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Allgemeine Zeitung. Nr. 66. Augsburg, 6. März 1840.

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schöpfen zu müssen geglaubt hat. Sie vermag um so mehr sich dieser Pflicht mit vollster Offenheit und Unparteilichkeit zu unterziehen, als sie eine Mißdeutung ihrer Ansichten nicht befürchten darf, da es sich dabei nicht um Abwehrung einer auch nur in fernster Zukunft dem Königreich Sachsen von innen heraus drohenden Gefahr handelt. Allein das Königreich Sachsen ist ein Bestandtheil des deutschen Bundes, und aus diesem Grunde dürfen die Stände Sachsens nicht verschweigen, was sie für das Gesammtwohl des deutschen Vaterlandes nützlich halten; dürfen auch nicht Grundsätze, welche ihnen gefährlich scheinen, stillschweigend billigen. Muß also die Deputation die in dem Patente Sr. Maj. des gegenwärtigen Königs von Hannover vom 1 Nov. 1837 enthaltenen Thatsachen und Rechtsgründe einer unbefangenen Prüfung unterwerfen, so wird sich aus dem Folgenden ergeben, daß jene, zum großen Theile wenigstens, und so weit sie auf den ersten Blick erheblich zu seyn scheinen, auf einem Irrthum beruhen, und diese einer staatsrechtlichen Begründung gänzlich ermangeln. Der vorgebliche, von der constituirenden Ständeversammlung des Königreichs Hannover ausgesprochene Grundsatz, daß die Errichtung eines neuen Staatsgrundgesetzes nur durch einhelliges Zusammenwirken des Königs und der Stände zu Stande gebracht werden könne, stützt sich nämlich auf keinen ständischen Antrag, sondern ist nur in den demselben vorangeschickten Motiven beiläufig erwähnt, nicht aber als eine Bedingung aufgestellt worden, unter welcher und sonst nicht das Staatsgrundgesetz erzielt werden könne und solle... Noch weniger war der Grundsatz, daß die Errichtung eines neuen Staatsgrundgesetzes nur durch einhelliges Zusammenwirken des Königs und der Stände zu Stande gebracht werden könne, von der hannover'schen Regierung anerkannt und angenommen worden. Dieselbe hatte vielmehr erklärt, daß sie sich ihre Entschließung über den Entwurf der Verfassung im Allgemeinen so wie über einzelne Theile desselben ausdrücklich vorbehielte - ein Recht, welches ihr nach der damals bestehenden Verfassung nicht streitig gemacht werden konnte. Eben so wenig läßt sich im Allgemeinen behaupten, daß Verfassungen deutscher Länder ungültig seyn müßten, wenn sie nicht durch Vertrag begründet, sondern octroyirt wären. Die Erfahrung ist dem ganz entgegen; denn die Verfassungen Nassau's vom Jahr 1814, Bayerns und Badens vom Jahr 1818 sind octroyirt, und Niemandem ist beigegangen, sie deßhalb für unwirksam und unverbindlich anzusehen. Bei Hannover kommt aber noch hinzu, daß die ständische Adresse vom 11 Dec. 1833 mit klaren Worten sagt: "die Stände nehmen dieses Staatsgrundgesetz an, wie solches von Sr. Majestät publicirt worden, als Grundlage des Staates." Wären aber auch die im Patente vom 1 Nov. 1837 enthaltenen thatsächlichen Angaben ohne Ausnahme gegründet, was nach dem Vorhergehenden keineswegs der Fall ist, so würden die daran geknüpften staatsrechtlichen Folgerungen dennoch falsch seyn, weil unter jener Voraussetzung nicht das ganze Staatsgrundgesetz, sondern nur einzelne, im Widerspruche mit dem getroffenen Uebereinkommen demselben einverleibte Bestimmungen als ungültig betrachtet werden könnten. Auch dazu würden höchstens nur die Stände, nicht aber der Regent berechtigt gewesen seyn, dem jedenfalls die Pflicht oblag, die Handlungen seines Vorgängers anzuerkennen. Der zweite Grund, welchen das mehrerwähnte Patent für die Aufhebung des Staatsgrundgesetzes anführt, besteht darin, daß dasselbe die agnatischen Rechte des Königs tief kränke und dessen Regierungsrechte wesentlich verletze. Da nicht gesagt wird, worin die angebliche Kränkung der agnatischen und die Verletzung der Regierungsrechte bestehe, so ist