Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 45. Augsburg, 14. Februar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

in Widerspruch. Ja der russische Bevollmächtigte gerieth darüber in eine so gereizte Stimmung, daß er der Einladung des brittischen Ministers zu einer Conferenz keine Folge gab. Noch einen andern Grund zur Unzufriedenheit mit dem Benehmen Lord Palmerstons findet Hr. v. Brunnow darin, daß letzterer den von Rußland vorgeschlagenen Plan dem General Sebastiani mitgetheilt habe. Hierdurch sey Frankreich Gelegenheit gegeben worden, Alles, selbst die unschuldigsten Paragraphen der Convention, zu verdächtigen, überall ganz andere Dinge als auf den Orient berechnete Tendenzen zu finden, so daß dadurch Argwohn sich einnistete, wo man des größten Vertrauens bedurft hätte. Trotzdem glaubte der russische Bevollmächtigte die Unterhandlungen zwischen England und den andern Mächten in Gang erhalten zu müssen, indem, wie ich Ihnen aus zuverlässiger Quelle melde, er seine eigenen Propositionen modificirte, und zu dem neuen Vorschlag des Lords einen Gegenvorschlag machte. Die zweite Mission, mit der Hr. v. Brunnow in Darmstadt beauftragt ist, deren Vollziehung auf die letzten Tage des Februars fallen soll, nöthigt zwar Hrn. Brunnow London zu verlassen; die Unterhandlungen wegen der orientalischen Angelegenheiten sind indessen, wie Sie sehen, nicht als völlig abgebrochen zu betrachten, und möglich wäre es, daß wir in Bälde einen dritten Besuch von diesem ausgezeichneten Manne zu gewärtigen hätten, selbst in dem Falle, daß mit ihm zugleich Baron Neumann nach dem Continent zurückkehren sollte. Die Sache bleibt in der Schwebe, so lange Großbritannien zwischen Frankreich und den andern drei Mächten schwankt. Wir wollen abwarten und den Bewegungen Englands folgen, von dessen Entschluß nun Alles abhängt. Nicht zu läugnen ist es, daß der gährende Stoff sich zu klären beginnt, und daß man allerdings gewisse fremdartige Elemente darin zu erblicken glaubt, die man, falls sie sich unvermerkt eingedrängt, hätte ausscheiden sollen, indem dadurch den Verdächtigungen Frankreichs eine Art Stützpunkt gewährt wurde, was man vermeiden mußte, weil die materielle Frage des Orients an sich Schwierigkeiten genug darbot, um jeder neuen Verwickelung mit gegründeter Scheu aus dem Wege zu gehen.

Frankreich.

(Sonntag.)

(Courrier.) Hr. v. Broglie ist in Paris angekommen. Wird er in das Ministerium treten? Wahrscheinlich haben die gegenwärtigen Minister diese Combination geträumt, die ihnen die Chance ertheilen würde, noch einige Monate länger zu leben, oder auf eine glänzende Art zu fallen; von Seite des Hrn. v. Broglie findet aber Widerstand statt, und seine Freunde werden sich nicht sehr bemühen, ihn zu besiegen.

Ein Bericht des Marschalls Valee an den Kriegsminister vom 1 Febr. meldet ein neues Gefecht, welches in den Umgebungen von Belida vorgefallen ist. In der Nacht vom 28 auf den 29 Jan. überschritten die arabischen Truppen den Uad-el-Kebir, postirten sich in dem "heiligen Wald" und schoben ihre Vorposten bis zur Straße vor, welche die Stadt Belida mit dem obern Lager verbindet, in der Absicht, am Tage die Detaschements, welche zur Arbeit ausrücken würden, zu überfallen; aber der Plan des Feindes war vorausgesehen worden, und General Duvivier hatte alle Maaßregeln ergriffen, ihm den Versuch theuer bezahlen zu lassen. Bei den ersten Flintenschüssen rückte eine vom Obristen Drolenvaux befehligte Colonne, welche vom Blockhaus Enerik aufbrach, wider den Feind, während eine zweite Colonne unter General Duvivier, welche von der Kasbah aufbrach, die Araber im Rücken angriff und Obrist Changarnier auf der Rechten der Linie manöuvrirte, und zwischen der arabischen Cavallerie und Infanterie Stellung nahm. Der Feind wurde in den "heiligen Wald" zurückgeworfen, dann aus demselben vertrieben und genöthigt, über den Uad-el-Kebir sich zurückzuziehen und in die Gebirge zu flüchten, nachdem er viele Leute verloren. Die Franzosen hatten 65 Todte und Verwundete. Die Arbeiten wurden am 29, 30 und 31 Jan. fortgesetzt, ohne daß der Feind sie weiter beunruhigte. Die Dampfboote von Bona und Oran waren am 1 Febr. noch nicht eingetroffen, und man hatte demnach keine neuen Nachrichten aus diesen Provinzen.

