Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 34. Augsburg, 3. Februar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Nacht. Die Distanz war ungefähr dieselbe wie gestern, und auch der Charakter der Gegend blieb sich gleich. Doch hatten wir eine Art Abenteuer unterwegs. Es war ziemlich dunkel, und wir mußten uns eng zusammenhalten, um nicht vom Wege abzukommen, als wir durch ein Gebüsch reitend plötzlich mitten unter uns eine ganz unheimliche, und wie verzaubert aussehende Gestalt gewahrten. Es war ein uralter Schwarzer mit langem weißen Bart, ganz nackt, aber mit einem großen geraden Ritterschwert bewaffnet, das er, durch einen Riemen an der Schulter befestigt, nicht an der Seite, sondern über den Rücken hängend trug. Er ritt auf einem schnellfüßigen Eselzwerge, der nicht über zwei Fuß hoch war, so daß der ansehnlich gewachsene Mann die Kniee hoch über den Sattel erheben mußte, um darauf sitzen zu können, ohne mit den Füßen die Erde zu berühren. So trabte er dicht neben meinem hohen Dromedare her, unter dessen Bauch er füglich hätte hindurch schlüpfen können ohne anzustoßen. Wir betrachteten ihn alle sehr verwundert, während er nicht die geringste Notiz von uns zu nehmen schien. Endlich rief er unserm Führer - der gewöhnlich etwas vorausreitet, um uns die wahrlich nicht leicht aufzufindende Direction ohne Weg und Steg durch die so wenig Kennzeichen darbietende Wüste anzuzeigen - einige, mit der den Negern eigenthümlichen Art, gellend ausgestoßene Worte zu; doch dieser, welcher noch mehr Scheu als wir vor dem fremdartigen Wesen zu hegen schien, ritt nur schneller vorwärts, ohne die Anrede zu beantworten. Der Alte lachte murmelnd in seinen Bart hinein, und ehe wir es uns versahen, war er, wie er gekommen, auch hinter den Bäumen eben so schnell wieder verschwunden gleich einem Gespenst der Nacht. Trotz all unserer Bemühung konnten wir von dem Führer keine recht genügende Auskunft über das Vorgefallene erhalten. Doch bin ich überzeugt, daß er irgend einen Aberglauben mit der Erscheinung dieses Mannes in Verbindung brachte, denn er war sichtlich betroffen, und sprach nachher viel von einem übelwollenden Geiste, der im schwarzen Gebirge wohne, den alle Welt unter dem Namen "des Alten vom Berge" kenne, und dessen Erblickung unter den verschiedenen Gestalten, die er annehme, meist Unheil bedeute, ohne jedoch jemals geradezu zu behaupten, daß, was wir gesehen, dieser Geist gewesen sey. Die Wilden haben also, wie es scheint, auch ihren tropischen Rübezahl.

Wir rasteten abermals in einem mit vertrockneten Mimosen angefüllten Thale. Diese blätterlosen, völlig abgestorben aussehenden Bäume schienen den Winterschlaf der unserigen hier nicht während der Kälte, sondern während der größten Hitze abzuhalten; nach der Regenzeit sollen sie alle wieder im hellsten Grün erglänzen. Der größte Theil davon gehört einer besondern Varietät an, die man hier Samra nennt. Die Hitze hatten wir in der Nacht fast eben so drückend als am Tage gefunden, weil kein Lüftchen mehr wehte, während am Tage, besonders um die Mittagszeit, der Wind, in oft unangenehmen Stößen und fortwährend umspringend, fast aus allen Abtheilungen der Windrose blies. Nicht sehr ermüdet, belustigten wir uns Nachmittags lange mit der Jagd, die jedoch nur auf Turteltauben und Wüstenrephühner stattfindet. Die großen schwarzen und weißen Geyer pflegten, ganz ohne Scheu vor unsern Gewehren, jedesmal wenn ein Schuß fiel eilig herbeizukommen, um die Vögel, welche etwa in einem Baume hängen blieben, oder angeschossen sich zu retten suchten, schnell für sich selbst einzufangen. Ja sie zeigten manchmal sogar Lust dem Jäger seine Beute streitig zu machen, und es war lächerlich mit anzusehen, wenn einer der letzten zu Knüppeln und Steinen seine Zuflucht nehmen mußte, um ihrer los zu werden. Einige sehr hübsch gefiederte Singvögel belebten außerdem häufig die dürren Gebüsche, und nicht selten hörten wir, bei Tag wie bei Nacht, der Schakals heiseres Gebell, ohne jedoch einen derselben erlegen zu können. Von reißenden Thieren fanden wir keine Spur.

