Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 22. Augsburg, 22. Januar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

in Folge der neuesten unerhörten Angriffe auf unsere Gewissens- und Kirchenfreiheit die Kirche in Belagerungszustand erklärt hat. Von Malmedy bis Düsseldorf, von Trier bis Coblenz herrscht nur Eine Stimme: was will der Staat mit seinem Unrecht gegen das Recht der Kirche? Alles, Alles scheint zur Einheit zurückgekehrt zu seyn: es wird öffentlich und privatim ungeheuer viel gebetet, Gott möge die neue Kirchenverfolgung zur Schmach der Verfolger enden lassen. Das Landvolk, welches den Erzbischof wie einen Heiligen verehrt, schickt fortwährend Boten in die Stadt, um genaue Kundschaft einzuziehen. Sie ließen sich eher alle todtschlagen, ehe sie litten, daß ihm ein Haar gekrümmt würde. ... Uebrigens brauchte nur einer der großen Kanzelredner von Aachen oder sonst von der Kanzel herab das Volk aufzureizen, so wäre Alles in Feuer und Flammen." Das waren gute Aussichten; Michelis mag nicht umsonst seine Papiere verbrannt haben. Man betrachte aber einmal, was aus solchen Aussichten geworden ist, und urtheile, ob Michelis noch die frühern Meinungen hegen kann. -- Der jetzige Bischof und Generalvicar des Nordens, Hr. Laurent, der bald in Hamburg residiren soll, war in Lüttich einer der eifrigsten Mitarbeiter des bekannten "Journal historique de Liege" und befaßte sich als solcher viel mit den kirchlichen Angelegenheiten der preußischen Rheinlande. Der Erzbischof v. Droste wünschte ihn nach Köln zu ziehen, und Hr. Laurent war damit wohl zufrieden, er verlangte nur, daß man ihn von dem Bischof van Bommel erbitten solle. Michelis dachte ihm damals den bekannten Jesuitenbriefen zufolge nur eine Caplanstelle zu. (Nordd. Bl.)

Wenn es sich auch bestätigt, daß die erzbischöflichen Consistorien sowohl von Gnesen als von Posen die fernere äußerliche Kirchentrauer über die Wegführung des Oberhirten mit dem neuen Jahr aufgehoben und das Unterbleiben des Glockengeläutes und Orgelspiels in den Kirchen untersagt haben -- in welchem Falle, aber auch in diesem Falle erst, die einzelnen Pfarrer rechtlich für die aus eigenmächtigen Traueranordnungen fernerhin entstehende Einbuße in der Kircheneinnahme persönlich könnten verantwortlich gemacht werden -- so ist es doch gewiß nicht aus den in Leipziger Blättern mit beleidigendem Spott angegebenen Gründen geschehen, nämlich aus Besorgniß der Mitglieder beider Domcapitel, ihr weltliches Einkommen zu verlieren. Eine Gesinnung, der es möglich ist, solche Anschuldigungen zu machen, erklärt es, wie man der Regierung nur dreist zumuthen kann, daß sie jene weltliche Besorgniß der Geistlichen, als die endlich aufgefundene schwache Seite der Kirche, dazu benutzen solle, um alle ihre Absichten bei denselben durchzusetzen! Uebrigens besagen Personen, die eben aus dem Großherzogthum Posen hier angekommen sind, daß dort in den meisten Kirchen zur Zeit noch Glocken und Orgel nach wie vor stumm bleiben, und daß bereits mehrere Geistliche die dadurch veranlaßte Einbuße für die Kirche bereitwillig aus ihrem eigenen Vermögeu gedeckt hätten. Alle Nachrichten schildern die Stimmung, welche zwischen Katholiken und Protestanten herrscht -- das heißt in Posen so viel als zwischen den Eingebornen auf der einen und den Bediensteten, so wie den aus andern Provinzen Eingewanderten auf der andern Seite -- als äußerst erbittert. Dieses Verhältniß ist wahrhaft betrübend. Auch in Westphalen herrscht vielfältig eine gereizte Stimmung zwischen Protestanten und Katholiken, namentlich in Gegenden, wo sie sehr gemischt neben einander wohnen. Mehr und mehr werden alle Lebensverhältnisse aufgelockert: Katholiken verkehren nur noch mit Katholiken, Protestanten mit Protestanten; alte, langjährige Bekannte verschiedener Confession