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Allgemeine Zeitung. Nr. 61. Augsburg, 1. März 1840.

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auch die Russen zogen so geringen Vortheil von ihren Karawanen, die nach Peking gingen, daß sie freiwillig aufgegeben wurden. Es ward später festgesetzt, daß der Handel bloß an der Gränze betrieben, und die Zöglinge so wie die Geistlichen nur alle zehn Jahre sollten abgelöst werden. Nach diesen Bestimmungen dauert der Verkehr zwischen den beiden Reichen, ohne bedeutende Störungen erlitten zu haben, schon über hundert Jahre. Dessenungeachtet würde man sich sehr täuschen, wenn man glaube, es könnten Einflüsterungen slavischer Agenten an der Gränze oder eines der zehn Mitglieder des russischen Collegiums zu Peking irgend einen Einfluß äußern auf die Beschlüsse des erhabenen Himmelssohns. Es sind den Russen in Peking, wie ehemals den Juden in Frankfurt und in andern Städten Europa's, bestimmte Räume angewiesen, welche sie nicht überschreiten dürfen. Es wird die russische Mission nicht besser behandelt, als die anderer tributpflichtiger Staaten, als die der Siamesen, Koreaner und der Lieou-kieou-Inseln. Ist es wohl unter solchen Verhältnissen auch nur denkbar, daß die Russen im geheimen Rathe des Himmelssohns, der ja selbst, wie bekannt, ein Ausbund ist aller Weisheit auf Erden, den geringsten Einfluß erlangen könnten? Man höre doch endlich auf, solche aus Unkunde und Mißwollen hervorgegangene Träumereien wiederholt zu Markte zu bringen. Bedürfte es denn wirklich einer Aufhetzerei von außen, damit die Chinesen einsähen, daß die Opiumraucher vor der Zeit dem Tod entgegeneilen, daß jährlich für dieses Gift ungeheure Summen Geldes aus dem Lande gehen? Ist denn nicht schon seit mehreren Jahrzehnten die Ausfuhr des Si sse *), so wie die Einführung des Mohnsaftes durch wiederholte kaiserliche Edicte verboten? Der einzige Unterschied zwischen ehemals und jetzt liegt bloß in der Persönlichkeit der äußern Beamten, welchen es zustand und zusteht, die kaiserlichen Befehle zu vollziehen. Früher ließen sich die Mandarinen, von dem untersten Mauthner bis hinauf zum Generalgouverneur von Kuang tong und Kuang si in schamloser Weise bestechen; jetzt steht aber ein ächter Schüler des Kong tse an der Spitze der Verwaltung, der, wie der Oberrichter Pao in dem chinesischen Singspiele, der sinnreiche Kreis überschrieben, mit Recht von sich sagen könnte: "Ich bin ein Mann geraden Herzens, reinen Wandels und unerschütterlich in dem Dienste der Fürsten und des Landes. Ich verabscheue alle Selbstsucht, komme nur mit redlichen, ihrer Pflicht lebenden Leuten zusammen und mache mit Verleumdern und Schmeichlern keine Gemeinschaft." Die ganz einfache Folge hievon ist, um mich eines bei unsern Nachbarn beliebten Ausdrucks zu bedienen, daß die schon längst bestehenden Reichsgesetze eine Wahrheit geworden sind.

Großbritannien.

