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Allgemeine Zeitung. Nr. 51. Augsburg, 20. Februar 1840.

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nimmt, wird von Allen empfunden. Die bornirten Legitimisten schreiben dieses dem Charakter aller öffentlichen Verhandlungen zu und vergöttern, im System des Journals la France, die Knute; die aufgeklärteren Legitimisten meinen, mit der Legitimität der Dynastie verbunden könne allein das Repräsentativsystem seine Früchte tragen, dadurch daß das aristokratische Element in demselben auftauche. Die Opposition der Linken meint, es werde diesem System aufgeholfen werden können durch Adjunction der Capacitäten, d. h. der gesammten Masse aller Advocaten, Mediciner und Schriftsteller, ob diese den festgesetzten Census bezahlen oder nicht, gleichviel; zugleich wollen sie auch das Ueberhandnehmen der Functionärs in den Kammern beschränken. Die Republicaner der laxen Observanz endlich wollen die Volkssouveränetät durch die Nationalgarde, und die der stricten Observanz durch die Gesammtmasse der Handwerker in das Repräsentativsystem festsetzen. Das Juste Milieu endlich fände das heute bestehende System vollkommen, wenn es nur nicht zu oft in Frage gesetzt werden würde. Was die Nation im Großen und Ganzen betrifft, so offenbart sie durch ihre Gleichgültigkeit gegen das Bestehende die Kraftlosigkeit dieses Systems in der heutigen Praxis, deren Grund näher zu beleuchten seyn möchte.

1) ist es gewiß, daß von oben herab ein System des Amortissements auf alle Geister und Gemüther in allen nur möglichen Rücksichten entwickelt worden. So wenig Respect die Franzosen in ihrem stets rastlosen Witze gegen Alles, was Regierung ist, äußern, so ist es doch gewiß, daß sie vor allen andern Nationen einer entschiedenen Herrschaft bedürftig sind, und wenn auch ihre Meinungen je mehr und mehr republicanisch seyn oder werden sollten, so ist es doch ihr Charakter auf das allerbestimmteste nicht; sie setzen die ganze Freiheit in die Gleichheit, und dadurch schon bahnen sie aller möglichen Autokratie monarchischer, ministerieller oder auch jakobinischer Gewalten die Wege; sie dulden keine selbstständige Independenz, kein Vergrößern und Wichtigwerden des Individuums; sie wollen ein Niveau in der Familie, im Ansehen, in allen möglichen Dingen, und die einzige Aristokratie, welche sie dulden, ist die schlechteste von allen, die des Geldes, eben weil diese auf den Erwerb gebaut ist. In solcher Gemüthslage, bei den irren Meinungen der Franzosen, welche in den verschiedenartigsten Gesinnungen sich durchkreuzen, war es Pflicht der Regierung ihre Herrschaft auf Moderation zu gründen; aber für ächte Moderation gehört Größe, und statt aller Größe hatte man nur Pfiffigkeit. Dieses seit zehn Jahren befolgte System der Moderation hatte also zur Folge: Verflachung des politischen Geistes der Kammern, Versandung der Wahlcollegien, Mittelmäßigkeit nach den Principien des Egoismus. In dieser Hinsicht, weil sie nichts erhoben, nichts gebildet und nirgends eine Tendenz angewiesen hat, ist die Regierung seit zehn Jahren strafbar; die von ihr schon gefühlte Strafe aber besteht darin, daß die Nation eben so gleichgültig und wo möglich noch gleichgültiger ist gegen die Regierung als gegen das bestehende Repräsentativsystem und dieselbe des Amortissements desselben beschuldigt.