entfremden sich und gehen an einander vorüber als hätten sie sich niemals gekannt; die vielbewährten Bande der Nachbarschaft und selbst der Verwandtschaft und der Familie werden zerrissen; nicht einmal dem Arzte von einer andern Confession will der Kranke sich noch anvertrauen, und sogar in Arnsberg, dem Sitz der Regierung und eines Oberlandesgerichts, sieht man dieß. Nichts ist mehr zu beklagen als diese heillose Richtung der Gemüther. Man sieht hier wiederum, wie leicht der Sprung aus einem Extrem in das andere gemacht wird. Immer noch in der großen Mehrzahl die alte, traurige Verwechselung von Eifer mit Unduldsamkeit, von Toleranz mit Gleichgültigkeit! Das ist aber nicht der rechte Eifer, welcher sich unduldsam zeigt, eben so wenig als es die wahre Toleranz ist, welche sich gleichgültig erweist. -- Einzelne Regierungsbeamte sollen im Großherzogthum Posen Unruhen, thätliche Ausbrüche im Volke befürchten, woraus sich die Vorsichtsmaaßregeln erklären, welche sie bei jeder Gelegenheit zu ergreifen für nöthig erachten. Doch sollen vorgeschlagene entschiedene militärische und andere Maaßregeln von der Staatsregierung als nicht nothwendig abgelehnt worden seyn. Bin ich gut unterrichtet, so hat die Regierung sehr weise daran gehandelt. Denn, wie die Sachen auch stehen mögen, die Besorgnisse vor thätlichen Unruhen sollen durchaus ungegründet seyn. Die Geistlichkeit läßt es sich, was auch ihres Amtes ist, angelegen seyn, zur Ruhe und zum Frieden zu ermahnen. Der Adel könnte von einer Störung desselben für sich nur Unheil erwarten. Alle, welchen das Wohl ihrer Provinz am Herzen liegt, müssen jetzt mehr denn jemals für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung wachen und alle jene Machinationen aus dem Grunde ihrer Seele verabscheuen, welche zu noch größern Aufreizungen Anlaß geben könnten.

Die hiesige "Allgemeine Kirchenzeitung" theilt in ihrer letzten Nummer die Correspondenz mit, die zwischen dem Domcapitel in Trier und dem Minister des Cultus, Freiherrn v. Altenstein, über die nach Rom gemachte Anzeige von der Wahl des Hrn. Arnoldi zum Bischof statt gefunden hat. Es geht daraus hervor, daß die Angaben, die sich vor einiger Zeit über diese Angelegenheit in einem bekannten süddeutschen Blatte befanden, ziemlich richtig waren, doch bestätigt sich zugleich meine frühere Vermuthung, daß der diplomatisch sehr vorsichtige Unterstaatssecretär Capaccini kein directes Schreiben an das Domcapitel erlassen habe. Bemerkenswerth in Bezug auf den gegenwärtigen Stand der Bischofswahl-Angelegenheit sind besonders die Worte, die den Schluß in der durch die Drohungen des Domcapitels etwas gereizten Antwort des Ministers bilden: "Das Domcapitel darf übrigens daraus, daß jenes Schreiben zu Rom übergeben worden ist, nicht folgern, daß Se. Majestät der König gewilligt sind, der mit schnödester Hintansetzung der landesherrlichen Gerechtsame vorgenommenen letzten Bischofswahl in irgend einer Weise einen Erfolg einzuräumen." -- Es ist interessant, daß das Jahr 1840, welches die bereits in der Allgemeinen Zeitung erwähnten preußischen Thronjubelfeste bringt, auch das Säkularjahr unseres Heeres ist; denn im Jahre 1640 wurde der erste Grundstein zu dem jetzt so mächtigen und umfangreichen Gebäude der preußischen Militärmacht gelegt. Die kundige Hand einer hohen Person ist, wie man vernimmt, selbst damit beschäftigt, die nunmehr zweihundert Jahr alten Stammlisten der Armee zu ordnen und als Festgeschenk dem Druck übergeben zu lassen. Die historische Monographie eines einzelnen Regimentes, nämlich die der Gardes du Corps, die am 23. Juni 1740 gestiftet wurden, wird noch besonders von dem Hofmarschall v. Schöning herausgegeben. -- Schönlein, der heute

