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Allgemeine Zeitung. Nr. 42. Augsburg, 11. Februar 1840.

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des Friedens in Europa herbeiführten, und seitdem haben, so oft gesellschaftliche Erschütterungen diesen so kostbaren Frieden bedrohten, Ihre Bemühungen mächtig dazu beigetragen, dessen Erhaltung zu sichern. Sie werden hiernach das Bedauern bemessen, mit welchem ich Ihre Wünsche in Erwägung ziehen mußte. Da aber die durch die Jahre herbeigeführte Abnahme der Kräfte Ihnen die Besorgniß einflößt, daß dieselben Ihrer Rolle nicht mehr gewachsen seyen, so will ich mir nicht vorwerfen, diese Kräfte auf eine zu lange Probe gestellt zu haben. Genießen Sie also, weil Sie es wünschen, der Ruhe, die Sie durch so viele denkwürdige Dienste sich erworben haben. Aber seyen Sie überzeugt, daß wenn Sie auch das Amt, das Sie bekleiden, niederlegen, ich doch nie aufhören werde, Sie als meiner Person angehörend zu betrachten, und daß ich mir vorbehalten habe, bei Gelegenheit die Einsicht Ihrer alten Erfahrung wieder in Anspruch zu nehmen. Nach dem Ruhesitz, den Sie sich gewählt haben, begleiten Sie meine aufrichtigen Wünsche, und es gereicht mir zum wahren Vergnügen, Ihnen diese Versicherung, so wie die meiner Gewogenheit und vollkommenen Achtung zu geben. St. Petersburg, 1 Jan. 1840 Nikolaus."

Das Capitole bringt folgendes angebliche Schreiben aus Astrachan: "Sie wissen, daß die russische Flotte im kaspischen Meer zu Astrachan stationirt. Unterhalb dieser Stadt, bei einer der Wolgamündungen, befinden sich auch die beträchtlichsten Schiffswerften dieses Meeres. Der Hafen von Astrachan ist mit Barken, Schiffen, Kanonenbooten überfüllt, deren Zahl so bedeutend ist, daß man, um die Bewegungen des Hafens zu erleichtern, 100 bis 120 im Fluß selbst ankern ließ. Die Menge der Matrosen steht mit der Zahl der Schiffe im Verhältniß. Die meisten dieser Seemänner wurden aus den 6000 Barken gezogen, welche die Wolga und ihre Nebenströme beschiffen. Auf solche Weise hatte Rußland nicht nöthig, die Mannschaften seiner Flotten im baltischen und schwarzen Meer zu vermindern. Ich glaube mich nicht zu irren, wenn ich die gegenwärtige Stärke der Marinetruppen dieses Hafens auf 12,000 Mann schätze. Die Flotte übt sich unaufhörlich und kann bereits über 30,000 Mann und 5000 Pferde einschiffen. In weniger als vierzehn Tagen könnte man noch mehr als 800 Barken der Handelsmarine jenen Transportmitteln beifügen. Unter diesen Barken sind 500 segelfertig. Die übrigen 300 sind entmastet, aber das nöthige Material ist bei der Hand, und in wenigen Tagen könnte man sie segelfertig machen. Eine von der Admiralität ernannte Commission ist gegenwärtig beschäftigt, alle Barken bis 38 Lieues längs des Flußufers in Augenschein zu nehmen. Das Geniecorps der Marine gibt nicht allein unserer Stadt eine bedeutende Bewegung, auch die Artillerie hat hier eine große Zahl ihrer ausgezeichnetsten Officiere. Waffen aller Art treffen hier in beträchtlicher Zahl ein, und nicht alle Transporte kommen zur Kenntniß des Publicums. Der Zutritt zum Kreml und Arsenal ist Allen untersagt. Man versichert, diese Gebäude strotzten von Waffen. 138 Feuerschlünde wurden bereits auf einen Theil der Flottille transportirt, welche in einer der mittleren Mündungen des Flusses stationirt. Gegen fünfzig Barken haben Kugeln und Congreve'sche Raketen gebracht. Diese Fahrzeuge sind, nachdem sie geheimnißvollerweise ihre Ladung ans Land gesetzt, stromaufwärts gefahren. Die Feuerwerker sind im Kreml confinirt und arbeiten Tag und Nacht. Es steckt etwas hierunter; ohne Zweifel wissen Sie besser, was all' diese Rüstungen bedeuten. Die großen Waffenfabriken von Jekaterinburg und Wolsk scheinen unerschöpflich. Kein Tag vergeht ohne die Ankunft beladener Barken. Mehrere fliegende Brücken sind bereits eingeschifft; es ist dieß eine neue Erfindung zweier badischen Officiere, die sich hier aufhalten. Ein Versuch mit diesen Brücken wurde unterhalb Saratow gemacht, an einer Stelle, wo die Wolga am reißendsten ist. Sowohl hinsichtlich der Schnelligkeit als Sicherheit gelang dieser Versuch vollkommen. - Ich kann Ihnen nicht genug sagen, wie verhaßt der Name Engländer in diesem Theile von Rußland ist. Der Grimm gegen diesen Namen steigt bis zum Fanatismus. Wie unglücklich wäre ich als Engländer in den Straßen von Astrachan! Wie viele Insulten haben die Reisenden dieser Nation zu erdulden! Aber der brittische Hochmuth ist hier taub. Muß die russische Kanone auf dem Ganges erdonnern, um dieser klugen Demuth ein Ende zu machen? Die Truppenbewegungen werden sehr geheim gehalten. Doch weiß man sicher, daß die in Turkestan eingerückte Armee in zwei Corps getheilt worden, wovon nur die eine bestimmt ist, gegen die Horden von Khiwa zu operiren. Welche Bestimmung aber wird die zweite Armee erhalten, die man in den Kirgisensteppen formirt? Diese große Nachhut wird gleichfalls nach Süden an die Ufer des Aralsees sich wenden. Sie haben zweifelsohne bereits von dem Marsch eines andern an Cavallerie besonders zahlreichen Armeecorps gehört, welches auf der Westseite des kaspischen Meeres hinabzieht. Wir wissen, daß eine Division bereits die letzten Ketten des Kaukasus überschritten hat, und nahe an den Thoren von Tauris steht. Diese Armee scheint selbst nur ein starker Vortrab zu seyn. Im östlichen Eiskaukasien sind viele Truppen concentrirt. Man trug Sorge, sie in den Städten zwischen dem Don und der Wolga zu vertheilen. In vierzehn bis zwanzig Tagen könnten diese Truppen aber hier anlangen, und von hier könnte man sie in wenigen Tagen nach dem Süden des kaspischen Meeres bringen; denn ich wiederhole, die Transportmittel sind unermeßlich. Wolle Gott den großen Versuch, den Rußland machen zu wollen scheint, um den europäischen Handel von der drückenden Oberherrschaft der Engländer zu befreien, gelingen lassen!"