Die Königin und Prinz Albert erhalten von allen Seiten Glückwunschadressen, worin jedoch der Parteigeist hier und da das Wort Protestantismus hervortreten läßt. Doch sind die Antworten darauf immer höflich, und umgehen das, was eigentlich beleidigen könnte. Inzwischen haben sich die Toryblätter wieder einer andern Gelegenheit bemächtigt, um die Königin zu kränken. Dieser neue Lärm rührte daher, daß sie sich nicht in den ersten Tagen der Unpäßlichkeit des Herzogs v. Wellington (welche bei weitem nicht so bedeutend gewesen seyn soll, als man sie gemacht) nach dessen Befinden hatte erkundigen lassen. Die Partei will sich durchaus nicht daran gewöhnen, in der Opposition zu seyn, statt auf den ministeriellen Bänken zu sitzen. Sie wird daher immer übler gelaunt. Sonst, als sie meinte, O'Connell allein stehe ihrem Ehrgeiz im Wege, ging es mit allem Eifer über diesen her. Jetzt aber bekommt er nur noch hier und da eine Schlappe, und aller Unwille gießt sich über die arme Königin aus, wobei Viele sich ärgern, daß die Nation es nicht zulassen will, daß man ihre junge Monarchin ganz so arg schimpfe, als den "dicken Bettelmann." "Ja," rief der bekannte Pfarrer Gregg bei einer neulichen Versammlung der Dubliner Corporation, "die HH. Roby und Bradshaw werden jetzt verfolgt, weil - sie die Wahrheit geredet, wie sie in Jesu ist!" Bei dieser ehrwürdigen Versammlung wurde aber auch Peel nicht verschont, und erklärt, der Protestantismus würde nie Ruhe haben, bis die Katholikenemancipation wieder abgeschafft sey. Auch Shaw wird erbärmlich mitgenommen, und der Entschluß angekündigt, daß er von der Dubliner Universität sowohl als von der Corporation aufgefordert werden soll, seine Stellen als Vertreter der Universität im Unterhause und als Stadtrichter niederzulegen. So schwer ist es, die Neigung der Menge zu behaupten, gleich viel ob diese am Stabilitätssystem klebt, oder mit jedem Wind einer neuen Lehre umgetrieben wird! Selbst hiesige Toryjournale, und vor allen die Times, zerbläuen den armen Peel, manchmal in h ren Hauptartikeln, noch öfter in Briefen, die sie sich in dieser Absicht schreiben lassen. Sein consequentes Verfahren bei dem Privilegienstreit können sie ihm gar nicht verzeihen, indem er dadurch verhinderte, daß derselbe gänzlich zur Parteifrage gemacht und das Unterhaus erniedrigt wurde. Ja, ein Correspondent in dem heutigen Blatte jenes Journals gibt sogar die Hoffnung noch nicht auf, jenes Gesetz der Emancipation, dessen Durchsetzung Peel für die edelste Handlung seines Lebens erklärt, widerrufen zu sehen, während die Redaction selbst am Schlusse eines ihrer Hauptartikel deutlich genug ihr Bedauern zu verstehen gibt, daß ihm jene edle Handlung je gelungen. Was indessen den Privilegienstreit betrifft, so zeigen sich bereits Spuren davon, daß die Beharrlichkeit der Mehrheit des Unterhauses in dem Entschlusse, die Deutung seiner Gerechtsame keiner fremden Behörde anheimzustellen, mit Sieg werde gekrönt werden. Stockdale fing nämlich aus seinem Gefängniß heraus einen vierten und fünften Proceß gegen die Drucker des Hauses an, und sein ebenfalls eingekerkerter Anwalt, Howard, ließ die Proceduren dazu durch seinen Sohn und einen Schreiber betreiben. Diese wurden daher denn auch vorgeladen, und da sie sich nicht erboten, von ihrem trotzigen Verfahren abzustehen, ebenfalls der Haft übergeben. Hierbei leisteten die Tories nun auch den gewöhnlichen Widerstand, zeigten aber, daß sie beim Abstimmen an Zahl bis beinahe zur Hälfte herabgeschmolzen waren. Was aber bedeutender, ist, daß als gestern Stockdale's Advocat vom Untersheriff den Executionsbefehl über den vierten Proceß gegen die Hansards verlangte, worin Stockdale nicht weniger als 50,000 Pf. St. zur Entschädigung verlangte, jener Beamte einen richterlichen Befehl vorzeigte, daß allen weiteren Proceduren in dieser Sache bis zum vierten Tage des nächsten Termins Einhalt geschehen solle. Hieraus möchte man beinahe schließen, daß die Richter anfangen, es etwas unter ihrer Würde zu finden, sich einem Menschen von Stockdale's Charakter als Katzenpfote herzuleihen. Sie müssen dieß um so mehr, da außer Inglis nicht ein einziger von den Rechtsgelehrten, welche sich dem bisherigen Verfahren des Unterhauses widersetzt haben, indem sie verlangen, dasselbe solle lieber seine Rechte für die Zukunft durch ein Gesetz schützen, und inzwischen die Behörden ungestört ihren Gang gehen lassen, den Ausspruch der Richter gebilligt hat. Sagte doch letzten Sonnabend der Oberrichter Denman selbst bei Gelegenheit einer Injurienklage

*) Si sse heißt eigentlich sehr feine Seide; in Canton wird aber das feine Silber so genannt.