in Folge der neuesten unerhörten Angriffe auf unsere Gewissens- und Kirchenfreiheit die Kirche in Belagerungszustand erklärt hat. Von Malmedy bis Düsseldorf, von Trier bis Coblenz herrscht nur Eine Stimme: was will der Staat mit seinem Unrecht gegen das Recht der Kirche? Alles, Alles scheint zur Einheit zurückgekehrt zu seyn: es wird öffentlich und privatim ungeheuer viel gebetet, Gott möge die neue Kirchenverfolgung zur Schmach der Verfolger enden lassen. Das Landvolk, welches den Erzbischof wie einen Heiligen verehrt, schickt fortwährend Boten in die Stadt, um genaue Kundschaft einzuziehen. Sie ließen sich eher alle todtschlagen, ehe sie litten, daß ihm ein Haar gekrümmt würde. ... Uebrigens brauchte nur einer der großen Kanzelredner von Aachen oder sonst von der Kanzel herab das Volk aufzureizen, so wäre Alles in Feuer und Flammen.” Das waren gute Aussichten; Michelis mag nicht umsonst seine Papiere verbrannt haben. Man betrachte aber einmal, was aus solchen Aussichten geworden ist, und urtheile, ob Michelis noch die frühern Meinungen hegen kann. — Der jetzige Bischof und Generalvicar des Nordens, Hr. Laurent, der bald in Hamburg residiren soll, war in Lüttich einer der eifrigsten Mitarbeiter des bekannten “Journal historique de Liège” und befaßte sich als solcher viel mit den kirchlichen Angelegenheiten der preußischen Rheinlande. Der Erzbischof v. Droste wünschte ihn nach Köln zu ziehen, und Hr. Laurent war damit wohl zufrieden, er verlangte nur, daß man ihn von dem Bischof van Bommel erbitten solle. Michelis dachte ihm damals den bekannten Jesuitenbriefen zufolge nur eine Caplanstelle zu. (Nordd. Bl.)

Wenn es sich auch bestätigt, daß die erzbischöflichen Consistorien sowohl von Gnesen als von Posen die fernere äußerliche Kirchentrauer über die Wegführung des Oberhirten mit dem neuen Jahr aufgehoben und das Unterbleiben des Glockengeläutes und Orgelspiels in den Kirchen untersagt haben — in welchem Falle, aber auch in diesem Falle erst, die einzelnen Pfarrer rechtlich für die aus eigenmächtigen Traueranordnungen fernerhin entstehende Einbuße in der Kircheneinnahme persönlich könnten verantwortlich gemacht werden — so ist es doch gewiß nicht aus den in Leipziger Blättern mit beleidigendem Spott angegebenen Gründen geschehen, nämlich aus Besorgniß der Mitglieder beider Domcapitel, ihr weltliches Einkommen zu verlieren. Eine Gesinnung, der es möglich ist, solche Anschuldigungen zu machen, erklärt es, wie man der Regierung nur dreist zumuthen kann, daß sie jene weltliche Besorgniß der Geistlichen, als die endlich aufgefundene schwache Seite der Kirche, dazu benutzen solle, um alle ihre Absichten bei denselben durchzusetzen! Uebrigens besagen Personen, die eben aus dem Großherzogthum Posen hier angekommen sind, daß dort in den meisten Kirchen zur Zeit noch Glocken und Orgel nach wie vor stumm bleiben, und daß bereits mehrere Geistliche die dadurch veranlaßte Einbuße für die Kirche bereitwillig aus ihrem eigenen Vermögeu gedeckt hätten. Alle Nachrichten schildern die Stimmung, welche zwischen Katholiken und Protestanten herrscht — das heißt in Posen so viel als zwischen den Eingebornen auf der einen und den Bediensteten, so wie den aus andern Provinzen Eingewanderten auf der andern Seite — als äußerst erbittert. Dieses Verhältniß ist wahrhaft betrübend. Auch in Westphalen herrscht vielfältig eine gereizte Stimmung zwischen Protestanten und Katholiken, namentlich in Gegenden, wo sie sehr gemischt neben einander wohnen. Mehr und mehr werden alle Lebensverhältnisse aufgelockert: Katholiken verkehren nur noch mit Katholiken, Protestanten mit Protestanten; alte, langjährige Bekannte verschiedener Confession entfremden sich und gehen an einander vorüber als hätten sie sich niemals gekannt; die vielbewährten Bande der Nachbarschaft und selbst der Verwandtschaft und der Familie werden zerrissen; nicht einmal dem Arzte von einer andern