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Allgemeine Zeitung. Nr. 26. Augsburg, 26. Januar 1840.

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an den neuen Ländern fußt, in die neuen Buchten eindringt, die verschlossenen Straßen öffnet, den Widerstand niederwirft, und dessen Gefolge die Sitte, die Bildung, die Gerechtigkeit und den Segen der Civilisation nicht ausschließt, am wenigsten da wo er unter dem siegreichen Zeichen von England vorschreitet. Mir wenigstens ist kein Punkt auf dem Globus bekannt, auf den England, sey es aus dem Schiffe des Kaufmanns oder aus dem Schiffe der Krone seinen Fuß gesetzt und seine Standarte gepflanzt hätte, auf dem nicht Willkür früherer Machthaber wäre gehemmt oder ermäßigt, gesellschaftliche Ordnung gegründet, das Recht gehandhabt und zuletzt die Freiheit wäre gepflanzt worden.

Doch wie dem auch sey, die Interessen des Dynasten von Aegypten und die Interessen von England haben sich auf jenem reichen Handelsgebiete gekreuzt, verwickelt, und sind im Begriff sich zu befehden, und England würde gegen sich selbst handeln, wenn es die Gelegenheit vorüberließe, den Nebenbuhler aus einer Stellung, in der seine Macht sich über das ganze mittlere Asien gegen die englischen Interessen in gleicher Weise drohend verbreiten würde, in eine beschränktere zurückzuweisen, in der er zwar mächtig bleiben, aber gefährlich zu seyn aufhören würde.

Hr. Thiers selbst hat auf den dritten Grund hingewiesen, der England bestimmt, der ägyptischen Uebermacht auf jenem Punkt mit Entschiedenheit entgegenzutreten; Andere und das Ausland selbst, haben es mit größerer Einsicht und mehr Nachdruck gethan. Was hier vorliegt, ist, sagen sie, die Nothwendigkeit für England, über den arabischen oder persischen Meerbusen mit seinem ostindischen Reiche in eine unmittelbarere, schnellere Verbindung zu treten, welche sich nur über Aegypten und Syrien herstellen läßt, und nicht nur bestimmt ist, den gewöhnlichen Verkehr zu erleichtern, sondern dem indischen Reiche in den Zeiten der Gefahr die Hülfe des Mutterlandes zeitig genug zuzuführen. Diese Verbindung würde durch ein über Aegypten und Syrien gleich verbreitetes und in seiner Macht erstarktes Reich unterbrochen, oder seiner Willkür preisgegeben, während die Lage der englischen Besitzungen jetzt gerade gefährdet wäre und ihre Sicherung jene Straße mehr als je gebieterisch begehrte.

Nun hat es zwar mit jener Gefährdung nicht so viel zu bedeuten, als der besorgte Verfasser jener Aufsätze des Auslandes von Zeit zu Zeit ausspricht; im Gegentheil ist das englische Reich jetzt gerade sicherer als je zuvor, nachdem der Sieg in Afghanistan den innern Feinden den Muth gebrochen und gegen die äußern mit Kabul und Herat die Schlüssel desselben an den Generalstatthalter ausgeliefert hat. Dazu würde auch eine ernste Erschütterung durch die eigene Macht auf indischem Grund und Boden können bestanden werden, und auch ein Weg um Afrika für die aus England zu erwartende Hülfe nicht zu lang seyn; das aber hindert nicht, daß für alle englisch-indischen Interessen die Beschleunigung der Communication über Malta und Suez als höchst wichtig erscheine, und diese ist bei einer Macht von beschränkterer Bedeutung unstreitig weniger gefährdet und mehr gesichert, als bei einer drohenden: sie ist in dem Maaße gesichert, als der Herr von Aegypten die Feindschaft oder den Schutz von England nöthig haben wird.

Wie dem auch sey, offenbar ist, daß es sich bei der Beharrlichkeit Englands in seinen Planen zur Beschränkung des Vicekönigs von etwas ganz Anderem, Ernsteren und Tieferliegenden handelt, als von der Rancune einer verletzten Eitelkeit und nachzürnenden Staatseitelkeit, die allein in dem politischen Horizont eingetreten ist, der sich um Hrn. Thiers auf der Rednerbühne ausbreitete.

