Allgemeine Zeitung. Nr. 19. Augsburg, 19. Januar 1840.ist, hält sie beständig in Athem, und ist fast unmöglich zu fassen. - Man denkt ernstlich daran, Medeah zu occupiren. Ulid-Bu-Mesrag, Sohn Mustapha's, ehemaligen Bey's der Provinz Titteri zur Zeit der Deyherrschaft, scheint bestimmt, seinem Vater in der Verwaltung dieser wichtigen Provinz zu folgen. Wenigstens recrutirt er öffentlich in Algier das ihm in seiner neuen Stelle nöthige Gefolge, welches ihm die französische Regierung ohne Zweifel versprochen hat. Dieser künftige Würdeträger gehört zur Classe der Kuruglis oder Abkömmlinge von Türken. Unter seinen Glaubensgenossen genießt er keiner großen Achtung; sie werfen ihm vor, er befolge die Vorschriften des Islamismus nicht sehr streng. Wahr ist, daß Ulid-Bu-Mesrag sich nicht scheut, öffentlich Wein zu trinken und Fleisch zu essen, das von Christen zubereitet worden. Wir Franzosen aber, die wir nach dergleichen Skrupeln wenig fragen, glauben nicht, daß man in der Ernennung dieses Mannes eine schlechte Wahl getroffen hat. Er ist bei seinem Vater, der das Beylik Titteri verwaltete, auferzogen worden und kennt alle einflußreichen Personen jener Provinz. Ueberdieß ist er Kurugli und hat auch seinen Theil an den Leiden gehabt, welche Abd-El-Kader seit zwei Jahren auf die Türken und ihre Kinder gehäuft. In dieser zweifachen Eigenschaft bietet er uns mehr Garantie, als irgend ein arabischer Häuptling. Man versichert, Ulid-Bu-Mesrag sey bereits mit den Stämmen Farhat-Ben-Saids im Bezirk Abu-Diaf, und überhaupt mit einem großen Theil der Häuptlinge, welche die Südgränze Algeriens bewohnen, in Briefwechsel, um sich zu versichern, daß, im Fall Abd-El-Kader bis dorthin von den französischen Colonnen gedrängt würde, der Emir dort keine Zufluchtsstätte zu hoffen hätte. Der Haß, der die Stämme, welche gegen die Sahara hin wohnen, wider den Emir erfüllt, läßt hoffen, daß diese Eröffnungen günstige Aufnahme finden. - Nach dem Gefecht vom 31 Dec. kam ein Gerücht hier in Umlauf, welches, obwohl grundfalsch, wahrscheinlich von den französischen Journalen wiederholt wird. Man hatte behauptet, die Armee Abd-El-Kaders sey von englischen Officieren commandirt. Folgender Umstand gab Anlaß zu diesem Irrthum. In der regulären Infanterie Abd-El-Kaders werden die Grade hauptsächlich durch die Farbe der Kleider bezeichnet. Die Soldaten und Corporale tragen blaue Beinkleider und eine weite braune Weste mit einer Caputze. Die Unterofficiere haben rothe Pantalons, und die Kleider der Officiere sind ganz roth, so daß Manche, welche diese Truppen von ferne sahen, dachten, es sey die englische Uniform. Hier noch einige weitere Details über dieses Corps, theils nach meinen eigenen Beobachtungen, theils nach den Mittheilungen, welche ich von dem Europäer erfahren, der zu dessen Formation am meisten beigetragen hat. Die Leitung des Exercitiums dieser Infanterie ist französischen oder deutschen Deserteurs anvertraut worden; bis jetzt waren ihre Fortschritte noch nicht sehr bedeutend. Indessen erlernte sie doch einigermaßen die gewöhnliche Waffenübung, die Gliederfeuer; sie versteht auch, von der Marschordnung in die Schlachtordnung überzugehen. Der Aga oder Obrist, der sie commandirt, hat sie überdieß gewisse Evolutionen gelehrt, welche im französischen Exercitium nicht vorkommen, und einigermaßen den Manövers gleichen, welche man auf einem Pariser Boulevard-Theater