Der Moniteur Parisien sagt, auf das Gerücht von dem Erscheinen dreier arabischen Raubschiffe im Osten des Caps von Gata sey vom Marineminister sogleich Befehl gegeben worden, einige leichte Fahrzeuge und ein Dampfboot nach jener Küste zu schicken. Von Barcelona segelte die Brigg Surprise ab, um in der Nähe des Caps von Gata zu kreuzen. Neuere Nachrichten, welche der Telegraph aus Narbonne brachte, lassen jedoch vermuthen, daß die Kauffahrteischiffe, welche sich unter die Kanonen des Forts San Pedro flüchteten, spanische Schmuggler für afrikanische Corsaren gehalten haben.

In der Sitzung der Deputirtenkammer am 8 Febr. wurden Petitionen verhandelt. Nur Eine derselben veranlaßte eine lebhaftere Erörterung, nämlich die des Marquis v. Choifeul, der gegen die Anwendung des Gesetzes vom 30 Aug. 1830 reclamirte, das verfügt, daß jeder Officier, welcher der neuen Regierung den Eid nicht geleistet habe, als Entlassener angesehen werden solle. Hr. v. Choiseul, der in derselben Zeit von Karl X versendet war, hatte dem Minister geschrieben, daß er bei der Fahne bleibe. Auf diesen Brief hin wollte nun der Bittsteller seine Wiedereinsetzung fordern. Die Petition ward von Hrn. v. Lamartine und Hrn. Renouard unterstützt. Der erstere berief sich auf das Beispiel des Generals Bertrand, welchem die Restauration nach dem Tode Napoleons die Ermächtigung zur Rückkehr nach Frankreich ertheilt habe. Hr. Renouard wollte das an den Kriegsminister erlassene Schreiben als Aequivalent für die Eidesleistung ansehen. Hr. v. Mornay machte bemerklich, daß die Regierung, indem sie Hrn. v. Choiseul als entlassen betrachtet, nur das Gesetz befolgt habe, und daß der Bittsteller jedenfalls zuvor an den Staatsrath hätte appelliren sollen. Hr. Dupin war derselben Ansicht. Die Kammer ging dann zur Tagesordnung. Der Kriegsminister legte einen Gesetzesentwurf vor, welcher der Wittwe des bei der Belagerung von Constantine gefallenen Obristen Combes eine Pension von 2000 Fr. bewilligt.

Capitän Tinan, Commandant der Corvette Isere, welcher bei der Insel Mauritius mit dem Capitän Driver und dem Gouverneur des Eilands den bekannten Streit gehabt, ist vom Commando der Isere entfernt und durch den Capitän Brindejouc Treglode ersetzt worden. Der Courrier francais bemerkt hiezu: "Die Abberufung des Capitäns Tinan ist zweifelsohne eine Genugthuung, die unsere Regierung England gibt. In diesem Falle muß man gestehen, daß dieß eine seltsame Art ist, einer Sache ein Ende zu machen, in der das Unrecht gewiß nicht auf unserer Seite war." (Bekanntlich ward von Seite Englands der Gouverneur abberufen.)

(Temps.) Das Betragen des Hrn. v. Tinan ward von dem Seeminister durchaus nicht mißbilligt. Durch einen königlichen Erlaß vom 7 Febr. ward Hr. v. Tinan, Corvettencapitän, zum Commandanten der Brigg Voltigeur ernannt. Dieser Seeofficier hat zugleich die Bestimmung erhalten, die Seestation von Neufundland zu commandiren. Diese Maaßregel ist eine Genugthuung für Hrn. v. Tinan, aber keine für Frankreich, also nicht zureichend. Ein ehrenwerther Deputirter der Opposition wird deßhalb eine Interpellation machen.