auch die Russen zogen so geringen Vortheil von ihren Karawanen, die nach Peking gingen, daß sie freiwillig aufgegeben wurden. Es ward später festgesetzt, daß der Handel bloß an der Gränze betrieben, und die Zöglinge so wie die Geistlichen nur alle zehn Jahre sollten abgelöst werden. Nach diesen Bestimmungen dauert der Verkehr zwischen den beiden Reichen, ohne bedeutende Störungen erlitten zu haben, schon über hundert Jahre. Dessenungeachtet würde man sich sehr täuschen, wenn man glaube, es könnten Einflüsterungen slavischer Agenten an der Gränze oder eines der zehn Mitglieder des russischen Collegiums zu Peking irgend einen Einfluß äußern auf die Beschlüsse des erhabenen Himmelssohns. Es sind den Russen in Peking, wie ehemals den Juden in Frankfurt und in andern Städten Europa's, bestimmte Räume angewiesen, welche sie nicht überschreiten dürfen. Es wird die russische Mission nicht besser behandelt, als die anderer tributpflichtiger Staaten, als die der Siamesen, Koreaner und der Lieou-kieou-Inseln. Ist es wohl unter solchen Verhältnissen auch nur denkbar, daß die Russen im geheimen Rathe des Himmelssohns, der ja selbst, wie bekannt, ein Ausbund ist aller Weisheit auf Erden, den geringsten Einfluß erlangen könnten? Man höre doch endlich auf, solche aus Unkunde und Mißwollen hervorgegangene Träumereien wiederholt zu Markte zu bringen. Bedürfte es denn wirklich einer Aufhetzerei von außen, damit die Chinesen einsähen, daß die Opiumraucher vor der Zeit dem Tod entgegeneilen, daß jährlich für dieses Gift ungeheure Summen Geldes aus dem Lande gehen? Ist denn nicht schon seit mehreren Jahrzehnten die Ausfuhr des Si sse *), so wie die Einführung des Mohnsaftes durch wiederholte kaiserliche Edicte verboten? Der einzige Unterschied zwischen ehemals und jetzt liegt bloß in der Persönlichkeit der äußern Beamten, welchen es zustand und zusteht, die kaiserlichen Befehle zu vollziehen. Früher ließen sich die Mandarinen, von dem untersten Mauthner bis hinauf zum Generalgouverneur von Kuang tong und Kuang si in schamloser Weise bestechen; jetzt steht aber ein ächter Schüler des Kong tse an der Spitze der Verwaltung, der, wie der Oberrichter Pao in dem chinesischen Singspiele, der sinnreiche Kreis überschrieben, mit Recht von sich sagen könnte: „Ich bin ein Mann geraden Herzens, reinen Wandels und unerschütterlich in dem Dienste der Fürsten und des Landes. Ich verabscheue alle Selbstsucht, komme nur mit redlichen, ihrer Pflicht lebenden Leuten zusammen und mache mit Verleumdern und Schmeichlern keine Gemeinschaft.“ Die ganz einfache Folge hievon ist, um mich eines bei unsern Nachbarn beliebten Ausdrucks zu bedienen, daß die schon längst bestehenden Reichsgesetze eine Wahrheit geworden sind.

Großbritannien.