in den Kämpfen der Melodramas aufführen sieht. Dergleichen Manövers wurden in der arabischen Infanterie als Schaustücke eingeführt, etwa wie die Fantasia in der Cavallerie, übrigens sind sie ganz nutzlos. Die arabischen Infanteristen erhalten einen Duro (5 Franken) als monatlichen Sold; ihre Nahrung, für welche der Emir zu sorgen hat, ist so leicht, daß sie letzterem keine bedeutende Ausgabe verursachen kann. Viel glücklicher, als unsere Infanteristen, marschiren die arabischen Fußgänger nicht unter dem Gewicht eines ungeheuern Gepäcks. Sie tragen durchaus nur ihre Waffen und Munition. Die Effecten einer Compagnie von hundert Mann werden auf drei Kamele geladen. Einen andern Vortheil über unsere armen Soldaten haben jene Araber dadurch, daß sie unter Dach schlafen. Im Gefolge der Armee des Emirs befinden sich stets Zelte auf Lastthiere geladen, und die Männer bringen darunter die Nächte in Gruppen zu dreiunddreißig zu. Es ist ziemlich auffallend, daß wir Franzosen noch nicht dieses Resultat erlangt haben, welches in einem Lande, wo der Wechsel der Temperatur zwischen Tag und Nacht so bedeutend ist, sehr wohlthätige Folgen haben würde. Wir haben zwar eine zahlreiche Militärintendanz und vielfache Transportmittel, dennoch ist für unsere Soldaten weit schlechter gesorgt, als für die Truppen Abd-El-Kaders. Der deutsche Zollverein und das Memorandum von Bremen. Berlin. (Fortsetzung des Memorandums.) "Das zweite, Bremens Handel eigenthümliche Element, die persönliche Beweglichkeit seiner Kaufleute oder deren Emissäre, ist Deutschland insgemein nur von der Einen untergeordneten Seite bekannt und zwar von der oft verkannten und mißgünstig behandelten, jedenfalls minder geschätzten, weil die seestädtischen Handelsreisenden im deutschen Inlande gewöhnlich nur als Anbieter, nicht als Abnehmer auftreten können. Der unmittelbaren Wahrnehmung entzogen, findet dagegen dort die andere Seite, der Wanderzug der Bremischen jungen Kaufleute nach dem überseeischen Westen, kaum Beachtung, geschweige denn entsprechende Würdigung. Und doch ist diese an Gehalt und Umfang wie in ihren Folgen für deutsches Gesammtinteresse bei weitem die wichtigere. Aus keiner Stadt in Deutschland sind unbestritten so viele junge Männer von guter Herkunft und praktischer Vorbildung über den amerikanischen Continent und Westindien zerstreut, wie gerade aus Bremen. Es ist hier fast zum constanten Gebrauch für die angehenden Kaufleute geworden, jene Gegenden als die hohe Schule geschäftlicher Ausbildung, als die Grundlage des künftigen Fortkommens zu betrachten. In deutschen, meist Bremischen Häusern untergebracht, bald thunlichst dann die Gelegenheit zum eigenen Etablissement benutzend, trägt dieser jährliche Zuwachs dazu bei, die Verbindungen mit der Heimath, welche die heimische Flagge unablässig vermittelt, zu vermehren und immer fester zu knüpfen. Die Mehrzahl kehrt nach Jahren zurück, mit dem Erwerb an Kenntnissen, Capitalien, persönlichen Beziehungen die Heimath zu bereichern. Andere gründen sich drüben ein dauerndes Domicil und bilden so einen achtbaren Bestandtheil unter den mannichfaltigen Elementen, welche in neuerer Zeit die Germanisirung des fernen Westen befördert. Wenn Einzelne aus dieser Classe der Bremischen Handelsreisenden die deutschen Messen oder die Werkstätten des vaterländischen Kunstfleißes besuchen, willkommene Käufer und Besteller - so gelten