Allgemeine Zeitung. Nr. 34. Augsburg, 3. Februar 1840.Graf Clam-Martinitz. (Zweiter Artikel.) Wien, 1 Febr. Das Leichenbegängniß des Grafen Clam hat heute statt gefunden. Die Erzherzoge, fast alle hohen Angestellten und Würdenträger, Hunderte von Generalen und Officieren wohnten demselben bei. Wer diesen feierlichen Trauerzug an sich vorüber wandeln sah, mußte sagen: Oesterreich hat einen schweren Verlust erlitten, einen von denen, die bis in die letzten Spitzen der Monarchie hinaus gefühlt werden. Das ist auch wirklich der Fall. In einer Monarchie von der Ausdehnung und der jahrhundertealten Schule der österreichischen stirbt zwar selbst in dem ausgezeichnetsten Mann kein unersetzlicher; aber es gibt für jeden Zeitpunkt auch besonders geeignete, aus den Ereignissen, welche die Gegenwart bedingen, gleichsam herausgewachsene Männer, mit denen die Verständigung nach allen Seiten hin so wie aus allen Richtungen her, leicht und völlig ist und welche für die Bedürfnisse des Augenblicks, wie schwer oder leicht diese seyen, mit ihrer ganzen Person einzutreten, neben dem äußern auch den innern Beruf, das ist, Kraft, Muth, Einsicht und Gewandtheit haben. Ein solcher Mann war Graf Clam. Er war in jeder Beziehung tüchtig; das aber theilte er mit vielen. Er war durch seine Geburt, durch seine Anlagen so wie durch die Ausbildung, welche Welt und Fleiß denselben gegeben hatten, zu einer der obersten und eingreifendsten Rollen im Kaiserstaate bestimmt; das mag er auch mit Manchem gemein haben. Was ihn aber auszeichnete, war die Gunst solcher vorbereitenden Umstände, die ihn für die gegebenen Verhältnisse nicht bloß zum fähigen, sondern zum geeigneten Manne machten, und diese Gunst, die ein bescheidenes Gemüth allerdings nur als eine Gabe der Vorsehung aufnehmen wird, gab der Brauchbarkeit, dem praktischen Werthe des Mannes den entscheidenden, schwer ersetzbaren Gehalt. Aufgewachsen als Militär an der Seite des Feldherrn, durch den die Vorsehung auf das überzeugendste dargethan hatte, daß in wirklich entscheidenden Augenblicken Oesterreich der rechte Mann nie fehlt; durch die Schule der ungeheuern Ereignisse vom Jahr 1812 bis zum Jahr 1815 unter solcher Leitung und auf einem Wege gegangen, der ihn mit Allem, was Europa an Männern und Kräften aufzubieten im Stande war, in nahe Berührung brachte; getrieben durch seinen Eifer, durch sein Bedürfniß nach gründlicher Forschung in die Bahn praktischen Dienstes, dann wieder durch das Vertrauen des ersten österreichischen Staatsmannes auf das Feld europäischer Geschäfte geführt; hingestellt endlich durch die Kraft der Ereignisse und durch den Bedarf der Monarchie im Jahre 1830 auf einen der Posten, wo er auf das für die Aufrechthaltung des europäischen Friedens unerläßliche Aufgebot der Streitmittel, und dadurch auf die Haltung des Kaiserstaats nach außen den größten und heilsamsten Einfluß nehmen konnte: so wurde er der Mann, dem nach dem Tode Kaisers Franz der Beruf werden konnte, in diesem schweren Augenblick mitzuhelfen, der Verwaltung und dem Systeme des Cabinets den Triumph der in majestätischer Einfachheit und Ruhe fortschreitenden unerschütterten Bewegung sicherzustellen, in dem die Stärke der Monarchie ihre volle Gewährleistung fand. Zum obersten Feldherrn oder zum obersten Staatsmanne berufen, war vor Grafen Clam die Bahn dazu unfehlbar aufgethan, als plötzlich vor dem noch jungen Manne das Grab sich öffnete und mitten in seinem Glück so wie mitten aus seinen Leistungen der Tod ihn abrief. Der Verlust wurde tief gefühlt in der Hauptstadt, und