(Ein zweiter Artikel folgt.)

Die Pariser Nationalgarde.

Die Municipalität, welche die Jurisdiction über die Nationalgarde ausübt, ist beschäftigt, die Officiere, welche an der letzten Procession Theil nahmen, zu suspendiren, und der Generalstab hat heute jedem Nationalgardisten in seinem Hause einen Tagsbefehl austheilen lassen, in welchem er ihnen das Gesetz ins Gedächtniß ruft, das ihnen verbietet in Masse und bewaffnet politische Dinge zu verhandeln. Allein man läßt dabei die größte Schwierigkeit völlig unberührt: es ist ganz unnöthig, daß die Nationalgardisten zu einer politischen Demonstration in Waffen erscheinen, die Uniform ist vollkommen hinreichend, und gegen das Tragen derselben gibt es kein Gesetz, und wenn es eines gäbe, wie wollte man Nationalgardisten strafen? Die Officiere kann man absetzen, aber die Gemeinen? Wenn man sie des Dienstes für politische Vergehen entließe, so würde die Hälfte der Nationalgarde sie begehen, um entlassen zu werden; wenn man sie zu Disciplinarstrafen verurtheilt, so weckt man nur die Opposition und macht die Regierung durch die Unzulänglichkeit der Strafe lächerlich. Die Theorie, daß jeder Nationalgardist Wahlrecht haben soll, ist unter der hiesigen Nationalgarde nicht populär, aber sie ist ganz logisch, denn wie kann man der Nationalgarde ihre Zeit mit Wachestehen nehmen, sie zwingen sich bei jedem Aufstand zu schlagen, sich auf sie in jeder politischen Noth stützen, ohne daß sie dafür das geringste Recht anzusprechen habe? Und dennoch wäre die Ertheilung dieses Rechts ein großes Unglück. denn sie würde die politische Macht in die Hände einer bewaffneten und blinden Menge geben. Es ist sehr zu fürchten, daß man den Mißbrauch, den man hier mit der Nationalgarde getrieben hat, noch zu bereuen habe. Man hat dem Generalstab erlaubt mit ihr zu spielen, wie Kinder mit hölzernen Soldaten, man hat sie gezwungen sich zu uniformiren, hat sie möglichst exercirt und disciplinirt, läßt sie so viel wie möglich Dienst thun, und auf die unnöthigste Art, kurz man macht sie so pedantisch, lästig und zeit- und geldraubend als man nur kann, und scheint zu glauben, daß, je größere Opfer man von ihr fordere, sie um so williger sey sie ohne alle Entschädigung zu leisten. Als man das Gesetz über die Vicinalwege gab, wagte man nicht das Maximum der Steuer dazu auf höher als drei Tage Arbeit in Natur oder in Geld anzusetzen, und nur wenige Maires und Präfecten haben es gewagt, dieses Maximum wirklich zu verlangen, obgleich der Nutzen dieser Arbeit denen, welche sie liefern, unmittelbar und hundertfältig zu gut kommt. Dagegen stellt man hier der Pedanterie und Willkür eines reichlich bezahlten Generalstabs anheim, die ganze Bevölkerung von Paris mit einer Auflage von 8 bis 9 Tagen jährlich zu belasten, deren Zweck in nichts besteht als sie häufig unter den Waffen zu halten, und deren Resultat nichts ist als unnöthige Wachen in den Garten der Tuilerien, an die Thore des Louvre, an die Thüren des Generalstabs u. s. w. zu stellen, und dann ist man sehr indignirt, wenn sich Leute in der Nationalgarde finden, welche für diese Plackerei etwas haben wollen? Das Wunder ist, daß sich die große Masse diesem Unfug so lange und so ruhig unterworfen hat, aber man würde wohl daran thun, nicht auf immer darauf zu rechnen, und zu bedenken, daß aller unbezahlte Dienst am Ende auf irgend eine Art zum theuersten wird, und somit könnte die Demonstration vom letzten


an den neuen Ländern fußt, in die neuen Buchten eindringt, die verschlossenen Straßen öffnet, den Widerstand niederwirft, und dessen Gefolge die Sitte, die Bildung, die Gerechtigkeit und den Segen der Civilisation nicht ausschließt, am wenigsten da wo er unter dem siegreichen Zeichen von England vorschreitet. Mir wenigstens ist kein Punkt auf dem Globus bekannt, auf den England, sey es aus dem Schiffe des Kaufmanns oder aus dem Schiffe der Krone seinen Fuß gesetzt und seine Standarte gepflanzt hätte, auf dem nicht Willkür früherer Machthaber wäre gehemmt oder ermäßigt, gesellschaftliche Ordnung gegründet, das Recht gehandhabt und zuletzt die Freiheit wäre gepflanzt worden.

