Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 17. Augsburg, 17. Januar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Spanien.

Die Anstrengungen der verschiedenen Parteien, bei den bevorstehenden Wahlen zu den Cortes den Sieg davon zu tragen, vermehren sich mit jedem Tage, und der Ausgang ist daher noch keineswegs mit Gewißheit vorauszusehen. Die hiesige Provincialdeputation hält täglich öffentliche Sitzungen, um über die Reclamationen der Wahlberechtigten zu entscheiden. Verschiedene Granden von Spanien ersten Ranges, welche als solche in die Liste der Wähler aufgenommen zu werden verlangten, wurden zurückgewiesen, und erst, nachdem sie das unbedeutende Eigenthum nachgewiesen hatten, welches das Gesetz als Bedingung der Wahlberechtigung vorschreibt, zugelassen. Viele Personen, die entweder der moderirten oder gar keiner Partei angehören, scheuen sich indessen, ihre Rechte geltend zu machen, weil sie sich vor den Beschimpfungen und Mißhandlungen fürchten, mit denen der am Eingange des Ayuntamiento versammelte Pöbel nicht selten die Personen, die in anständiger Kleidung erscheinen, überhäuft. Diese Auftritte haben bereits verschiedene Thätlichkeiten hervorgerufen, und in Balaguer (Catalonien) wurde vor kurzem ein ruhiger Bürger, der für die Moderirten gestimmt hatte, auf offener Landstraße von mehreren Exaltirten ermordet. Letztere befürchten offenbar bei den bevorstehenden Wahlen zu unterliegen, denn ihre Aufforderungen zu Gewaltthätigkeiten werden mit jedem Tage lauter und eindringlicher; jeder noch so gesetzmäßige Schritt, den die Gegenpartei thut, um den Sieg davon zu tragen, wird für Hochverrath, Verfälschung der öffentlichen Meinung und offenbar verdammenswerthes und nichtiges Bestreben ausgegeben. Es unterliegt auch keinem Zweifel, daß bei dem Eintritt der Wahlhandlungen selbst alle Mittel des Terrorismus werden in Bewegung gesetzt werden, um dem Volke die "freie Ausübung seines Rechts", oder mit andern Worten, den racheschnaubenden und gewaltdürstigen Demagogen das Uebergewicht zuzusichern. - Ich theilte Ihnen neulich eine mündliche Aeußerung Maroto's mit; nun wird hier behauptet, dieser General habe dem Herzog de la Victoria geschrieben, daß, wenn die Moderirten noch lang am Ruder blieben, Don Carlos endlich König von Spanien werden würde. Ich bezweifle, daß Maroto einen Brief dieses Inhalts an Espartero gerichtet habe, und vermuthe nur, daß die erwähnte mündliche Aeußerung einem Anhänger der exaltirten Partei zu Ohren gekommen sey, und nun von dieser, ihren Zwecken gemäß, benutzt werde. Um die zahlreichen Carlisten, welche sich der Königin unterworfen haben, auf ihre Seite zu bringen, suchen die Exaltirten ihnen den Glauben einzuflößen, daß durch das fehlerhafte politische System der Moderirten der endliche Triumph des Prätendenten, also die unerbittlichste Bestrafung derjenigen, welche seiner Fahne abtrünnig geworden wären, herbeigeführt werden könne. Letztere fürchten sich indessen fast eben so sehr vor dem Siege der Exaltirten, weil sie wissen und es täglich erfahren, daß ihnen diese ihr früheres Verhalten niemals verzeihen werden. Auf der andern Seite scheuen sie sich aber, sich offen für die Moderirten zu erklären, indem sie deren wahrscheinlichen Sturz voraussehen, und nicht in die Folgen desselben verwickelt zu werden wünschen können. So sind sie denn auf eine abwartende Stellung hingewiesen.

Großbritannien.