in Widerspruch. Ja der russische Bevollmächtigte gerieth darüber in eine so gereizte Stimmung, daß er der Einladung des brittischen Ministers zu einer Conferenz keine Folge gab. Noch einen andern Grund zur Unzufriedenheit mit dem Benehmen Lord Palmerstons findet Hr. v. Brunnow darin, daß letzterer den von Rußland vorgeschlagenen Plan dem General Sebastiani mitgetheilt habe. Hierdurch sey Frankreich Gelegenheit gegeben worden, Alles, selbst die unschuldigsten Paragraphen der Convention, zu verdächtigen, überall ganz andere Dinge als auf den Orient berechnete Tendenzen zu finden, so daß dadurch Argwohn sich einnistete, wo man des größten Vertrauens bedurft hätte. Trotzdem glaubte der russische Bevollmächtigte die Unterhandlungen zwischen England und den andern Mächten in Gang erhalten zu müssen, indem, wie ich Ihnen aus zuverlässiger Quelle melde, er seine eigenen Propositionen modificirte, und zu dem neuen Vorschlag des Lords einen Gegenvorschlag machte. Die zweite Mission, mit der Hr. v. Brunnow in Darmstadt beauftragt ist, deren Vollziehung auf die letzten Tage des Februars fallen soll, nöthigt zwar Hrn. Brunnow London zu verlassen; die Unterhandlungen wegen der orientalischen Angelegenheiten sind indessen, wie Sie sehen, nicht als völlig abgebrochen zu betrachten, und möglich wäre es, daß wir in Bälde einen dritten Besuch von diesem ausgezeichneten Manne zu gewärtigen hätten, selbst in dem Falle, daß mit ihm zugleich Baron Neumann nach dem Continent zurückkehren sollte. Die Sache bleibt in der Schwebe, so lange Großbritannien zwischen Frankreich und den andern drei Mächten schwankt. Wir wollen abwarten und den Bewegungen Englands folgen, von dessen Entschluß nun Alles abhängt. Nicht zu läugnen ist es, daß der gährende Stoff sich zu klären beginnt, und daß man allerdings gewisse fremdartige Elemente darin zu erblicken glaubt, die man, falls sie sich unvermerkt eingedrängt, hätte ausscheiden sollen, indem dadurch den Verdächtigungen Frankreichs eine Art Stützpunkt gewährt wurde, was man vermeiden mußte, weil die materielle Frage des Orients an sich Schwierigkeiten genug darbot, um jeder neuen Verwickelung mit gegründeter Scheu aus dem Wege zu gehen.

Frankreich.

(Sonntag.)

(Courrier.) Hr. v. Broglie ist in Paris angekommen. Wird er in das Ministerium treten? Wahrscheinlich haben die gegenwärtigen Minister diese Combination geträumt, die ihnen die Chance ertheilen würde, noch einige Monate länger zu leben, oder auf eine glänzende Art zu fallen; von Seite des Hrn. v. Broglie findet aber Widerstand statt, und seine Freunde werden sich nicht sehr bemühen, ihn zu besiegen.

Ein Bericht des Marschalls Valée an den Kriegsminister vom 1 Febr. meldet ein neues Gefecht, welches in den Umgebungen von Belida vorgefallen ist. In der Nacht vom 28 auf den 29 Jan. überschritten die arabischen Truppen den Uad-el-Kebir, postirten sich in dem „heiligen Wald“ und schoben ihre Vorposten bis zur Straße vor, welche die Stadt Belida mit dem obern Lager verbindet, in der Absicht, am Tage die Detaschements, welche zur Arbeit ausrücken würden, zu überfallen; aber der Plan des Feindes war vorausgesehen worden, und General Duvivier hatte alle Maaßregeln ergriffen, ihm den Versuch theuer bezahlen zu lassen. Bei den ersten Flintenschüssen rückte eine vom Obristen Drolenvaux befehligte Colonne, welche vom Blockhaus Enerik aufbrach, wider den Feind, während eine zweite Colonne unter General Duvivier, welche von der Kasbah aufbrach, die Araber im Rücken angriff und Obrist Changarnier auf der Rechten der Linie manöuvrirte, und zwischen der arabischen Cavallerie und Infanterie Stellung nahm. Der Feind wurde in den „heiligen Wald“ zurückgeworfen, dann aus demselben vertrieben und genöthigt, über den Uad-el-Kebir sich zurückzuziehen und in die Gebirge zu flüchten, nachdem er viele Leute verloren. Die Franzosen hatten 65 Todte und Verwundete. Die Arbeiten wurden am 29, 30 und 31 Jan. fortgesetzt, ohne daß der Feind sie weiter beunruhigte. Die Dampfboote von Bona und Oran waren am 1 Febr. noch nicht eingetroffen, und man hatte demnach keine neuen Nachrichten aus diesen Provinzen.