allerdings schwer zu errathen, was damit eigentlich gemeint sey. Es kann dieß höchstens nur vermuthet werden. Will man damit behaupten, daß ein deutscher Regent der Zustimmung seiner Agnaten bedürfe, um Regierungshandlungen gültigerweise vornehmen zu können, so würde ein solcher Grundsatz eben so unausführbar seyn, als er den positiven Bestimmungen des deutschen Staatsrechts widerspricht. Er würde unausführbar seyn, weil bei Lebzeiten eines Regenten gar nicht voraus zu wissen ist, welcher Agnat dessen Nachfolger seyn wird und daher bei dessen Regierungshandlungen seine Zustimmung zu ertheilen hat. Bei mehreren Agnaten könnte aber wiederum der Fall eintreten, daß sie verschiedener Meinung wären. Sollten nun diese alle gefragt werden müssen, so könnte es leicht dahin kommen, daß wegen mangelnder Uebereinstimmung überhaupt gar keine Regierungshandlungen möglich wären. Er widerspricht aber auch den positiven Bestimmungen des deutschen Staatsrechts, indem der Art. 57 der Wiener Schlußacte ausdrücklich festsetzt, daß die gesammte Staatsgewalt in dem Oberhaupte des Staats vereinigt bleiben soll. Sollten unter den agnatischen Rechten des Königs Rechte auf die Krongüter verstanden worden seyn, welche durch das Staatsgrundgesetz von 1833, gegen Aussetzung einer angemessenen Civilliste, für Staatsgut erklärt worden sind, so ließe sich hieraus höchstens ein privatrechtlicher Anspruch folgern, welcher aber zum Umsturz einer ganzen Verfassung keineswegs berechtigen würde. Will man endlich dem Staatsgrundgesetze von 1833 eine Verletzung der Regierungsrechte durch Beeinträchtigung des monarchischen Princips zur Last legen, so würde ein solcher Vorwurf um so ungegründeter seyn, als nach jenem Grundgesetz in Hannover die königlichen Vorrechte erwiesenermaßen mindestens eben so umfänglich sind als die der meisten andern constitutionellen Regenten Deutschlands. Schon nach dem ältern deutschen Staatsrechte fand man den Grundsatz, daß der Agnat nicht halten dürfe, was der Vorgänger in der Regierung dem Lande und dessen Ständen zugesichert, gefährlich, und verwarf ihn. Merkwürdig wird für alle Zeiten bleiben, was König Georg I von Großbritannien und Kurfürst von Hannover 1718 gegen einen deutschen Fürsten erklärte, der mit seinen Ständen in Streit begriffen war: "Wir wollen Ew. Liebden zu erwägen anheim geben, ob es möglich, daß ein unpräoccupirtes, Recht liebendes und christlich gesinntes Gemüth dem Beifall geben und es für wohlgethan erachten könne, daß ein Reichsstand seiner Vorfahren Hand und Siegel und bestätigte pacta, Recesse und Abschiede auf einmal umstoßen, sich deren Verbindlichkeit eigenmächtig entreißen, sie für null und nichtig erklären, und um sich davon vermeintlich loszumachen, die Reichsconstitutionen zum Behelfe nehmen und allegiren wollen." Cf. J. J. Moser von der Reichsstände Landen, S. 1093. Auch Pütter, der berühmteste Lehrer des deutschen Staatsrechts, als noch Kaiser und Reich bestand, erklärt sich auf das bestimmteste: "Jeder Regierungsnachfolger, wer es auch sey, muß ohne Unterschied dasjenige halten, was der Regierungsvorfahr als Landesherr auf immer verbindlich verhandelt hat, und kann daher die mit den Landständen eingegangenen Verträge eben so wenig widerrufen als sein Vorgänger selbst." Das neuere deutsche Staatsrecht hat dieß nicht abgeändert. Seit Auflösung des deutschen Reiches sind Agnaten bei Einführung neuer Verfassungen und Abänderung der ältern nicht zugezogen worden, und als 1815 der König Friedrich von Würtemberg die Stände nach der neuen Verfassung einberief, die Agnaten aber ihre Rechte verwahren wollten, wurden sie von Sr. Maj. dem König abfällig beschieden, weil die Constitution eines unabhängigen Staates nirgend unter Mitwirkung der Agnaten entworfen oder abgeändert werde, da diese an der Staatsgewalt keinen Antheil nehmen könnten, noch dürften.

(Beschluß folgt.)