Krakau.
*

Der englische Consul in Warschau hat in letzter Zeit eine lebhafte Communication mit Krakau gepflogen, und die allgemeine Aufmerksamkeit erregt. Man spricht von Planen, die gegen die von den Schutzmächten in Krakau getroffenen Anordnungen gerichtet seyen, und welchen er seine Unterstützung gewähre. Es sollen deßhalb dem Cabinet von St. James ernste Vorstellungen gemacht worden seyn.

Oesterreich.
*

Die Kaiserfamilie ist durch den gestern Abend um 9 Uhr erfolgten Hintritt der Erzherzogin Maria Anna Pia, Töchterlein des Erzherzogs Franz Karl und der Frau Erzherzogin Sophie, geboren den 27 Oct. 1835, in tiefe Trauer versetzt. Die Krankheit war eine Hirnentzündung, die theilweiser Vermuthung zufolge durch einen Fall veranlaßt worden seyn soll, worüber das Sectionsergebniß ohne Zweifel sichern Aufschluß geben wird. I. k. Hoh. die Frau Erzherzogin Sophie wich in den letzten Tagen fast nie von dem Bette des kranken Lieblings, und nur dem zärtlichen Drängen I. Maj. der Kaiserin Mutter gelang es einigemal, sie zu vermögen, den Platz am Krankenbette ihr zu überlassen, um einige Stunden der so nöthigen Ruhe zu widmen. Man erinnert sich, daß die Frau Erzherzogin das nun verstorbene einzige Töchterlein, von dem sie nicht einmal auf kurze Zeit sich trennen zu können glaubte, auf ihrer letzten Besuchsreise in Bayern an ihrer Seite hatte. - Obgleich nach dem Herkommen für einen Sprossen des Kaiserhauses, so lange derselbe das zwölfte Jahr noch