wird es tief in allen österreichischen Ländern werden, eine Erscheinung, nur in einer in allen ihren Theilen in sich so fest verbundenen Monarchie möglich wie die österreichische, auf welche das segenvolle Bild einer Familie im Großen noch seine volle Anwendung findet. Der Hof ließ sogleich einen für den folgenden Tag angesagten Ball abstellen; Ihre Maj. die Kaiserin besuchte die unglückliche Wittwe; bis in das Herz aller Gesellschaften und Kreise war die Klage warm und innig; wie seine Leiche begleitet war, haben wir am Eingange gesagt. Es war gewiß ein höchst rührender Anblick, den Sieger von Würzburg und Aspern unter seinen kaiserlichen Brüdern und Neffen hinter dem Trauerwagen des Mannes hergehen zu sehen, der seine Laufbahn auf dem Felde der Schlachten begann, als er sie endete! Die Vielseitigkeit des Grafen Clam und dabei die tiefe Rechtlichkeit und der ehrenwerthe Charakter jeder Seite an ihm, so wie sein hoher religiöser Sinn machen den Verlust dieses Mannes den verschiedenartigsten Menschen und Ständen schmerzlich. Der Soldat bedauert den heldenmüthigen Gefährten und den künftigen Feldherrn, der Staatsmann den erfahrenen, klugen, gewandten Mann der höheren Geschäfte, der Weltmann den geistreichen, vielunterrichteten Gesellschafter, der Vater und Gatte den edlen, glücklichen, beneidenswerthen Vater und Gatten. Viele hatten sich gewöhnt, diesen Mann als eine der Stützen der Monarchie zu betrachten; viele liebten ihn um der Hoffnungen willen, die sie zur Ehre und zum Nutzen des Vaterlandes auf ihn bauten. Hätten Wünsche ihn festhalten können auf diesem hohlen Boden der Erde, könnten Klagen ihn zurückführen unter uns, er lebte in Jugend und Kraft! Der Mann aber, über den man in Wahrheit das sagen kann, hat gewiß nicht umsonst, er hat sich und seinem Vaterlande zum Ruhme gelebt, und die allgemeine Achtung steht als Monument über seinem Grabe aufgerichtet. Barthold Georg Niebuhrs Denkwürdigkeiten. (Zweiter Artikel.) (Beschluß.) Nach seiner Zurückkunft nach Königsberg, wo noch der Regierungssitz war, wurde Niebuhr zum Geheimen Staatsrath und Sectionschef für das Staatsschuldenwesen und Geldinstitute ernannt. Wie er bald darauf, als Hardenberg nach erlangter Aussöhnung mit dem französischen Machthaber ans Ruder trat, wegen Unvereinbarkeit seiner Ansichten über wichtige Verwaltungsfragen mit denen dieses Ministers von den Geschäften schied; wie er in den Wissenschaften frisch auflebte und am Aufblühen der Berliner Universität eifrigen Antheil nahm, sowie nachmals an der Wiedererweckung wissenschaftlicher Studien in den Rheinlanden in seiner eigenthümlichen Stellung als freiwilliger Lehrer in Bonn; wie er auch während dieser gelehrten Beschäftigungen noch häufig außerordentlicherweise zu den Sitzungen des Staatsraths beigezogen, und namentlich in den Jahren 1813 bis 1814 wieder politisch verwendet wurde; welche Verhältnisse er mit Spalding, Buttmann, Schleiermacher, Heindorf, Savigny, Ancillon und so vielen andern ausgezeichneten Männern der Epoche knüpfte - das Alles zu schildern, würde Graf Clam-Martinitz. (Zweiter Artikel.) Wien, 1 Febr. Das Leichenbegängniß des Grafen Clam hat heute statt gefunden. Die Erzherzoge, fast alle hohen Angestellten und Würdenträger, Hunderte von Generalen und Officieren wohnten demselben bei. Wer diesen feierlichen Trauerzug an sich vorüber wandeln sah, mußte sagen: Oesterreich hat einen schweren Verlust erlitten, einen von denen, die bis in die letzten Spitzen der Monarchie hinaus gefühlt werden. Das ist auch wirklich der Fall. In einer Monarchie