Am folgenden Tage erreichte plötzlich die Hitze einen fast unleidlichen Grad. Der Thermometer zeigte um 2 Uhr Nachmittags in meinem Zelte, wo freilich die Reverberation der Sonnenstrahlen die Gluth noch intenser macht, am schattigsten Orte desselben 39° Reaumur, und auf den Sand in die Sonne gelegt 55°, eine Temperatur, die sich nachher drei Tage lang um dieselbe Zeit mit wenigem Unterschiede wiederholte.

Der Wind kam direct aus Süden, und glühte, statt Kühlung zu bringen, wie aus einem hohen Ofen. Nicht nur Metall und Glas, sondern auch Papier, Seide, Leinwand, Holz etc. war ohne Unterschied alles gleich brennend heiß anzufassen. Der einzige kühlere Gegenstand, den man finden konnte, war die eigene Haut, weil der Temperaturgrad der Atmosphäre fast höher stand als der des Blutes. Das Fleisch eines Schafes, das um 11 Uhr Vormittags geschlachtet worden war, mußte schon um 6 Uhr Abends, als ganz unbrauchbar, weggeworfen werden, und zwei lebend mitgenommene Schafe starben über Nacht beim Transport, so wie der größte Theil der von Meravi mitgenommenen Hühner, von denen wir später bis Karthum uns leider keine mehr verschaffen konnten. Auch mein Hund war dem Verscheiden nahe, und grub sich, kläglich winselnd, einen Fuß tief in die Erde. Fast unbegreiflich ist es es, wie trotz dieser Höllengluth die Eingebornen ganz nackt, mit einem bloßen schmalen Gürtel angethan, hier aushalten können, den Kopf ohne allen andern Schutz als ihre langen Haare dem fürchterlichen Sonnenbrande, die Füße ohne Sandalen dem kochend heißen Sande ausgesetzt.

Der Schauplatz unsers Bivouacs war dießmal in der Nähe einiger Hütten von den Eingebornen, welche starke Viehzucht aber wenig Ackerbau treiben, und sich fast nur von Fleisch und Milch nähren, Marua genannt. Ein großer Theil der Wüste in dieser Region ist mit Binsengras und mehreren Akazien wie Mimosenarten bedeckt, die, wie bereits erwähnt, jetzt abgestorben schienen, aber mit der Regenzeit grün werden, welche dann außer dieser Vegetation auch noch viele andere Futterkräuter hervorruft, von denen jetzt keine Spur mehr existirt. In diesem Zustande erhält sich die Vegetation vom Julius bis April. Während dieser Zeit ist Ueberfluß an Nahrung für die Thiere zu finden, der ohne alle Mühe erlangt wird. Dann aber - denn April, Mai und Junius sind hier die heißesten Monate - beginnt schnell das Vertrocknen aller Pflanzen, und in dieser Jahreszeit muß sich das Vieh mit gedörrtem Binsenstroh und trocknen Baumzweigen begnügen, wozu gelegentlich etwas Durrakörner kommen. Doch kann hiervon nur zu wenig gebaut werden, um irgend darauf zu rechnen. Auch war alles Vieh, was uns in dieser Oasis zu Gesichte kam, durchgängig spindeldürre, und von der elendesten Beschaffenheit. Wir lagerten etwa hundert Schritte vom Dörfchen in einer weiten rings von Bergzügen umschlossenen Fläche, dicht am Fuß eines isolirt aus ihr emporsteigenden Felsens. Ich bestieg diesen Abends um der Aussicht willen, und fand, daß seine von Sonnenbrand und Regen schwarz gefärbten Massen aus dem schönsten feinkörnigen Marmor bestanden. Wenn man Stücke davon abschlug, zeigte er sich von blendender Weiße, an manchen Orten auch roth, an andern schwarz geädert. Von dem Gipfel dieses Felsens, der an 100 Fuß Höhe haben mochte, bemerkte man deutlich mehrere weithin durch die Baumgruppen geschlängelte,

