hört und liest, wird diese Ansicht theilen.“ (Fortsetzung folgt.)

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 69. Augsburg, 9. März 1840, S. 0549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_069_18400309/13>, abgerufen am 24.11.2024.