schöpfen zu müssen geglaubt hat. Sie vermag um so mehr sich dieser Pflicht mit vollster Offenheit und Unparteilichkeit zu unterziehen, als sie eine Mißdeutung ihrer Ansichten nicht befürchten darf, da es sich dabei nicht um Abwehrung einer auch nur in fernster Zukunft dem Königreich Sachsen von innen heraus drohenden Gefahr handelt. Allein das Königreich Sachsen ist ein Bestandtheil des deutschen Bundes, und aus diesem Grunde dürfen die Stände Sachsens nicht verschweigen, was sie für das Gesammtwohl des deutschen Vaterlandes nützlich halten; dürfen auch nicht Grundsätze, welche ihnen gefährlich scheinen, stillschweigend billigen. Muß also die Deputation die in dem Patente Sr. Maj. des gegenwärtigen Königs von Hannover vom 1 Nov. 1837 enthaltenen Thatsachen und Rechtsgründe einer unbefangenen Prüfung unterwerfen, so wird sich aus dem Folgenden ergeben, daß jene, zum großen Theile wenigstens, und so weit sie auf den ersten Blick erheblich zu seyn scheinen, auf einem Irrthum beruhen, und diese einer staatsrechtlichen Begründung gänzlich ermangeln. Der vorgebliche, von der constituirenden Ständeversammlung des Königreichs Hannover ausgesprochene Grundsatz, daß die Errichtung eines neuen Staatsgrundgesetzes nur durch einhelliges Zusammenwirken des Königs und der Stände zu Stande gebracht werden könne, stützt sich nämlich auf keinen ständischen Antrag, sondern ist nur in den demselben vorangeschickten Motiven beiläufig erwähnt, nicht aber als eine Bedingung aufgestellt worden, unter welcher und sonst nicht das Staatsgrundgesetz erzielt werden könne und solle... Noch weniger war der Grundsatz, daß die Errichtung eines neuen Staatsgrundgesetzes nur durch einhelliges Zusammenwirken des Königs und der Stände zu Stande gebracht werden könne, von der hannover'schen Regierung anerkannt und angenommen worden. Dieselbe hatte vielmehr erklärt, daß sie sich ihre Entschließung über den Entwurf der Verfassung im Allgemeinen so wie über einzelne Theile desselben ausdrücklich vorbehielte – ein Recht, welches ihr nach der damals bestehenden Verfassung nicht streitig gemacht werden konnte. Eben so wenig läßt sich im Allgemeinen behaupten, daß Verfassungen deutscher Länder ungültig seyn müßten, wenn sie nicht durch Vertrag begründet, sondern octroyirt wären. Die Erfahrung ist dem ganz entgegen; denn die Verfassungen Nassau's vom Jahr 1814, Bayerns und Badens vom Jahr 1818 sind octroyirt, und Niemandem ist beigegangen, sie deßhalb für unwirksam und unverbindlich anzusehen. Bei Hannover kommt aber noch hinzu, daß die ständische Adresse vom 11 Dec. 1833 mit klaren Worten sagt: „die Stände nehmen dieses Staatsgrundgesetz an, wie solches von Sr. Majestät publicirt worden, als Grundlage des Staates.“ Wären aber auch die im Patente vom 1 Nov. 1837 enthaltenen thatsächlichen Angaben ohne Ausnahme gegründet, was nach dem Vorhergehenden keineswegs der Fall ist, so würden die daran geknüpften staatsrechtlichen Folgerungen dennoch falsch seyn, weil unter jener Voraussetzung nicht das ganze Staatsgrundgesetz, sondern nur einzelne, im Widerspruche mit dem getroffenen Uebereinkommen demselben einverleibte Bestimmungen als ungültig betrachtet werden könnten. Auch dazu würden höchstens nur die Stände, nicht aber der Regent berechtigt gewesen seyn, dem jedenfalls die Pflicht oblag, die Handlungen seines Vorgängers anzuerkennen. Der zweite Grund, welchen das mehrerwähnte Patent für die Aufhebung des Staatsgrundgesetzes anführt, besteht darin, daß dasselbe die agnatischen Rechte des Königs tief kränke und dessen Regierungsrechte wesentlich verletze. Da nicht gesagt wird, worin die angebliche Kränkung der agnatischen und die Verletzung der Regierungsrechte bestehe, so ist allerdings schwer zu errathen, was damit eigentlich gemeint sey. Es kann dieß