Nacht. Die Distanz war ungefähr dieselbe wie gestern, und auch der Charakter der Gegend blieb sich gleich. Doch hatten wir eine Art Abenteuer unterwegs. Es war ziemlich dunkel, und wir mußten uns eng zusammenhalten, um nicht vom Wege abzukommen, als wir durch ein Gebüsch reitend plötzlich mitten unter uns eine ganz unheimliche, und wie verzaubert aussehende Gestalt gewahrten. Es war ein uralter Schwarzer mit langem weißen Bart, ganz nackt, aber mit einem großen geraden Ritterschwert bewaffnet, das er, durch einen Riemen an der Schulter befestigt, nicht an der Seite, sondern über den Rücken hängend trug. Er ritt auf einem schnellfüßigen Eselzwerge, der nicht über zwei Fuß hoch war, so daß der ansehnlich gewachsene Mann die Kniee hoch über den Sattel erheben mußte, um darauf sitzen zu können, ohne mit den Füßen die Erde zu berühren. So trabte er dicht neben meinem hohen Dromedare her, unter dessen Bauch er füglich hätte hindurch schlüpfen können ohne anzustoßen. Wir betrachteten ihn alle sehr verwundert, während er nicht die geringste Notiz von uns zu nehmen schien. Endlich rief er unserm Führer – der gewöhnlich etwas vorausreitet, um uns die wahrlich nicht leicht aufzufindende Direction ohne Weg und Steg durch die so wenig Kennzeichen darbietende Wüste anzuzeigen – einige, mit der den Negern eigenthümlichen Art, gellend ausgestoßene Worte zu; doch dieser, welcher noch mehr Scheu als wir vor dem fremdartigen Wesen zu hegen schien, ritt nur schneller vorwärts, ohne die Anrede zu beantworten. Der Alte lachte murmelnd in seinen Bart hinein, und ehe wir es uns versahen, war er, wie er gekommen, auch hinter den Bäumen eben so schnell wieder verschwunden gleich einem Gespenst der Nacht. Trotz all unserer Bemühung konnten wir von dem Führer keine recht genügende Auskunft über das Vorgefallene erhalten. Doch bin ich überzeugt, daß er irgend einen Aberglauben mit der Erscheinung dieses Mannes in Verbindung brachte, denn er war sichtlich betroffen, und sprach nachher viel von einem übelwollenden Geiste, der im schwarzen Gebirge wohne, den alle Welt unter dem Namen „des Alten vom Berge“ kenne, und dessen Erblickung unter den verschiedenen Gestalten, die er annehme, meist Unheil bedeute, ohne jedoch jemals geradezu zu behaupten, daß, was wir gesehen, dieser Geist gewesen sey. Die Wilden haben also, wie es scheint, auch ihren tropischen Rübezahl.

Wir rasteten abermals in einem mit vertrockneten Mimosen angefüllten Thale. Diese blätterlosen, völlig abgestorben aussehenden Bäume schienen den Winterschlaf der unserigen hier nicht während der Kälte, sondern während der größten Hitze abzuhalten; nach der Regenzeit sollen sie alle wieder im hellsten Grün erglänzen. Der größte Theil davon gehört einer besondern Varietät an, die man hier Samra nennt. Die Hitze hatten wir in der Nacht fast eben so drückend als am Tage gefunden, weil kein Lüftchen mehr wehte, während am Tage, besonders um die Mittagszeit, der Wind, in oft unangenehmen Stößen und fortwährend umspringend, fast aus allen Abtheilungen der Windrose blies. Nicht sehr ermüdet, belustigten wir uns Nachmittags lange mit der Jagd, die jedoch nur auf Turteltauben und Wüstenrephühner stattfindet. Die großen schwarzen und weißen Geyer pflegten, ganz ohne Scheu vor unsern Gewehren, jedesmal wenn ein Schuß fiel eilig herbeizukommen, um die Vögel, welche etwa in einem Baume hängen blieben, oder angeschossen sich zu retten suchten, schnell für sich selbst einzufangen. Ja sie zeigten manchmal sogar Lust dem Jäger seine Beute streitig zu machen, und es war lächerlich mit anzusehen, wenn einer der letzten zu Knüppeln und Steinen seine Zuflucht nehmen mußte, um ihrer los zu werden. Einige sehr hübsch gefiederte Singvögel belebten außerdem häufig die dürren Gebüsche, und nicht selten hörten wir, bei Tag wie bei Nacht, der Schakals heiseres Gebell, ohne jedoch einen derselben erlegen zu können. Von reißenden Thieren fanden wir keine Spur.