des Friedens in Europa herbeiführten, und seitdem haben, so oft gesellschaftliche Erschütterungen diesen so kostbaren Frieden bedrohten, Ihre Bemühungen mächtig dazu beigetragen, dessen Erhaltung zu sichern. Sie werden hiernach das Bedauern bemessen, mit welchem ich Ihre Wünsche in Erwägung ziehen mußte. Da aber die durch die Jahre herbeigeführte Abnahme der Kräfte Ihnen die Besorgniß einflößt, daß dieselben Ihrer Rolle nicht mehr gewachsen seyen, so will ich mir nicht vorwerfen, diese Kräfte auf eine zu lange Probe gestellt zu haben. Genießen Sie also, weil Sie es wünschen, der Ruhe, die Sie durch so viele denkwürdige Dienste sich erworben haben. Aber seyen Sie überzeugt, daß wenn Sie auch das Amt, das Sie bekleiden, niederlegen, ich doch nie aufhören werde, Sie als meiner Person angehörend zu betrachten, und daß ich mir vorbehalten habe, bei Gelegenheit die Einsicht Ihrer alten Erfahrung wieder in Anspruch zu nehmen. Nach dem Ruhesitz, den Sie sich gewählt haben, begleiten Sie meine aufrichtigen Wünsche, und es gereicht mir zum wahren Vergnügen, Ihnen diese Versicherung, so wie die meiner Gewogenheit und vollkommenen Achtung zu geben. St. Petersburg, 1 Jan. 1840 Nikolaus.“

Das Capitole bringt folgendes angebliche Schreiben aus Astrachan: „Sie wissen, daß die russische Flotte im kaspischen Meer zu Astrachan stationirt. Unterhalb dieser Stadt, bei einer der Wolgamündungen, befinden sich auch die beträchtlichsten Schiffswerften dieses Meeres. Der Hafen von Astrachan ist mit Barken, Schiffen, Kanonenbooten überfüllt, deren Zahl so bedeutend ist, daß man, um die Bewegungen des Hafens zu erleichtern, 100 bis 120 im Fluß selbst ankern ließ. Die Menge der Matrosen steht mit der Zahl der Schiffe im Verhältniß. Die meisten dieser Seemänner wurden aus den 6000 Barken gezogen, welche die Wolga und ihre Nebenströme beschiffen. Auf solche Weise hatte Rußland nicht nöthig, die Mannschaften seiner Flotten im baltischen und schwarzen Meer zu vermindern. Ich glaube mich nicht zu irren, wenn ich die gegenwärtige Stärke der Marinetruppen dieses Hafens auf 12,000 Mann schätze. Die Flotte übt sich unaufhörlich und kann bereits über 30,000 Mann und 5000 Pferde einschiffen. In weniger als vierzehn Tagen könnte man noch mehr als 800 Barken der Handelsmarine jenen Transportmitteln beifügen. Unter diesen Barken sind 500 segelfertig. Die übrigen 300 sind entmastet, aber das nöthige Material ist bei der Hand, und in wenigen Tagen könnte man sie segelfertig machen. Eine von der Admiralität ernannte Commission ist gegenwärtig beschäftigt, alle Barken bis 38 Lieues längs des Flußufers in Augenschein zu nehmen. Das Geniecorps der Marine gibt nicht allein unserer Stadt eine bedeutende Bewegung, auch die Artillerie hat hier eine große Zahl ihrer ausgezeichnetsten Officiere. Waffen aller Art treffen hier in beträchtlicher Zahl ein, und nicht alle Transporte kommen zur Kenntniß des Publicums. Der Zutritt zum Kreml und Arsenal ist Allen untersagt. Man versichert, diese Gebäude strotzten von Waffen. 138 Feuerschlünde wurden bereits auf einen Theil der Flottille transportirt, welche in einer der mittleren Mündungen des Flusses stationirt. Gegen fünfzig Barken haben Kugeln und Congreve'sche Raketen gebracht. Diese Fahrzeuge sind, nachdem sie geheimnißvollerweise ihre Ladung ans Land gesetzt, stromaufwärts gefahren. Die Feuerwerker sind im Kreml confinirt und arbeiten Tag und Nacht. Es steckt etwas hierunter; ohne Zweifel wissen Sie besser, was all' diese Rüstungen bedeuten. Die großen Waffenfabriken von Jekaterinburg und Wolsk scheinen unerschöpflich. Kein Tag vergeht ohne die Ankunft beladener Barken. Mehrere fliegende Brücken sind bereits eingeschifft; es ist dieß eine neue Erfindung zweier badischen Officiere, die sich hier aufhalten. Ein Versuch mit diesen Brücken wurde unterhalb Saratow gemacht, an einer Stelle, wo die Wolga am reißendsten ist. Sowohl hinsichtlich der Schnelligkeit als Sicherheit gelang dieser Versuch vollkommen. – Ich kann Ihnen nicht genug sagen, wie verhaßt der Name Engländer in diesem Theile von Rußland ist. Der Grimm gegen diesen Namen steigt bis zum Fanatismus. Wie unglücklich wäre ich als Engländer in den Straßen von Astrachan! Wie viele Insulten haben die Reisenden dieser Nation zu erdulden! Aber der brittische Hochmuth ist hier taub. Muß die russische Kanone auf dem Ganges erdonnern, um dieser klugen Demuth ein Ende zu machen? Die Truppenbewegungen werden sehr geheim gehalten. Doch weiß man sicher, daß die in Turkestan eingerückte Armee in zwei Corps getheilt worden, wovon nur die eine bestimmt ist, gegen die Horden von Khiwa zu operiren. Welche Bestimmung aber wird die zweite Armee erhalten, die man in den Kirgisensteppen formirt? Diese große Nachhut wird gleichfalls nach Süden an die Ufer des Aralsees sich wenden. Sie haben zweifelsohne bereits von dem Marsch eines andern an Cavallerie besonders zahlreichen Armeecorps gehört, welches auf der Westseite des kaspischen Meeres hinabzieht. Wir wissen, daß eine Division bereits die letzten Ketten des Kaukasus überschritten hat, und nahe an den Thoren von Tauris steht. Diese Armee scheint selbst nur ein starker Vortrab zu seyn. Im östlichen Eiskaukasien sind viele Truppen concentrirt. Man trug Sorge, sie in den Städten zwischen dem Don und der Wolga zu vertheilen. In vierzehn bis zwanzig Tagen könnten diese Truppen aber hier anlangen, und von hier könnte man sie in wenigen Tagen nach dem Süden des kaspischen Meeres bringen; denn ich wiederhole, die Transportmittel sind unermeßlich. Wolle Gott den großen Versuch, den Rußland machen zu wollen scheint, um den europäischen Handel von der drückenden Oberherrschaft der Engländer zu befreien, gelingen lassen!“

