Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 61. Augsburg, 1. März 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

in Kenntniß gesetzt ist, betreffend die von diesen beiden Mächten im Fall eines Anrückens Ibrahim Pascha's gegen Konstantinopel zu treffenden Maaßregeln. Diese Anordnung ist ein Anfang einer Allianz; es ist die Allianz über einen einzigen Punkt und für einen bestimmten Fall, sie ist, wenigstens für diesen Fall, eine Offensiv- und Defensiv-Allianz; durch eine solche Convention, so partiell sie auch scheint, sind England und Rußland bereits miteinander verbündet. Dieses Ereigniß ist das wichtigste, das sich seit 1830 in den gegenseitigen Beziehungen der europäischen Mächte begeben hat. Die Principienfragen werden untergeordnet; die Gebietsfragen steigen in den ersten Rang empor. Jeder Macht ist jetzt angedeutet, künftig sich nur bei ihrem Interesse Raths zu erholen. Mit Bedauern müssen wir sagen, daß die französische Regierung den besagten Tractat erst nach dessen unwiderruflichem Abschluß erfahren hat.

Ein Bericht des Marschalls Valee an den Kriegsminister aus Algier vom 15 Febr. meldet, daß mehrere Colonisten von Buffarik den Arabern in die Hände gefallen und gefangen ins Innere geschleppt worden. Im Uebrigen erwähnt dieser Bericht nur derselben Vorgänge, welche unser Algierer Correspondent bereits ausführlicher mitgetheilt hat.

Hr. Dupuch, Bischof von Algier, ist in Toulon angekommen. Es heißt, er werde zum Erzbischof von Bordeaux ernannt werden.

Der Messager enthält ein angebliches Schreiben aus Mostaganem vom 7 Febr., worin von Zwietracht, die unter den Arabern Abd-El-Kaders herrschen soll, die Rede ist. "Die Niederlage der regulären Infanterie des Emirs, sagt das Schreiben, hat unter den Häuptlingen der Provinz Oran großes Mißvergnügen erregt. Man wirft Abd-El-Kader besonders die Organisation seiner Truppen auf europäischem Fuße vor. Eine Proclamation ist unter den Stämmen in Umlauf, worin die Araber aufgefordert werden: den Sohn Mahiddins (Abd-El-Kader), welcher List und Treulosigkeit nur gegen die Moslim anzuwenden wisse, davonzujagen. Auf diese Proclamation hin berief Abd-El-Kader alle Häuptlinge zu einer Berathung an die Ufer des Uad-el-Mina, aber die Schuldigsten werden sich wohl hüten, dieser Aufforderung Folge zu leisten."

Merkwürdig ist die Sprache der Journale, besonders des Debats, des National, des Courrier, des Constitutionnel, mit andern Worten: des Organs der Dynastie, des Organs der sogenannten Republik, des Organs Odilon-Barrot (mit seiner Succursale dem Siecle), des Organs Thiers. Die Debats speien Feuer und Flammen, es ist die mythologische Chimära; sie setzt alle Dinge au pis; sie will zu verstehen geben, daß Thiers die Ursache sey alles Uebels, daß er a la sournoise das Ganze betrieben, während Guizot schlecht manöuvrirt habe, und den Ministern der Muth entfallen sey. Die Debats geben zu verstehen, daß Thiers Minister werden könnte wider Willen des Königs; derweil schweigt Thiers und guckt aus seinen Brillen hervor in der Gestalt eines Eulenkopfs, denn dem Vogel der Minerva ähnelt die Rundgestalt seines Hauptes. (Lavater hat ja bewiesen, daß Apollo einem Frosch ähnlich sah, Gustav Adolph hatte einen Löwenkopf, warum gliche nicht Thiers dem Vogel der Weisheit? Er ist der Phönix des Jahrhunderts!) Die Debats handeln übrigens wie alle Leute, die sich übereilen, zornig werden, die Dinge übertreibend in den Tag hinein reden, ein va tout engagiren; das Blatt spricht gerade wie alle Minister im Augenblick ihres Sturzes, wie Decazes, Vill le, Polignac, wie Alles, was sich den Hals bricht und deßwegen das Weltende prophezeit. Oh wie die Menschen der verschiedensten Gesinnung einander gleich sind im Glück und Unglück! Im Glück dreht der Kopf, und man glaubt nicht leichtsinnig genug seyn zu können, im Unglück stürzt das Herz, und man glaubt nicht schwersinnig genug seyn zu können! Nichts gleicht einem emporgeschossenen Aristokraten so sehr als ein emporgeschossener Demokrat, nichts einem gestürzten Monarchisten so sehr als ein gestürzter Republicaner - Alles ein Staub! - Der National jubelt, er spricht schon als Herr, seine Sprache wirft die Maske ab, sie haut geradezu über die Köpfe der Minister weg nach oben. Es ist dieß ein eben so arger Fehler wie der der Debats; in allen Lagen des Lebens ist Schweigen und Handeln klüger als Heulen oder Triumphiren. - Der Courrier droht: nicht den Thron haben wir angegriffen, sondern das Ministerium; wenn ihr aber spielt wie im vorigen Jahre, uns Quasiminister gebt, uns, die wir den Thiers wollen, bis wir den Barrot erreichen (unser ultima Thule) so stehen wir für nichts; en avant alors agitation, reforme electorale. Thiers ist dann zu spät. - Auch der Constitutionnel droht; er redet in etwas gemäßigtern Ausdrücken und etwas wärmern Protestationen für die Monarchie ungefähr die Sprache des Courrier; nur ist dem Constitutionnel Thiers das nec plus ultra. Die Pairskammer, scheint's, ist auch besorgt; man wünscht dort eine Combination Thiers - Mole, um einer Combination Broglie - Guizot, die unpopulär ist, die Stange zu halten. Bis wann der Kaiserschnitt?