Am folgenden Tage erreichte plötzlich die Hitze einen fast unleidlichen Grad. Der Thermometer zeigte um 2 Uhr Nachmittags in meinem Zelte, wo freilich die Reverberation der Sonnenstrahlen die Gluth noch intenser macht, am schattigsten Orte desselben 39° Réaumur, und auf den Sand in die Sonne gelegt 55°, eine Temperatur, die sich nachher drei Tage lang um dieselbe Zeit mit wenigem Unterschiede wiederholte.

Der Wind kam direct aus Süden, und glühte, statt Kühlung zu bringen, wie aus einem hohen Ofen. Nicht nur Metall und Glas, sondern auch Papier, Seide, Leinwand, Holz etc. war ohne Unterschied alles gleich brennend heiß anzufassen. Der einzige kühlere Gegenstand, den man finden konnte, war die eigene Haut, weil der Temperaturgrad der Atmosphäre fast höher stand als der des Blutes. Das Fleisch eines Schafes, das um 11 Uhr Vormittags geschlachtet worden war, mußte schon um 6 Uhr Abends, als ganz unbrauchbar, weggeworfen werden, und zwei lebend mitgenommene Schafe starben über Nacht beim Transport, so wie der größte Theil der von Merāvi mitgenommenen Hühner, von denen wir später bis Karthum uns leider keine mehr verschaffen konnten. Auch mein Hund war dem Verscheiden nahe, und grub sich, kläglich winselnd, einen Fuß tief in die Erde. Fast unbegreiflich ist es es, wie trotz dieser Höllengluth die Eingebornen ganz nackt, mit einem bloßen schmalen Gürtel angethan, hier aushalten können, den Kopf ohne allen andern Schutz als ihre langen Haare dem fürchterlichen Sonnenbrande, die Füße ohne Sandalen dem kochend heißen Sande ausgesetzt.

Der Schauplatz unsers Bivouacs war dießmal in der Nähe einiger Hütten von den Eingebornen, welche starke Viehzucht aber wenig Ackerbau treiben, und sich fast nur von Fleisch und Milch nähren, Marua genannt. Ein großer Theil der Wüste in dieser Region ist mit Binsengras und mehreren Akazien wie Mimosenarten bedeckt, die, wie bereits erwähnt, jetzt abgestorben schienen, aber mit der Regenzeit grün werden, welche dann außer dieser Vegetation auch noch viele andere Futterkräuter hervorruft, von denen jetzt keine Spur mehr existirt. In diesem Zustande erhält sich die Vegetation vom Julius bis April. Während dieser Zeit ist Ueberfluß an Nahrung für die Thiere zu finden, der ohne alle Mühe erlangt wird. Dann aber – denn April, Mai und Junius sind hier die heißesten Monate – beginnt schnell das Vertrocknen aller Pflanzen, und in dieser Jahreszeit muß sich das Vieh mit gedörrtem Binsenstroh und trocknen Baumzweigen begnügen, wozu gelegentlich etwas Durrakörner kommen. Doch kann hiervon nur zu wenig gebaut werden, um irgend darauf zu rechnen. Auch war alles Vieh, was uns in dieser Oasis zu Gesichte kam, durchgängig spindeldürre, und von der elendesten Beschaffenheit. Wir lagerten etwa hundert Schritte vom Dörfchen in einer weiten rings von Bergzügen umschlossenen Fläche, dicht am Fuß eines isolirt aus ihr emporsteigenden Felsens. Ich bestieg diesen Abends um der Aussicht willen, und fand, daß seine von Sonnenbrand und Regen schwarz gefärbten Massen aus dem schönsten feinkörnigen Marmor bestanden. Wenn man Stücke davon abschlug, zeigte er sich von blendender Weiße, an manchen Orten auch roth, an andern schwarz geädert. Von dem Gipfel dieses Felsens, der an 100 Fuß Höhe haben mochte, bemerkte man deutlich mehrere weithin durch die Baumgruppen geschlängelte,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0012" n="0300"/>