2) Aber so gewiß es ist, daß die Regierung amortirt hat, eben so gewiß ist es, daß die Kammern durch eigene Schuld sich haben amortiren lassen, und zwar durch vollkommenen Abgang aller politischen Männer und Gesinnungen in denselben. Seit zehn Jahren dreht sich Alles um drei Personen, nachdem der kräftige Perrier todt, der schwächliche Laffitte in allerlei Inconsequenzen und Halbheiten untergegangen ist; diese drei Personen sind: Guizot, Thiers, Odilon-Barrot. Guizot, ein systematischer Historiker, ohne Originalität des Kopfes und Gefühls, aber schnell andern nach begreifend, gewandt sich Fremdes aneignend, in Eigenes verwandelnd, scharfkantig diese Ideen ausmessend, arbeitend, voll Methode und Vernunft, aber ohne innern Drang, Leben, Wärme, ein Kopf, der gern hoch empor hätte streben mögen, dem auch viele Talente nicht abgingen, der aber der aufgeblasenen stolzen Eitelkeit seines Charakters erlegen ist; eine allerhöchste Person kennt dessen Maaß. Thiers, rühriger, gewandter, witziger, aber weniger bedeutend als Guizot, mit oberflächlichem Wissen von allen möglichen Dingen übertüncht, ohne irgend etwas gründlich zu besitzen; weniger gehalten als Guizot, aber muthiger und mit Anlage zum Charakter; gegen ihn empfindet eine allerhöchste Person eine noch größere Antipathie als gegen Guizot, aber weiß auch im Grunde, was dieselbe von der Festigkeit des Mannes zu halten. Wären Thiers und Guizot einverstanden gewesen, sie hätten ein langes Ministerium nach Analogie des Ministeriums Villele-Corbiere bilden können; aber Guizot wollte kein Corbiere seyn, und Thiers konnte kein Villele werden. Ihre Uneinigkeiten hat eine allerhöchste Person benutzt, um sie einer durch den andern zu discreditiren und sie zu Capitulationen auf die Länge zu bringen. Endlich Odilon-Barrot ist gar kein politischer Kopf, sondern ein beredter Entwickler allgemeiner Theorien.

3) Schlüßlich ist die große Mattigkeit der Wahlcollegien zu berücksichtigen, die ohne Gesammtgeist nur bedacht sind, Deputirte zu ernennen, welche nur ihre Geschäftsleute sind, derweil dieselben Deputirten beschäftigt sind, durch Beförderung der Interessen ihrer Wähler unter ihnen sich eine Clientel zu sichern; dieß ist freilich das Hauptgebrechen. . . . .

Schweden.

Für Schweden bricht jetzt eine ganz neue Zeit an, ob aber die Zukunft trüb oder heiter werden wird, hängt noch sehr von Umständen ab. So viel ist gewiß, der bisherige Zustand war ziemlich unerträglich geworden, freilich, wie es gewöhnlich geht, ohne daß man auf einzelne die Schuld werfen könnte, ja vielleicht muß man, um gerecht zu seyn, in die Zeit Gustav Adolfs zurückgehen, d. h. in jene Zeit, wo Schweden mit Einem Mal anfing eine europäische Rolle zu spielen, und unter den ersten Mächten zu figuriren. Dazu reichten weder die Menschenzahl noch die Geldkräfte Schwedens aus, und wir sehen es deßhalb in den letzten anderthalb Jahrhunderten zwischen großer Macht und gänzlicher Erschöpfung schwanken; mächtig war es, so oft ein Gustav Adolf oder Karl XII siegreich seine Heere führte, aber der Anstrengung folgte jedesmal eine Schwäche, bis endlich Schweden in den kläglichen Zustand versank, den der König in der Thronrede, seinem Schwanengesang, so klar schildert, wo er von dem Unglücksjahre 1809 sprach. Seit jener Unglückszeit ist allerdings vieles geschehen, was auch vom schwedischen Volke dankbar erkannt wird, aber die Last einer, ich möchte sagen, zu vornehmen Regierung, die sich aus der Zeit herschrieb, wo Schweden eine der ersten Mächte war, konnte Karl Johann dem Volke nicht abnehmen. Ob er diese Last in ihrem gehörigen Umfang erkannte oder nicht, darauf kommt es hier nicht an, genug seine Kraft reichte nicht hin, die altherkömmlichen Regierungs- oder Verwaltungsansichten zu brechen, und diese Verwaltung verknöcherte immer mehr, und in gleichem Verhältniß siechte die Thätigkeit des Volks. Schweden wurde immer ärmer, wenn auch durch einen geordneten Staatshaushalt die Finanzen sich allmählich günstiger gestalteten, und das Volk konnte am Ende die Lasten nicht mehr tragen. So wuchs die Opposition namentlich im Bauern- und Bürgerstande, und trotz aller Gegenbemühungen von Seite des Beamtenstandes und eines Theils der höhern Priesterschaft, ist sie jetzt, nach kaum eröffnetem