Doch wie dem auch sey, die Interessen des Dynasten von Aegypten und die Interessen von England haben sich auf jenem reichen Handelsgebiete gekreuzt, verwickelt, und sind im Begriff sich zu befehden, und England würde gegen sich selbst handeln, wenn es die Gelegenheit vorüberließe, den Nebenbuhler aus einer Stellung, in der seine Macht sich über das ganze mittlere Asien gegen die englischen Interessen in gleicher Weise drohend verbreiten würde, in eine beschränktere zurückzuweisen, in der er zwar mächtig bleiben, aber gefährlich zu seyn aufhören würde.

Hr. Thiers selbst hat auf den dritten Grund hingewiesen, der England bestimmt, der ägyptischen Uebermacht auf jenem Punkt mit Entschiedenheit entgegenzutreten; Andere und das Ausland selbst, haben es mit größerer Einsicht und mehr Nachdruck gethan. Was hier vorliegt, ist, sagen sie, die Nothwendigkeit für England, über den arabischen oder persischen Meerbusen mit seinem ostindischen Reiche in eine unmittelbarere, schnellere Verbindung zu treten, welche sich nur über Aegypten und Syrien herstellen läßt, und nicht nur bestimmt ist, den gewöhnlichen Verkehr zu erleichtern, sondern dem indischen Reiche in den Zeiten der Gefahr die Hülfe des Mutterlandes zeitig genug zuzuführen. Diese Verbindung würde durch ein über Aegypten und Syrien gleich verbreitetes und in seiner Macht erstarktes Reich unterbrochen, oder seiner Willkür preisgegeben, während die Lage der englischen Besitzungen jetzt gerade gefährdet wäre und ihre Sicherung jene Straße mehr als je gebieterisch begehrte.

Nun hat es zwar mit jener Gefährdung nicht so viel zu bedeuten, als der besorgte Verfasser jener Aufsätze des Auslandes von Zeit zu Zeit ausspricht; im Gegentheil ist das englische Reich jetzt gerade sicherer als je zuvor, nachdem der Sieg in Afghanistan den innern Feinden den Muth gebrochen und gegen die äußern mit Kabul und Herat die Schlüssel desselben an den Generalstatthalter ausgeliefert hat. Dazu würde auch eine ernste Erschütterung durch die eigene Macht auf indischem Grund und Boden können bestanden werden, und auch ein Weg um Afrika für die aus England zu erwartende Hülfe nicht zu lang seyn; das aber hindert nicht, daß für alle englisch-indischen Interessen die Beschleunigung der Communication über Malta und Suez als höchst wichtig erscheine, und diese ist bei einer Macht von beschränkterer Bedeutung unstreitig weniger gefährdet und mehr gesichert, als bei einer drohenden: sie ist in dem Maaße gesichert, als der Herr von Aegypten die Feindschaft oder den Schutz von England nöthig haben wird.

Wie dem auch sey, offenbar ist, daß es sich bei der Beharrlichkeit Englands in seinen Planen zur Beschränkung des Vicekönigs von etwas ganz Anderem, Ernsteren und Tieferliegenden handelt, als von der Rancune einer verletzten Eitelkeit und nachzürnenden Staatseitelkeit, die allein in dem politischen Horizont eingetreten ist, der sich um Hrn. Thiers auf der Rednerbühne ausbreitete.

(Ein zweiter Artikel folgt.)

Die Pariser Nationalgarde.