Die M. Post hatte ihrer (vorgestern erwähnten) Angabe, daß Lord Palmerston Rußlands Vorschläge in der orientalischen Angelegenheit beigetreten sey, mancherlei der whiggischen Politik ungünstige Bemerkungen angehängt, die der ministerielle Globe mit Spott behandelt, ohne jedoch in der Sache selbst eine genügende Aufklärung zu geben. Vielmehr sind seine Erläuterungen über die Dardanellenfrage nur geeignet, in Betreff der praktischen Folgen des Vertrags von Hunkiar Skelessi den wahren Gesichtspunkt zu verrücken. "Die Post," sagt der Globe, "ist groß in Fraubasenneuigkeiten, sie ist das anerkannte Orakel aller Kammerjungfern, die Modezeitung der Bedientenstuben. Durch den rastlosen Eifer, womit ihre Zuträger allen Schnickschnack der Abigails (Stubenmägde) aufklauben, sieht sie sich gelegentlich in den Stand gesetzt, die frischesten Nachrichten über "bevorstehende Heirathen in der vornehmen Welt" und ähnliche Ereignisse von Belang zu liefern. Jetzt aber hat unsre Collegin einen höheren Flug gewagt, damit aber nur bewiesen, daß sie die alte Maxime: "Ne sutor ultra crepidam" nicht kennt, oder nicht bedacht hat." Der Globe citirt hier die erwähnte Nachricht des Toryjournals, und fährt fort: "Da die Post sich nicht herbeigelassen hat, ihre hohe Autorität für ihre Nachricht zu nennen, so bleibt das Publicum hierüber in einer peinlichen Spannung, die zu heben nicht in unsrer Macht liegt. Damit jedoch die hämischen Bemerkungen, mit denen das Blatt seine Angabe begleitet, nicht die irrige Meinung verbreiten, Lord Palmerston habe, seiner Gewohnheit entgegen, in diesem Fall eine Geneigtheit gezeigt, Rußland einen mit der Ehre und Unabhängigkeit Englands nicht verträglichen, durch bestehende und anerkannte Verträge nicht gerechtfertigten Einfluß üben zu lassen, so wollen wir uns die Mühe nehmen, der Post einige ihrer Ungereimtheiten nachzuweisen. ""Der neuerlich von Rußland gemachte Vorschlag, versichert sie, geht dahin, daß, falls zum Schutze Konstantinopels das Vorrücken eines russischen Heers in die Nachbarschaft dieser Hauptstadt nöthig würde, den Flotten Großbritanniens und Frankreichs sofort gestattet seyn soll, in die Dardanellen einzulaufen, jedoch nur mit einer solchen Anzahl Schiffe, wie sie zuvor durch Vertrag unter den fünf Mächten festgesetzt, und als zu den Erfordernissen des Augenblicks und der Größe der von Rußland aufgewendeten Streitkräfte verhältnißmäßig befunden worden seyn werde."" Den Flotten Großbritanniens und Frankreichs soll es gestattet seyn, in die Dardanellen einzulaufen! Gestattet! Von wem? Von Rußland? Welche Befugniß besitzt Rußland, oder hat es je angesprochen, die Dardanellendurchfahrt den englischen und französischen Kriegsschiffen zu erlauben oder zu verbieten? Die Dardanellen gehören völkerrechtlich der Türkei, einer unabhängigen Macht, die das Recht hat, den Schiffen anderer unabhängigen Mächte die Annäherung an ihre Küsten zu gestatten, oder sie in ihre Häfen einzuladen. In dieses Recht störend einzugreifen ist Rußland so wenig befugt, und, wie wir glauben, auch so wenig geneigt, als es brittischen Schiffen, mit Frankreichs Zustimmung in den Hafen von Brest, oder französischen Schiffen mit Englands Genehmigung in den Hafen von Plymouth einzulaufen wehren kann oder darf. Die Post wähnt, der Vertrag von Hunkiar Skelessi enthalte eine Stipulation, wornach Rußland das Recht habe, die Anzahl der brittischen oder französischen Kriegsschiffe zu bestimmen, die eventuell in die Dardanellen zuzulassen seyen. Die kurze und hoffentlich genügende Antwort darauf ist, daß Lord Palmerston bei Gelegenheit, als eine Abschrift jenes Vertrags auf den Tisch des Unterhauses niedergelegt wurde, von seinem Platz in diesem Hause aus erklärte, "die brittische Regierung habe dem russischen Hof notificirt, daß sie durch solche Restrictionen sich nicht als gebunden betrachte." - An dieser Erklärung wird unsre Regierung festhalten. Sollte ein Schritt Mehemed Ali's ein Angehen der fünf Mächte von Seite des Sultans nöthig machen, so würde der Betrag und die Art der Streitkräfte, welche

Spanien.