nimmt, wird von Allen empfunden. Die bornirten Legitimisten schreiben dieses dem Charakter aller öffentlichen Verhandlungen zu und vergöttern, im System des Journals la France, die Knute; die aufgeklärteren Legitimisten meinen, mit der Legitimität der Dynastie verbunden könne allein das Repräsentativsystem seine Früchte tragen, dadurch daß das aristokratische Element in demselben auftauche. Die Opposition der Linken meint, es werde diesem System aufgeholfen werden können durch Adjunction der Capacitäten, d. h. der gesammten Masse aller Advocaten, Mediciner und Schriftsteller, ob diese den festgesetzten Census bezahlen oder nicht, gleichviel; zugleich wollen sie auch das Ueberhandnehmen der Functionärs in den Kammern beschränken. Die Republicaner der laxen Observanz endlich wollen die Volkssouveränetät durch die Nationalgarde, und die der stricten Observanz durch die Gesammtmasse der Handwerker in das Repräsentativsystem festsetzen. Das Juste Milieu endlich fände das heute bestehende System vollkommen, wenn es nur nicht zu oft in Frage gesetzt werden würde. Was die Nation im Großen und Ganzen betrifft, so offenbart sie durch ihre Gleichgültigkeit gegen das Bestehende die Kraftlosigkeit dieses Systems in der heutigen Praxis, deren Grund näher zu beleuchten seyn möchte.

1) ist es gewiß, daß von oben herab ein System des Amortissements auf alle Geister und Gemüther in allen nur möglichen Rücksichten entwickelt worden. So wenig Respect die Franzosen in ihrem stets rastlosen Witze gegen Alles, was Regierung ist, äußern, so ist es doch gewiß, daß sie vor allen andern Nationen einer entschiedenen Herrschaft bedürftig sind, und wenn auch ihre Meinungen je mehr und mehr republicanisch seyn oder werden sollten, so ist es doch ihr Charakter auf das allerbestimmteste nicht; sie setzen die ganze Freiheit in die Gleichheit, und dadurch schon bahnen sie aller möglichen Autokratie monarchischer, ministerieller oder auch jakobinischer Gewalten die Wege; sie dulden keine selbstständige Independenz, kein Vergrößern und Wichtigwerden des Individuums; sie wollen ein Niveau in der Familie, im Ansehen, in allen möglichen Dingen, und die einzige Aristokratie, welche sie dulden, ist die schlechteste von allen, die des Geldes, eben weil diese auf den Erwerb gebaut ist. In solcher Gemüthslage, bei den irren Meinungen der Franzosen, welche in den verschiedenartigsten Gesinnungen sich durchkreuzen, war es Pflicht der Regierung ihre Herrschaft auf Moderation zu gründen; aber für ächte Moderation gehört Größe, und statt aller Größe hatte man nur Pfiffigkeit. Dieses seit zehn Jahren befolgte System der Moderation hatte also zur Folge: Verflachung des politischen Geistes der Kammern, Versandung der Wahlcollegien, Mittelmäßigkeit nach den Principien des Egoismus. In dieser Hinsicht, weil sie nichts erhoben, nichts gebildet und nirgends eine Tendenz angewiesen hat, ist die Regierung seit zehn Jahren strafbar; die von ihr schon gefühlte Strafe aber besteht darin, daß die Nation eben so gleichgültig und wo möglich noch gleichgültiger ist gegen die Regierung als gegen das bestehende Repräsentativsystem und dieselbe des Amortissements desselben beschuldigt.