sie freilich für das, was sie augenblicklich sind, für Amerikaner; der Sache nach aber ist es auch hier wieder Bremische Betriebsamkeit, welche, transatlantischen Begehr vertretend, der deutschen Industrie neue Auswege öffnet. "Hamburgs und Bremens Wirksamkeit trifft darin zusammen, daß sie den Handel Deutschlands mit unabhängigen Staaten und den dem Colonialzwange entzogenen Provinzen der neuen Welt vermitteln. Nicht gebunden durch das Monopol eines Mutterlandes oder die Rücksicht auf eigene ist, hält sie beständig in Athem, und ist fast unmöglich zu fassen. – Man denkt ernstlich daran, Medeah zu occupiren. Ulid-Bu-Mesrag, Sohn Mustapha's, ehemaligen Bey's der Provinz Titteri zur Zeit der Deyherrschaft, scheint bestimmt, seinem Vater in der Verwaltung dieser wichtigen Provinz zu folgen. Wenigstens recrutirt er öffentlich in Algier das ihm in seiner neuen Stelle nöthige Gefolge, welches ihm die französische Regierung ohne Zweifel versprochen hat. Dieser künftige Würdeträger gehört zur Classe der Kuruglis oder Abkömmlinge von Türken. Unter seinen Glaubensgenossen genießt er keiner großen Achtung; sie werfen ihm vor, er befolge die Vorschriften des Islamismus nicht sehr streng. Wahr ist, daß Ulid-Bu-Mesrag sich nicht scheut, öffentlich Wein zu trinken und Fleisch zu essen, das von Christen zubereitet worden. Wir Franzosen aber, die wir nach dergleichen Skrupeln wenig fragen, glauben nicht, daß man in der Ernennung dieses Mannes eine schlechte Wahl getroffen hat. Er ist bei seinem Vater, der das Beylik Titteri verwaltete, auferzogen worden und kennt alle einflußreichen Personen jener Provinz. Ueberdieß ist er Kurugli und hat auch seinen Theil an den Leiden gehabt, welche Abd-El-Kader seit zwei Jahren auf die Türken und ihre Kinder gehäuft. In dieser zweifachen Eigenschaft bietet er uns mehr Garantie, als irgend ein arabischer Häuptling. Man versichert, Ulid-Bu-Mesrag sey bereits mit den Stämmen Farhat-Ben-Saids im Bezirk Abu-Diaf, und überhaupt mit einem großen Theil der Häuptlinge, welche die Südgränze Algeriens bewohnen, in Briefwechsel, um sich zu versichern, daß, im Fall Abd-El-Kader bis dorthin von den französischen Colonnen gedrängt würde, der Emir dort keine Zufluchtsstätte zu hoffen hätte. Der Haß, der die Stämme, welche gegen die Sahara hin wohnen, wider den Emir erfüllt, läßt hoffen, daß diese Eröffnungen günstige Aufnahme finden. – Nach dem Gefecht vom 31 Dec. kam ein Gerücht hier in Umlauf, welches, obwohl grundfalsch, wahrscheinlich von den französischen Journalen wiederholt wird. Man hatte behauptet, die Armee Abd-El-Kaders sey von englischen Officieren commandirt. Folgender Umstand gab Anlaß zu diesem Irrthum. In der regulären Infanterie Abd-El-Kaders werden die Grade hauptsächlich durch die Farbe der Kleider bezeichnet. Die Soldaten und Corporale tragen blaue Beinkleider und eine weite braune Weste mit einer Caputze. Die Unterofficiere haben rothe Pantalons, und die Kleider der Officiere sind ganz roth, so daß Manche, welche diese Truppen von ferne sahen, dachten, es sey die englische Uniform. Hier noch einige weitere Details über dieses Corps, theils nach meinen eigenen Beobachtungen, theils nach den Mittheilungen, welche ich von dem Europäer erfahren, der zu dessen Formation am meisten beigetragen hat. Die Leitung des Exercitiums dieser Infanterie ist französischen oder deutschen Deserteurs anvertraut worden; bis