Der Moniteur Parisien sagt, auf das Gerücht von dem Erscheinen dreier arabischen Raubschiffe im Osten des Caps von Gata sey vom Marineminister sogleich Befehl gegeben worden, einige leichte Fahrzeuge und ein Dampfboot nach jener Küste zu schicken. Von Barcelona segelte die Brigg Surprise ab, um in der Nähe des Caps von Gata zu kreuzen. Neuere Nachrichten, welche der Telegraph aus Narbonne brachte, lassen jedoch vermuthen, daß die Kauffahrteischiffe, welche sich unter die Kanonen des Forts San Pedro flüchteten, spanische Schmuggler für afrikanische Corsaren gehalten haben.

In der Sitzung der Deputirtenkammer am 8 Febr. wurden Petitionen verhandelt. Nur Eine derselben veranlaßte eine lebhaftere Erörterung, nämlich die des Marquis v. Choifeul, der gegen die Anwendung des Gesetzes vom 30 Aug. 1830 reclamirte, das verfügt, daß jeder Officier, welcher der neuen Regierung den Eid nicht geleistet habe, als Entlassener angesehen werden solle. Hr. v. Choiseul, der in derselben Zeit von Karl X versendet war, hatte dem Minister geschrieben, daß er bei der Fahne bleibe. Auf diesen Brief hin wollte nun der Bittsteller seine Wiedereinsetzung fordern. Die Petition ward von Hrn. v. Lamartine und Hrn. Renouard unterstützt. Der erstere berief sich auf das Beispiel des Generals Bertrand, welchem die Restauration nach dem Tode Napoleons die Ermächtigung zur Rückkehr nach Frankreich ertheilt habe. Hr. Renouard wollte das an den Kriegsminister erlassene Schreiben als Aequivalent für die Eidesleistung ansehen. Hr. v. Mornay machte bemerklich, daß die Regierung, indem sie Hrn. v. Choiseul als entlassen betrachtet, nur das Gesetz befolgt habe, und daß der Bittsteller jedenfalls zuvor an den Staatsrath hätte appelliren sollen. Hr. Dupin war derselben Ansicht. Die Kammer ging dann zur Tagesordnung. Der Kriegsminister legte einen Gesetzesentwurf vor, welcher der Wittwe des bei der Belagerung von Constantine gefallenen Obristen Combes eine Pension von 2000 Fr. bewilligt.

Capitän Tinan, Commandant der Corvette Isère, welcher bei der Insel Mauritius mit dem Capitän Driver und dem Gouverneur des Eilands den bekannten Streit gehabt, ist vom Commando der Isère entfernt und durch den Capitän Brindejouc Treglodé ersetzt worden. Der Courrier français bemerkt hiezu: „Die Abberufung des Capitäns Tinan ist zweifelsohne eine Genugthuung, die unsere Regierung England gibt. In diesem Falle muß man gestehen, daß dieß eine seltsame Art ist, einer Sache ein Ende zu machen, in der das Unrecht gewiß nicht auf unserer Seite war.“ (Bekanntlich ward von Seite Englands der Gouverneur abberufen.)