Nacht. Die Distanz war ungefähr dieselbe wie gestern, und auch der Charakter der Gegend blieb sich gleich. Doch hatten wir eine Art Abenteuer unterwegs. Es war ziemlich dunkel, und wir mußten uns eng zusammenhalten, um nicht vom Wege abzukommen, als wir durch ein Gebüsch reitend plötzlich mitten unter uns eine ganz unheimliche, und wie verzaubert aussehende Gestalt gewahrten. Es war ein uralter Schwarzer mit langem weißen Bart, ganz nackt, aber mit einem großen geraden Ritterschwert bewaffnet, das er, durch einen Riemen an der Schulter befestigt, nicht an der Seite, sondern über den Rücken hängend trug. Er ritt auf einem schnellfüßigen Eselzwerge, der nicht über zwei Fuß hoch war, so daß der ansehnlich gewachsene Mann die Kniee hoch über den Sattel erheben mußte, um darauf sitzen zu können, ohne mit den Füßen die Erde zu berühren. So trabte er dicht neben meinem hohen Dromedare her, unter dessen Bauch er füglich hätte hindurch schlüpfen können ohne anzustoßen. Wir betrachteten ihn alle sehr verwundert, während er nicht die geringste Notiz von uns zu nehmen schien. Endlich rief er unserm Führer &#x2013; der gewöhnlich etwas vorausreitet, um uns die wahrlich nicht leicht aufzufindende Direction ohne Weg und Steg durch die so wenig Kennzeichen darbietende Wüste anzuzeigen &#x2013; einige, mit der den Negern eigenthümlichen Art, gellend ausgestoßene Worte zu; doch dieser, welcher noch mehr Scheu als wir vor dem fremdartigen Wesen zu hegen schien, ritt nur schneller vorwärts, ohne die Anrede zu beantworten. Der Alte lachte murmelnd in seinen Bart hinein, und ehe wir es uns versahen, war er, wie er gekommen, auch hinter den Bäumen eben so schnell wieder verschwunden gleich einem Gespenst der Nacht. Trotz all unserer Bemühung konnten wir von dem Führer keine recht genügende Auskunft über das Vorgefallene erhalten. Doch bin ich überzeugt, daß er irgend einen Aberglauben mit der Erscheinung dieses Mannes in Verbindung brachte, denn er war sichtlich betroffen, und sprach nachher viel von einem übelwollenden Geiste, der im schwarzen Gebirge wohne, den alle Welt unter dem Namen &#x201E;des Alten vom Berge&#x201C; kenne, und dessen Erblickung unter den verschiedenen Gestalten, die er annehme, meist Unheil bedeute, ohne jedoch jemals geradezu zu behaupten, daß, was wir gesehen, dieser Geist gewesen sey. Die Wilden haben also, wie es scheint, auch ihren tropischen Rübezahl.</p><lb/>
        <p>Wir rasteten abermals in einem mit vertrockneten Mimosen angefüllten Thale. Diese blätterlosen, völlig abgestorben aussehenden Bäume schienen den Winterschlaf der unserigen hier nicht während der Kälte, sondern während der größten Hitze abzuhalten; nach der Regenzeit sollen sie alle wieder im hellsten Grün erglänzen. Der größte Theil davon gehört einer besondern Varietät an, die man hier Samra nennt. Die Hitze hatten wir in der Nacht fast eben so drückend als am Tage gefunden, weil kein Lüftchen mehr wehte, während am Tage, besonders um die Mittagszeit, der Wind, in oft unangenehmen Stößen und fortwährend umspringend, fast aus allen Abtheilungen der Windrose blies. Nicht sehr ermüdet, belustigten wir uns Nachmittags lange mit der Jagd, die jedoch nur auf Turteltauben und Wüstenrephühner stattfindet. Die großen schwarzen und weißen Geyer pflegten, ganz ohne Scheu vor unsern Gewehren, jedesmal wenn ein Schuß fiel eilig herbeizukommen, um die Vögel, welche etwa in einem Baume hängen blieben, oder angeschossen sich zu retten suchten, schnell für sich selbst einzufangen. Ja sie zeigten manchmal sogar Lust dem Jäger seine Beute streitig zu machen, und es war lächerlich mit anzusehen, wenn einer der letzten zu Knüppeln und Steinen seine Zuflucht nehmen mußte, um ihrer los zu werden. Einige sehr hübsch gefiederte Singvögel belebten außerdem häufig die dürren Gebüsche, und nicht selten hörten wir, bei Tag wie bei Nacht, der Schakals heiseres Gebell, ohne jedoch einen derselben erlegen zu können. Von reißenden Thieren fanden wir keine Spur.</p><lb/>