Confession will der Kranke sich noch anvertrauen, und sogar in Arnsberg, dem Sitz der Regierung und eines Oberlandesgerichts, sieht man dieß. Nichts ist mehr zu beklagen als diese heillose Richtung der Gemüther. Man sieht hier wiederum, wie leicht der Sprung aus einem Extrem in das andere gemacht wird. Immer noch in der großen Mehrzahl die alte, traurige Verwechselung von Eifer mit Unduldsamkeit, von Toleranz mit Gleichgültigkeit! Das ist aber nicht der rechte Eifer, welcher sich unduldsam zeigt, eben so wenig als es die wahre Toleranz ist, welche sich gleichgültig erweist. — Einzelne Regierungsbeamte sollen im Großherzogthum Posen Unruhen, thätliche Ausbrüche im Volke befürchten, woraus sich die Vorsichtsmaaßregeln erklären, welche sie bei jeder Gelegenheit zu ergreifen für nöthig erachten. Doch sollen vorgeschlagene entschiedene militärische und andere Maaßregeln von der Staatsregierung als nicht nothwendig abgelehnt worden seyn. Bin ich gut unterrichtet, so hat die Regierung sehr weise daran gehandelt. Denn, wie die Sachen auch stehen mögen, die Besorgnisse vor thätlichen Unruhen sollen durchaus ungegründet seyn. Die Geistlichkeit läßt es sich, was auch ihres Amtes ist, angelegen seyn, zur Ruhe und zum Frieden zu ermahnen. Der Adel könnte von einer Störung desselben für sich nur Unheil erwarten. Alle, welchen das Wohl ihrer Provinz am Herzen liegt, müssen jetzt mehr denn jemals für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung wachen und alle jene Machinationen aus dem Grunde ihrer Seele verabscheuen, welche zu noch größern Aufreizungen Anlaß geben könnten.

Die hiesige “Allgemeine Kirchenzeitung” theilt in ihrer letzten Nummer die Correspondenz mit, die zwischen dem Domcapitel in Trier und dem Minister des Cultus, Freiherrn v. Altenstein, über die nach Rom gemachte Anzeige von der Wahl des Hrn. Arnoldi zum Bischof statt gefunden hat. Es geht daraus hervor, daß die Angaben, die sich vor einiger Zeit über diese Angelegenheit in einem bekannten süddeutschen Blatte befanden, ziemlich richtig waren, doch bestätigt sich zugleich meine frühere Vermuthung, daß der diplomatisch sehr vorsichtige Unterstaatssecretär Capaccini kein directes Schreiben an das Domcapitel erlassen habe. Bemerkenswerth in Bezug auf den gegenwärtigen Stand der Bischofswahl-Angelegenheit sind besonders die Worte, die den Schluß in der durch die Drohungen des Domcapitels etwas gereizten Antwort des Ministers bilden: “Das Domcapitel darf übrigens daraus, daß jenes Schreiben zu Rom übergeben worden ist, nicht folgern, daß Se. Majestät der König gewilligt sind, der mit schnödester Hintansetzung der landesherrlichen Gerechtsame vorgenommenen letzten Bischofswahl in irgend einer Weise einen Erfolg einzuräumen.” — Es ist interessant, daß das Jahr 1840, welches die bereits in der Allgemeinen Zeitung erwähnten preußischen Thronjubelfeste bringt, auch das Säkularjahr unseres Heeres ist; denn im Jahre 1640 wurde der erste Grundstein zu dem jetzt so mächtigen und umfangreichen Gebäude der preußischen Militärmacht gelegt. Die kundige Hand einer hohen Person ist, wie man vernimmt, selbst damit beschäftigt, die nunmehr zweihundert Jahr alten Stammlisten der Armee zu ordnen und als Festgeschenk dem Druck übergeben zu lassen. Die historische Monographie eines einzelnen Regimentes, nämlich die der Gardes du Corps, die am 23. Juni 1740 gestiftet wurden, wird noch besonders von dem Hofmarschall v. Schöning herausgegeben. — Schönlein, der heute

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0012" n="0172"/>