Die Municipalität, welche die Jurisdiction über die Nationalgarde ausübt, ist beschäftigt, die Officiere, welche an der letzten Procession Theil nahmen, zu suspendiren, und der Generalstab hat heute jedem Nationalgardisten in seinem Hause einen Tagsbefehl austheilen lassen, in welchem er ihnen das Gesetz ins Gedächtniß ruft, das ihnen verbietet in Masse und bewaffnet politische Dinge zu verhandeln. Allein man läßt dabei die größte Schwierigkeit völlig unberührt: es ist ganz unnöthig, daß die Nationalgardisten zu einer politischen Demonstration in Waffen erscheinen, die Uniform ist vollkommen hinreichend, und gegen das Tragen derselben gibt es kein Gesetz, und wenn es eines gäbe, wie wollte man Nationalgardisten strafen? Die Officiere kann man absetzen, aber die Gemeinen? Wenn man sie des Dienstes für politische Vergehen entließe, so würde die Hälfte der Nationalgarde sie begehen, um entlassen zu werden; wenn man sie zu Disciplinarstrafen verurtheilt, so weckt man nur die Opposition und macht die Regierung durch die Unzulänglichkeit der Strafe lächerlich. Die Theorie, daß jeder Nationalgardist Wahlrecht haben soll, ist unter der hiesigen Nationalgarde nicht populär, aber sie ist ganz logisch, denn wie kann man der Nationalgarde ihre Zeit mit Wachestehen nehmen, sie zwingen sich bei jedem Aufstand zu schlagen, sich auf sie in jeder politischen Noth stützen, ohne daß sie dafür das geringste Recht anzusprechen habe? Und dennoch wäre die Ertheilung dieses Rechts ein großes Unglück. denn sie würde die politische Macht in die Hände einer bewaffneten und blinden Menge geben. Es ist sehr zu fürchten, daß man den Mißbrauch, den man hier mit der Nationalgarde getrieben hat, noch zu bereuen habe. Man hat dem Generalstab erlaubt mit ihr zu spielen, wie Kinder mit hölzernen Soldaten, man hat sie gezwungen sich zu uniformiren, hat sie möglichst exercirt und disciplinirt, läßt sie so viel wie möglich Dienst thun, und auf die unnöthigste Art, kurz man macht sie so pedantisch, lästig und zeit- und geldraubend als man nur kann, und scheint zu glauben, daß, je größere Opfer man von ihr fordere, sie um so williger sey sie ohne alle Entschädigung zu leisten. Als man das Gesetz über die Vicinalwege gab, wagte man nicht das Maximum der Steuer dazu auf höher als drei Tage Arbeit in Natur oder in Geld anzusetzen, und nur wenige Maires und Präfecten haben es gewagt, dieses Maximum wirklich zu verlangen, obgleich der Nutzen dieser Arbeit denen, welche sie liefern, unmittelbar und hundertfältig zu gut kommt. Dagegen stellt man hier der Pedanterie und Willkür eines reichlich bezahlten Generalstabs anheim, die ganze Bevölkerung von Paris mit einer Auflage von 8 bis 9 Tagen jährlich zu belasten, deren Zweck in nichts besteht als sie häufig unter den Waffen zu halten, und deren Resultat nichts ist als unnöthige Wachen in den Garten der Tuilerien, an die Thore des Louvre, an die Thüren des Generalstabs u. s. w. zu stellen, und dann ist man sehr indignirt, wenn sich Leute in der Nationalgarde finden, welche für diese Plackerei etwas haben wollen? Das Wunder ist, daß sich die große Masse diesem Unfug so lange und so ruhig unterworfen hat, aber man würde wohl daran thun, nicht auf immer darauf zu rechnen, und zu bedenken, daß aller unbezahlte Dienst am Ende auf irgend eine Art zum theuersten wird, und somit könnte die Demonstration vom letzten