Die Anstrengungen der verschiedenen Parteien, bei den bevorstehenden Wahlen zu den Cortes den Sieg davon zu tragen, vermehren sich mit jedem Tage, und der Ausgang ist daher noch keineswegs mit Gewißheit vorauszusehen. Die hiesige Provincialdeputation hält täglich öffentliche Sitzungen, um über die Reclamationen der Wahlberechtigten zu entscheiden. Verschiedene Granden von Spanien ersten Ranges, welche als solche in die Liste der Wähler aufgenommen zu werden verlangten, wurden zurückgewiesen, und erst, nachdem sie das unbedeutende Eigenthum nachgewiesen hatten, welches das Gesetz als Bedingung der Wahlberechtigung vorschreibt, zugelassen. Viele Personen, die entweder der moderirten oder gar keiner Partei angehören, scheuen sich indessen, ihre Rechte geltend zu machen, weil sie sich vor den Beschimpfungen und Mißhandlungen fürchten, mit denen der am Eingange des Ayuntamiento versammelte Pöbel nicht selten die Personen, die in anständiger Kleidung erscheinen, überhäuft. Diese Auftritte haben bereits verschiedene Thätlichkeiten hervorgerufen, und in Balaguer (Catalonien) wurde vor kurzem ein ruhiger Bürger, der für die Moderirten gestimmt hatte, auf offener Landstraße von mehreren Exaltirten ermordet. Letztere befürchten offenbar bei den bevorstehenden Wahlen zu unterliegen, denn ihre Aufforderungen zu Gewaltthätigkeiten werden mit jedem Tage lauter und eindringlicher; jeder noch so gesetzmäßige Schritt, den die Gegenpartei thut, um den Sieg davon zu tragen, wird für Hochverrath, Verfälschung der öffentlichen Meinung und offenbar verdammenswerthes und nichtiges Bestreben ausgegeben. Es unterliegt auch keinem Zweifel, daß bei dem Eintritt der Wahlhandlungen selbst alle Mittel des Terrorismus werden in Bewegung gesetzt werden, um dem Volke die „freie Ausübung seines Rechts“, oder mit andern Worten, den racheschnaubenden und gewaltdürstigen Demagogen das Uebergewicht zuzusichern. – Ich theilte Ihnen neulich eine mündliche Aeußerung Maroto's mit; nun wird hier behauptet, dieser General habe dem Herzog de la Victoria geschrieben, daß, wenn die Moderirten noch lang am Ruder blieben, Don Carlos endlich König von Spanien werden würde. Ich bezweifle, daß Maroto einen Brief dieses Inhalts an Espartero gerichtet habe, und vermuthe nur, daß die erwähnte mündliche Aeußerung einem Anhänger der exaltirten Partei zu Ohren gekommen sey, und nun von dieser, ihren Zwecken gemäß, benutzt werde. Um die zahlreichen Carlisten, welche sich der Königin unterworfen haben, auf ihre Seite zu bringen, suchen die Exaltirten ihnen den Glauben einzuflößen, daß durch das fehlerhafte politische System der Moderirten der endliche Triumph des Prätendenten, also die unerbittlichste Bestrafung derjenigen, welche seiner Fahne abtrünnig geworden wären, herbeigeführt werden könne. Letztere fürchten sich indessen fast eben so sehr vor dem Siege der Exaltirten, weil sie wissen und es täglich erfahren, daß ihnen diese ihr früheres Verhalten niemals verzeihen werden. Auf der andern Seite scheuen sie sich aber, sich offen für die Moderirten zu erklären, indem sie deren wahrscheinlichen Sturz voraussehen, und nicht in die Folgen desselben verwickelt zu werden wünschen können. So sind sie denn auf eine abwartende Stellung hingewiesen.

Großbritannien.