in Folge der neuesten unerhörten Angriffe auf unsere Gewissens- und Kirchenfreiheit die Kirche in Belagerungszustand erklärt hat. Von Malmedy bis Düsseldorf, von Trier bis Coblenz herrscht nur Eine Stimme: was will der Staat mit seinem Unrecht gegen das Recht der Kirche? Alles, Alles scheint zur Einheit zurückgekehrt zu seyn: es wird öffentlich und privatim ungeheuer viel gebetet, Gott möge die neue Kirchenverfolgung zur Schmach der Verfolger enden lassen. Das Landvolk, welches den Erzbischof wie einen Heiligen verehrt, schickt fortwährend Boten in die Stadt, um genaue Kundschaft einzuziehen. Sie ließen sich eher alle todtschlagen, ehe sie litten, daß ihm ein Haar gekrümmt würde. ... Uebrigens brauchte nur einer der großen Kanzelredner von Aachen oder sonst von der Kanzel herab das Volk aufzureizen, so wäre Alles in Feuer und Flammen.&#x201D; Das waren gute Aussichten; Michelis mag nicht umsonst seine Papiere verbrannt haben. Man betrachte aber einmal, was aus solchen Aussichten geworden ist, und urtheile, ob Michelis noch die frühern Meinungen hegen kann. &#x2014; Der jetzige Bischof und Generalvicar des Nordens, Hr. Laurent, der bald in Hamburg residiren soll, war in Lüttich einer der eifrigsten Mitarbeiter des bekannten &#x201C;Journal historique de Liège&#x201D; und befaßte sich als solcher viel mit den kirchlichen Angelegenheiten der preußischen Rheinlande. Der Erzbischof v. Droste wünschte ihn nach Köln zu ziehen, und Hr. Laurent war damit wohl zufrieden, er verlangte nur, daß man ihn von dem Bischof van Bommel erbitten solle. Michelis dachte ihm damals den bekannten Jesuitenbriefen zufolge nur eine Caplanstelle zu. (<hi rendition="#g">Nordd</hi>. <hi rendition="#g">Bl</hi>.)</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 12 Jan.</dateline>
          <p> Wenn es sich auch bestätigt, daß die erzbischöflichen Consistorien sowohl von Gnesen als von Posen die fernere äußerliche Kirchentrauer über die Wegführung des Oberhirten mit dem neuen Jahr aufgehoben und das Unterbleiben des Glockengeläutes und Orgelspiels in den Kirchen untersagt haben &#x2014; in welchem Falle, aber auch in diesem Falle erst, die einzelnen Pfarrer rechtlich für die aus eigenmächtigen Traueranordnungen fernerhin entstehende Einbuße in der Kircheneinnahme persönlich könnten verantwortlich gemacht werden &#x2014; so ist es doch gewiß nicht aus den in Leipziger Blättern mit beleidigendem Spott angegebenen Gründen geschehen, nämlich aus Besorgniß der Mitglieder beider Domcapitel, ihr weltliches Einkommen zu verlieren. Eine Gesinnung, der es möglich ist, solche Anschuldigungen zu machen, erklärt es, wie man der Regierung nur dreist zumuthen kann, daß sie jene weltliche Besorgniß der Geistlichen, als die endlich aufgefundene schwache Seite der Kirche, dazu benutzen solle, um alle ihre Absichten bei denselben durchzusetzen! Uebrigens besagen Personen, die eben aus dem Großherzogthum Posen hier angekommen sind, daß dort in den meisten Kirchen zur Zeit noch Glocken und Orgel nach wie vor stumm bleiben, und daß bereits mehrere Geistliche die dadurch veranlaßte Einbuße für die Kirche bereitwillig aus ihrem eigenen Vermögeu gedeckt hätten. Alle Nachrichten schildern die Stimmung, welche zwischen Katholiken und Protestanten herrscht &#x2014; das heißt in Posen so viel als zwischen den Eingebornen auf der einen und den Bediensteten, so wie den aus andern Provinzen Eingewanderten auf der andern Seite &#x2014; als äußerst erbittert. Dieses Verhältniß ist wahrhaft betrübend. Auch in Westphalen herrscht vielfältig eine gereizte Stimmung zwischen Protestanten und Katholiken, namentlich in Gegenden, wo sie sehr gemischt neben einander wohnen. Mehr und mehr werden alle Lebensverhältnisse aufgelockert: Katholiken verkehren nur noch mit Katholiken, Protestanten mit Protestanten; alte, langjährige Bekannte verschiedener Confession entfremden sich und gehen an einander vorüber als hätten sie sich niemals gekannt; die vielbewährten Bande der Nachbarschaft und selbst der Verwandtschaft und der Familie werden zerrissen; nicht einmal dem Arzte