von der Ausdehnung und der jahrhundertealten Schule der österreichischen stirbt zwar selbst in dem ausgezeichnetsten Mann kein unersetzlicher; aber es gibt für jeden Zeitpunkt auch besonders geeignete, aus den Ereignissen, welche die Gegenwart bedingen, gleichsam herausgewachsene Männer, mit denen die Verständigung nach allen Seiten hin so wie aus allen Richtungen her, leicht und völlig ist und welche für die Bedürfnisse des Augenblicks, wie schwer oder leicht diese seyen, mit ihrer ganzen Person einzutreten, neben dem äußern auch den innern Beruf, das ist, Kraft, Muth, Einsicht und Gewandtheit haben. Ein solcher Mann war Graf Clam. Er war in jeder Beziehung tüchtig; das aber theilte er mit vielen. Er war durch seine Geburt, durch seine Anlagen so wie durch die Ausbildung, welche Welt und Fleiß denselben gegeben hatten, zu einer der obersten und eingreifendsten Rollen im Kaiserstaate bestimmt; das mag er auch mit Manchem gemein haben. Was ihn aber auszeichnete, war die Gunst solcher vorbereitenden Umstände, die ihn für die gegebenen Verhältnisse nicht bloß zum fähigen, sondern zum geeigneten Manne machten, und diese Gunst, die ein bescheidenes Gemüth allerdings nur als eine Gabe der Vorsehung aufnehmen wird, gab der Brauchbarkeit, dem praktischen Werthe des Mannes den entscheidenden, schwer ersetzbaren Gehalt. Aufgewachsen als Militär an der Seite des Feldherrn, durch den die Vorsehung auf das überzeugendste dargethan hatte, daß in wirklich entscheidenden Augenblicken Oesterreich der rechte Mann nie fehlt; durch die Schule der ungeheuern Ereignisse vom Jahr 1812 bis zum Jahr 1815 unter solcher Leitung und auf einem Wege gegangen, der ihn mit Allem, was Europa an Männern und Kräften aufzubieten im Stande war, in nahe Berührung brachte; getrieben durch seinen Eifer, durch sein Bedürfniß nach gründlicher Forschung in die Bahn praktischen Dienstes, dann wieder durch das Vertrauen des ersten österreichischen Staatsmannes auf das Feld europäischer Geschäfte geführt; hingestellt endlich durch die Kraft der Ereignisse und durch den Bedarf der Monarchie im Jahre 1830 auf einen der Posten, wo er auf das für die Aufrechthaltung des europäischen Friedens unerläßliche Aufgebot der Streitmittel, und dadurch auf die Haltung des Kaiserstaats nach außen den größten und heilsamsten Einfluß nehmen konnte: so wurde er der Mann, dem nach dem Tode Kaisers Franz der Beruf werden konnte, in diesem schweren Augenblick mitzuhelfen, der Verwaltung und dem Systeme des Cabinets den Triumph der in majestätischer Einfachheit und Ruhe fortschreitenden unerschütterten Bewegung sicherzustellen, in dem die Stärke der Monarchie ihre volle Gewährleistung fand. Zum obersten Feldherrn oder zum obersten Staatsmanne berufen, war vor Grafen Clam die Bahn dazu unfehlbar aufgethan, als plötzlich vor dem noch jungen Manne das Grab sich öffnete und mitten in seinem Glück so wie mitten aus seinen Leistungen der Tod ihn abrief. Der Verlust wurde tief gefühlt in der Hauptstadt, und wird es tief in allen österreichischen Ländern werden, eine Erscheinung, nur in einer in allen ihren Theilen in sich so fest verbundenen Monarchie möglich wie die österreichische, auf welche das segenvolle Bild einer Familie im Großen noch seine volle Anwendung findet. Der Hof ließ sogleich einen für den folgenden Tag angesagten Ball abstellen; Ihre Maj. die Kaiserin besuchte die unglückliche Wittwe; bis in das Herz aller Gesellschaften und Kreise war die Klage warm und innig; wie seine Leiche begleitet war, haben wir am Eingange gesagt. Es war gewiß