Die Ministerialkrisis nähert sich noch nicht ihrem Ende, obwohl es heißt, die Mitglieder des abtretenden Cabinets hätten bereits vorgestern Sr. Maj. erklärt, sie würden nur noch vier Tage lang die laufenden Geschäfte expediren und unterzeichnen, dann aber sich gänzlich zurückziehen. Die widersprechendsten Gerüchte kreuzen sich über das zu erwartende Resultat. Guizot ist noch hier, obwohl der Moniteur seine Abreise auf gestern angekündigt hatte. Der Herzog von Broglie hat dem Könige geantwortet, er wolle wohl zur Bildung eines neuen Ministeriums Beistand leisten, trete aber nicht mit ein. Guizot, der seinen bedeutenden Einfluß auf die Tuilerien nicht verloren hat, soll sich für den Augenblick gegen ein Ministerium Thiers nicht aufgelehnt haben, wie er es neulich gegen ein vom Grafen Mole geleitetes Cabinet that. Er denkt vielleicht, das Ministerium Thiers würde nicht von Bestand seyn, weil der Chef in der Kammer nicht mehr den nöthigen Anhang habe. Demnach cursirt in der Kammer folgende Liste, die jedoch näherer Bestätigung bedarf: Thiers (auswärtige Angelegenheiten), Billault (Handel und öffentliche Arbeiten, die wieder vereinigt werden), Vivien (Justiz), Remusat (Inneres), Cubieres (Krieg), Roussin (Marine), d'Argout (Finanzen), Pelet de la Lozere (Unterricht). Dieses Ministerium würde dem linken Centrum angehören, mit Ausnahme des Hrn. Remusat, der zu den Doctrinärs zählt; ihn müßten sich die andern gefallen lassen. - Ich habe Ihnen nachträglich noch eine Mittheilung über das Verhältniß des Hofes zu dem Herzog von Bordeaux zu machen. Der Herzog von Broglie befand sich in Rom, als der Herzog von Bordeaux dort eintraf, und er war es, der einer hohen Person eine vermuthlich übertriebene Beschreibung von dem dortigen Einfluß des jungen Prinzen machte....

Schweiz.