2) Aber so gewiß es ist, daß die Regierung amortirt hat, eben so gewiß ist es, daß die Kammern durch eigene Schuld sich haben amortiren lassen, und zwar durch vollkommenen Abgang aller politischen Männer und Gesinnungen in denselben. Seit zehn Jahren dreht sich Alles um drei Personen, nachdem der kräftige Perrier todt, der schwächliche Laffitte in allerlei Inconsequenzen und Halbheiten untergegangen ist; diese drei Personen sind: Guizot, Thiers, Odilon-Barrot. Guizot, ein systematischer Historiker, ohne Originalität des Kopfes und Gefühls, aber schnell andern nach begreifend, gewandt sich Fremdes aneignend, in Eigenes verwandelnd, scharfkantig diese Ideen ausmessend, arbeitend, voll Methode und Vernunft, aber ohne innern Drang, Leben, Wärme, ein Kopf, der gern hoch empor hätte streben mögen, dem auch viele Talente nicht abgingen, der aber der aufgeblasenen stolzen Eitelkeit seines Charakters erlegen ist; eine allerhöchste Person kennt dessen Maaß. Thiers, rühriger, gewandter, witziger, aber weniger bedeutend als Guizot, mit oberflächlichem Wissen von allen möglichen Dingen übertüncht, ohne irgend etwas gründlich zu besitzen; weniger gehalten als Guizot, aber muthiger und mit Anlage zum Charakter; gegen ihn empfindet eine allerhöchste Person eine noch größere Antipathie als gegen Guizot, aber weiß auch im Grunde, was dieselbe von der Festigkeit des Mannes zu halten. Wären Thiers und Guizot einverstanden gewesen, sie hätten ein langes Ministerium nach Analogie des Ministeriums Villèle-Corbière bilden können; aber Guizot wollte kein Corbière seyn, und Thiers konnte kein Villèle werden. Ihre Uneinigkeiten hat eine allerhöchste Person benutzt, um sie einer durch den andern zu discreditiren und sie zu Capitulationen auf die Länge zu bringen. Endlich Odilon-Barrot ist gar kein politischer Kopf, sondern ein beredter Entwickler allgemeiner Theorien.

3) Schlüßlich ist die große Mattigkeit der Wahlcollegien zu berücksichtigen, die ohne Gesammtgeist nur bedacht sind, Deputirte zu ernennen, welche nur ihre Geschäftsleute sind, derweil dieselben Deputirten beschäftigt sind, durch Beförderung der Interessen ihrer Wähler unter ihnen sich eine Clientel zu sichern; dieß ist freilich das Hauptgebrechen. . . . .

Schweden.