höchstens nur vermuthet werden. Will man damit behaupten, daß ein deutscher Regent der Zustimmung seiner Agnaten bedürfe, um Regierungshandlungen gültigerweise vornehmen zu können, so würde ein solcher Grundsatz eben so unausführbar seyn, als er den positiven Bestimmungen des deutschen Staatsrechts widerspricht. Er würde unausführbar seyn, weil bei Lebzeiten eines Regenten gar nicht voraus zu wissen ist, welcher Agnat dessen Nachfolger seyn wird und daher bei dessen Regierungshandlungen seine Zustimmung zu ertheilen hat. Bei mehreren Agnaten könnte aber wiederum der Fall eintreten, daß sie verschiedener Meinung wären. Sollten nun diese alle gefragt werden müssen, so könnte es leicht dahin kommen, daß wegen mangelnder Uebereinstimmung überhaupt gar keine Regierungshandlungen möglich wären. Er widerspricht aber auch den positiven Bestimmungen des deutschen Staatsrechts, indem der Art. 57 der Wiener Schlußacte ausdrücklich festsetzt, daß die gesammte Staatsgewalt in dem Oberhaupte des Staats vereinigt bleiben soll. Sollten unter den agnatischen Rechten des Königs Rechte auf die Krongüter verstanden worden seyn, welche durch das Staatsgrundgesetz von 1833, gegen Aussetzung einer angemessenen Civilliste, für Staatsgut erklärt worden sind, so ließe sich hieraus höchstens ein privatrechtlicher Anspruch folgern, welcher aber zum Umsturz einer ganzen Verfassung keineswegs berechtigen würde. Will man endlich dem Staatsgrundgesetze von 1833 eine Verletzung der Regierungsrechte durch Beeinträchtigung des monarchischen Princips zur Last legen, so würde ein solcher Vorwurf um so ungegründeter seyn, als nach jenem Grundgesetz in Hannover die königlichen Vorrechte erwiesenermaßen mindestens eben so umfänglich sind als die der meisten andern constitutionellen Regenten Deutschlands. Schon nach dem ältern deutschen Staatsrechte fand man den Grundsatz, daß der Agnat nicht halten dürfe, was der Vorgänger in der Regierung dem Lande und dessen Ständen zugesichert, gefährlich, und verwarf ihn. Merkwürdig wird für alle Zeiten bleiben, was König Georg I von Großbritannien und Kurfürst von Hannover 1718 gegen einen deutschen Fürsten erklärte, der mit seinen Ständen in Streit begriffen war: „Wir wollen Ew. Liebden zu erwägen anheim geben, ob es möglich, daß ein unpräoccupirtes, Recht liebendes und christlich gesinntes Gemüth dem Beifall geben und es für wohlgethan erachten könne, daß ein Reichsstand seiner Vorfahren Hand und Siegel und bestätigte pacta, Recesse und Abschiede auf einmal umstoßen, sich deren Verbindlichkeit eigenmächtig entreißen, sie für null und nichtig erklären, und um sich davon vermeintlich loszumachen, die Reichsconstitutionen zum Behelfe nehmen und allegiren wollen.“ Cf. J. J. Moser von der Reichsstände Landen, S. 1093. Auch Pütter, der berühmteste Lehrer des deutschen Staatsrechts, als noch Kaiser und Reich bestand, erklärt sich auf das bestimmteste: „Jeder Regierungsnachfolger, wer es auch sey, muß ohne Unterschied dasjenige halten, was der Regierungsvorfahr als Landesherr auf immer verbindlich verhandelt hat, und kann daher die mit den Landständen eingegangenen Verträge eben so wenig widerrufen als sein Vorgänger selbst.“ Das neuere deutsche Staatsrecht hat dieß nicht abgeändert. Seit Auflösung des deutschen Reiches sind Agnaten bei Einführung neuer Verfassungen und Abänderung der ältern nicht zugezogen worden, und als 1815 der König Friedrich von Würtemberg die Stände nach der neuen Verfassung einberief, die Agnaten aber ihre Rechte verwahren wollten, wurden sie von Sr. Maj. dem König abfällig beschieden, weil die Constitution eines unabhängigen Staates nirgend unter Mitwirkung der Agnaten entworfen oder abgeändert werde, da diese an der Staatsgewalt keinen Antheil nehmen könnten, noch dürften.

(Beschluß folgt.)