        <p>Am folgenden Tage erreichte plötzlich die Hitze einen fast unleidlichen Grad. Der Thermometer zeigte um 2 Uhr Nachmittags in meinem Zelte, wo freilich die Reverberation der Sonnenstrahlen die Gluth noch intenser macht, am schattigsten Orte desselben 39° Réaumur, und auf den Sand in die Sonne gelegt 55°, eine Temperatur, die sich nachher drei Tage lang um dieselbe Zeit mit wenigem Unterschiede wiederholte.</p><lb/>
        <p>Der Wind kam direct aus Süden, und glühte, statt Kühlung zu bringen, wie aus einem hohen Ofen. Nicht nur Metall und Glas, sondern auch Papier, Seide, Leinwand, Holz etc. war ohne Unterschied alles gleich brennend heiß anzufassen. Der einzige kühlere Gegenstand, den man finden konnte, war die eigene Haut, weil der Temperaturgrad der Atmosphäre fast höher stand als der des Blutes. Das Fleisch eines Schafes, das um 11 Uhr Vormittags geschlachtet worden war, mußte schon um 6 Uhr Abends, als ganz unbrauchbar, weggeworfen werden, und zwei lebend mitgenommene Schafe starben über Nacht beim Transport, so wie der größte Theil der von Mer&#x0101;vi mitgenommenen Hühner, von denen wir später bis Karthum uns leider keine mehr verschaffen konnten. Auch mein Hund war dem Verscheiden nahe, und grub sich, kläglich winselnd, einen Fuß tief in die Erde. Fast unbegreiflich ist es es, wie trotz dieser Höllengluth die Eingebornen ganz nackt, mit einem bloßen schmalen Gürtel angethan, hier aushalten können, den Kopf ohne allen andern Schutz als ihre langen Haare dem fürchterlichen Sonnenbrande, die Füße ohne Sandalen dem kochend heißen Sande ausgesetzt.</p><lb/>
        <p>Der Schauplatz unsers Bivouacs war dießmal in der Nähe einiger Hütten von den Eingebornen, welche starke Viehzucht aber wenig Ackerbau treiben, und sich fast nur von Fleisch und Milch nähren, Marua genannt. Ein großer Theil der Wüste in dieser Region ist mit Binsengras und mehreren Akazien wie Mimosenarten bedeckt, die, wie bereits erwähnt, jetzt abgestorben schienen, aber mit der Regenzeit grün werden, welche dann außer dieser Vegetation auch noch viele andere Futterkräuter hervorruft, von denen jetzt keine Spur mehr existirt. In diesem Zustande erhält sich die Vegetation vom Julius bis April. Während dieser Zeit ist Ueberfluß an Nahrung für die Thiere zu finden, der ohne alle Mühe erlangt wird. Dann aber &#x2013; denn April, Mai und Junius sind hier die heißesten Monate &#x2013; beginnt schnell das Vertrocknen aller Pflanzen, und in dieser Jahreszeit muß sich das Vieh mit gedörrtem Binsenstroh und trocknen Baumzweigen begnügen, wozu gelegentlich etwas Durrakörner kommen. Doch kann hiervon nur zu wenig gebaut werden, um irgend darauf zu rechnen. Auch war alles Vieh, was uns in dieser Oasis zu Gesichte kam, durchgängig spindeldürre, und von der elendesten Beschaffenheit. Wir lagerten etwa hundert Schritte vom Dörfchen in einer weiten rings von Bergzügen umschlossenen Fläche, dicht am Fuß eines isolirt aus ihr emporsteigenden Felsens. Ich bestieg diesen Abends um der Aussicht willen, und fand, daß seine von Sonnenbrand und Regen schwarz gefärbten Massen aus dem schönsten feinkörnigen Marmor bestanden. Wenn man Stücke davon abschlug, zeigte er sich von blendender Weiße, an manchen Orten auch roth, an andern schwarz geädert. Von dem Gipfel dieses Felsens, der an 100 Fuß Höhe haben mochte, bemerkte man deutlich mehrere weithin durch die Baumgruppen geschlängelte,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0300/0012] Nacht. Die Distanz war ungefähr dieselbe wie gestern, und auch der Charakter der Gegend blieb sich gleich. Doch hatten wir eine Art Abenteuer unterwegs. Es war ziemlich dunkel, und wir mußten uns eng