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an den neuen Ländern fußt, in die neuen Buchten eindringt, die verschlossenen Straßen öffnet, den Widerstand niederwirft, und dessen Gefolge die Sitte, die Bildung, die Gerechtigkeit und den Segen der Civilisation nicht ausschließt, am wenigsten da wo er unter dem siegreichen Zeichen von England vorschreitet. Mir wenigstens ist kein Punkt auf dem Globus bekannt, auf den England, sey es aus dem Schiffe des Kaufmanns oder aus dem Schiffe der Krone seinen Fuß gesetzt und seine Standarte gepflanzt hätte, auf dem nicht Willkür früherer Machthaber wäre gehemmt oder ermäßigt, gesellschaftliche Ordnung gegründet, das Recht gehandhabt und zuletzt die Freiheit wäre gepflanzt worden.</p><lb/>
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[0204/0012] an den neuen Ländern fußt, in die neuen Buchten eindringt, die verschlossenen Straßen öffnet, den Widerstand niederwirft, und dessen Gefolge die Sitte, die Bildung, die Gerechtigkeit und den Segen der Civilisation nicht ausschließt, am wenigsten da wo er unter dem siegreichen Zeichen von England vorschreitet. Mir wenigstens ist kein Punkt auf dem Globus bekannt, auf den England, sey es aus dem Schiffe des Kaufmanns oder aus dem Schiffe der Krone seinen Fuß gesetzt und seine Standarte gepflanzt hätte, auf dem nicht Willkür früherer Machthaber wäre gehemmt oder ermäßigt, gesellschaftliche Ordnung gegründet, das Recht gehandhabt und zuletzt die Freiheit wäre gepflanzt worden. Doch wie dem auch sey, die Interessen des Dynasten von Aegypten und die Interessen von England haben sich auf jenem reichen Handelsgebiete gekreuzt, verwickelt, und sind im Begriff sich zu befehden, und England würde gegen sich selbst handeln, wenn es die Gelegenheit vorüberließe, den Nebenbuhler aus einer Stellung, in der seine Macht sich über das ganze mittlere Asien gegen die englischen Interessen in gleicher Weise drohend verbreiten würde, in eine beschränktere zurückzuweisen, in der er zwar mächtig bleiben, aber gefährlich zu seyn aufhören würde. Hr. Thiers selbst hat auf den dritten Grund hingewiesen, der England bestimmt, der ägyptischen Uebermacht auf jenem Punkt mit Entschiedenheit entgegenzutreten; Andere und das Ausland selbst, haben es mit größerer Einsicht und mehr Nachdruck gethan. Was hier vorliegt, ist, sagen sie, die Nothwendigkeit für England, über den arabischen oder persischen Meerbusen mit seinem ostindischen Reiche in eine unmittelbarere, schnellere Verbindung zu treten, welche sich nur über Aegypten und Syrien herstellen läßt, und nicht nur bestimmt ist, den gewöhnlichen Verkehr zu erleichtern, sondern dem indischen Reiche in den Zeiten der Gefahr die Hülfe des Mutterlandes zeitig genug zuzuführen. Diese Verbindung würde durch ein über Aegypten und Syrien gleich verbreitetes und in seiner Macht erstarktes Reich unterbrochen, oder seiner Willkür preisgegeben, während die Lage der englischen Besitzungen jetzt gerade gefährdet wäre und ihre Sicherung jene Straße mehr als je gebieterisch begehrte. Nun hat es zwar mit jener Gefährdung nicht so viel zu bedeuten, als der besorgte Verfasser jener Aufsätze des Auslandes von Zeit zu Zeit ausspricht; im Gegentheil ist das englische Reich jetzt gerade sicherer als je zuvor, nachdem der Sieg in Afghanistan den innern Feinden den Muth gebrochen und gegen die äußern mit Kabul und Herat die Schlüssel desselben an den Generalstatthalter ausgeliefert hat. Dazu würde auch eine ernste Erschütterung durch die eigene Macht auf indischem Grund und Boden können bestanden werden, und auch ein Weg um Afrika für die aus England zu erwartende Hülfe nicht zu lang seyn; das aber hindert nicht, daß für alle englisch-indischen Interessen die Beschleunigung der Communication über Malta und Suez als höchst wichtig erscheine, und diese ist bei einer Macht von beschränkterer Bedeutung unstreitig weniger gefährdet und mehr gesichert, als bei einer drohenden: sie ist in dem Maaße gesichert, als der Herr von Aegypten die Feindschaft oder den Schutz von England