Krakau.
*

Der englische Consul in Warschau hat in letzter Zeit eine lebhafte Communication mit Krakau gepflogen, und die allgemeine Aufmerksamkeit erregt. Man spricht von Planen, die gegen die von den Schutzmächten in Krakau getroffenen Anordnungen gerichtet seyen, und welchen er seine Unterstützung gewähre. Es sollen deßhalb dem Cabinet von St. James ernste Vorstellungen gemacht worden seyn.

Oesterreich.
*

Die Kaiserfamilie ist durch den gestern Abend um 9 Uhr erfolgten Hintritt der Erzherzogin Maria Anna Pia, Töchterlein des Erzherzogs Franz Karl und der Frau Erzherzogin Sophie, geboren den 27 Oct. 1835, in tiefe Trauer versetzt. Die Krankheit war eine Hirnentzündung, die theilweiser Vermuthung zufolge durch einen Fall veranlaßt worden seyn soll, worüber das Sectionsergebniß ohne Zweifel sichern Aufschluß geben wird. I. k. Hoh. die Frau Erzherzogin Sophie wich in den letzten Tagen fast nie von dem Bette des kranken Lieblings, und nur dem zärtlichen Drängen I. Maj. der Kaiserin Mutter gelang es einigemal, sie zu vermögen, den Platz am Krankenbette ihr zu überlassen, um einige Stunden der so nöthigen Ruhe zu widmen. Man erinnert sich, daß die Frau Erzherzogin das nun verstorbene einzige Töchterlein, von dem sie nicht einmal auf kurze Zeit sich trennen zu können glaubte, auf ihrer letzten Besuchsreise in Bayern an ihrer Seite hatte. – Obgleich nach dem Herkommen für einen Sprossen des Kaiserhauses, so lange derselbe das zwölfte Jahr noch