von einer andern Confession will der Kranke sich noch anvertrauen, und sogar in Arnsberg, dem Sitz der Regierung und eines Oberlandesgerichts, sieht man dieß. Nichts ist mehr zu beklagen als diese heillose Richtung der Gemüther. Man sieht hier wiederum, wie leicht der Sprung aus einem Extrem in das andere gemacht wird. Immer noch in der großen Mehrzahl die alte, traurige Verwechselung von Eifer mit Unduldsamkeit, von Toleranz mit Gleichgültigkeit! Das ist aber nicht der rechte Eifer, welcher sich unduldsam zeigt, eben so wenig als es die wahre Toleranz ist, welche sich gleichgültig erweist. &#x2014; Einzelne Regierungsbeamte sollen im Großherzogthum Posen Unruhen, thätliche Ausbrüche im Volke befürchten, woraus sich die Vorsichtsmaaßregeln erklären, welche sie bei jeder Gelegenheit zu ergreifen für nöthig erachten. Doch sollen vorgeschlagene entschiedene militärische und andere Maaßregeln von der Staatsregierung als nicht nothwendig abgelehnt worden seyn. Bin ich gut unterrichtet, so hat die Regierung sehr weise daran gehandelt. Denn, wie die Sachen auch stehen mögen, die Besorgnisse vor thätlichen Unruhen sollen durchaus ungegründet seyn. Die Geistlichkeit läßt es sich, was auch ihres Amtes ist, angelegen seyn, zur Ruhe und zum Frieden zu ermahnen. Der Adel könnte von einer Störung desselben für sich nur Unheil erwarten. Alle, welchen das Wohl ihrer Provinz am Herzen liegt, müssen jetzt mehr denn jemals für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung wachen und alle jene Machinationen aus dem Grunde ihrer Seele verabscheuen, welche zu noch größern Aufreizungen Anlaß geben könnten.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 16 Jan.</dateline>
          <p> Die hiesige &#x201C;Allgemeine Kirchenzeitung&#x201D; theilt in ihrer letzten Nummer die Correspondenz mit, die zwischen dem Domcapitel in Trier und dem Minister des Cultus, Freiherrn v. Altenstein, über die nach Rom gemachte Anzeige von der Wahl des Hrn. Arnoldi zum Bischof statt gefunden hat. Es geht daraus hervor, daß die Angaben, die sich vor einiger Zeit über diese Angelegenheit in einem bekannten süddeutschen Blatte befanden, ziemlich richtig waren, doch bestätigt sich zugleich meine frühere Vermuthung, daß der diplomatisch sehr vorsichtige Unterstaatssecretär Capaccini kein directes Schreiben an das Domcapitel erlassen habe. Bemerkenswerth in Bezug auf den gegenwärtigen Stand der Bischofswahl-Angelegenheit sind besonders die Worte, die den Schluß in der durch die Drohungen des Domcapitels etwas gereizten Antwort des Ministers bilden: &#x201C;Das Domcapitel darf übrigens daraus, daß jenes Schreiben zu Rom übergeben worden ist, nicht folgern, daß Se. Majestät der König gewilligt sind, der mit schnödester Hintansetzung der landesherrlichen Gerechtsame vorgenommenen letzten Bischofswahl in irgend einer Weise einen Erfolg einzuräumen.&#x201D; &#x2014; Es ist interessant, daß das Jahr 1840, welches die bereits in der Allgemeinen Zeitung erwähnten preußischen Thronjubelfeste bringt, auch das Säkularjahr unseres Heeres ist; denn im Jahre 1640 wurde der erste Grundstein zu dem jetzt so mächtigen und umfangreichen Gebäude der preußischen Militärmacht gelegt. Die kundige Hand einer hohen Person ist, wie man vernimmt, selbst damit beschäftigt, die nunmehr zweihundert Jahr alten Stammlisten der Armee zu ordnen und als Festgeschenk dem Druck übergeben zu lassen. Die historische Monographie eines einzelnen Regimentes, nämlich die der Gardes du Corps, die am 23. Juni 1740 gestiftet wurden, wird noch besonders von dem Hofmarschall v. Schöning herausgegeben. &#x2014; Schönlein, der heute<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0172/0012] in Folge der neuesten unerhörten Angriffe auf unsere Gewissens- und Kirchenfreiheit die Kirche in Belagerungszustand