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schöpfen zu müssen geglaubt hat. Sie vermag um so mehr sich dieser Pflicht mit vollster Offenheit und Unparteilichkeit zu unterziehen, als sie eine Mißdeutung ihrer Ansichten nicht befürchten darf, da es sich dabei nicht um Abwehrung einer auch nur in fernster Zukunft dem Königreich Sachsen von innen heraus drohenden Gefahr handelt. Allein das Königreich Sachsen ist ein Bestandtheil des deutschen Bundes, und aus diesem Grunde dürfen die Stände Sachsens nicht verschweigen, was sie für das Gesammtwohl des deutschen Vaterlandes nützlich halten; dürfen auch nicht Grundsätze, welche ihnen gefährlich scheinen, stillschweigend billigen. Muß also die Deputation die in dem Patente Sr. Maj. des gegenwärtigen Königs von Hannover vom 1 Nov. 1837 enthaltenen Thatsachen und Rechtsgründe einer unbefangenen Prüfung unterwerfen, so wird sich aus dem Folgenden ergeben, daß jene, zum großen Theile wenigstens, und so weit sie auf den ersten Blick erheblich zu seyn scheinen, auf einem Irrthum beruhen, und diese einer staatsrechtlichen Begründung gänzlich ermangeln. Der vorgebliche, von der constituirenden Ständeversammlung des Königreichs Hannover ausgesprochene Grundsatz, daß die Errichtung eines neuen Staatsgrundgesetzes nur durch einhelliges Zusammenwirken des Königs und der Stände zu Stande gebracht werden könne, stützt sich nämlich auf keinen ständischen Antrag, sondern ist nur in den demselben vorangeschickten Motiven beiläufig erwähnt, nicht aber als eine Bedingung aufgestellt worden, unter welcher und sonst nicht das Staatsgrundgesetz erzielt werden könne und solle... Noch weniger war der Grundsatz, daß die Errichtung eines neuen Staatsgrundgesetzes nur durch einhelliges Zusammenwirken des Königs und der Stände zu Stande gebracht werden könne, von der hannover'schen Regierung anerkannt und angenommen worden. Dieselbe hatte vielmehr erklärt, daß sie sich ihre Entschließung über den Entwurf der Verfassung im Allgemeinen so wie über einzelne Theile desselben ausdrücklich vorbehielte &#x2013; ein Recht, welches ihr nach der damals bestehenden Verfassung nicht streitig gemacht werden konnte. Eben so wenig läßt sich im Allgemeinen behaupten, daß Verfassungen deutscher Länder ungültig seyn müßten, wenn sie nicht durch Vertrag begründet, sondern octroyirt wären. Die Erfahrung ist dem ganz entgegen; denn die Verfassungen Nassau's vom Jahr 1814, Bayerns und Badens vom Jahr 1818 sind octroyirt, und Niemandem ist beigegangen, sie deßhalb für unwirksam und unverbindlich anzusehen. Bei Hannover kommt aber noch hinzu, daß die ständische Adresse vom 11 Dec. 1833 mit klaren Worten sagt: &#x201E;die Stände nehmen dieses Staatsgrundgesetz an, wie solches von Sr. Majestät publicirt worden, als Grundlage des Staates.&#x201C; Wären aber auch die im Patente vom 1 Nov. 1837 enthaltenen thatsächlichen Angaben ohne Ausnahme gegründet, was nach dem Vorhergehenden keineswegs der Fall ist, so würden die daran geknüpften staatsrechtlichen Folgerungen dennoch falsch seyn, weil unter jener Voraussetzung nicht das ganze Staatsgrundgesetz, sondern nur einzelne, im Widerspruche mit dem getroffenen Uebereinkommen demselben einverleibte Bestimmungen als ungültig betrachtet werden könnten. Auch dazu würden höchstens nur die Stände, nicht aber der Regent berechtigt gewesen seyn, dem jedenfalls die Pflicht oblag, die Handlungen seines Vorgängers anzuerkennen. Der zweite Grund, welchen das mehrerwähnte Patent für die Aufhebung des Staatsgrundgesetzes anführt, besteht darin, daß dasselbe die agnatischen Rechte des Königs tief kränke und dessen Regierungsrechte wesentlich verletze. Da nicht gesagt wird, worin die angebliche Kränkung der agnatischen und die Verletzung der Regierungsrechte bestehe, so ist allerdings schwer zu errathen, was damit eigentlich gemeint sey. Es kann dieß höchstens nur