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[0335/0007] des Friedens in Europa herbeiführten, und seitdem haben, so oft gesellschaftliche Erschütterungen diesen so kostbaren Frieden bedrohten, Ihre Bemühungen mächtig dazu beigetragen, dessen Erhaltung zu sichern. Sie werden hiernach das Bedauern bemessen, mit welchem ich Ihre Wünsche in Erwägung ziehen mußte. Da aber die durch die Jahre herbeigeführte Abnahme der Kräfte Ihnen die Besorgniß einflößt, daß dieselben Ihrer Rolle nicht mehr gewachsen seyen, so will ich mir nicht vorwerfen, diese Kräfte auf eine zu lange Probe gestellt zu haben. Genießen Sie also, weil Sie es wünschen, der Ruhe, die Sie durch so viele denkwürdige Dienste sich erworben haben. Aber seyen Sie überzeugt, daß wenn Sie auch das Amt, das Sie bekleiden, niederlegen, ich doch nie aufhören werde, Sie als meiner Person angehörend zu betrachten, und daß ich mir vorbehalten habe, bei Gelegenheit die Einsicht Ihrer alten Erfahrung wieder in Anspruch zu nehmen. Nach dem Ruhesitz, den Sie sich gewählt haben, begleiten Sie meine aufrichtigen Wünsche, und es gereicht mir zum wahren Vergnügen, Ihnen diese Versicherung, so wie die meiner Gewogenheit und vollkommenen Achtung zu geben. St. Petersburg, 1 Jan. 1840 Nikolaus.“ Das Capitole bringt folgendes angebliche Schreiben aus Astrachan: „Sie wissen, daß die russische Flotte im kaspischen Meer zu Astrachan stationirt. Unterhalb dieser Stadt, bei einer der Wolgamündungen, befinden sich auch die beträchtlichsten Schiffswerften dieses Meeres. Der Hafen von Astrachan ist mit Barken, Schiffen, Kanonenbooten überfüllt, deren Zahl so bedeutend ist, daß man, um die Bewegungen des Hafens zu erleichtern, 100 bis 120 im Fluß selbst ankern ließ. Die Menge der Matrosen steht mit der Zahl der Schiffe im Verhältniß. Die meisten dieser Seemänner wurden aus den 6000 Barken gezogen, welche die Wolga und ihre Nebenströme beschiffen. Auf solche Weise hatte Rußland nicht nöthig, die Mannschaften seiner Flotten im baltischen und schwarzen Meer zu vermindern. Ich glaube mich nicht zu irren, wenn ich die gegenwärtige Stärke der Marinetruppen dieses Hafens auf 12,000 Mann schätze. Die Flotte übt sich unaufhörlich und kann bereits über 30,000 Mann und 5000 Pferde einschiffen. In weniger als vierzehn Tagen könnte man noch mehr als 800 Barken der Handelsmarine jenen Transportmitteln beifügen. Unter diesen Barken sind 500 segelfertig. Die übrigen 300 sind entmastet, aber das nöthige Material ist bei der Hand, und in wenigen Tagen könnte man sie segelfertig machen. Eine von der Admiralität ernannte Commission ist gegenwärtig beschäftigt, alle Barken bis 38 Lieues längs des Flußufers in Augenschein zu nehmen. Das Geniecorps der Marine gibt nicht allein unserer Stadt eine bedeutende Bewegung, auch die Artillerie hat hier eine große Zahl ihrer ausgezeichnetsten Officiere. Waffen aller Art treffen hier in beträchtlicher Zahl ein, und nicht alle Transporte kommen zur Kenntniß des Publicums. Der Zutritt zum Kreml und Arsenal ist Allen untersagt. Man versichert, diese Gebäude strotzten von Waffen. 138 Feuerschlünde wurden bereits auf einen Theil der Flottille transportirt, welche in einer der mittleren Mündungen des Flusses stationirt. Gegen fünfzig Barken haben Kugeln und Congreve'sche Raketen gebracht. Diese Fahrzeuge sind, nachdem sie geheimnißvollerweise ihre Ladung ans Land gesetzt, stromaufwärts gefahren. Die Feuerwerker sind im Kreml confinirt und arbeiten Tag und Nacht. Es steckt etwas hierunter; ohne Zweifel wissen Sie besser, was all' diese Rüstungen bedeuten. Die großen Waffenfabriken von Jekaterinburg und Wolsk scheinen unerschöpflich. Kein Tag vergeht ohne die Ankunft beladener Barken. Mehrere fliegende Brücken