zusammenhalten, um nicht vom Wege abzukommen, als wir durch ein Gebüsch reitend plötzlich mitten unter uns eine ganz unheimliche, und wie verzaubert aussehende Gestalt gewahrten. Es war ein uralter Schwarzer mit langem weißen Bart, ganz nackt, aber mit einem großen geraden Ritterschwert bewaffnet, das er, durch einen Riemen an der Schulter befestigt, nicht an der Seite, sondern über den Rücken hängend trug. Er ritt auf einem schnellfüßigen Eselzwerge, der nicht über zwei Fuß hoch war, so daß der ansehnlich gewachsene Mann die Kniee hoch über den Sattel erheben mußte, um darauf sitzen zu können, ohne mit den Füßen die Erde zu berühren. So trabte er dicht neben meinem hohen Dromedare her, unter dessen Bauch er füglich hätte hindurch schlüpfen können ohne anzustoßen. Wir betrachteten ihn alle sehr verwundert, während er nicht die geringste Notiz von uns zu nehmen schien. Endlich rief er unserm Führer – der gewöhnlich etwas vorausreitet, um uns die wahrlich nicht leicht aufzufindende Direction ohne Weg und Steg durch die so wenig Kennzeichen darbietende Wüste anzuzeigen – einige, mit der den Negern eigenthümlichen Art, gellend ausgestoßene Worte zu; doch dieser, welcher noch mehr Scheu als wir vor dem fremdartigen Wesen zu hegen schien, ritt nur schneller vorwärts, ohne die Anrede zu beantworten. Der Alte lachte murmelnd in seinen Bart hinein, und ehe wir es uns versahen, war er, wie er gekommen, auch hinter den Bäumen eben so schnell wieder verschwunden gleich einem Gespenst der Nacht. Trotz all unserer Bemühung konnten wir von dem Führer keine recht genügende Auskunft über das Vorgefallene erhalten. Doch bin ich überzeugt, daß er irgend einen Aberglauben mit der Erscheinung dieses Mannes in Verbindung brachte, denn er war sichtlich betroffen, und sprach nachher viel von einem übelwollenden Geiste, der im schwarzen Gebirge wohne, den alle Welt unter dem Namen „des Alten vom Berge“ kenne, und dessen Erblickung unter den verschiedenen Gestalten, die er annehme, meist Unheil bedeute, ohne jedoch jemals geradezu zu behaupten, daß, was wir gesehen, dieser Geist gewesen sey. Die Wilden haben also, wie es scheint, auch ihren tropischen Rübezahl. Wir rasteten abermals in einem mit vertrockneten Mimosen angefüllten Thale. Diese blätterlosen, völlig abgestorben aussehenden Bäume schienen den Winterschlaf der unserigen hier nicht während der Kälte, sondern während der größten Hitze abzuhalten; nach der Regenzeit sollen sie alle wieder im hellsten Grün erglänzen. Der größte Theil davon gehört einer besondern Varietät an, die man hier Samra nennt. Die Hitze hatten wir in der Nacht fast eben so drückend als am Tage gefunden, weil kein Lüftchen mehr wehte, während am Tage, besonders um die Mittagszeit, der Wind, in oft unangenehmen Stößen und fortwährend umspringend, fast aus allen Abtheilungen der Windrose blies. Nicht sehr ermüdet, belustigten wir uns Nachmittags lange mit der Jagd, die jedoch nur auf Turteltauben und Wüstenrephühner stattfindet. Die großen schwarzen und weißen Geyer pflegten, ganz ohne Scheu vor unsern Gewehren, jedesmal wenn ein Schuß fiel eilig herbeizukommen, um die Vögel, welche etwa in einem Baume hängen blieben, oder angeschossen sich zu retten suchten, schnell für sich selbst einzufangen. Ja sie zeigten manchmal sogar Lust dem Jäger seine Beute streitig zu machen, und es war lächerlich mit anzusehen, wenn einer der letzten zu Knüppeln und Steinen seine Zuflucht nehmen mußte, um ihrer los zu werden. Einige sehr hübsch gefiederte Singvögel belebten außerdem häufig die dürren Gebüsche, und nicht selten hörten wir, bei Tag wie bei Nacht, der Schakals heiseres Gebell, ohne jedoch einen derselben erlegen zu können. Von reißenden