(Temps.) Das Betragen des Hrn. v. Tinan ward von dem Seeminister durchaus nicht mißbilligt. Durch einen königlichen Erlaß vom 7 Febr. ward Hr. v. Tinan, Corvettencapitän, zum Commandanten der Brigg Voltigeur ernannt. Dieser Seeofficier hat zugleich die Bestimmung erhalten, die Seestation von Neufundland zu commandiren. Diese Maaßregel ist eine Genugthuung für Hrn. v. Tinan, aber keine für Frankreich, also nicht zureichend. Ein ehrenwerther Deputirter der Opposition wird deßhalb eine Interpellation machen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0002" n="0354"/>
in Widerspruch. Ja der russische Bevollmächtigte gerieth darüber in eine so gereizte Stimmung, daß er der Einladung des brittischen Ministers zu einer Conferenz keine Folge gab. Noch einen andern Grund zur Unzufriedenheit mit dem Benehmen Lord Palmerstons findet Hr. v. Brunnow darin, daß letzterer den von Rußland vorgeschlagenen Plan dem General Sebastiani mitgetheilt habe. Hierdurch sey Frankreich Gelegenheit gegeben worden, Alles, selbst die unschuldigsten Paragraphen der Convention, zu verdächtigen, überall ganz andere Dinge als auf den Orient berechnete Tendenzen zu finden, so daß dadurch Argwohn sich einnistete, wo man des größten Vertrauens bedurft hätte. Trotzdem glaubte der russische Bevollmächtigte die Unterhandlungen zwischen England und den andern Mächten in Gang erhalten zu müssen, indem, wie ich Ihnen aus zuverlässiger Quelle melde, er seine eigenen Propositionen modificirte, und zu dem neuen Vorschlag des Lords einen Gegenvorschlag machte. Die zweite Mission, mit der Hr. v. Brunnow in <hi rendition="#g">Darmstadt</hi> beauftragt ist, deren Vollziehung auf die letzten Tage des Februars fallen soll, nöthigt zwar Hrn. Brunnow London zu verlassen; die Unterhandlungen wegen der orientalischen Angelegenheiten sind indessen, wie Sie sehen, nicht als völlig abgebrochen zu betrachten, und möglich wäre es, daß wir in Bälde einen dritten Besuch von diesem ausgezeichneten Manne zu gewärtigen hätten, selbst in dem Falle, daß mit ihm zugleich Baron Neumann nach dem Continent zurückkehren sollte. Die Sache bleibt in der Schwebe, so lange Großbritannien zwischen Frankreich und den andern drei Mächten schwankt. Wir wollen abwarten und den Bewegungen Englands folgen, von dessen Entschluß nun Alles abhängt. Nicht zu läugnen ist es, daß der gährende Stoff sich zu klären beginnt, und daß man allerdings gewisse fremdartige Elemente darin zu erblicken glaubt, die man, falls sie sich unvermerkt eingedrängt, hätte ausscheiden sollen, indem dadurch den Verdächtigungen Frankreichs eine Art Stützpunkt gewährt wurde, was man vermeiden mußte, weil die materielle Frage des Orients an sich Schwierigkeiten genug darbot, um jeder neuen Verwickelung mit gegründeter Scheu aus dem Wege zu gehen.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 9 Febr.</dateline>
          <p> (Sonntag.)</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Courrier</hi>.) Hr. v. Broglie ist in Paris angekommen. Wird er in das Ministerium treten? Wahrscheinlich haben die gegenwärtigen Minister diese Combination geträumt, die ihnen die Chance ertheilen würde, noch einige Monate länger zu leben, oder auf eine glänzende Art zu fallen; von Seite des Hrn. v. Broglie findet aber Widerstand statt, und seine Freunde werden sich nicht sehr bemühen, ihn zu besiegen.</p><lb/>
          <p>Ein Bericht des Marschalls Valée an den Kriegsminister vom 1 Febr. meldet ein neues Gefecht, welches in den Umgebungen von Belida vorgefallen ist. In der Nacht vom 28 auf den 29 Jan. überschritten die arabischen Truppen den Uad-el-Kebir, postirten sich in dem &#x201E;heiligen Wald&#x201C; und schoben ihre Vorposten bis zur Straße vor, welche die Stadt Belida mit dem obern Lager verbindet, in der Absicht, am Tage die Detaschements, welche zur Arbeit ausrücken würden, zu überfallen; aber der Plan des Feindes war vorausgesehen worden, und General Duvivier hatte alle Maaßregeln ergriffen, ihm