Im Tessin sind die Hemmnisse des Verkehrs von Seite der lombardischen Regierung noch immer nicht vollständig beseitigt. Zwar werden jetzt die Pässe visirt; allein viele Bürger, die als Theilnehmer an den jüngsten Ereignissen gelten, sind davon ausgeschlossen und dürfen das lombardische Gebiet nicht betreten.

in Kenntniß gesetzt ist, betreffend die von diesen beiden Mächten im Fall eines Anrückens Ibrahim Pascha's gegen Konstantinopel zu treffenden Maaßregeln. Diese Anordnung ist ein Anfang einer Allianz; es ist die Allianz über einen einzigen Punkt und für einen bestimmten Fall, sie ist, wenigstens für diesen Fall, eine Offensiv- und Defensiv-Allianz; durch eine solche Convention, so partiell sie auch scheint, sind England und Rußland bereits miteinander verbündet. Dieses Ereigniß ist das wichtigste, das sich seit 1830 in den gegenseitigen Beziehungen der europäischen Mächte begeben hat. Die Principienfragen werden untergeordnet; die Gebietsfragen steigen in den ersten Rang empor. Jeder Macht ist jetzt angedeutet, künftig sich nur bei ihrem Interesse Raths zu erholen. Mit Bedauern müssen wir sagen, daß die französische Regierung den besagten Tractat erst nach dessen unwiderruflichem Abschluß erfahren hat.

Ein Bericht des Marschalls Valée an den Kriegsminister aus Algier vom 15 Febr. meldet, daß mehrere Colonisten von Buffarik den Arabern in die Hände gefallen und gefangen ins Innere geschleppt worden. Im Uebrigen erwähnt dieser Bericht nur derselben Vorgänge, welche unser Algierer Correspondent bereits ausführlicher mitgetheilt hat.

Hr. Dupuch, Bischof von Algier, ist in Toulon angekommen. Es heißt, er werde zum Erzbischof von Bordeaux ernannt werden.

Der Messager enthält ein angebliches Schreiben aus Mostaganem vom 7 Febr., worin von Zwietracht, die unter den Arabern Abd-El-Kaders herrschen soll, die Rede ist. „Die Niederlage der regulären Infanterie des Emirs, sagt das Schreiben, hat unter den Häuptlingen der Provinz Oran großes Mißvergnügen erregt. Man wirft Abd-El-Kader besonders die Organisation seiner Truppen auf europäischem Fuße vor. Eine Proclamation ist unter den Stämmen in Umlauf, worin die Araber aufgefordert werden: den Sohn Mahiddins (Abd-El-Kader), welcher List und Treulosigkeit nur gegen die Moslim anzuwenden wisse, davonzujagen. Auf diese Proclamation hin berief Abd-El-Kader alle Häuptlinge zu einer Berathung an die Ufer des Uad-el-Mina, aber die Schuldigsten werden sich wohl hüten, dieser Aufforderung Folge zu leisten.“

Merkwürdig ist die Sprache der Journale, besonders des Débats, des National, des Courrier, des Constitutionnel, mit andern Worten: des Organs der Dynastie, des Organs der sogenannten Republik, des Organs Odilon-Barrot (mit seiner Succursale dem Siècle), des Organs Thiers. Die Débats speien Feuer und Flammen, es ist die mythologische Chimära; sie setzt alle Dinge au pis; sie will zu verstehen geben, daß Thiers die Ursache sey alles Uebels, daß er à la sournoise das Ganze betrieben, während Guizot schlecht manöuvrirt habe, und den Ministern der Muth entfallen sey. Die Débats geben zu verstehen, daß Thiers Minister werden könnte wider Willen des Königs; derweil schweigt Thiers und guckt aus seinen Brillen hervor in der Gestalt eines Eulenkopfs, denn dem Vogel der Minerva ähnelt die Rundgestalt seines Hauptes. (Lavater hat ja bewiesen, daß Apollo einem Frosch ähnlich sah, Gustav Adolph hatte einen Löwenkopf, warum gliche nicht Thiers dem Vogel der Weisheit? Er ist der Phönix des Jahrhunderts!) Die Débats handeln übrigens wie alle Leute, die sich übereilen, zornig werden, die Dinge übertreibend in den Tag hinein reden, ein va tout engagiren; das Blatt spricht gerade wie alle Minister im Augenblick ihres Sturzes, wie Decazes, Vill le, Polignac, wie Alles, was sich den Hals bricht und deßwegen das Weltende prophezeit. Oh wie die Menschen der verschiedensten Gesinnung einander gleich sind im Glück und Unglück! Im Glück dreht der Kopf, und man glaubt nicht leichtsinnig genug seyn zu können, im Unglück stürzt das Herz, und man glaubt nicht schwersinnig genug seyn zu können! Nichts gleicht einem emporgeschossenen Aristokraten so sehr als ein emporgeschossener Demokrat, nichts einem gestürzten Monarchisten so sehr als ein gestürzter Republicaner – Alles ein Staub! – Der National jubelt, er spricht schon als Herr, seine Sprache wirft die Maske ab, sie haut geradezu über die Köpfe der Minister weg nach oben. Es ist dieß ein eben so arger Fehler wie der der Débats; in allen Lagen des Lebens ist Schweigen und Handeln klüger als Heulen oder Triumphiren. – Der Courrier droht: nicht den Thron haben wir angegriffen, sondern das Ministerium; wenn ihr aber spielt wie im vorigen Jahre, uns Quasiminister gebt, uns, die wir den Thiers wollen, bis wir den Barrot erreichen (unser ultima Thule) so stehen wir für nichts; en avant alors agitation, reforme électorale. Thiers ist dann zu spät. – Auch der Constitutionnel droht; er redet in etwas gemäßigtern Ausdrücken und etwas wärmern Protestationen für die Monarchie ungefähr die Sprache des Courrier; nur ist dem Constitutionnel Thiers das nec plus ultra. Die Pairskammer, scheint's, ist auch besorgt; man wünscht dort eine Combination Thiers - Molé, um einer Combination Broglie - Guizot, die unpopulär ist, die Stange zu halten. Bis wann der Kaiserschnitt?