vermuthet werden. Will man damit behaupten, daß ein deutscher Regent der Zustimmung seiner Agnaten bedürfe, um Regierungshandlungen gültigerweise vornehmen zu können, so würde ein solcher Grundsatz eben so unausführbar seyn, als er den positiven Bestimmungen des deutschen Staatsrechts widerspricht. Er würde unausführbar seyn, weil bei Lebzeiten eines Regenten gar nicht voraus zu wissen ist, welcher Agnat dessen Nachfolger seyn wird und daher bei dessen Regierungshandlungen seine Zustimmung zu ertheilen hat. Bei mehreren Agnaten könnte aber wiederum der Fall eintreten, daß sie verschiedener Meinung wären. Sollten nun diese alle gefragt werden müssen, so könnte es leicht dahin kommen, daß wegen mangelnder Uebereinstimmung überhaupt gar keine Regierungshandlungen möglich wären. Er widerspricht aber auch den positiven Bestimmungen des deutschen Staatsrechts, indem der Art. 57 der Wiener Schlußacte ausdrücklich festsetzt, daß die gesammte Staatsgewalt in dem Oberhaupte des Staats vereinigt bleiben soll. Sollten unter den agnatischen Rechten des Königs Rechte auf die Krongüter verstanden worden seyn, welche durch das Staatsgrundgesetz von 1833, gegen Aussetzung einer angemessenen Civilliste, für Staatsgut erklärt worden sind, so ließe sich hieraus höchstens ein privatrechtlicher Anspruch folgern, welcher aber zum Umsturz einer ganzen Verfassung keineswegs berechtigen würde. Will man endlich dem Staatsgrundgesetze von 1833 eine Verletzung der Regierungsrechte durch Beeinträchtigung des monarchischen Princips zur Last legen, so würde ein solcher Vorwurf um so ungegründeter seyn, als nach jenem Grundgesetz in Hannover die königlichen Vorrechte erwiesenermaßen mindestens eben so umfänglich sind als die der meisten andern constitutionellen Regenten Deutschlands. Schon nach dem ältern deutschen Staatsrechte fand man den Grundsatz, daß der Agnat nicht halten dürfe, was der Vorgänger in der Regierung dem Lande und dessen Ständen zugesichert, gefährlich, und verwarf ihn. Merkwürdig wird für alle Zeiten bleiben, was König Georg I von Großbritannien und Kurfürst von Hannover 1718 gegen einen deutschen Fürsten erklärte, der mit seinen Ständen in Streit begriffen war: &#x201E;Wir wollen Ew. Liebden zu erwägen anheim geben, ob es möglich, daß ein unpräoccupirtes, Recht liebendes und christlich gesinntes Gemüth dem Beifall geben und es für wohlgethan erachten könne, daß ein Reichsstand seiner Vorfahren Hand und Siegel und bestätigte pacta, Recesse und Abschiede auf einmal umstoßen, sich deren Verbindlichkeit eigenmächtig entreißen, sie für null und nichtig erklären, und um sich davon vermeintlich loszumachen, die Reichsconstitutionen zum Behelfe nehmen und allegiren wollen.&#x201C; Cf. J. J. Moser von der Reichsstände Landen, S. 1093. Auch Pütter, der berühmteste Lehrer des deutschen Staatsrechts, als noch Kaiser und Reich bestand, erklärt sich auf das bestimmteste: &#x201E;Jeder Regierungsnachfolger, wer es auch sey, muß ohne Unterschied dasjenige halten, was der Regierungsvorfahr als Landesherr auf immer verbindlich verhandelt hat, und kann daher die mit den Landständen eingegangenen Verträge eben so wenig widerrufen als sein Vorgänger selbst.&#x201C; Das neuere deutsche Staatsrecht hat dieß nicht abgeändert. Seit Auflösung des deutschen Reiches sind Agnaten bei Einführung neuer Verfassungen und Abänderung der ältern nicht zugezogen worden, und als 1815 der König Friedrich von Würtemberg die Stände nach der neuen Verfassung einberief, die Agnaten aber ihre Rechte verwahren wollten, wurden sie von Sr. Maj. dem König abfällig beschieden, weil die Constitution eines unabhängigen Staates nirgend unter Mitwirkung der Agnaten entworfen oder abgeändert werde, da diese an der Staatsgewalt keinen Antheil nehmen könnten, noch dürften.</p><lb/>