ein höchst rührender Anblick, den Sieger von Würzburg und Aspern unter seinen kaiserlichen Brüdern und Neffen hinter dem Trauerwagen des Mannes hergehen zu sehen, der seine Laufbahn auf dem Felde der Schlachten begann, als er sie endete! Die Vielseitigkeit des Grafen Clam und dabei die tiefe Rechtlichkeit und der ehrenwerthe Charakter jeder Seite an ihm, so wie sein hoher religiöser Sinn machen den Verlust dieses Mannes den verschiedenartigsten Menschen und Ständen schmerzlich. Der Soldat bedauert den heldenmüthigen Gefährten und den künftigen Feldherrn, der Staatsmann den erfahrenen, klugen, gewandten Mann der höheren Geschäfte, der Weltmann den geistreichen, vielunterrichteten Gesellschafter, der Vater und Gatte den edlen, glücklichen, beneidenswerthen Vater und Gatten. Viele hatten sich gewöhnt, diesen Mann als eine der Stützen der Monarchie zu betrachten; viele liebten ihn um der Hoffnungen willen, die sie zur Ehre und zum Nutzen des Vaterlandes auf ihn bauten. Hätten Wünsche ihn festhalten können auf diesem hohlen Boden der Erde, könnten Klagen ihn zurückführen unter uns, er lebte in Jugend und Kraft! Der Mann aber, über den man in Wahrheit das sagen kann, hat gewiß nicht umsonst, er hat sich und seinem Vaterlande zum Ruhme gelebt, und die allgemeine Achtung steht als Monument über seinem Grabe aufgerichtet. Barthold Georg Niebuhrs Denkwürdigkeiten. (Zweiter Artikel.) (Beschluß.) Nach seiner Zurückkunft nach Königsberg, wo noch der Regierungssitz war, wurde Niebuhr zum Geheimen Staatsrath und Sectionschef für das Staatsschuldenwesen und Geldinstitute ernannt. Wie er bald darauf, als Hardenberg nach erlangter Aussöhnung mit dem französischen Machthaber ans Ruder trat, wegen Unvereinbarkeit seiner Ansichten über wichtige Verwaltungsfragen mit denen dieses Ministers von den Geschäften schied; wie er in den Wissenschaften frisch auflebte und am Aufblühen der Berliner Universität eifrigen Antheil nahm, sowie nachmals an der Wiedererweckung wissenschaftlicher Studien in den Rheinlanden in seiner eigenthümlichen Stellung als freiwilliger Lehrer in Bonn; wie er auch während dieser gelehrten Beschäftigungen noch häufig außerordentlicherweise zu den Sitzungen des Staatsraths beigezogen, und namentlich in den Jahren 1813 bis 1814 wieder politisch verwendet wurde; welche Verhältnisse er mit Spalding, Buttmann, Schleiermacher, Heindorf, Savigny, Ancillon und so vielen andern ausgezeichneten Männern der Epoche knüpfte – das Alles zu schildern, würde <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <pb facs="#f0009" n="0297"/> </div> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Graf Clam</hi>-<hi rendition="#g">Martinitz</hi>.</hi> </head><lb/> <p>(Zweiter Artikel.)</p><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 1 Febr.</dateline> <p> Das Leichenbegängniß des Grafen Clam hat heute statt gefunden. 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Ein solcher Mann war Graf Clam. Er war in jeder Beziehung tüchtig; das aber theilte er mit vielen. Er war durch seine Geburt, durch seine Anlagen so wie durch die Ausbildung, welche Welt und Fleiß denselben gegeben hatten, zu einer der obersten und eingreifendsten Rollen im Kaiserstaate bestimmt; das mag er auch mit Manchem gemein haben. Was ihn aber auszeichnete, war die Gunst solcher vorbereitenden Umstände, die ihn für die gegebenen Verhältnisse nicht bloß zum fähigen, sondern zum geeigneten Manne machten, und diese Gunst, die ein bescheidenes Gemüth allerdings nur als eine Gabe der Vorsehung aufnehmen wird, gab der Brauchbarkeit, dem praktischen Werthe des Mannes den entscheidenden, schwer ersetzbaren Gehalt.