Die Ministerialkrisis nähert sich noch nicht ihrem Ende, obwohl es heißt, die Mitglieder des abtretenden Cabinets hätten bereits vorgestern Sr. Maj. erklärt, sie würden nur noch vier Tage lang die laufenden Geschäfte expediren und unterzeichnen, dann aber sich gänzlich zurückziehen. Die widersprechendsten Gerüchte kreuzen sich über das zu erwartende Resultat. Guizot ist noch hier, obwohl der Moniteur seine Abreise auf gestern angekündigt hatte. Der Herzog von Broglie hat dem Könige geantwortet, er wolle wohl zur Bildung eines neuen Ministeriums Beistand leisten, trete aber nicht mit ein. Guizot, der seinen bedeutenden Einfluß auf die Tuilerien nicht verloren hat, soll sich für den Augenblick gegen ein Ministerium Thiers nicht aufgelehnt haben, wie er es neulich gegen ein vom Grafen Molé geleitetes Cabinet that. Er denkt vielleicht, das Ministerium Thiers würde nicht von Bestand seyn, weil der Chef in der Kammer nicht mehr den nöthigen Anhang habe. Demnach cursirt in der Kammer folgende Liste, die jedoch näherer Bestätigung bedarf: Thiers (auswärtige Angelegenheiten), Billault (Handel und öffentliche Arbeiten, die wieder vereinigt werden), Vivien (Justiz), Remusat (Inneres), Cubières (Krieg), Roussin (Marine), d'Argout (Finanzen), Pelet de la Lozère (Unterricht). Dieses Ministerium würde dem linken Centrum angehören, mit Ausnahme des Hrn. Remusat, der zu den Doctrinärs zählt; ihn müßten sich die andern gefallen lassen. – Ich habe Ihnen nachträglich noch eine Mittheilung über das Verhältniß des Hofes zu dem Herzog von Bordeaux zu machen. Der Herzog von Broglie befand sich in Rom, als der Herzog von Bordeaux dort eintraf, und er war es, der einer hohen Person eine vermuthlich übertriebene Beschreibung von dem dortigen Einfluß des jungen Prinzen machte....

Schweiz.