Für Schweden bricht jetzt eine ganz neue Zeit an, ob aber die Zukunft trüb oder heiter werden wird, hängt noch sehr von Umständen ab. So viel ist gewiß, der bisherige Zustand war ziemlich unerträglich geworden, freilich, wie es gewöhnlich geht, ohne daß man auf einzelne die Schuld werfen könnte, ja vielleicht muß man, um gerecht zu seyn, in die Zeit Gustav Adolfs zurückgehen, d. h. in jene Zeit, wo Schweden mit Einem Mal anfing eine europäische Rolle zu spielen, und unter den ersten Mächten zu figuriren. Dazu reichten weder die Menschenzahl noch die Geldkräfte Schwedens aus, und wir sehen es deßhalb in den letzten anderthalb Jahrhunderten zwischen großer Macht und gänzlicher Erschöpfung schwanken; mächtig war es, so oft ein Gustav Adolf oder Karl XII siegreich seine Heere führte, aber der Anstrengung folgte jedesmal eine Schwäche, bis endlich Schweden in den kläglichen Zustand versank, den der König in der Thronrede, seinem Schwanengesang, so klar schildert, wo er von dem Unglücksjahre 1809 sprach. Seit jener Unglückszeit ist allerdings vieles geschehen, was auch vom schwedischen Volke dankbar erkannt wird, aber die Last einer, ich möchte sagen, zu vornehmen Regierung, die sich aus der Zeit herschrieb, wo Schweden eine der ersten Mächte war, konnte Karl Johann dem Volke nicht abnehmen. Ob er diese Last in ihrem gehörigen Umfang erkannte oder nicht, darauf kommt es hier nicht an, genug seine Kraft reichte nicht hin, die altherkömmlichen Regierungs- oder Verwaltungsansichten zu brechen, und diese Verwaltung verknöcherte immer mehr, und in gleichem Verhältniß siechte die Thätigkeit des Volks. Schweden wurde immer ärmer, wenn auch durch einen geordneten Staatshaushalt die Finanzen sich allmählich günstiger gestalteten, und das Volk konnte am Ende die Lasten nicht mehr tragen. So wuchs die Opposition namentlich im Bauern- und Bürgerstande, und trotz aller Gegenbemühungen von Seite des Beamtenstandes und eines Theils der höhern Priesterschaft, ist sie jetzt, nach kaum eröffnetem