Die Königin und Prinz Albert erhalten von allen Seiten Glückwunschadressen, worin jedoch der Parteigeist hier und da das Wort Protestantismus hervortreten läßt. Doch sind die Antworten darauf immer höflich, und umgehen das, was eigentlich beleidigen könnte. Inzwischen haben sich die Toryblätter wieder einer andern Gelegenheit bemächtigt, um die Königin zu kränken. Dieser neue Lärm rührte daher, daß sie sich nicht in den ersten Tagen der Unpäßlichkeit des Herzogs v. Wellington (welche bei weitem nicht so bedeutend gewesen seyn soll, als man sie gemacht) nach dessen Befinden hatte erkundigen lassen. Die Partei will sich durchaus nicht daran gewöhnen, in der Opposition zu seyn, statt auf den ministeriellen Bänken zu sitzen. Sie wird daher immer übler gelaunt. Sonst, als sie meinte, O'Connell allein stehe ihrem Ehrgeiz im Wege, ging es mit allem Eifer über diesen her. Jetzt aber bekommt er nur noch hier und da eine Schlappe, und aller Unwille gießt sich über die arme Königin aus, wobei Viele sich ärgern, daß die Nation es nicht zulassen will, daß man ihre junge Monarchin ganz so arg schimpfe, als den „dicken Bettelmann.“ „Ja,“ rief der bekannte Pfarrer Gregg bei einer neulichen Versammlung der Dubliner Corporation, „die HH. Roby und Bradshaw werden jetzt verfolgt, weil – sie die Wahrheit geredet, wie sie in Jesu ist!“ Bei dieser ehrwürdigen Versammlung wurde aber auch Peel nicht verschont, und erklärt, der Protestantismus würde nie Ruhe haben, bis die Katholikenemancipation wieder abgeschafft sey. Auch Shaw wird erbärmlich mitgenommen, und der Entschluß angekündigt, daß er von der Dubliner Universität sowohl als von der Corporation aufgefordert werden soll, seine Stellen als Vertreter der Universität im Unterhause und als Stadtrichter niederzulegen. So schwer ist es, die Neigung der Menge zu behaupten, gleich viel ob diese am Stabilitätssystem klebt, oder mit jedem Wind einer neuen Lehre umgetrieben wird! Selbst hiesige Toryjournale, und vor allen die Times, zerbläuen den armen Peel, manchmal in h ren Hauptartikeln, noch öfter in Briefen, die sie sich in dieser Absicht schreiben lassen. Sein consequentes Verfahren bei dem Privilegienstreit können sie ihm gar nicht verzeihen, indem er dadurch verhinderte, daß derselbe gänzlich zur Parteifrage gemacht und das Unterhaus erniedrigt wurde. Ja, ein Correspondent in dem heutigen Blatte jenes Journals gibt sogar die Hoffnung noch nicht auf, jenes Gesetz der Emancipation, dessen Durchsetzung Peel für die edelste Handlung seines Lebens erklärt, widerrufen zu sehen, während die Redaction selbst am Schlusse eines ihrer Hauptartikel deutlich genug ihr Bedauern zu verstehen gibt, daß ihm jene edle Handlung je gelungen. Was indessen den Privilegienstreit betrifft, so zeigen sich bereits Spuren davon, daß die Beharrlichkeit der Mehrheit des Unterhauses in dem Entschlusse, die Deutung seiner Gerechtsame keiner fremden Behörde anheimzustellen, mit Sieg werde gekrönt werden. Stockdale fing nämlich aus seinem Gefängniß heraus einen vierten und fünften Proceß gegen die Drucker des Hauses an, und sein ebenfalls eingekerkerter Anwalt, Howard, ließ die Proceduren dazu durch seinen Sohn und einen Schreiber betreiben. Diese wurden daher denn auch vorgeladen, und da sie sich nicht erboten, von ihrem trotzigen Verfahren abzustehen, ebenfalls der Haft übergeben. Hierbei leisteten die Tories nun auch den gewöhnlichen Widerstand, zeigten aber, daß sie beim Abstimmen an Zahl bis beinahe zur Hälfte herabgeschmolzen waren. Was aber bedeutender, ist, daß als gestern Stockdale's Advocat vom Untersheriff den Executionsbefehl über den vierten Proceß gegen die Hansards verlangte, worin Stockdale nicht weniger als 50,000 Pf. St. zur Entschädigung verlangte, jener Beamte einen richterlichen Befehl vorzeigte, daß allen weiteren Proceduren in dieser Sache bis zum vierten Tage des nächsten Termins Einhalt geschehen solle. Hieraus möchte man beinahe schließen, daß die Richter anfangen, es etwas unter ihrer Würde zu finden, sich einem Menschen von Stockdale's Charakter als Katzenpfote herzuleihen. Sie müssen dieß um so mehr, da außer Inglis nicht ein einziger von den Rechtsgelehrten, welche sich dem bisherigen Verfahren des Unterhauses widersetzt haben, indem sie verlangen, dasselbe solle lieber seine Rechte für die Zukunft durch ein Gesetz schützen, und inzwischen die Behörden ungestört ihren Gang gehen lassen, den Ausspruch der Richter gebilligt hat. Sagte doch letzten Sonnabend der Oberrichter Denman selbst bei Gelegenheit einer Injurienklage

*) Si sse heißt eigentlich sehr feine Seide; in Canton wird aber das feine Silber so genannt.