den Versuch theuer bezahlen zu lassen. Bei den ersten Flintenschüssen rückte eine vom Obristen Drolenvaux befehligte Colonne, welche vom Blockhaus Enerik aufbrach, wider den Feind, während eine zweite Colonne unter General Duvivier, welche von der Kasbah aufbrach, die Araber im Rücken angriff und Obrist Changarnier auf der Rechten der Linie manöuvrirte, und zwischen der arabischen Cavallerie und Infanterie Stellung nahm. Der Feind wurde in den &#x201E;heiligen Wald&#x201C; zurückgeworfen, dann aus demselben vertrieben und genöthigt, über den Uad-el-Kebir sich zurückzuziehen und in die Gebirge zu flüchten, nachdem er viele Leute verloren. Die Franzosen hatten 65 Todte und Verwundete. Die Arbeiten wurden am 29, 30 und 31 Jan. fortgesetzt, ohne daß der Feind sie weiter beunruhigte. Die Dampfboote von Bona und Oran waren am 1 Febr. noch nicht eingetroffen, und man hatte demnach keine neuen Nachrichten aus diesen Provinzen.</p><lb/>
          <p>Der <hi rendition="#g">Moniteur Parisien</hi> sagt, auf das Gerücht von dem Erscheinen dreier arabischen Raubschiffe im Osten des Caps von Gata sey vom Marineminister sogleich Befehl gegeben worden, einige leichte Fahrzeuge und ein Dampfboot nach jener Küste zu schicken. Von Barcelona segelte die Brigg Surprise ab, um in der Nähe des Caps von Gata zu kreuzen. Neuere Nachrichten, welche der Telegraph aus Narbonne brachte, lassen jedoch vermuthen, daß die Kauffahrteischiffe, welche sich unter die Kanonen des Forts San Pedro flüchteten, spanische Schmuggler für afrikanische Corsaren gehalten haben.</p><lb/>
          <p>In der Sitzung der <hi rendition="#g">Deputirtenkammer</hi> am 8 Febr. wurden Petitionen verhandelt. Nur Eine derselben veranlaßte eine lebhaftere Erörterung, nämlich die des Marquis v. Choifeul, der gegen die Anwendung des Gesetzes vom 30 Aug. 1830 reclamirte, das verfügt, daß jeder Officier, welcher der neuen Regierung den Eid nicht geleistet habe, als Entlassener angesehen werden solle. Hr. v. Choiseul, der in derselben Zeit von Karl X versendet war, hatte dem Minister geschrieben, daß er bei der Fahne bleibe. Auf diesen Brief hin wollte nun der Bittsteller seine Wiedereinsetzung fordern. Die Petition ward von Hrn. v. Lamartine und Hrn. Renouard unterstützt. Der erstere berief sich auf das Beispiel des Generals Bertrand, welchem die Restauration nach dem Tode Napoleons die Ermächtigung zur Rückkehr nach Frankreich ertheilt habe. Hr. Renouard wollte das an den Kriegsminister erlassene Schreiben als Aequivalent für die Eidesleistung ansehen. Hr. v. Mornay machte bemerklich, daß die Regierung, indem sie Hrn. v. Choiseul als entlassen betrachtet, nur das Gesetz befolgt habe, und daß der Bittsteller jedenfalls zuvor an den Staatsrath hätte appelliren sollen. Hr. Dupin war derselben Ansicht. Die Kammer ging dann zur Tagesordnung. Der Kriegsminister legte einen Gesetzesentwurf vor, welcher der Wittwe des bei der Belagerung von Constantine gefallenen Obristen Combes eine Pension von 2000 Fr. bewilligt.</p><lb/>
          <p>Capitän Tinan, Commandant der Corvette <hi rendition="#g">Isère</hi>, welcher bei der Insel Mauritius mit dem Capitän Driver und dem Gouverneur des Eilands den bekannten Streit gehabt, ist vom Commando der Isère entfernt und durch den Capitän Brindejouc Treglodé ersetzt worden. Der <hi rendition="#g">Courrier français</hi> bemerkt hiezu: &#x201E;Die Abberufung des Capitäns Tinan ist zweifelsohne eine Genugthuung, die unsere Regierung England gibt. In diesem Falle muß man gestehen, daß dieß eine seltsame Art ist, einer Sache ein Ende zu machen, in der das Unrecht gewiß nicht auf unserer Seite war.&#x201C; (Bekanntlich ward von Seite Englands der Gouverneur abberufen.)