Die M. Post hatte ihrer (vorgestern erwähnten) Angabe, daß Lord Palmerston Rußlands Vorschläge in der orientalischen Angelegenheit beigetreten sey, mancherlei der whiggischen Politik ungünstige Bemerkungen angehängt, die der ministerielle Globe mit Spott behandelt, ohne jedoch in der Sache selbst eine genügende Aufklärung zu geben. Vielmehr sind seine Erläuterungen über die Dardanellenfrage nur geeignet, in Betreff der praktischen Folgen des Vertrags von Hunkiar Skelessi den wahren Gesichtspunkt zu verrücken. „Die Post,“ sagt der Globe, „ist groß in Fraubasenneuigkeiten, sie ist das anerkannte Orakel aller Kammerjungfern, die Modezeitung der Bedientenstuben. Durch den rastlosen Eifer, womit ihre Zuträger allen Schnickschnack der Abigails (Stubenmägde) aufklauben, sieht sie sich gelegentlich in den Stand gesetzt, die frischesten Nachrichten über „bevorstehende Heirathen in der vornehmen Welt“ und ähnliche Ereignisse von Belang zu liefern. Jetzt aber hat unsre Collegin einen höheren Flug gewagt, damit aber nur bewiesen, daß sie die alte Maxime: „Ne sutor ultra crepidam“ nicht kennt, oder nicht bedacht hat.“ Der Globe citirt hier die erwähnte Nachricht des Toryjournals, und fährt fort: „Da die Post sich nicht herbeigelassen hat, ihre hohe Autorität für ihre Nachricht zu nennen, so bleibt das Publicum hierüber in einer peinlichen Spannung, die zu heben nicht in unsrer Macht liegt. Damit jedoch die hämischen Bemerkungen, mit denen das Blatt seine Angabe begleitet, nicht die irrige Meinung verbreiten, Lord Palmerston habe, seiner Gewohnheit entgegen, in diesem Fall eine Geneigtheit gezeigt, Rußland einen mit der Ehre und Unabhängigkeit Englands nicht verträglichen, durch bestehende und anerkannte Verträge nicht gerechtfertigten Einfluß üben zu lassen, so wollen wir uns die Mühe nehmen, der Post einige ihrer Ungereimtheiten nachzuweisen. „„Der neuerlich von Rußland gemachte Vorschlag, versichert sie, geht dahin, daß, falls zum Schutze Konstantinopels das Vorrücken eines russischen Heers in die Nachbarschaft dieser Hauptstadt nöthig würde, den Flotten Großbritanniens und Frankreichs sofort gestattet seyn soll, in die Dardanellen einzulaufen, jedoch nur mit einer solchen Anzahl Schiffe, wie sie zuvor durch Vertrag unter den fünf Mächten festgesetzt, und als zu den Erfordernissen des Augenblicks und der Größe der von Rußland aufgewendeten Streitkräfte verhältnißmäßig befunden worden seyn werde.““ Den Flotten Großbritanniens und Frankreichs soll es gestattet seyn, in die Dardanellen einzulaufen! Gestattet! Von wem? Von Rußland? Welche Befugniß besitzt Rußland, oder hat es je angesprochen, die Dardanellendurchfahrt den englischen und französischen Kriegsschiffen zu erlauben oder zu verbieten? Die Dardanellen gehören völkerrechtlich der Türkei, einer unabhängigen Macht, die das Recht hat, den Schiffen anderer unabhängigen Mächte die Annäherung an ihre Küsten zu gestatten, oder sie in ihre Häfen einzuladen. In dieses Recht störend einzugreifen ist Rußland so wenig befugt, und, wie wir glauben, auch so wenig geneigt, als es brittischen Schiffen, mit Frankreichs Zustimmung in den Hafen von Brest, oder französischen Schiffen mit Englands Genehmigung in den Hafen von Plymouth einzulaufen wehren kann oder darf. Die Post wähnt, der Vertrag von Hunkiar Skelessi enthalte eine Stipulation, wornach Rußland das Recht habe, die Anzahl der brittischen oder französischen Kriegsschiffe zu bestimmen, die eventuell in die Dardanellen zuzulassen seyen. Die kurze und hoffentlich genügende Antwort darauf ist, daß Lord Palmerston bei Gelegenheit, als eine Abschrift jenes Vertrags auf den Tisch des Unterhauses niedergelegt wurde, von seinem Platz in diesem Hause aus erklärte, „die brittische Regierung habe dem russischen Hof notificirt, daß sie durch solche Restrictionen sich nicht als gebunden betrachte.