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auch die Russen zogen so geringen Vortheil von ihren Karawanen, die nach Peking gingen, daß sie freiwillig aufgegeben wurden. Es ward später festgesetzt, daß der Handel bloß an der Gränze betrieben, und die Zöglinge so wie die Geistlichen nur alle zehn Jahre sollten abgelöst werden. Nach diesen Bestimmungen dauert der Verkehr zwischen den beiden Reichen, ohne bedeutende Störungen erlitten zu haben, schon über hundert Jahre. Dessenungeachtet würde man sich sehr täuschen, wenn man glaube, es könnten Einflüsterungen slavischer Agenten an der Gränze oder eines der zehn Mitglieder des russischen Collegiums zu Peking irgend einen Einfluß äußern auf die Beschlüsse des erhabenen Himmelssohns. Es sind den Russen in Peking, wie ehemals den Juden in Frankfurt und in andern Städten Europa's, bestimmte Räume angewiesen, welche sie nicht überschreiten dürfen. Es wird die russische Mission nicht besser behandelt, als die anderer tributpflichtiger Staaten, als die der Siamesen, Koreaner und der Lieou-kieou-Inseln. Ist es wohl unter solchen Verhältnissen auch nur denkbar, daß die Russen im geheimen Rathe des Himmelssohns, der ja selbst, wie bekannt, ein Ausbund ist aller Weisheit auf Erden, den geringsten Einfluß erlangen könnten? Man höre doch endlich auf, solche aus Unkunde und Mißwollen hervorgegangene Träumereien wiederholt zu Markte zu bringen. Bedürfte es denn wirklich einer Aufhetzerei von außen, damit die Chinesen einsähen, daß die Opiumraucher vor der Zeit dem Tod entgegeneilen, daß jährlich für dieses Gift ungeheure Summen Geldes aus dem Lande gehen? Ist denn nicht schon seit mehreren Jahrzehnten die Ausfuhr des <hi rendition="#g">Si sse</hi> <note place="foot" n="*)"> Si sse heißt eigentlich sehr <hi rendition="#g">feine Seide</hi>; in Canton wird aber das feine Silber so genannt.</note>, so wie die Einführung des Mohnsaftes durch wiederholte kaiserliche Edicte verboten? Der einzige Unterschied zwischen ehemals und jetzt liegt bloß in der Persönlichkeit der äußern Beamten, welchen es zustand und zusteht, die kaiserlichen Befehle zu vollziehen. Früher ließen sich die Mandarinen, von dem untersten Mauthner bis hinauf zum Generalgouverneur von Kuang tong und Kuang si in schamloser Weise bestechen; jetzt steht aber ein ächter Schüler des Kong tse an der Spitze der Verwaltung, der, wie der Oberrichter Pao in dem chinesischen Singspiele, <hi rendition="#g">der sinnreiche Kreis</hi> überschrieben, mit Recht von sich sagen könnte: &#x201E;Ich bin ein Mann geraden Herzens, reinen Wandels und unerschütterlich in dem Dienste der Fürsten und des Landes. Ich verabscheue alle Selbstsucht, komme nur mit redlichen, ihrer Pflicht lebenden Leuten zusammen und mache mit Verleumdern und Schmeichlern keine Gemeinschaft.&#x201C; Die ganz einfache Folge hievon ist, um mich eines bei unsern Nachbarn beliebten Ausdrucks zu bedienen, daß die schon längst bestehenden Reichsgesetze eine Wahrheit geworden sind.</p><lb/>
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[0482/0010] auch die Russen zogen so geringen Vortheil von ihren Karawanen, die nach Peking gingen, daß sie freiwillig aufgegeben wurden. Es ward später festgesetzt, daß der Handel bloß an der Gränze betrieben, und die Zöglinge so wie die Geistlichen nur alle zehn Jahre sollten abgelöst werden. Nach diesen Bestimmungen dauert der Verkehr zwischen den beiden Reichen, ohne bedeutende Störungen erlitten zu haben, schon über hundert Jahre. Dessenungeachtet würde man sich sehr täuschen, wenn man