erklärt hat. Von Malmedy bis Düsseldorf, von Trier bis Coblenz herrscht nur Eine Stimme: was will der Staat mit seinem Unrecht gegen das Recht der Kirche? Alles, Alles scheint zur Einheit zurückgekehrt zu seyn: es wird öffentlich und privatim ungeheuer viel gebetet, Gott möge die neue Kirchenverfolgung zur Schmach der Verfolger enden lassen. Das Landvolk, welches den Erzbischof wie einen Heiligen verehrt, schickt fortwährend Boten in die Stadt, um genaue Kundschaft einzuziehen. Sie ließen sich eher alle todtschlagen, ehe sie litten, daß ihm ein Haar gekrümmt würde. ... Uebrigens brauchte nur einer der großen Kanzelredner von Aachen oder sonst von der Kanzel herab das Volk aufzureizen, so wäre Alles in Feuer und Flammen.” Das waren gute Aussichten; Michelis mag nicht umsonst seine Papiere verbrannt haben. Man betrachte aber einmal, was aus solchen Aussichten geworden ist, und urtheile, ob Michelis noch die frühern Meinungen hegen kann. — Der jetzige Bischof und Generalvicar des Nordens, Hr. Laurent, der bald in Hamburg residiren soll, war in Lüttich einer der eifrigsten Mitarbeiter des bekannten “Journal historique de Liège” und befaßte sich als solcher viel mit den kirchlichen Angelegenheiten der preußischen Rheinlande. Der Erzbischof v. Droste wünschte ihn nach Köln zu ziehen, und Hr. Laurent war damit wohl zufrieden, er verlangte nur, daß man ihn von dem Bischof van Bommel erbitten solle. Michelis dachte ihm damals den bekannten Jesuitenbriefen zufolge nur eine Caplanstelle zu. (Nordd. Bl.) _ Berlin, 12 Jan. Wenn es sich auch bestätigt, daß die erzbischöflichen Consistorien sowohl von Gnesen als von Posen die fernere äußerliche Kirchentrauer über die Wegführung des Oberhirten mit dem neuen Jahr aufgehoben und das Unterbleiben des Glockengeläutes und Orgelspiels in den Kirchen untersagt haben — in welchem Falle, aber auch in diesem Falle erst, die einzelnen Pfarrer rechtlich für die aus eigenmächtigen Traueranordnungen fernerhin entstehende Einbuße in der Kircheneinnahme persönlich könnten verantwortlich gemacht werden — so ist es doch gewiß nicht aus den in Leipziger Blättern mit beleidigendem Spott angegebenen Gründen geschehen, nämlich aus Besorgniß der Mitglieder beider Domcapitel, ihr weltliches Einkommen zu verlieren. Eine Gesinnung, der es möglich ist, solche Anschuldigungen zu machen, erklärt es, wie man der Regierung nur dreist zumuthen kann, daß sie jene weltliche Besorgniß der Geistlichen, als die endlich aufgefundene schwache Seite der Kirche, dazu benutzen solle, um alle ihre Absichten bei denselben durchzusetzen! Uebrigens besagen Personen, die eben aus dem Großherzogthum Posen hier angekommen sind, daß dort in den meisten Kirchen zur Zeit noch Glocken und Orgel nach wie vor stumm bleiben, und daß bereits mehrere Geistliche die dadurch veranlaßte Einbuße für die Kirche bereitwillig aus ihrem eigenen Vermögeu gedeckt hätten. Alle Nachrichten schildern die Stimmung, welche zwischen Katholiken und Protestanten herrscht — das heißt in Posen so viel als zwischen den Eingebornen auf der einen und den Bediensteten, so wie den aus andern Provinzen Eingewanderten auf der andern Seite — als äußerst erbittert. Dieses Verhältniß ist wahrhaft betrübend. Auch in Westphalen herrscht vielfältig eine gereizte Stimmung zwischen Protestanten und Katholiken, namentlich in Gegenden, wo sie sehr gemischt neben einander wohnen. Mehr und mehr werden alle Lebensverhältnisse aufgelockert: Katholiken verkehren nur noch mit Katholiken, Protestanten mit Protestanten; alte, langjährige Bekannte verschiedener Confession entfremden sich und gehen an einander vorüber als hätten sie sich niemals gekannt; die vielbewährten Bande der Nachbarschaft und selbst der Verwandtschaft und der Familie werden zerrissen; nicht einmal dem Arzte von einer andern Confession