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nimmt, wird von Allen empfunden. Die bornirten Legitimisten schreiben dieses dem Charakter aller öffentlichen Verhandlungen zu und vergöttern, im System des Journals la France, die Knute; die aufgeklärteren Legitimisten meinen, mit der Legitimität der Dynastie verbunden könne allein das Repräsentativsystem seine Früchte tragen, dadurch daß das aristokratische Element in demselben auftauche. Die Opposition der Linken meint, es werde diesem System aufgeholfen werden können durch Adjunction der Capacitäten, d. h. der gesammten Masse aller Advocaten, Mediciner und Schriftsteller, ob diese den festgesetzten Census bezahlen oder nicht, gleichviel; zugleich wollen sie auch das Ueberhandnehmen der Functionärs in den Kammern beschränken. Die Republicaner der laxen Observanz endlich wollen die Volkssouveränetät durch die Nationalgarde, und die der stricten Observanz durch die Gesammtmasse der Handwerker in das Repräsentativsystem festsetzen. Das Juste Milieu endlich fände das heute bestehende System vollkommen, wenn es nur nicht zu oft in Frage gesetzt werden würde. Was die Nation im Großen und Ganzen betrifft, so offenbart sie durch ihre Gleichgültigkeit gegen das Bestehende die Kraftlosigkeit dieses Systems in der heutigen Praxis, deren Grund näher zu beleuchten seyn möchte.</p><lb/>
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[0403/0011] nimmt, wird von Allen empfunden. Die bornirten Legitimisten schreiben dieses dem Charakter aller öffentlichen Verhandlungen zu und vergöttern, im System des Journals la France, die Knute; die aufgeklärteren Legitimisten meinen, mit der Legitimität der Dynastie verbunden könne allein das Repräsentativsystem seine Früchte tragen, dadurch daß das aristokratische Element in demselben auftauche. Die Opposition der Linken meint, es werde diesem System aufgeholfen werden können durch Adjunction der Capacitäten, d. h. der gesammten Masse aller Advocaten, Mediciner und Schriftsteller, ob diese den festgesetzten Census bezahlen oder nicht, gleichviel; zugleich wollen sie auch das Ueberhandnehmen der Functionärs in den Kammern beschränken. Die Republicaner der laxen Observanz endlich wollen die Volkssouveränetät durch die Nationalgarde, und die der stricten Observanz durch die Gesammtmasse der Handwerker in das Repräsentativsystem festsetzen. Das Juste Milieu endlich fände das heute bestehende System vollkommen, wenn es nur nicht zu oft in Frage gesetzt werden würde. Was die Nation im Großen und Ganzen betrifft, so offenbart sie durch ihre Gleichgültigkeit gegen das Bestehende die Kraftlosigkeit dieses Systems in der heutigen Praxis, deren Grund näher zu beleuchten seyn möchte. 1) ist es gewiß, daß von oben herab ein System des Amortissements auf alle Geister und Gemüther in allen nur möglichen Rücksichten entwickelt worden. So wenig Respect die Franzosen in ihrem stets rastlosen Witze gegen Alles, was Regierung ist, äußern, so ist es doch gewiß, daß sie vor allen andern Nationen einer entschiedenen Herrschaft bedürftig sind, und wenn auch ihre Meinungen je mehr und mehr republicanisch seyn oder werden sollten, so ist es doch ihr Charakter auf das allerbestimmteste nicht; sie setzen die ganze Freiheit in die Gleichheit, und dadurch schon bahnen sie aller möglichen Autokratie monarchischer, ministerieller oder auch jakobinischer Gewalten die Wege; sie dulden keine selbstständige Independenz, kein Vergrößern und Wichtigwerden des Individuums; sie wollen ein Niveau in der Familie, im Ansehen, in allen möglichen Dingen, und die einzige Aristokratie, welche sie dulden, ist die schlechteste von allen, die des Geldes, eben weil diese auf den Erwerb gebaut ist. In solcher Gemüthslage, bei den irren Meinungen der Franzosen, welche in den verschiedenartigsten Gesinnungen sich durchkreuzen, war es Pflicht der Regierung ihre Herrschaft auf Moderation zu gründen; aber für ächte Moderation gehört Größe, und statt aller Größe hatte man nur Pfiffigkeit. Dieses seit zehn Jahren befolgte System der Moderation hatte also zur Folge: Verflachung des politischen Geistes der Kammern, Versandung der Wahlcollegien, Mittelmäßigkeit nach den Principien des Egoismus. In dieser Hinsicht, weil sie nichts erhoben, nichts gebildet und nirgends eine Tendenz angewiesen hat, ist die Regierung seit zehn Jahren strafbar; die von ihr schon gefühlte Strafe aber besteht darin, daß die Nation eben so gleichgültig und wo möglich noch gleichgültiger ist gegen die Regierung als gegen das bestehende Repräsentativsystem und dieselbe des Amortissements desselben beschuldigt. 