sind bereits eingeschifft; es ist dieß eine neue Erfindung zweier badischen Officiere, die sich hier aufhalten. Ein Versuch mit diesen Brücken wurde unterhalb Saratow gemacht, an einer Stelle, wo die Wolga am reißendsten ist. Sowohl hinsichtlich der Schnelligkeit als Sicherheit gelang dieser Versuch vollkommen. – Ich kann Ihnen nicht genug sagen, wie verhaßt der Name Engländer in diesem Theile von Rußland ist. Der Grimm gegen diesen Namen steigt bis zum Fanatismus. Wie unglücklich wäre ich als Engländer in den Straßen von Astrachan! Wie viele Insulten haben die Reisenden dieser Nation zu erdulden! Aber der brittische Hochmuth ist hier taub. Muß die russische Kanone auf dem Ganges erdonnern, um dieser klugen Demuth ein Ende zu machen? Die Truppenbewegungen werden sehr geheim gehalten. Doch weiß man sicher, daß die in Turkestan eingerückte Armee in zwei Corps getheilt worden, wovon nur die eine bestimmt ist, gegen die Horden von Khiwa zu operiren. Welche Bestimmung aber wird die zweite Armee erhalten, die man in den Kirgisensteppen formirt? Diese große Nachhut wird gleichfalls nach Süden an die Ufer des Aralsees sich wenden. Sie haben zweifelsohne bereits von dem Marsch eines andern an Cavallerie besonders zahlreichen Armeecorps gehört, welches auf der Westseite des kaspischen Meeres hinabzieht. Wir wissen, daß eine Division bereits die letzten Ketten des Kaukasus überschritten hat, und nahe an den Thoren von Tauris steht. Diese Armee scheint selbst nur ein starker Vortrab zu seyn. Im östlichen Eiskaukasien sind viele Truppen concentrirt. Man trug Sorge, sie in den Städten zwischen dem Don und der Wolga zu vertheilen. In vierzehn bis zwanzig Tagen könnten diese Truppen aber hier anlangen, und von hier könnte man sie in wenigen Tagen nach dem Süden des kaspischen Meeres bringen; denn ich wiederhole, die Transportmittel sind unermeßlich. Wolle Gott den großen Versuch, den Rußland machen zu wollen scheint, um den europäischen Handel von der drückenden Oberherrschaft der Engländer zu befreien, gelingen lassen!“ Krakau. *Aus Galizien, 28 Jan. Der englische Consul in Warschau hat in letzter Zeit eine lebhafte Communication mit Krakau gepflogen, und die allgemeine Aufmerksamkeit erregt. Man spricht von Planen, die gegen die von den Schutzmächten in Krakau getroffenen Anordnungen gerichtet seyen, und welchen er seine Unterstützung gewähre. Es sollen deßhalb dem Cabinet von St. James ernste Vorstellungen gemacht worden seyn. Oesterreich. *Wien, 6 Febr. Die Kaiserfamilie ist durch den gestern Abend um 9 Uhr erfolgten Hintritt der Erzherzogin Maria Anna Pia, Töchterlein des Erzherzogs Franz Karl und der Frau Erzherzogin Sophie, geboren den 27 Oct. 1835, in tiefe Trauer versetzt. Die Krankheit war eine Hirnentzündung, die theilweiser Vermuthung zufolge durch einen Fall veranlaßt worden seyn soll, worüber das Sectionsergebniß ohne Zweifel sichern Aufschluß geben wird. I. k. Hoh. die Frau Erzherzogin Sophie wich in den letzten Tagen fast nie von dem Bette des kranken Lieblings, und nur dem zärtlichen Drängen I. Maj. der Kaiserin Mutter gelang es einigemal, sie zu vermögen, den Platz am Krankenbette ihr zu überlassen, um einige Stunden der so nöthigen Ruhe zu widmen. Man erinnert sich, daß die Frau Erzherzogin das nun verstorbene einzige Töchterlein, von dem sie nicht einmal auf kurze Zeit sich trennen zu können glaubte, auf ihrer letzten Besuchsreise in Bayern an ihrer Seite hatte. – Obgleich nach dem Herkommen für einen Sprossen des Kaiserhauses, so lange derselbe das zwölfte Jahr noch

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 42. Augsburg, 11. Februar 1840, S. 0335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_042_18400211/7>, abgerufen am 21.11.2024.