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[0527/0007] schöpfen zu müssen geglaubt hat. Sie vermag um so mehr sich dieser Pflicht mit vollster Offenheit und Unparteilichkeit zu unterziehen, als sie eine Mißdeutung ihrer Ansichten nicht befürchten darf, da es sich dabei nicht um Abwehrung einer auch nur in fernster Zukunft dem Königreich Sachsen von innen heraus drohenden Gefahr handelt. Allein das Königreich Sachsen ist ein Bestandtheil des deutschen Bundes, und aus diesem Grunde dürfen die Stände Sachsens nicht verschweigen, was sie für das Gesammtwohl des deutschen Vaterlandes nützlich halten; dürfen auch nicht Grundsätze, welche ihnen gefährlich scheinen, stillschweigend billigen. Muß also die Deputation die in dem Patente Sr. Maj. des gegenwärtigen Königs von Hannover vom 1 Nov. 1837 enthaltenen Thatsachen und Rechtsgründe einer unbefangenen Prüfung unterwerfen, so wird sich aus dem Folgenden ergeben, daß jene, zum großen Theile wenigstens, und so weit sie auf den ersten Blick erheblich zu seyn scheinen, auf einem Irrthum beruhen, und diese einer staatsrechtlichen Begründung gänzlich ermangeln. Der vorgebliche, von der constituirenden Ständeversammlung des Königreichs Hannover ausgesprochene Grundsatz, daß die Errichtung eines neuen Staatsgrundgesetzes nur durch einhelliges Zusammenwirken des Königs und der Stände zu Stande gebracht werden könne, stützt sich nämlich auf keinen ständischen Antrag, sondern ist nur in den demselben vorangeschickten Motiven beiläufig erwähnt, nicht aber als eine Bedingung aufgestellt worden, unter welcher und sonst nicht das Staatsgrundgesetz erzielt werden könne und solle... Noch weniger war der Grundsatz, daß die Errichtung eines neuen Staatsgrundgesetzes nur durch einhelliges Zusammenwirken des Königs und der Stände zu Stande gebracht werden könne, von der hannover'schen Regierung anerkannt und angenommen worden. Dieselbe hatte vielmehr erklärt, daß sie sich ihre Entschließung über den Entwurf der Verfassung im Allgemeinen so wie über einzelne Theile desselben ausdrücklich vorbehielte – ein Recht, welches ihr nach der damals bestehenden Verfassung nicht streitig gemacht werden konnte. Eben so wenig läßt sich im Allgemeinen behaupten, daß Verfassungen deutscher Länder ungültig seyn müßten, wenn sie nicht durch Vertrag begründet, sondern octroyirt wären. Die Erfahrung ist dem ganz entgegen; denn die Verfassungen Nassau's vom Jahr 1814, Bayerns und Badens vom Jahr 1818 sind octroyirt, und Niemandem ist beigegangen, sie deßhalb für unwirksam und unverbindlich anzusehen. Bei Hannover kommt aber noch hinzu, daß die ständische Adresse vom 11 Dec. 1833 mit klaren Worten sagt: „die Stände nehmen dieses Staatsgrundgesetz an, wie solches von Sr. Majestät publicirt worden, als Grundlage des Staates.“ Wären aber auch die im Patente vom 1 Nov. 1837 enthaltenen thatsächlichen Angaben ohne Ausnahme gegründet, was nach dem Vorhergehenden keineswegs der Fall ist, so würden die daran geknüpften staatsrechtlichen Folgerungen dennoch falsch seyn, weil unter jener Voraussetzung nicht das ganze Staatsgrundgesetz, sondern nur einzelne, im Widerspruche mit dem getroffenen Uebereinkommen demselben einverleibte Bestimmungen als ungültig betrachtet werden könnten. Auch dazu würden höchstens nur die Stände, nicht aber der Regent berechtigt gewesen seyn, dem jedenfalls die Pflicht oblag, die Handlungen seines Vorgängers anzuerkennen. Der zweite Grund, welchen das mehrerwähnte Patent für die Aufhebung des Staatsgrundgesetzes anführt, besteht darin, daß dasselbe die agnatischen Rechte des Königs tief kränke und dessen Regierungsrechte wesentlich verletze. Da nicht gesagt wird, worin die angebliche Kränkung der agnatischen und die Verletzung der Regierungsrechte bestehe, so ist allerdings schwer zu errathen, was damit eigentlich gemeint sey. Es kann dieß höchstens nur vermuthet werden. Will man damit behaupten, daß ein deutscher Regent der Zustimmung seiner