“ – An dieser Erklärung wird unsre Regierung festhalten. Sollte ein Schritt Mehemed Ali's ein Angehen der fünf Mächte von Seite des Sultans nöthig machen, so würde der Betrag und die Art der Streitkräfte, welche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0010" n="0130"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Spanien.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <dateline><hi rendition="#b">Madrid,</hi> 4 Jan.</dateline>
          <p> Die Anstrengungen der verschiedenen Parteien, bei den bevorstehenden Wahlen zu den Cortes den Sieg davon zu tragen, vermehren sich mit jedem Tage, und der Ausgang ist daher noch keineswegs mit Gewißheit vorauszusehen. Die hiesige Provincialdeputation hält täglich öffentliche Sitzungen, um über die Reclamationen der Wahlberechtigten zu entscheiden. Verschiedene Granden von Spanien ersten Ranges, welche als solche in die Liste der Wähler aufgenommen zu werden verlangten, wurden zurückgewiesen, und erst, nachdem sie das unbedeutende Eigenthum nachgewiesen hatten, welches das Gesetz als Bedingung der Wahlberechtigung vorschreibt, zugelassen. Viele Personen, die entweder der moderirten oder gar keiner Partei angehören, scheuen sich indessen, ihre Rechte geltend zu machen, weil sie sich vor den Beschimpfungen und Mißhandlungen fürchten, mit denen der am Eingange des Ayuntamiento versammelte Pöbel nicht selten die Personen, die in anständiger Kleidung erscheinen, überhäuft. Diese Auftritte haben bereits verschiedene Thätlichkeiten hervorgerufen, und in Balaguer (Catalonien) wurde vor kurzem ein ruhiger Bürger, der für die Moderirten gestimmt hatte, auf offener Landstraße von mehreren Exaltirten ermordet. Letztere befürchten offenbar bei den bevorstehenden Wahlen zu unterliegen, denn ihre Aufforderungen zu Gewaltthätigkeiten werden mit jedem Tage lauter und eindringlicher; jeder noch so gesetzmäßige Schritt, den die Gegenpartei thut, um den Sieg davon zu tragen, wird für Hochverrath, Verfälschung der öffentlichen Meinung und offenbar verdammenswerthes und nichtiges Bestreben ausgegeben. Es unterliegt auch keinem Zweifel, daß bei dem Eintritt der Wahlhandlungen selbst alle Mittel des Terrorismus werden in Bewegung gesetzt werden, um dem Volke die &#x201E;freie Ausübung seines Rechts&#x201C;, oder mit andern Worten, den racheschnaubenden und gewaltdürstigen Demagogen das Uebergewicht zuzusichern. &#x2013; Ich theilte Ihnen neulich eine mündliche Aeußerung Maroto's mit; nun wird hier behauptet, dieser General habe dem Herzog de la Victoria geschrieben, daß, wenn die Moderirten noch lang am Ruder blieben, Don Carlos endlich König von Spanien werden würde. Ich bezweifle, daß Maroto einen Brief dieses Inhalts an Espartero gerichtet habe, und vermuthe nur, daß die erwähnte mündliche Aeußerung einem Anhänger der exaltirten Partei zu Ohren gekommen sey, und nun von dieser, ihren Zwecken gemäß, benutzt werde. Um die zahlreichen Carlisten, welche sich der Königin unterworfen haben, auf ihre Seite zu bringen, suchen die Exaltirten ihnen den Glauben einzuflößen, daß durch das fehlerhafte politische System der Moderirten der endliche Triumph des Prätendenten, also die unerbittlichste Bestrafung derjenigen, welche seiner Fahne abtrünnig geworden wären, herbeigeführt werden könne. Letztere fürchten sich indessen fast eben so sehr vor dem Siege der Exaltirten, weil sie wissen und es täglich erfahren, daß ihnen diese ihr früheres Verhalten niemals verzeihen werden. Auf der andern Seite scheuen sie sich aber, sich offen für die Moderirten zu erklären, indem sie deren wahrscheinlichen Sturz voraussehen, und nicht in die Folgen desselben verwickelt zu werden wünschen können. So sind sie denn auf eine abwartende Stellung hingewiesen.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/>