</p><lb/> <p>Aufgewachsen als Militär an der Seite des Feldherrn, durch den die Vorsehung auf das überzeugendste dargethan hatte, daß in wirklich entscheidenden Augenblicken Oesterreich der rechte Mann nie fehlt; durch die Schule der ungeheuern Ereignisse vom Jahr 1812 bis zum Jahr 1815 unter solcher Leitung und auf einem Wege gegangen, der ihn mit Allem, was Europa an Männern und Kräften aufzubieten im Stande war, in nahe Berührung brachte; getrieben durch seinen Eifer, durch sein Bedürfniß nach gründlicher Forschung in die Bahn praktischen Dienstes, dann wieder durch das Vertrauen des ersten österreichischen Staatsmannes auf das Feld europäischer Geschäfte geführt; hingestellt endlich durch die Kraft der Ereignisse und durch den Bedarf der Monarchie im Jahre 1830 auf einen der Posten, wo er auf das für die Aufrechthaltung des europäischen Friedens unerläßliche Aufgebot der Streitmittel, und dadurch auf die Haltung des Kaiserstaats nach außen den größten und heilsamsten Einfluß nehmen konnte: so wurde er der Mann, dem nach dem Tode Kaisers Franz der Beruf werden konnte, in diesem schweren Augenblick mitzuhelfen, der Verwaltung und dem Systeme des Cabinets den Triumph der in majestätischer Einfachheit und Ruhe fortschreitenden unerschütterten Bewegung sicherzustellen, in dem die Stärke der Monarchie ihre volle Gewährleistung fand. Zum obersten Feldherrn oder zum obersten Staatsmanne berufen, war vor Grafen Clam die Bahn dazu unfehlbar aufgethan, als plötzlich vor dem noch jungen Manne das Grab sich öffnete und mitten in seinem Glück so wie mitten aus seinen Leistungen der Tod ihn abrief. Der Verlust wurde tief gefühlt in der Hauptstadt, und wird es tief in allen österreichischen Ländern werden, eine Erscheinung, nur in einer in allen ihren Theilen in sich so fest verbundenen Monarchie möglich wie die österreichische, auf welche das segenvolle Bild einer Familie im Großen noch seine volle Anwendung findet.</p><lb/> <p>Der Hof ließ sogleich einen für den folgenden Tag angesagten Ball abstellen; Ihre Maj. die Kaiserin besuchte die unglückliche Wittwe; bis in das Herz aller Gesellschaften und Kreise war die Klage warm und innig; wie seine Leiche begleitet war, haben wir am Eingange gesagt. Es war gewiß ein höchst rührender Anblick, den Sieger von Würzburg und Aspern unter seinen kaiserlichen Brüdern und Neffen hinter dem Trauerwagen des Mannes hergehen zu sehen, der seine Laufbahn auf dem Felde der Schlachten begann, als er sie endete!</p><lb/> <p>Die Vielseitigkeit des Grafen Clam und dabei die tiefe Rechtlichkeit und der ehrenwerthe Charakter jeder Seite an ihm, so wie sein hoher religiöser Sinn machen den Verlust dieses Mannes den verschiedenartigsten Menschen und Ständen schmerzlich. Der Soldat bedauert den heldenmüthigen Gefährten und den künftigen Feldherrn, der Staatsmann den erfahrenen, klugen, gewandten Mann der höheren Geschäfte, der Weltmann den geistreichen, vielunterrichteten Gesellschafter, der Vater und Gatte den edlen, glücklichen, beneidenswerthen Vater und Gatten. Viele hatten sich gewöhnt, diesen Mann als eine der Stützen der Monarchie zu betrachten; viele liebten ihn um der Hoffnungen willen, die sie zur Ehre und zum Nutzen des Vaterlandes auf ihn bauten. Hätten Wünsche ihn festhalten können auf diesem hohlen Boden der Erde, könnten Klagen ihn zurückführen unter uns, er lebte in Jugend und Kraft! 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Graf Clam-Martinitz.