Agnaten bedürfe, um Regierungshandlungen gültigerweise vornehmen zu können, so würde ein solcher Grundsatz eben so unausführbar seyn, als er den positiven Bestimmungen des deutschen Staatsrechts widerspricht. Er würde unausführbar seyn, weil bei Lebzeiten eines Regenten gar nicht voraus zu wissen ist, welcher Agnat dessen Nachfolger seyn wird und daher bei dessen Regierungshandlungen seine Zustimmung zu ertheilen hat. Bei mehreren Agnaten könnte aber wiederum der Fall eintreten, daß sie verschiedener Meinung wären. Sollten nun diese alle gefragt werden müssen, so könnte es leicht dahin kommen, daß wegen mangelnder Uebereinstimmung überhaupt gar keine Regierungshandlungen möglich wären. Er widerspricht aber auch den positiven Bestimmungen des deutschen Staatsrechts, indem der Art. 57 der Wiener Schlußacte ausdrücklich festsetzt, daß die gesammte Staatsgewalt in dem Oberhaupte des Staats vereinigt bleiben soll. Sollten unter den agnatischen Rechten des Königs Rechte auf die Krongüter verstanden worden seyn, welche durch das Staatsgrundgesetz von 1833, gegen Aussetzung einer angemessenen Civilliste, für Staatsgut erklärt worden sind, so ließe sich hieraus höchstens ein privatrechtlicher Anspruch folgern, welcher aber zum Umsturz einer ganzen Verfassung keineswegs berechtigen würde. Will man endlich dem Staatsgrundgesetze von 1833 eine Verletzung der Regierungsrechte durch Beeinträchtigung des monarchischen Princips zur Last legen, so würde ein solcher Vorwurf um so ungegründeter seyn, als nach jenem Grundgesetz in Hannover die königlichen Vorrechte erwiesenermaßen mindestens eben so umfänglich sind als die der meisten andern constitutionellen Regenten Deutschlands. Schon nach dem ältern deutschen Staatsrechte fand man den Grundsatz, daß der Agnat nicht halten dürfe, was der Vorgänger in der Regierung dem Lande und dessen Ständen zugesichert, gefährlich, und verwarf ihn. Merkwürdig wird für alle Zeiten bleiben, was König Georg I von Großbritannien und Kurfürst von Hannover 1718 gegen einen deutschen Fürsten erklärte, der mit seinen Ständen in Streit begriffen war: „Wir wollen Ew. Liebden zu erwägen anheim geben, ob es möglich, daß ein unpräoccupirtes, Recht liebendes und christlich gesinntes Gemüth dem Beifall geben und es für wohlgethan erachten könne, daß ein Reichsstand seiner Vorfahren Hand und Siegel und bestätigte pacta, Recesse und Abschiede auf einmal umstoßen, sich deren Verbindlichkeit eigenmächtig entreißen, sie für null und nichtig erklären, und um sich davon vermeintlich loszumachen, die Reichsconstitutionen zum Behelfe nehmen und allegiren wollen.“ Cf. J. J. Moser von der Reichsstände Landen, S. 1093. Auch Pütter, der berühmteste Lehrer des deutschen Staatsrechts, als noch Kaiser und Reich bestand, erklärt sich auf das bestimmteste: „Jeder Regierungsnachfolger, wer es auch sey, muß ohne Unterschied dasjenige halten, was der Regierungsvorfahr als Landesherr auf immer verbindlich verhandelt hat, und kann daher die mit den Landständen eingegangenen Verträge eben so wenig widerrufen als sein Vorgänger selbst.“ Das neuere deutsche Staatsrecht hat dieß nicht abgeändert. Seit Auflösung des deutschen Reiches sind Agnaten bei Einführung neuer Verfassungen und Abänderung der ältern nicht zugezogen worden, und als 1815 der König Friedrich von Würtemberg die Stände nach der neuen Verfassung einberief, die Agnaten aber ihre Rechte verwahren wollten, wurden sie von Sr. Maj. dem König abfällig beschieden, weil die Constitution eines unabhängigen Staates nirgend unter Mitwirkung der Agnaten entworfen oder abgeändert werde, da diese an der Staatsgewalt keinen Antheil nehmen könnten, noch dürften. (Beschluß folgt.)

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 66. Augsburg, 6. März 1840, S. 0527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_066_18400306/7>, abgerufen am 27.11.2024.