Im Tessin sind die Hemmnisse des Verkehrs von Seite der lombardischen Regierung noch immer nicht vollständig beseitigt. Zwar werden jetzt die Pässe visirt; allein viele Bürger, die als Theilnehmer an den jüngsten Ereignissen gelten, sind davon ausgeschlossen und dürfen das lombardische Gebiet nicht betreten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0005" n="0485"/>
in Kenntniß gesetzt ist, betreffend die von diesen beiden Mächten im Fall eines Anrückens Ibrahim Pascha's gegen Konstantinopel zu treffenden Maaßregeln. Diese Anordnung ist ein Anfang einer Allianz; es ist die Allianz über einen einzigen Punkt und für einen bestimmten Fall, sie ist, wenigstens für diesen Fall, eine Offensiv- und Defensiv-Allianz; durch eine solche Convention, so partiell sie auch scheint, sind England und Rußland bereits miteinander verbündet. Dieses Ereigniß ist das wichtigste, das sich seit 1830 in den gegenseitigen Beziehungen der europäischen Mächte begeben hat. Die Principienfragen werden untergeordnet; die Gebietsfragen steigen in den ersten Rang empor. Jeder Macht ist jetzt angedeutet, künftig sich nur bei ihrem Interesse Raths zu erholen. Mit Bedauern müssen wir sagen, daß die französische Regierung den besagten Tractat erst nach dessen unwiderruflichem Abschluß erfahren hat.</p><lb/>
          <p>Ein Bericht des Marschalls Valée an den Kriegsminister aus <hi rendition="#b">Algier</hi> vom 15 Febr. meldet, daß mehrere Colonisten von Buffarik den Arabern in die Hände gefallen und gefangen ins Innere geschleppt worden. Im Uebrigen erwähnt dieser Bericht nur derselben Vorgänge, welche unser Algierer Correspondent bereits ausführlicher mitgetheilt hat.</p><lb/>
          <p>Hr. Dupuch, Bischof von Algier, ist in Toulon angekommen. Es heißt, er werde zum Erzbischof von Bordeaux ernannt werden.</p><lb/>
          <p>Der <hi rendition="#g">Messager</hi> enthält ein angebliches Schreiben aus <hi rendition="#b">Mostaganem</hi> vom 7 Febr., worin von Zwietracht, die unter den Arabern Abd-El-Kaders herrschen soll, die Rede ist. &#x201E;Die Niederlage der regulären Infanterie des Emirs, sagt das Schreiben, hat unter den Häuptlingen der Provinz Oran großes Mißvergnügen erregt. Man wirft Abd-El-Kader besonders die Organisation seiner Truppen auf europäischem Fuße vor. Eine Proclamation ist unter den Stämmen in Umlauf, worin die Araber aufgefordert werden: den Sohn Mahiddins (Abd-El-Kader), welcher List und Treulosigkeit nur gegen die Moslim anzuwenden wisse, davonzujagen. Auf diese Proclamation hin berief Abd-El-Kader alle Häuptlinge zu einer Berathung an die Ufer des Uad-el-Mina, aber die Schuldigsten werden sich wohl hüten, dieser Aufforderung Folge zu leisten.&#x201C;</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>&#x2640;</docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 22 Febr.</dateline>
          <p> Merkwürdig ist die Sprache der Journale, besonders des Débats, des National, des Courrier, des Constitutionnel, mit andern Worten: des Organs der Dynastie, des Organs der sogenannten Republik, des Organs Odilon-Barrot (mit seiner Succursale dem Siècle), des Organs Thiers. Die Débats speien Feuer und Flammen, es ist die mythologische Chimära; sie setzt alle Dinge <hi rendition="#i">au pis</hi>; sie will zu verstehen geben, daß Thiers die Ursache sey alles Uebels, daß er à la sournoise das Ganze betrieben, während Guizot schlecht manöuvrirt habe, und den Ministern der Muth entfallen sey. Die Débats geben zu verstehen, daß Thiers Minister werden könnte wider Willen des Königs; derweil schweigt Thiers und guckt aus seinen Brillen hervor in der Gestalt eines Eulenkopfs, denn dem Vogel der Minerva ähnelt die Rundgestalt seines Hauptes. (Lavater hat ja bewiesen, daß Apollo einem Frosch ähnlich sah, Gustav Adolph hatte einen Löwenkopf, warum gliche nicht Thiers dem Vogel der Weisheit? Er ist der Phönix des Jahrhunderts!) Die Débats handeln übrigens wie