jetzt waren ihre Fortschritte noch nicht sehr bedeutend. Indessen erlernte sie doch einigermaßen die gewöhnliche Waffenübung, die Gliederfeuer; sie versteht auch, von der Marschordnung in die Schlachtordnung überzugehen. Der Aga oder Obrist, der sie commandirt, hat sie überdieß gewisse Evolutionen gelehrt, welche im französischen Exercitium nicht vorkommen, und einigermaßen den Manövers gleichen, welche man auf einem Pariser Boulevard-Theater in den Kämpfen der Melodramas aufführen sieht. Dergleichen Manövers wurden in der arabischen Infanterie als Schaustücke eingeführt, etwa wie die Fantasia in der Cavallerie, übrigens sind sie ganz nutzlos. Die arabischen Infanteristen erhalten einen Duro (5 Franken) als monatlichen Sold; ihre Nahrung, für welche der Emir zu sorgen hat, ist so leicht, daß sie letzterem keine bedeutende Ausgabe verursachen kann. Viel glücklicher, als unsere Infanteristen, marschiren die arabischen Fußgänger nicht unter dem Gewicht eines ungeheuern Gepäcks. Sie tragen durchaus nur ihre Waffen und Munition. Die Effecten einer Compagnie von hundert Mann werden auf drei Kamele geladen. Einen andern Vortheil über unsere armen Soldaten haben jene Araber dadurch, daß sie unter Dach schlafen. Im Gefolge der Armee des Emirs befinden sich stets Zelte auf Lastthiere geladen, und die Männer bringen darunter die Nächte in Gruppen zu dreiunddreißig zu. Es ist ziemlich auffallend, daß wir Franzosen noch nicht dieses Resultat erlangt haben, welches in einem Lande, wo der Wechsel der Temperatur zwischen Tag und Nacht so bedeutend ist, sehr wohlthätige Folgen haben würde. Wir haben zwar eine zahlreiche Militärintendanz und vielfache Transportmittel, dennoch ist für unsere Soldaten weit schlechter gesorgt, als für die Truppen Abd-El-Kaders. Der deutsche Zollverein und das Memorandum von Bremen. Berlin. (Fortsetzung des Memorandums.) „Das zweite, Bremens Handel eigenthümliche Element, die persönliche Beweglichkeit seiner Kaufleute oder deren Emissäre, ist Deutschland insgemein nur von der Einen untergeordneten Seite bekannt und zwar von der oft verkannten und mißgünstig behandelten, jedenfalls minder geschätzten, weil die seestädtischen Handelsreisenden im deutschen Inlande gewöhnlich nur als Anbieter, nicht als Abnehmer auftreten können. Der unmittelbaren Wahrnehmung entzogen, findet dagegen dort die andere Seite, der Wanderzug der Bremischen jungen Kaufleute nach dem überseeischen Westen, kaum Beachtung, geschweige denn entsprechende Würdigung. Und doch ist diese an Gehalt und Umfang wie in ihren Folgen für deutsches Gesammtinteresse bei weitem die wichtigere. Aus keiner Stadt in Deutschland sind unbestritten so viele junge Männer von guter Herkunft und praktischer Vorbildung über den amerikanischen Continent und Westindien zerstreut, wie gerade aus Bremen. Es ist hier fast zum constanten Gebrauch für die angehenden Kaufleute geworden, jene Gegenden als die hohe Schule geschäftlicher Ausbildung, als die Grundlage des künftigen Fortkommens zu betrachten. In deutschen, meist Bremischen Häusern untergebracht, bald thunlichst dann die Gelegenheit zum eigenen Etablissement benutzend, trägt dieser jährliche Zuwachs dazu bei, die Verbindungen mit der Heimath, welche die heimische Flagge unablässig vermittelt, zu vermehren und immer fester zu knüpfen. Die Mehrzahl kehrt nach Jahren zurück, mit dem Erwerb an Kenntnissen, Capitalien, persönlichen