(Zweiter Artikel.)
_ Wien, 1 Febr. Das Leichenbegängniß des Grafen Clam hat heute statt gefunden. Die Erzherzoge, fast alle hohen Angestellten und Würdenträger, Hunderte von Generalen und Officieren wohnten demselben bei. Wer diesen feierlichen Trauerzug an sich vorüber wandeln sah, mußte sagen: Oesterreich hat einen schweren Verlust erlitten, einen von denen, die bis in die letzten Spitzen der Monarchie hinaus gefühlt werden. Das ist auch wirklich der Fall. In einer Monarchie von der Ausdehnung und der jahrhundertealten Schule der österreichischen stirbt zwar selbst in dem ausgezeichnetsten Mann kein unersetzlicher; aber es gibt für jeden Zeitpunkt auch besonders geeignete, aus den Ereignissen, welche die Gegenwart bedingen, gleichsam herausgewachsene Männer, mit denen die Verständigung nach allen Seiten hin so wie aus allen Richtungen her, leicht und völlig ist und welche für die Bedürfnisse des Augenblicks, wie schwer oder leicht diese seyen, mit ihrer ganzen Person einzutreten, neben dem äußern auch den innern Beruf, das ist, Kraft, Muth, Einsicht und Gewandtheit haben. Ein solcher Mann war Graf Clam. Er war in jeder Beziehung tüchtig; das aber theilte er mit vielen. Er war durch seine Geburt, durch seine Anlagen so wie durch die Ausbildung, welche Welt und Fleiß denselben gegeben hatten, zu einer der obersten und eingreifendsten Rollen im Kaiserstaate bestimmt; das mag er auch mit Manchem gemein haben. Was ihn aber auszeichnete, war die Gunst solcher vorbereitenden Umstände, die ihn für die gegebenen Verhältnisse nicht bloß zum fähigen, sondern zum geeigneten Manne machten, und diese Gunst, die ein bescheidenes Gemüth allerdings nur als eine Gabe der Vorsehung aufnehmen wird, gab der Brauchbarkeit, dem praktischen Werthe des Mannes den entscheidenden, schwer ersetzbaren Gehalt.
Aufgewachsen als Militär an der Seite des Feldherrn, durch den die Vorsehung auf das überzeugendste dargethan hatte, daß in wirklich entscheidenden Augenblicken Oesterreich der rechte Mann nie fehlt; durch die Schule der ungeheuern Ereignisse vom Jahr 1812 bis zum Jahr 1815 unter solcher Leitung und auf einem Wege gegangen, der ihn mit Allem, was Europa an Männern und Kräften aufzubieten im Stande war, in nahe Berührung brachte; getrieben durch seinen Eifer, durch sein Bedürfniß nach gründlicher Forschung in die Bahn praktischen Dienstes, dann wieder durch das Vertrauen des ersten österreichischen Staatsmannes auf das Feld europäischer Geschäfte geführt; hingestellt endlich durch die Kraft der Ereignisse und durch den Bedarf der Monarchie im Jahre 1830 auf einen der Posten, wo er auf das für die Aufrechthaltung des europäischen Friedens unerläßliche Aufgebot der Streitmittel, und dadurch auf die Haltung des Kaiserstaats nach außen den größten und heilsamsten Einfluß nehmen konnte: so wurde er der Mann, dem nach dem Tode Kaisers Franz der Beruf werden konnte, in diesem schweren Augenblick mitzuhelfen, der Verwaltung und dem Systeme des Cabinets den Triumph der in majestätischer Einfachheit und Ruhe fortschreitenden unerschütterten Bewegung sicherzustellen, in dem die Stärke der Monarchie ihre volle Gewährleistung fand. Zum obersten Feldherrn oder zum obersten Staatsmanne berufen, war vor Grafen Clam die Bahn dazu unfehlbar aufgethan, als plötzlich vor dem noch jungen Manne das Grab sich öffnete und mitten in seinem Glück so wie mitten aus seinen Leistungen der Tod ihn abrief. Der Verlust wurde tief gefühlt in der Hauptstadt, und wird es tief in allen österreichischen Ländern werden, eine Erscheinung, nur in einer in allen ihren Theilen in sich so fest verbundenen Monarchie möglich wie die österreichische, auf welche das segenvolle Bild einer Familie im Großen noch seine volle Anwendung findet.