</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Temps</hi>.) Das Betragen des Hrn. v. Tinan ward von dem Seeminister durchaus nicht mißbilligt. Durch einen königlichen Erlaß vom 7 Febr. ward Hr. v. Tinan, Corvettencapitän, zum Commandanten der Brigg Voltigeur ernannt. Dieser Seeofficier hat zugleich die Bestimmung erhalten, die Seestation von Neufundland zu commandiren. Diese Maaßregel ist eine Genugthuung für Hrn. v. Tinan, aber keine für Frankreich, also nicht zureichend. Ein ehrenwerther Deputirter der Opposition wird deßhalb eine Interpellation machen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0354/0002] in Widerspruch. Ja der russische Bevollmächtigte gerieth darüber in eine so gereizte Stimmung, daß er der Einladung des brittischen Ministers zu einer Conferenz keine Folge gab. Noch einen andern Grund zur Unzufriedenheit mit dem Benehmen Lord Palmerstons findet Hr. v. Brunnow darin, daß letzterer den von Rußland vorgeschlagenen Plan dem General Sebastiani mitgetheilt habe. Hierdurch sey Frankreich Gelegenheit gegeben worden, Alles, selbst die unschuldigsten Paragraphen der Convention, zu verdächtigen, überall ganz andere Dinge als auf den Orient berechnete Tendenzen zu finden, so daß dadurch Argwohn sich einnistete, wo man des größten Vertrauens bedurft hätte. Trotzdem glaubte der russische Bevollmächtigte die Unterhandlungen zwischen England und den andern Mächten in Gang erhalten zu müssen, indem, wie ich Ihnen aus zuverlässiger Quelle melde, er seine eigenen Propositionen modificirte, und zu dem neuen Vorschlag des Lords einen Gegenvorschlag machte. Die zweite Mission, mit der Hr. v. Brunnow in Darmstadt beauftragt ist, deren Vollziehung auf die letzten Tage des Februars fallen soll, nöthigt zwar Hrn. Brunnow London zu verlassen; die Unterhandlungen wegen der orientalischen Angelegenheiten sind indessen, wie Sie sehen, nicht als völlig abgebrochen zu betrachten, und möglich wäre es, daß wir in Bälde einen dritten Besuch von diesem ausgezeichneten Manne zu gewärtigen hätten, selbst in dem Falle, daß mit ihm zugleich Baron Neumann nach dem Continent zurückkehren sollte. Die Sache bleibt in der Schwebe, so lange Großbritannien zwischen Frankreich und den andern drei Mächten schwankt. Wir wollen abwarten und den Bewegungen Englands folgen, von dessen Entschluß nun Alles abhängt. Nicht zu läugnen ist es, daß der gährende Stoff sich zu klären beginnt, und daß man allerdings gewisse fremdartige Elemente darin zu erblicken glaubt, die man, falls sie sich unvermerkt eingedrängt, hätte ausscheiden sollen, indem dadurch den Verdächtigungen Frankreichs eine Art Stützpunkt gewährt wurde, was man vermeiden mußte, weil die materielle Frage des Orients an sich Schwierigkeiten genug darbot, um jeder neuen Verwickelung mit gegründeter Scheu aus dem Wege zu gehen. Frankreich. _ Paris, 9 Febr. (Sonntag.) (Courrier.) Hr. v. Broglie ist in Paris angekommen. Wird er in das Ministerium treten? Wahrscheinlich haben die gegenwärtigen Minister diese Combination geträumt, die ihnen die Chance ertheilen würde, noch einige Monate länger zu leben, oder auf eine glänzende Art zu fallen; von Seite des Hrn. v. Broglie findet aber Widerstand statt, und seine Freunde werden sich nicht sehr bemühen, ihn zu besiegen. Ein Bericht des Marschalls Valée an den Kriegsminister vom 1 Febr. meldet ein neues Gefecht, welches in den Umgebungen von Belida vorgefallen ist. In der Nacht vom 28 auf den 29 Jan. überschritten die arabischen Truppen den Uad-el-Kebir, postirten sich in dem „heiligen Wald“ und schoben ihre Vorposten bis zur Straße vor, welche die Stadt Belida mit dem obern Lager verbindet, in der Absicht, am Tage die Detaschements, welche zur Arbeit ausrücken würden, zu überfallen; aber der Plan des Feindes war vorausgesehen worden, und General Duvivier hatte alle Maaßregeln ergriffen, ihm den Versuch theuer bezahlen zu lassen. Bei den ersten Flintenschüssen rückte eine vom Obristen Drolenvaux befehligte Colonne, welche vom Blockhaus Enerik aufbrach, wider den Feind, während eine zweite Colonne unter General Duvivier, welche von der Kasbah aufbrach, die Araber im Rücken angriff und Obrist Changarnier auf der Rechten der Linie manöuvrirte, und zwischen der arabischen