2) Aber so gewiß es ist, daß die Regierung amortirt hat, eben so gewiß ist es, daß die Kammern durch eigene Schuld sich haben amortiren lassen, und zwar durch vollkommenen Abgang aller politischen Männer und Gesinnungen in denselben. Seit zehn Jahren dreht sich Alles um drei Personen, nachdem der kräftige Perrier todt, der schwächliche Laffitte in allerlei Inconsequenzen und Halbheiten untergegangen ist; diese drei Personen sind: Guizot, Thiers, Odilon-Barrot. Guizot, ein systematischer Historiker, ohne Originalität des Kopfes und Gefühls, aber schnell andern nach begreifend, gewandt sich Fremdes aneignend, in Eigenes verwandelnd, scharfkantig diese Ideen ausmessend, arbeitend, voll Methode und Vernunft, aber ohne innern Drang, Leben, Wärme, ein Kopf, der gern hoch empor hätte streben mögen, dem auch viele Talente nicht abgingen, der aber der aufgeblasenen stolzen Eitelkeit seines Charakters erlegen ist; eine allerhöchste Person kennt dessen Maaß. Thiers, rühriger, gewandter, witziger, aber weniger bedeutend als Guizot, mit oberflächlichem Wissen von allen möglichen Dingen übertüncht, ohne irgend etwas gründlich zu besitzen; weniger gehalten als Guizot, aber muthiger und mit Anlage zum Charakter; gegen ihn empfindet eine allerhöchste Person eine noch größere Antipathie als gegen Guizot, aber weiß auch im Grunde, was dieselbe von der Festigkeit des Mannes zu halten. Wären Thiers und Guizot einverstanden gewesen, sie hätten ein langes Ministerium nach Analogie des Ministeriums Villèle-Corbière bilden können; aber Guizot wollte kein Corbière seyn, und Thiers konnte kein Villèle werden. Ihre Uneinigkeiten hat eine allerhöchste Person benutzt, um sie einer durch den andern zu discreditiren und sie zu Capitulationen auf die Länge zu bringen. Endlich Odilon-Barrot ist gar kein politischer Kopf, sondern ein beredter Entwickler allgemeiner Theorien. 3) Schlüßlich ist die große Mattigkeit der Wahlcollegien zu berücksichtigen, die ohne Gesammtgeist nur bedacht sind, Deputirte zu ernennen, welche nur ihre Geschäftsleute sind, derweil dieselben Deputirten beschäftigt sind, durch Beförderung der Interessen ihrer Wähler unter ihnen sich eine Clientel zu sichern; dieß ist freilich das Hauptgebrechen. . . . . Schweden. _ Stockholm, 3 Febr. Für Schweden bricht jetzt eine ganz neue Zeit an, ob aber die Zukunft trüb oder heiter werden wird, hängt noch sehr von Umständen ab. So viel ist gewiß, der bisherige Zustand war ziemlich unerträglich geworden, freilich, wie es gewöhnlich geht, ohne daß man auf einzelne die Schuld werfen könnte, ja vielleicht muß man, um gerecht zu seyn, in die Zeit Gustav Adolfs zurückgehen, d. h. in jene Zeit, wo Schweden mit Einem Mal anfing eine europäische Rolle zu spielen, und unter den ersten Mächten zu figuriren. Dazu reichten weder die Menschenzahl noch die Geldkräfte Schwedens aus, und wir sehen es deßhalb in den letzten anderthalb Jahrhunderten zwischen großer Macht und gänzlicher Erschöpfung schwanken; mächtig war es, so oft ein Gustav Adolf oder Karl XII siegreich seine Heere führte, aber der Anstrengung folgte jedesmal eine Schwäche, bis endlich Schweden in den kläglichen Zustand versank, den der König in der Thronrede, seinem Schwanengesang, so klar schildert, wo er von dem Unglücksjahre 1809 sprach. Seit jener Unglückszeit ist allerdings vieles geschehen, was auch vom schwedischen Volke dankbar erkannt wird, aber die Last einer, ich möchte sagen, zu vornehmen Regierung, die sich aus der Zeit herschrieb, wo Schweden eine der ersten Mächte war, konnte Karl Johann dem Volke nicht abnehmen. Ob er diese Last in ihrem gehörigen Umfang erkannte oder nicht, darauf kommt es hier nicht an, genug seine Kraft reichte nicht hin, die altherkömmlichen Regierungs- oder Verwaltungsansichten zu brechen, und diese Verwaltung verknöcherte immer mehr, und in gleichem Verhältniß siechte die Thätigkeit des Volks. Schweden wurde immer ärmer, wenn auch durch einen geordneten Staatshaushalt die Finanzen sich allmählich günstiger gestalteten, und das Volk konnte am Ende die Lasten nicht mehr tragen. So wuchs die Opposition namentlich im Bauern- und Bürgerstande, und trotz aller Gegenbemühungen von Seite des Beamtenstandes und eines Theils der höhern Priesterschaft, ist sie jetzt, nach kaum eröffnetem

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 51. Augsburg, 20. Februar 1840, S. 0403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_051_18400220/11>, abgerufen am 23.11.2024.