alle Leute, die sich übereilen, zornig werden, die Dinge übertreibend in den Tag hinein reden, ein va tout engagiren; das Blatt spricht gerade wie alle Minister im Augenblick ihres Sturzes, wie Decazes, Vill le, Polignac, wie Alles, was sich den Hals bricht und deßwegen das Weltende prophezeit. Oh wie die Menschen der verschiedensten Gesinnung einander gleich sind im Glück und Unglück! Im Glück dreht der Kopf, und man glaubt nicht leichtsinnig genug seyn zu können, im Unglück stürzt das Herz, und man glaubt nicht schwersinnig genug seyn zu können! Nichts gleicht einem emporgeschossenen Aristokraten so sehr als ein emporgeschossener Demokrat, nichts einem gestürzten Monarchisten so sehr als ein gestürzter Republicaner &#x2013; Alles ein Staub! &#x2013; Der National jubelt, er spricht schon als Herr, seine Sprache wirft die Maske ab, sie haut geradezu über die Köpfe der Minister weg nach oben. Es ist dieß ein eben so arger Fehler wie der der Débats; in allen Lagen des Lebens ist Schweigen und Handeln klüger als Heulen oder Triumphiren. &#x2013; Der Courrier droht: nicht den Thron haben wir angegriffen, sondern das Ministerium; wenn ihr aber <hi rendition="#g">spielt</hi> wie im vorigen Jahre, uns <hi rendition="#g">Quasiminister</hi> gebt, uns, die wir den Thiers wollen, bis wir den Barrot erreichen (unser ultima Thule) so stehen wir für nichts; en avant alors agitation, reforme électorale. Thiers ist dann zu <hi rendition="#g">spät</hi>. &#x2013; Auch der Constitutionnel droht; er redet in etwas gemäßigtern Ausdrücken und etwas wärmern Protestationen für die Monarchie ungefähr die Sprache des Courrier; nur ist dem Constitutionnel Thiers das nec plus ultra. Die Pairskammer, scheint's, ist auch besorgt; man wünscht dort eine Combination Thiers - Molé, um einer Combination Broglie - Guizot, die unpopulär ist, die Stange zu halten. Bis wann der Kaiserschnitt?</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>&#x2238;</docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 25 Febr.</dateline>
          <p> Die Ministerialkrisis nähert sich noch nicht ihrem Ende, obwohl es heißt, die Mitglieder des abtretenden Cabinets hätten bereits vorgestern Sr. Maj. erklärt, sie würden nur noch vier Tage lang die laufenden Geschäfte expediren und unterzeichnen, dann aber sich gänzlich zurückziehen. Die widersprechendsten Gerüchte kreuzen sich über das zu erwartende Resultat. Guizot ist noch hier, obwohl der Moniteur seine Abreise auf gestern angekündigt hatte. Der Herzog von Broglie hat dem Könige geantwortet, er wolle wohl zur Bildung eines neuen Ministeriums Beistand leisten, trete aber nicht mit ein. Guizot, der seinen bedeutenden Einfluß auf die Tuilerien nicht verloren hat, soll sich für den Augenblick gegen ein Ministerium Thiers nicht aufgelehnt haben, wie er es neulich gegen ein vom Grafen Molé geleitetes Cabinet that. Er denkt vielleicht, das Ministerium Thiers würde nicht von Bestand seyn, weil der Chef in der Kammer nicht mehr den nöthigen Anhang habe. Demnach cursirt in der Kammer folgende Liste, die jedoch näherer Bestätigung bedarf: Thiers (auswärtige Angelegenheiten), Billault (Handel und öffentliche Arbeiten, die wieder vereinigt werden), Vivien (Justiz), Remusat (Inneres), Cubières (Krieg), Roussin (Marine), d'Argout (Finanzen), Pelet de la Lozère (Unterricht). Dieses Ministerium würde dem linken Centrum angehören, mit Ausnahme des Hrn. Remusat, der zu den Doctrinärs zählt; ihn müßten sich die andern gefallen lassen. &#x2013; Ich habe Ihnen nachträglich noch eine Mittheilung über das Verhältniß des Hofes zu dem Herzog von Bordeaux zu machen. Der Herzog von Broglie befand sich in Rom, als der Herzog von Bordeaux dort eintraf, und er war es, der einer hohen Person eine vermuthlich übertriebene Beschreibung von dem dortigen Einfluß des jungen Prinzen machte....</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Schweiz.</hi> </head><lb/>