Thieren fanden wir keine Spur. Am folgenden Tage erreichte plötzlich die Hitze einen fast unleidlichen Grad. Der Thermometer zeigte um 2 Uhr Nachmittags in meinem Zelte, wo freilich die Reverberation der Sonnenstrahlen die Gluth noch intenser macht, am schattigsten Orte desselben 39° Réaumur, und auf den Sand in die Sonne gelegt 55°, eine Temperatur, die sich nachher drei Tage lang um dieselbe Zeit mit wenigem Unterschiede wiederholte. Der Wind kam direct aus Süden, und glühte, statt Kühlung zu bringen, wie aus einem hohen Ofen. Nicht nur Metall und Glas, sondern auch Papier, Seide, Leinwand, Holz etc. war ohne Unterschied alles gleich brennend heiß anzufassen. Der einzige kühlere Gegenstand, den man finden konnte, war die eigene Haut, weil der Temperaturgrad der Atmosphäre fast höher stand als der des Blutes. Das Fleisch eines Schafes, das um 11 Uhr Vormittags geschlachtet worden war, mußte schon um 6 Uhr Abends, als ganz unbrauchbar, weggeworfen werden, und zwei lebend mitgenommene Schafe starben über Nacht beim Transport, so wie der größte Theil der von Merāvi mitgenommenen Hühner, von denen wir später bis Karthum uns leider keine mehr verschaffen konnten. Auch mein Hund war dem Verscheiden nahe, und grub sich, kläglich winselnd, einen Fuß tief in die Erde. Fast unbegreiflich ist es es, wie trotz dieser Höllengluth die Eingebornen ganz nackt, mit einem bloßen schmalen Gürtel angethan, hier aushalten können, den Kopf ohne allen andern Schutz als ihre langen Haare dem fürchterlichen Sonnenbrande, die Füße ohne Sandalen dem kochend heißen Sande ausgesetzt. Der Schauplatz unsers Bivouacs war dießmal in der Nähe einiger Hütten von den Eingebornen, welche starke Viehzucht aber wenig Ackerbau treiben, und sich fast nur von Fleisch und Milch nähren, Marua genannt. Ein großer Theil der Wüste in dieser Region ist mit Binsengras und mehreren Akazien wie Mimosenarten bedeckt, die, wie bereits erwähnt, jetzt abgestorben schienen, aber mit der Regenzeit grün werden, welche dann außer dieser Vegetation auch noch viele andere Futterkräuter hervorruft, von denen jetzt keine Spur mehr existirt. In diesem Zustande erhält sich die Vegetation vom Julius bis April. Während dieser Zeit ist Ueberfluß an Nahrung für die Thiere zu finden, der ohne alle Mühe erlangt wird. Dann aber – denn April, Mai und Junius sind hier die heißesten Monate – beginnt schnell das Vertrocknen aller Pflanzen, und in dieser Jahreszeit muß sich das Vieh mit gedörrtem Binsenstroh und trocknen Baumzweigen begnügen, wozu gelegentlich etwas Durrakörner kommen. Doch kann hiervon nur zu wenig gebaut werden, um irgend darauf zu rechnen. Auch war alles Vieh, was uns in dieser Oasis zu Gesichte kam, durchgängig spindeldürre, und von der elendesten Beschaffenheit. Wir lagerten etwa hundert Schritte vom Dörfchen in einer weiten rings von Bergzügen umschlossenen Fläche, dicht am Fuß eines isolirt aus ihr emporsteigenden Felsens. Ich bestieg diesen Abends um der Aussicht willen, und fand, daß seine von Sonnenbrand und Regen schwarz gefärbten Massen aus dem schönsten feinkörnigen Marmor bestanden. Wenn man Stücke davon abschlug, zeigte er sich von blendender Weiße, an manchen Orten auch roth, an andern schwarz geädert. Von dem Gipfel dieses Felsens, der an 100 Fuß Höhe haben mochte, bemerkte man deutlich mehrere weithin durch die Baumgruppen geschlängelte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_038_18400207
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_038_18400207/12
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 34. Augsburg, 3. Februar 1840, S. 0300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_038_18400207/12>, abgerufen am 21.11.2024.