Der Hof ließ sogleich einen für den folgenden Tag angesagten Ball abstellen; Ihre Maj. die Kaiserin besuchte die unglückliche Wittwe; bis in das Herz aller Gesellschaften und Kreise war die Klage warm und innig; wie seine Leiche begleitet war, haben wir am Eingange gesagt. Es war gewiß ein höchst rührender Anblick, den Sieger von Würzburg und Aspern unter seinen kaiserlichen Brüdern und Neffen hinter dem Trauerwagen des Mannes hergehen zu sehen, der seine Laufbahn auf dem Felde der Schlachten begann, als er sie endete!
Die Vielseitigkeit des Grafen Clam und dabei die tiefe Rechtlichkeit und der ehrenwerthe Charakter jeder Seite an ihm, so wie sein hoher religiöser Sinn machen den Verlust dieses Mannes den verschiedenartigsten Menschen und Ständen schmerzlich. Der Soldat bedauert den heldenmüthigen Gefährten und den künftigen Feldherrn, der Staatsmann den erfahrenen, klugen, gewandten Mann der höheren Geschäfte, der Weltmann den geistreichen, vielunterrichteten Gesellschafter, der Vater und Gatte den edlen, glücklichen, beneidenswerthen Vater und Gatten. Viele hatten sich gewöhnt, diesen Mann als eine der Stützen der Monarchie zu betrachten; viele liebten ihn um der Hoffnungen willen, die sie zur Ehre und zum Nutzen des Vaterlandes auf ihn bauten. Hätten Wünsche ihn festhalten können auf diesem hohlen Boden der Erde, könnten Klagen ihn zurückführen unter uns, er lebte in Jugend und Kraft! Der Mann aber, über den man in Wahrheit das sagen kann, hat gewiß nicht umsonst, er hat sich und seinem Vaterlande zum Ruhme gelebt, und die allgemeine Achtung steht als Monument über seinem Grabe aufgerichtet.
Barthold Georg Niebuhrs Denkwürdigkeiten.
(Zweiter Artikel.)
(Beschluß.)
Nach seiner Zurückkunft nach Königsberg, wo noch der Regierungssitz war, wurde Niebuhr zum Geheimen Staatsrath und Sectionschef für das Staatsschuldenwesen und Geldinstitute ernannt. Wie er bald darauf, als Hardenberg nach erlangter Aussöhnung mit dem französischen Machthaber ans Ruder trat, wegen Unvereinbarkeit seiner Ansichten über wichtige Verwaltungsfragen mit denen dieses Ministers von den Geschäften schied; wie er in den Wissenschaften frisch auflebte und am Aufblühen der Berliner Universität eifrigen Antheil nahm, sowie nachmals an der Wiedererweckung wissenschaftlicher Studien in den Rheinlanden in seiner eigenthümlichen Stellung als freiwilliger Lehrer in Bonn; wie er auch während dieser gelehrten Beschäftigungen noch häufig außerordentlicherweise zu den Sitzungen des Staatsraths beigezogen, und namentlich in den Jahren 1813 bis 1814 wieder politisch verwendet wurde; welche Verhältnisse er mit Spalding, Buttmann, Schleiermacher, Heindorf, Savigny, Ancillon und so vielen andern ausgezeichneten Männern der Epoche knüpfte – das Alles zu schildern, würde
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