Cavallerie und Infanterie Stellung nahm. Der Feind wurde in den „heiligen Wald“ zurückgeworfen, dann aus demselben vertrieben und genöthigt, über den Uad-el-Kebir sich zurückzuziehen und in die Gebirge zu flüchten, nachdem er viele Leute verloren. Die Franzosen hatten 65 Todte und Verwundete. Die Arbeiten wurden am 29, 30 und 31 Jan. fortgesetzt, ohne daß der Feind sie weiter beunruhigte. Die Dampfboote von Bona und Oran waren am 1 Febr. noch nicht eingetroffen, und man hatte demnach keine neuen Nachrichten aus diesen Provinzen. Der Moniteur Parisien sagt, auf das Gerücht von dem Erscheinen dreier arabischen Raubschiffe im Osten des Caps von Gata sey vom Marineminister sogleich Befehl gegeben worden, einige leichte Fahrzeuge und ein Dampfboot nach jener Küste zu schicken. Von Barcelona segelte die Brigg Surprise ab, um in der Nähe des Caps von Gata zu kreuzen. Neuere Nachrichten, welche der Telegraph aus Narbonne brachte, lassen jedoch vermuthen, daß die Kauffahrteischiffe, welche sich unter die Kanonen des Forts San Pedro flüchteten, spanische Schmuggler für afrikanische Corsaren gehalten haben. In der Sitzung der Deputirtenkammer am 8 Febr. wurden Petitionen verhandelt. Nur Eine derselben veranlaßte eine lebhaftere Erörterung, nämlich die des Marquis v. Choifeul, der gegen die Anwendung des Gesetzes vom 30 Aug. 1830 reclamirte, das verfügt, daß jeder Officier, welcher der neuen Regierung den Eid nicht geleistet habe, als Entlassener angesehen werden solle. Hr. v. Choiseul, der in derselben Zeit von Karl X versendet war, hatte dem Minister geschrieben, daß er bei der Fahne bleibe. Auf diesen Brief hin wollte nun der Bittsteller seine Wiedereinsetzung fordern. Die Petition ward von Hrn. v. Lamartine und Hrn. Renouard unterstützt. Der erstere berief sich auf das Beispiel des Generals Bertrand, welchem die Restauration nach dem Tode Napoleons die Ermächtigung zur Rückkehr nach Frankreich ertheilt habe. Hr. Renouard wollte das an den Kriegsminister erlassene Schreiben als Aequivalent für die Eidesleistung ansehen. Hr. v. Mornay machte bemerklich, daß die Regierung, indem sie Hrn. v. Choiseul als entlassen betrachtet, nur das Gesetz befolgt habe, und daß der Bittsteller jedenfalls zuvor an den Staatsrath hätte appelliren sollen. Hr. Dupin war derselben Ansicht. Die Kammer ging dann zur Tagesordnung. Der Kriegsminister legte einen Gesetzesentwurf vor, welcher der Wittwe des bei der Belagerung von Constantine gefallenen Obristen Combes eine Pension von 2000 Fr. bewilligt. Capitän Tinan, Commandant der Corvette Isère, welcher bei der Insel Mauritius mit dem Capitän Driver und dem Gouverneur des Eilands den bekannten Streit gehabt, ist vom Commando der Isère entfernt und durch den Capitän Brindejouc Treglodé ersetzt worden. Der Courrier français bemerkt hiezu: „Die Abberufung des Capitäns Tinan ist zweifelsohne eine Genugthuung, die unsere Regierung England gibt. In diesem Falle muß man gestehen, daß dieß eine seltsame Art ist, einer Sache ein Ende zu machen, in der das Unrecht gewiß nicht auf unserer Seite war.“ (Bekanntlich ward von Seite Englands der Gouverneur abberufen.) (Temps.) Das Betragen des Hrn. v. Tinan ward von dem Seeminister durchaus nicht mißbilligt. Durch einen königlichen Erlaß vom 7 Febr. ward Hr. v. Tinan, Corvettencapitän, zum Commandanten der Brigg Voltigeur ernannt. Dieser Seeofficier hat zugleich die Bestimmung erhalten, die Seestation von Neufundland zu commandiren. Diese Maaßregel ist eine Genugthuung für Hrn. v. Tinan, aber keine für Frankreich, also nicht zureichend. Ein ehrenwerther Deputirter der Opposition wird deßhalb eine Interpellation machen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_045_18400214
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_045_18400214/2
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 45. Augsburg, 14. Februar 1840, S. 0354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_045_18400214/2>, abgerufen am 11.12.2024.