glaube, es könnten Einflüsterungen slavischer Agenten an der Gränze oder eines der zehn Mitglieder des russischen Collegiums zu Peking irgend einen Einfluß äußern auf die Beschlüsse des erhabenen Himmelssohns. Es sind den Russen in Peking, wie ehemals den Juden in Frankfurt und in andern Städten Europa's, bestimmte Räume angewiesen, welche sie nicht überschreiten dürfen. Es wird die russische Mission nicht besser behandelt, als die anderer tributpflichtiger Staaten, als die der Siamesen, Koreaner und der Lieou-kieou-Inseln. Ist es wohl unter solchen Verhältnissen auch nur denkbar, daß die Russen im geheimen Rathe des Himmelssohns, der ja selbst, wie bekannt, ein Ausbund ist aller Weisheit auf Erden, den geringsten Einfluß erlangen könnten? Man höre doch endlich auf, solche aus Unkunde und Mißwollen hervorgegangene Träumereien wiederholt zu Markte zu bringen. Bedürfte es denn wirklich einer Aufhetzerei von außen, damit die Chinesen einsähen, daß die Opiumraucher vor der Zeit dem Tod entgegeneilen, daß jährlich für dieses Gift ungeheure Summen Geldes aus dem Lande gehen? Ist denn nicht schon seit mehreren Jahrzehnten die Ausfuhr des Si sse *), so wie die Einführung des Mohnsaftes durch wiederholte kaiserliche Edicte verboten? Der einzige Unterschied zwischen ehemals und jetzt liegt bloß in der Persönlichkeit der äußern Beamten, welchen es zustand und zusteht, die kaiserlichen Befehle zu vollziehen. Früher ließen sich die Mandarinen, von dem untersten Mauthner bis hinauf zum Generalgouverneur von Kuang tong und Kuang si in schamloser Weise bestechen; jetzt steht aber ein ächter Schüler des Kong tse an der Spitze der Verwaltung, der, wie der Oberrichter Pao in dem chinesischen Singspiele, der sinnreiche Kreis überschrieben, mit Recht von sich sagen könnte: „Ich bin ein Mann geraden Herzens, reinen Wandels und unerschütterlich in dem Dienste der Fürsten und des Landes. Ich verabscheue alle Selbstsucht, komme nur mit redlichen, ihrer Pflicht lebenden Leuten zusammen und mache mit Verleumdern und Schmeichlern keine Gemeinschaft.“ Die ganz einfache Folge hievon ist, um mich eines bei unsern Nachbarn beliebten Ausdrucks zu bedienen, daß die schon längst bestehenden Reichsgesetze eine Wahrheit geworden sind. Großbritannien. London, 21 Febr. Die Königin und Prinz Albert erhalten von allen Seiten Glückwunschadressen, worin jedoch der Parteigeist hier und da das Wort Protestantismus hervortreten läßt. Doch sind die Antworten darauf immer höflich, und umgehen das, was eigentlich beleidigen könnte. Inzwischen haben sich die Toryblätter wieder einer andern Gelegenheit bemächtigt, um die Königin zu kränken. Dieser neue Lärm rührte daher, daß sie sich nicht in den ersten Tagen der Unpäßlichkeit des Herzogs v. Wellington (welche bei weitem nicht so bedeutend gewesen seyn soll, als man sie gemacht) nach dessen Befinden hatte erkundigen lassen. Die Partei will sich durchaus nicht daran gewöhnen, in der Opposition zu seyn, statt auf den ministeriellen Bänken zu sitzen. Sie wird daher immer übler gelaunt. Sonst, als sie meinte, O'Connell allein stehe ihrem Ehrgeiz im Wege, ging es mit allem Eifer über diesen her. Jetzt aber bekommt er nur noch hier und da eine Schlappe, und aller Unwille gießt sich über die arme Königin aus, wobei Viele sich ärgern, daß die Nation es nicht zulassen will, daß man ihre junge Monarchin ganz so arg schimpfe, als den „dicken Bettelmann.“ „Ja,“ rief der bekannte Pfarrer Gregg bei einer neulichen Versammlung der Dubliner Corporation, „die HH. Roby und Bradshaw werden jetzt verfolgt, weil – sie die Wahrheit geredet, wie sie in Jesu ist!