Beziehungen die Heimath zu bereichern. Andere gründen sich drüben ein dauerndes Domicil und bilden so einen achtbaren Bestandtheil unter den mannichfaltigen Elementen, welche in neuerer Zeit die Germanisirung des fernen Westen befördert. Wenn Einzelne aus dieser Classe der Bremischen Handelsreisenden die deutschen Messen oder die Werkstätten des vaterländischen Kunstfleißes besuchen, willkommene Käufer und Besteller – so gelten sie freilich für das, was sie augenblicklich sind, für Amerikaner; der Sache nach aber ist es auch hier wieder Bremische Betriebsamkeit, welche, transatlantischen Begehr vertretend, der deutschen Industrie neue Auswege öffnet. „Hamburgs und Bremens Wirksamkeit trifft darin zusammen, daß sie den Handel Deutschlands mit unabhängigen Staaten und den dem Colonialzwange entzogenen Provinzen der neuen Welt vermitteln. 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Wahr ist, daß Ulid-Bu-Mesrag sich nicht scheut, öffentlich Wein zu trinken und Fleisch zu essen, das von Christen zubereitet worden. Wir Franzosen aber, die wir nach dergleichen Skrupeln wenig fragen, glauben nicht, daß man in der Ernennung dieses Mannes eine schlechte Wahl getroffen hat. Er ist bei seinem Vater, der das Beylik Titteri verwaltete, auferzogen worden und kennt alle einflußreichen Personen jener Provinz. Ueberdieß ist er Kurugli und hat auch seinen Theil an den Leiden gehabt, welche Abd-El-Kader seit zwei Jahren auf die Türken und ihre Kinder gehäuft. In dieser zweifachen Eigenschaft bietet er uns mehr Garantie, als irgend ein arabischer Häuptling. Man versichert, Ulid-Bu-Mesrag sey bereits mit den Stämmen Farhat-Ben-Saids im Bezirk Abu-Diaf, und überhaupt mit einem großen Theil der Häuptlinge, welche die Südgränze Algeriens bewohnen, in Briefwechsel, um sich zu versichern, daß, im Fall Abd-El-Kader bis dorthin von den französischen Colonnen gedrängt würde, der Emir dort keine Zufluchtsstätte zu hoffen hätte. Der Haß, der die Stämme, welche gegen die Sahara hin wohnen, wider den Emir erfüllt, läßt hoffen, daß diese Eröffnungen günstige Aufnahme finden. – Nach dem Gefecht vom 31 Dec. kam ein Gerücht hier in Umlauf, welches, obwohl grundfalsch, wahrscheinlich von den französischen Journalen wiederholt wird. Man hatte behauptet, die Armee Abd-El-Kaders sey von englischen Officieren commandirt. Folgender Umstand gab Anlaß zu diesem Irrthum. In der regulären Infanterie Abd-El-Kaders werden die Grade hauptsächlich durch die Farbe der Kleider bezeichnet. Die Soldaten und Corporale tragen blaue Beinkleider und eine weite braune Weste mit einer Caputze. Die Unterofficiere haben rothe Pantalons, und die Kleider der Officiere sind ganz roth, so daß Manche, welche diese Truppen von ferne sahen, dachten, es sey die englische Uniform. Hier noch einige weitere Details über dieses Corps, theils nach meinen eigenen Beobachtungen, theils nach den Mittheilungen, welche ich von dem Europäer erfahren, der zu dessen Formation am meisten beigetragen hat. Die Leitung des Exercitiums dieser Infanterie ist französischen oder deutschen Deserteurs anvertraut worden; bis jetzt waren ihre Fortschritte noch nicht sehr bedeutend. Indessen erlernte sie doch einigermaßen die gewöhnliche Waffenübung, die Gliederfeuer; sie versteht auch, von der Marschordnung in die Schlachtordnung überzugehen. Der Aga oder Obrist, der sie commandirt, hat sie überdieß