nöthig haben wird. Wie dem auch sey, offenbar ist, daß es sich bei der Beharrlichkeit Englands in seinen Planen zur Beschränkung des Vicekönigs von etwas ganz Anderem, Ernsteren und Tieferliegenden handelt, als von der Rancune einer verletzten Eitelkeit und nachzürnenden Staatseitelkeit, die allein in dem politischen Horizont eingetreten ist, der sich um Hrn. Thiers auf der Rednerbühne ausbreitete. (Ein zweiter Artikel folgt.) Die Pariser Nationalgarde. *Paris, 18 Jan. Die Municipalität, welche die Jurisdiction über die Nationalgarde ausübt, ist beschäftigt, die Officiere, welche an der letzten Procession Theil nahmen, zu suspendiren, und der Generalstab hat heute jedem Nationalgardisten in seinem Hause einen Tagsbefehl austheilen lassen, in welchem er ihnen das Gesetz ins Gedächtniß ruft, das ihnen verbietet in Masse und bewaffnet politische Dinge zu verhandeln. Allein man läßt dabei die größte Schwierigkeit völlig unberührt: es ist ganz unnöthig, daß die Nationalgardisten zu einer politischen Demonstration in Waffen erscheinen, die Uniform ist vollkommen hinreichend, und gegen das Tragen derselben gibt es kein Gesetz, und wenn es eines gäbe, wie wollte man Nationalgardisten strafen? Die Officiere kann man absetzen, aber die Gemeinen? Wenn man sie des Dienstes für politische Vergehen entließe, so würde die Hälfte der Nationalgarde sie begehen, um entlassen zu werden; wenn man sie zu Disciplinarstrafen verurtheilt, so weckt man nur die Opposition und macht die Regierung durch die Unzulänglichkeit der Strafe lächerlich. Die Theorie, daß jeder Nationalgardist Wahlrecht haben soll, ist unter der hiesigen Nationalgarde nicht populär, aber sie ist ganz logisch, denn wie kann man der Nationalgarde ihre Zeit mit Wachestehen nehmen, sie zwingen sich bei jedem Aufstand zu schlagen, sich auf sie in jeder politischen Noth stützen, ohne daß sie dafür das geringste Recht anzusprechen habe? Und dennoch wäre die Ertheilung dieses Rechts ein großes Unglück. denn sie würde die politische Macht in die Hände einer bewaffneten und blinden Menge geben. Es ist sehr zu fürchten, daß man den Mißbrauch, den man hier mit der Nationalgarde getrieben hat, noch zu bereuen habe. Man hat dem Generalstab erlaubt mit ihr zu spielen, wie Kinder mit hölzernen Soldaten, man hat sie gezwungen sich zu uniformiren, hat sie möglichst exercirt und disciplinirt, läßt sie so viel wie möglich Dienst thun, und auf die unnöthigste Art, kurz man macht sie so pedantisch, lästig und zeit- und geldraubend als man nur kann, und scheint zu glauben, daß, je größere Opfer man von ihr fordere, sie um so williger sey sie ohne alle Entschädigung zu leisten. Als man das Gesetz über die Vicinalwege gab, wagte man nicht das Maximum der Steuer dazu auf höher als drei Tage Arbeit in Natur oder in Geld anzusetzen, und nur wenige Maires und Präfecten haben es gewagt, dieses Maximum wirklich zu verlangen, obgleich der Nutzen dieser Arbeit denen, welche sie liefern, unmittelbar und hundertfältig zu gut kommt. Dagegen stellt man hier der Pedanterie und Willkür eines reichlich bezahlten Generalstabs anheim, die ganze Bevölkerung von Paris mit einer Auflage von 8 bis 9 Tagen jährlich zu belasten, deren Zweck in nichts besteht als sie häufig unter den Waffen zu halten, und deren Resultat nichts ist als unnöthige Wachen in den Garten der Tuilerien, an die Thore des Louvre, an die Thüren des Generalstabs u. s. w. zu stellen, und dann ist man sehr indignirt, wenn sich Leute in der Nationalgarde finden, welche für diese Plackerei etwas haben wollen? Das Wunder ist, daß sich die große Masse diesem Unfug so lange und so ruhig unterworfen hat, aber man würde wohl daran thun, nicht auf immer darauf zu rechnen, und zu bedenken, daß aller unbezahlte Dienst am Ende auf irgend eine Art zum theuersten wird, und somit könnte die Demonstration vom letzten

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 26. Augsburg, 26. Januar 1840, S. 0204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_026_18400126/12>, abgerufen am 24.11.2024.