        <p>Im Tessin sind die Hemmnisse des Verkehrs von Seite der lombardischen Regierung noch immer nicht vollständig beseitigt. Zwar werden jetzt die Pässe visirt; allein viele Bürger, die als Theilnehmer an den jüngsten Ereignissen gelten, sind davon ausgeschlossen und dürfen das lombardische Gebiet nicht betreten.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0485/0005] in Kenntniß gesetzt ist, betreffend die von diesen beiden Mächten im Fall eines Anrückens Ibrahim Pascha's gegen Konstantinopel zu treffenden Maaßregeln. Diese Anordnung ist ein Anfang einer Allianz; es ist die Allianz über einen einzigen Punkt und für einen bestimmten Fall, sie ist, wenigstens für diesen Fall, eine Offensiv- und Defensiv-Allianz; durch eine solche Convention, so partiell sie auch scheint, sind England und Rußland bereits miteinander verbündet. Dieses Ereigniß ist das wichtigste, das sich seit 1830 in den gegenseitigen Beziehungen der europäischen Mächte begeben hat. Die Principienfragen werden untergeordnet; die Gebietsfragen steigen in den ersten Rang empor. Jeder Macht ist jetzt angedeutet, künftig sich nur bei ihrem Interesse Raths zu erholen. Mit Bedauern müssen wir sagen, daß die französische Regierung den besagten Tractat erst nach dessen unwiderruflichem Abschluß erfahren hat. Ein Bericht des Marschalls Valée an den Kriegsminister aus Algier vom 15 Febr. meldet, daß mehrere Colonisten von Buffarik den Arabern in die Hände gefallen und gefangen ins Innere geschleppt worden. Im Uebrigen erwähnt dieser Bericht nur derselben Vorgänge, welche unser Algierer Correspondent bereits ausführlicher mitgetheilt hat. Hr. Dupuch, Bischof von Algier, ist in Toulon angekommen. Es heißt, er werde zum Erzbischof von Bordeaux ernannt werden. Der Messager enthält ein angebliches Schreiben aus Mostaganem vom 7 Febr., worin von Zwietracht, die unter den Arabern Abd-El-Kaders herrschen soll, die Rede ist. „Die Niederlage der regulären Infanterie des Emirs, sagt das Schreiben, hat unter den Häuptlingen der Provinz Oran großes Mißvergnügen erregt. Man wirft Abd-El-Kader besonders die Organisation seiner Truppen auf europäischem Fuße vor. Eine Proclamation ist unter den Stämmen in Umlauf, worin die Araber aufgefordert werden: den Sohn Mahiddins (Abd-El-Kader), welcher List und Treulosigkeit nur gegen die Moslim anzuwenden wisse, davonzujagen. Auf diese Proclamation hin berief Abd-El-Kader alle Häuptlinge zu einer Berathung an die Ufer des Uad-el-Mina, aber die Schuldigsten werden sich wohl hüten, dieser Aufforderung Folge zu leisten.“ ♀ Paris, 22 Febr. Merkwürdig ist die Sprache der Journale, besonders des Débats, des National, des Courrier, des Constitutionnel, mit andern Worten: des Organs der Dynastie, des Organs der sogenannten Republik, des Organs Odilon-Barrot (mit seiner Succursale dem Siècle), des Organs Thiers. Die Débats speien Feuer und Flammen, es ist die mythologische Chimära; sie setzt alle Dinge au pis; sie will zu verstehen geben, daß Thiers die Ursache sey alles Uebels, daß er à la sournoise das Ganze betrieben, während Guizot schlecht manöuvrirt habe, und den Ministern der Muth entfallen sey. Die Débats geben zu verstehen, daß Thiers Minister werden könnte wider Willen des Königs; derweil schweigt Thiers und guckt aus seinen Brillen hervor in der Gestalt eines Eulenkopfs, denn dem Vogel der Minerva ähnelt die Rundgestalt seines Hauptes. (Lavater hat ja bewiesen, daß Apollo einem Frosch ähnlich sah, Gustav Adolph hatte einen Löwenkopf, warum gliche nicht Thiers dem Vogel der Weisheit? Er ist der Phönix des Jahrhunderts!) Die Débats handeln übrigens wie alle Leute, die sich übereilen, zornig werden, die Dinge übertreibend in den Tag hinein reden, ein va tout engagiren; das Blatt spricht gerade wie alle Minister im Augenblick ihres Sturzes, wie Decazes, Vill le, Polignac, wie Alles, was sich den Hals bricht und deßwegen das Weltende prophezeit. Oh wie die