gewisse Evolutionen gelehrt, welche im französischen Exercitium nicht vorkommen, und einigermaßen den Manövers gleichen, welche man auf einem Pariser Boulevard-Theater in den Kämpfen der Melodramas aufführen sieht. Dergleichen Manövers wurden in der arabischen Infanterie als Schaustücke eingeführt, etwa wie die <hi rendition="#g">Fantasia</hi> in der Cavallerie, übrigens sind sie ganz nutzlos. Die arabischen Infanteristen erhalten einen Duro (5 Franken) als monatlichen Sold; ihre Nahrung, für welche der Emir zu sorgen hat, ist so leicht, daß sie letzterem keine bedeutende Ausgabe verursachen kann. Viel glücklicher, als unsere Infanteristen, marschiren die arabischen Fußgänger nicht unter dem Gewicht eines ungeheuern Gepäcks. Sie tragen durchaus nur ihre Waffen und Munition. Die Effecten einer Compagnie von hundert Mann werden auf drei Kamele geladen. Einen andern Vortheil über unsere armen Soldaten haben jene Araber dadurch, daß sie unter Dach schlafen. Im Gefolge der Armee des Emirs befinden sich stets Zelte auf Lastthiere geladen, und die Männer bringen darunter die Nächte in Gruppen zu dreiunddreißig zu. Es ist ziemlich auffallend, daß wir Franzosen noch nicht dieses Resultat erlangt haben, welches in einem Lande, wo der Wechsel der Temperatur zwischen Tag und Nacht so bedeutend ist, sehr wohlthätige Folgen haben würde. 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Der unmittelbaren Wahrnehmung entzogen, findet dagegen dort die andere Seite, der Wanderzug der Bremischen jungen Kaufleute nach dem überseeischen Westen, kaum Beachtung, geschweige denn entsprechende Würdigung. Und doch ist diese an Gehalt und Umfang wie in ihren Folgen für deutsches Gesammtinteresse bei weitem die wichtigere. Aus keiner Stadt in Deutschland sind unbestritten so viele junge Männer von guter Herkunft und praktischer Vorbildung über den amerikanischen Continent und Westindien zerstreut, wie gerade aus Bremen. Es ist hier fast zum constanten Gebrauch für die angehenden Kaufleute geworden, jene Gegenden als die hohe Schule geschäftlicher Ausbildung, als die Grundlage des künftigen Fortkommens zu betrachten. In deutschen, meist Bremischen Häusern untergebracht, bald thunlichst dann die Gelegenheit zum eigenen Etablissement benutzend, trägt dieser jährliche Zuwachs dazu bei, die Verbindungen mit der Heimath, welche die heimische Flagge unablässig vermittelt, zu vermehren und immer fester zu knüpfen. Die Mehrzahl kehrt nach Jahren zurück, mit dem Erwerb an Kenntnissen, Capitalien, persönlichen Beziehungen die Heimath zu bereichern. Andere gründen sich drüben ein dauerndes Domicil und bilden so einen achtbaren Bestandtheil unter den mannichfaltigen Elementen, welche in neuerer Zeit die <hi rendition="#g">Germanisirung</hi> des fernen Westen befördert. 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ist, hält sie beständig in Athem, und ist fast unmöglich zu fassen. – Man denkt ernstlich daran, Medeah zu occupiren. Ulid-Bu-Mesrag, Sohn Mustapha's, ehemaligen Bey's der Provinz Titteri zur Zeit der Deyherrschaft, scheint bestimmt, seinem Vater in der Verwaltung dieser wichtigen Provinz zu folgen. Wenigstens recrutirt er öffentlich in Algier das ihm in seiner neuen Stelle nöthige Gefolge, welches ihm die französische Regierung ohne Zweifel versprochen hat. Dieser künftige Würdeträger gehört zur Classe der Kuruglis oder Abkömmlinge von Türken. Unter