“ Bei dieser ehrwürdigen Versammlung wurde aber auch Peel nicht verschont, und erklärt, der Protestantismus würde nie Ruhe haben, bis die Katholikenemancipation wieder abgeschafft sey. Auch Shaw wird erbärmlich mitgenommen, und der Entschluß angekündigt, daß er von der Dubliner Universität sowohl als von der Corporation aufgefordert werden soll, seine Stellen als Vertreter der Universität im Unterhause und als Stadtrichter niederzulegen. So schwer ist es, die Neigung der Menge zu behaupten, gleich viel ob diese am Stabilitätssystem klebt, oder mit jedem Wind einer neuen Lehre umgetrieben wird! Selbst hiesige Toryjournale, und vor allen die Times, zerbläuen den armen Peel, manchmal in h ren Hauptartikeln, noch öfter in Briefen, die sie sich in dieser Absicht schreiben lassen. Sein consequentes Verfahren bei dem Privilegienstreit können sie ihm gar nicht verzeihen, indem er dadurch verhinderte, daß derselbe gänzlich zur Parteifrage gemacht und das Unterhaus erniedrigt wurde. Ja, ein Correspondent in dem heutigen Blatte jenes Journals gibt sogar die Hoffnung noch nicht auf, jenes Gesetz der Emancipation, dessen Durchsetzung Peel für die edelste Handlung seines Lebens erklärt, widerrufen zu sehen, während die Redaction selbst am Schlusse eines ihrer Hauptartikel deutlich genug ihr Bedauern zu verstehen gibt, daß ihm jene edle Handlung je gelungen. Was indessen den Privilegienstreit betrifft, so zeigen sich bereits Spuren davon, daß die Beharrlichkeit der Mehrheit des Unterhauses in dem Entschlusse, die Deutung seiner Gerechtsame keiner fremden Behörde anheimzustellen, mit Sieg werde gekrönt werden. Stockdale fing nämlich aus seinem Gefängniß heraus einen vierten und fünften Proceß gegen die Drucker des Hauses an, und sein ebenfalls eingekerkerter Anwalt, Howard, ließ die Proceduren dazu durch seinen Sohn und einen Schreiber betreiben. Diese wurden daher denn auch vorgeladen, und da sie sich nicht erboten, von ihrem trotzigen Verfahren abzustehen, ebenfalls der Haft übergeben. Hierbei leisteten die Tories nun auch den gewöhnlichen Widerstand, zeigten aber, daß sie beim Abstimmen an Zahl bis beinahe zur Hälfte herabgeschmolzen waren. Was aber bedeutender, ist, daß als gestern Stockdale's Advocat vom Untersheriff den Executionsbefehl über den vierten Proceß gegen die Hansards verlangte, worin Stockdale nicht weniger als 50,000 Pf. St. zur Entschädigung verlangte, jener Beamte einen richterlichen Befehl vorzeigte, daß allen weiteren Proceduren in dieser Sache bis zum vierten Tage des nächsten Termins Einhalt geschehen solle. Hieraus möchte man beinahe schließen, daß die Richter anfangen, es etwas unter ihrer Würde zu finden, sich einem Menschen von Stockdale's Charakter als Katzenpfote herzuleihen. Sie müssen dieß um so mehr, da außer Inglis nicht ein einziger von den Rechtsgelehrten, welche sich dem bisherigen Verfahren des Unterhauses widersetzt haben, indem sie verlangen, dasselbe solle lieber seine Rechte für die Zukunft durch ein Gesetz schützen, und inzwischen die Behörden ungestört ihren Gang gehen lassen, den Ausspruch der Richter gebilligt hat. Sagte doch letzten Sonnabend der Oberrichter Denman selbst bei Gelegenheit einer Injurienklage *) Si sse heißt eigentlich sehr feine Seide; in Canton wird aber das feine Silber so genannt.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 61. Augsburg, 1. März 1840, S. 0482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_061_18400301/10>, abgerufen am 11.12.2024.