Menschen der verschiedensten Gesinnung einander gleich sind im Glück und Unglück! Im Glück dreht der Kopf, und man glaubt nicht leichtsinnig genug seyn zu können, im Unglück stürzt das Herz, und man glaubt nicht schwersinnig genug seyn zu können! Nichts gleicht einem emporgeschossenen Aristokraten so sehr als ein emporgeschossener Demokrat, nichts einem gestürzten Monarchisten so sehr als ein gestürzter Republicaner – Alles ein Staub! – Der National jubelt, er spricht schon als Herr, seine Sprache wirft die Maske ab, sie haut geradezu über die Köpfe der Minister weg nach oben. Es ist dieß ein eben so arger Fehler wie der der Débats; in allen Lagen des Lebens ist Schweigen und Handeln klüger als Heulen oder Triumphiren. – Der Courrier droht: nicht den Thron haben wir angegriffen, sondern das Ministerium; wenn ihr aber spielt wie im vorigen Jahre, uns Quasiminister gebt, uns, die wir den Thiers wollen, bis wir den Barrot erreichen (unser ultima Thule) so stehen wir für nichts; en avant alors agitation, reforme électorale. Thiers ist dann zu spät. – Auch der Constitutionnel droht; er redet in etwas gemäßigtern Ausdrücken und etwas wärmern Protestationen für die Monarchie ungefähr die Sprache des Courrier; nur ist dem Constitutionnel Thiers das nec plus ultra. Die Pairskammer, scheint's, ist auch besorgt; man wünscht dort eine Combination Thiers - Molé, um einer Combination Broglie - Guizot, die unpopulär ist, die Stange zu halten. Bis wann der Kaiserschnitt? ∸ Paris, 25 Febr. Die Ministerialkrisis nähert sich noch nicht ihrem Ende, obwohl es heißt, die Mitglieder des abtretenden Cabinets hätten bereits vorgestern Sr. Maj. erklärt, sie würden nur noch vier Tage lang die laufenden Geschäfte expediren und unterzeichnen, dann aber sich gänzlich zurückziehen. Die widersprechendsten Gerüchte kreuzen sich über das zu erwartende Resultat. Guizot ist noch hier, obwohl der Moniteur seine Abreise auf gestern angekündigt hatte. Der Herzog von Broglie hat dem Könige geantwortet, er wolle wohl zur Bildung eines neuen Ministeriums Beistand leisten, trete aber nicht mit ein. Guizot, der seinen bedeutenden Einfluß auf die Tuilerien nicht verloren hat, soll sich für den Augenblick gegen ein Ministerium Thiers nicht aufgelehnt haben, wie er es neulich gegen ein vom Grafen Molé geleitetes Cabinet that. Er denkt vielleicht, das Ministerium Thiers würde nicht von Bestand seyn, weil der Chef in der Kammer nicht mehr den nöthigen Anhang habe. Demnach cursirt in der Kammer folgende Liste, die jedoch näherer Bestätigung bedarf: Thiers (auswärtige Angelegenheiten), Billault (Handel und öffentliche Arbeiten, die wieder vereinigt werden), Vivien (Justiz), Remusat (Inneres), Cubières (Krieg), Roussin (Marine), d'Argout (Finanzen), Pelet de la Lozère (Unterricht). Dieses Ministerium würde dem linken Centrum angehören, mit Ausnahme des Hrn. Remusat, der zu den Doctrinärs zählt; ihn müßten sich die andern gefallen lassen. – Ich habe Ihnen nachträglich noch eine Mittheilung über das Verhältniß des Hofes zu dem Herzog von Bordeaux zu machen. Der Herzog von Broglie befand sich in Rom, als der Herzog von Bordeaux dort eintraf, und er war es, der einer hohen Person eine vermuthlich übertriebene Beschreibung von dem dortigen Einfluß des jungen Prinzen machte.... Schweiz. Im Tessin sind die Hemmnisse des Verkehrs von Seite der lombardischen Regierung noch immer nicht vollständig beseitigt. Zwar werden jetzt die Pässe visirt; allein viele Bürger, die als Theilnehmer an den jüngsten Ereignissen gelten, sind davon ausgeschlossen und dürfen das lombardische Gebiet nicht betreten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_061_18400301
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_061_18400301/5
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 61. Augsburg, 1. März 1840, S. 0485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_061_18400301/5>, abgerufen am 11.12.2024.