seinen Glaubensgenossen genießt er keiner großen Achtung; sie werfen ihm vor, er befolge die Vorschriften des Islamismus nicht sehr streng. Wahr ist, daß Ulid-Bu-Mesrag sich nicht scheut, öffentlich Wein zu trinken und Fleisch zu essen, das von Christen zubereitet worden. Wir Franzosen aber, die wir nach dergleichen Skrupeln wenig fragen, glauben nicht, daß man in der Ernennung dieses Mannes eine schlechte Wahl getroffen hat. Er ist bei seinem Vater, der das Beylik Titteri verwaltete, auferzogen worden und kennt alle einflußreichen Personen jener Provinz. Ueberdieß ist er Kurugli und hat auch seinen Theil an den Leiden gehabt, welche Abd-El-Kader seit zwei Jahren auf die Türken und ihre Kinder gehäuft. In dieser zweifachen Eigenschaft bietet er uns mehr Garantie, als irgend ein arabischer Häuptling. Man versichert, Ulid-Bu-Mesrag sey bereits mit den Stämmen Farhat-Ben-Saids im Bezirk Abu-Diaf, und überhaupt mit einem großen Theil der Häuptlinge, welche die Südgränze Algeriens bewohnen, in Briefwechsel, um sich zu versichern, daß, im Fall Abd-El-Kader bis dorthin von den französischen Colonnen gedrängt würde, der Emir dort keine Zufluchtsstätte zu hoffen hätte. Der Haß, der die Stämme, welche gegen die Sahara hin wohnen, wider den Emir erfüllt, läßt hoffen, daß diese Eröffnungen günstige Aufnahme finden. – Nach dem Gefecht vom 31 Dec. kam ein Gerücht hier in Umlauf, welches, obwohl grundfalsch, wahrscheinlich von den französischen Journalen wiederholt wird. Man hatte behauptet, die Armee Abd-El-Kaders sey von englischen Officieren commandirt. Folgender Umstand gab Anlaß zu diesem Irrthum. In der regulären Infanterie Abd-El-Kaders werden die Grade hauptsächlich durch die Farbe der Kleider bezeichnet. Die Soldaten und Corporale tragen blaue Beinkleider und eine weite braune Weste mit einer Caputze. Die Unterofficiere haben rothe Pantalons, und die Kleider der Officiere sind ganz roth, so daß Manche, welche diese Truppen von ferne sahen, dachten, es sey die englische Uniform. Hier noch einige weitere Details über dieses Corps, theils nach meinen eigenen Beobachtungen, theils nach den Mittheilungen, welche ich von dem Europäer erfahren, der zu dessen Formation am meisten beigetragen hat. Die Leitung des Exercitiums dieser Infanterie ist französischen oder deutschen Deserteurs anvertraut worden; bis jetzt waren ihre Fortschritte noch nicht sehr bedeutend. Indessen erlernte sie doch einigermaßen die gewöhnliche Waffenübung, die Gliederfeuer; sie versteht auch, von der Marschordnung in die Schlachtordnung überzugehen. Der Aga oder Obrist, der sie commandirt, hat sie überdieß gewisse Evolutionen gelehrt, welche im französischen Exercitium nicht vorkommen, und einigermaßen den Manövers gleichen, welche man auf einem Pariser Boulevard-Theater in den Kämpfen der Melodramas aufführen sieht. Dergleichen Manövers wurden in der arabischen Infanterie als Schaustücke eingeführt, etwa wie die Fantasia in der Cavallerie, übrigens sind sie ganz nutzlos. Die arabischen Infanteristen erhalten einen Duro (5 Franken) als monatlichen Sold; ihre Nahrung, für welche der Emir zu sorgen hat, ist so leicht, daß sie letzterem keine bedeutende Ausgabe verursachen kann. Viel glücklicher, als unsere Infanteristen, marschiren die arabischen Fußgänger nicht unter dem Gewicht eines ungeheuern Gepäcks. Sie tragen durchaus nur ihre Waffen und Munition. Die Effecten