will der Kranke sich noch anvertrauen, und sogar in Arnsberg, dem Sitz der Regierung und eines Oberlandesgerichts, sieht man dieß. Nichts ist mehr zu beklagen als diese heillose Richtung der Gemüther. Man sieht hier wiederum, wie leicht der Sprung aus einem Extrem in das andere gemacht wird. Immer noch in der großen Mehrzahl die alte, traurige Verwechselung von Eifer mit Unduldsamkeit, von Toleranz mit Gleichgültigkeit! Das ist aber nicht der rechte Eifer, welcher sich unduldsam zeigt, eben so wenig als es die wahre Toleranz ist, welche sich gleichgültig erweist. — Einzelne Regierungsbeamte sollen im Großherzogthum Posen Unruhen, thätliche Ausbrüche im Volke befürchten, woraus sich die Vorsichtsmaaßregeln erklären, welche sie bei jeder Gelegenheit zu ergreifen für nöthig erachten. Doch sollen vorgeschlagene entschiedene militärische und andere Maaßregeln von der Staatsregierung als nicht nothwendig abgelehnt worden seyn. Bin ich gut unterrichtet, so hat die Regierung sehr weise daran gehandelt. Denn, wie die Sachen auch stehen mögen, die Besorgnisse vor thätlichen Unruhen sollen durchaus ungegründet seyn. Die Geistlichkeit läßt es sich, was auch ihres Amtes ist, angelegen seyn, zur Ruhe und zum Frieden zu ermahnen. Der Adel könnte von einer Störung desselben für sich nur Unheil erwarten. Alle, welchen das Wohl ihrer Provinz am Herzen liegt, müssen jetzt mehr denn jemals für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung wachen und alle jene Machinationen aus dem Grunde ihrer Seele verabscheuen, welche zu noch größern Aufreizungen Anlaß geben könnten. _ Berlin, 16 Jan. Die hiesige “Allgemeine Kirchenzeitung” theilt in ihrer letzten Nummer die Correspondenz mit, die zwischen dem Domcapitel in Trier und dem Minister des Cultus, Freiherrn v. Altenstein, über die nach Rom gemachte Anzeige von der Wahl des Hrn. Arnoldi zum Bischof statt gefunden hat. Es geht daraus hervor, daß die Angaben, die sich vor einiger Zeit über diese Angelegenheit in einem bekannten süddeutschen Blatte befanden, ziemlich richtig waren, doch bestätigt sich zugleich meine frühere Vermuthung, daß der diplomatisch sehr vorsichtige Unterstaatssecretär Capaccini kein directes Schreiben an das Domcapitel erlassen habe. Bemerkenswerth in Bezug auf den gegenwärtigen Stand der Bischofswahl-Angelegenheit sind besonders die Worte, die den Schluß in der durch die Drohungen des Domcapitels etwas gereizten Antwort des Ministers bilden: “Das Domcapitel darf übrigens daraus, daß jenes Schreiben zu Rom übergeben worden ist, nicht folgern, daß Se. Majestät der König gewilligt sind, der mit schnödester Hintansetzung der landesherrlichen Gerechtsame vorgenommenen letzten Bischofswahl in irgend einer Weise einen Erfolg einzuräumen.” — Es ist interessant, daß das Jahr 1840, welches die bereits in der Allgemeinen Zeitung erwähnten preußischen Thronjubelfeste bringt, auch das Säkularjahr unseres Heeres ist; denn im Jahre 1640 wurde der erste Grundstein zu dem jetzt so mächtigen und umfangreichen Gebäude der preußischen Militärmacht gelegt. Die kundige Hand einer hohen Person ist, wie man vernimmt, selbst damit beschäftigt, die nunmehr zweihundert Jahr alten Stammlisten der Armee zu ordnen und als Festgeschenk dem Druck übergeben zu lassen. Die historische Monographie eines einzelnen Regimentes, nämlich die der Gardes du Corps, die am 23. Juni 1740 gestiftet wurden, wird noch besonders von dem Hofmarschall v. Schöning herausgegeben. — Schönlein, der heute

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_022_18400122
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_022_18400122/12
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 22. Augsburg, 22. Januar 1840, S. 0172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_022_18400122/12>, abgerufen am 24.11.2024.