einer Compagnie von hundert Mann werden auf drei Kamele geladen. Einen andern Vortheil über unsere armen Soldaten haben jene Araber dadurch, daß sie unter Dach schlafen. Im Gefolge der Armee des Emirs befinden sich stets Zelte auf Lastthiere geladen, und die Männer bringen darunter die Nächte in Gruppen zu dreiunddreißig zu. Es ist ziemlich auffallend, daß wir Franzosen noch nicht dieses Resultat erlangt haben, welches in einem Lande, wo der Wechsel der Temperatur zwischen Tag und Nacht so bedeutend ist, sehr wohlthätige Folgen haben würde. Wir haben zwar eine zahlreiche Militärintendanz und vielfache Transportmittel, dennoch ist für unsere Soldaten weit schlechter gesorgt, als für die Truppen Abd-El-Kaders.
Der deutsche Zollverein und das Memorandum von Bremen.
_ Berlin. (Fortsetzung des Memorandums.) „Das zweite, Bremens Handel eigenthümliche Element, die persönliche Beweglichkeit seiner Kaufleute oder deren Emissäre, ist Deutschland insgemein nur von der Einen untergeordneten Seite bekannt und zwar von der oft verkannten und mißgünstig behandelten, jedenfalls minder geschätzten, weil die seestädtischen Handelsreisenden im deutschen Inlande gewöhnlich nur als Anbieter, nicht als Abnehmer auftreten können. Der unmittelbaren Wahrnehmung entzogen, findet dagegen dort die andere Seite, der Wanderzug der Bremischen jungen Kaufleute nach dem überseeischen Westen, kaum Beachtung, geschweige denn entsprechende Würdigung. Und doch ist diese an Gehalt und Umfang wie in ihren Folgen für deutsches Gesammtinteresse bei weitem die wichtigere. Aus keiner Stadt in Deutschland sind unbestritten so viele junge Männer von guter Herkunft und praktischer Vorbildung über den amerikanischen Continent und Westindien zerstreut, wie gerade aus Bremen. Es ist hier fast zum constanten Gebrauch für die angehenden Kaufleute geworden, jene Gegenden als die hohe Schule geschäftlicher Ausbildung, als die Grundlage des künftigen Fortkommens zu betrachten. In deutschen, meist Bremischen Häusern untergebracht, bald thunlichst dann die Gelegenheit zum eigenen Etablissement benutzend, trägt dieser jährliche Zuwachs dazu bei, die Verbindungen mit der Heimath, welche die heimische Flagge unablässig vermittelt, zu vermehren und immer fester zu knüpfen. Die Mehrzahl kehrt nach Jahren zurück, mit dem Erwerb an Kenntnissen, Capitalien, persönlichen Beziehungen die Heimath zu bereichern. Andere gründen sich drüben ein dauerndes Domicil und bilden so einen achtbaren Bestandtheil unter den mannichfaltigen Elementen, welche in neuerer Zeit die Germanisirung des fernen Westen befördert. Wenn Einzelne aus dieser Classe der Bremischen Handelsreisenden die deutschen Messen oder die Werkstätten des vaterländischen Kunstfleißes besuchen, willkommene Käufer und Besteller – so gelten sie freilich für das, was sie augenblicklich sind, für Amerikaner; der Sache nach aber ist es auch hier wieder Bremische Betriebsamkeit, welche, transatlantischen Begehr vertretend, der deutschen Industrie neue Auswege öffnet.
„Hamburgs und Bremens Wirksamkeit trifft darin zusammen, daß sie den Handel Deutschlands mit unabhängigen Staaten und den dem Colonialzwange entzogenen Provinzen der neuen Welt vermitteln. Nicht gebunden durch das Monopol eines Mutterlandes oder die Rücksicht auf eigene
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
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