        <p>Die M. <hi rendition="#g">Post</hi> hatte ihrer (vorgestern erwähnten) Angabe, daß Lord Palmerston Rußlands Vorschläge in der orientalischen Angelegenheit beigetreten sey, mancherlei der whiggischen Politik ungünstige Bemerkungen angehängt, die der ministerielle <hi rendition="#g">Globe</hi> mit Spott behandelt, ohne jedoch in der Sache selbst eine genügende Aufklärung zu geben. Vielmehr sind seine Erläuterungen über die Dardanellenfrage nur geeignet, in Betreff der praktischen Folgen des Vertrags von Hunkiar Skelessi den wahren Gesichtspunkt zu verrücken. &#x201E;Die Post,&#x201C; sagt der <hi rendition="#g">Globe</hi>, &#x201E;ist groß in Fraubasenneuigkeiten, sie ist das anerkannte Orakel aller Kammerjungfern, die Modezeitung der Bedientenstuben. Durch den rastlosen Eifer, womit ihre Zuträger allen Schnickschnack der Abigails (Stubenmägde) aufklauben, sieht sie sich gelegentlich in den Stand gesetzt, die frischesten Nachrichten über &#x201E;bevorstehende Heirathen in der vornehmen Welt&#x201C; und ähnliche Ereignisse von Belang zu liefern. Jetzt aber hat unsre Collegin einen höheren Flug gewagt, damit aber nur bewiesen, daß sie die alte Maxime: &#x201E;Ne sutor ultra crepidam&#x201C; nicht kennt, oder nicht bedacht hat.&#x201C; Der Globe citirt hier die erwähnte Nachricht des Toryjournals, und fährt fort: &#x201E;Da die Post sich nicht herbeigelassen hat, ihre hohe Autorität für ihre Nachricht zu nennen, so bleibt das Publicum hierüber in einer peinlichen Spannung, die zu heben nicht in unsrer Macht liegt. Damit jedoch die hämischen Bemerkungen, mit denen das Blatt seine Angabe begleitet, nicht die irrige Meinung verbreiten, Lord Palmerston habe, seiner Gewohnheit entgegen, in diesem Fall eine Geneigtheit gezeigt, Rußland einen mit der Ehre und Unabhängigkeit Englands nicht verträglichen, durch bestehende und anerkannte Verträge nicht gerechtfertigten Einfluß üben zu lassen, so wollen wir uns die Mühe nehmen, der Post einige ihrer Ungereimtheiten nachzuweisen. &#x201E;&#x201E;Der neuerlich von Rußland gemachte Vorschlag, versichert sie, geht dahin, daß, falls zum Schutze Konstantinopels das Vorrücken eines russischen Heers in die Nachbarschaft dieser Hauptstadt nöthig würde, den Flotten Großbritanniens und Frankreichs sofort gestattet seyn soll, in die Dardanellen einzulaufen, jedoch nur mit einer solchen Anzahl Schiffe, wie sie zuvor durch Vertrag unter den fünf Mächten festgesetzt, und als zu den Erfordernissen des Augenblicks und der Größe der von Rußland aufgewendeten Streitkräfte verhältnißmäßig befunden worden seyn werde.&#x201C;&#x201C; Den Flotten Großbritanniens und Frankreichs soll es <hi rendition="#g">gestattet</hi> seyn, in die Dardanellen einzulaufen! Gestattet! Von wem? Von Rußland? Welche Befugniß besitzt Rußland, oder hat es je angesprochen, die Dardanellendurchfahrt den englischen und französischen Kriegsschiffen zu erlauben oder zu verbieten? Die Dardanellen gehören völkerrechtlich der Türkei, einer unabhängigen Macht, die das Recht hat, den Schiffen anderer unabhängigen Mächte die Annäherung an ihre Küsten zu gestatten, oder sie in ihre Häfen einzuladen. In dieses Recht störend einzugreifen ist Rußland so wenig befugt, und, wie wir glauben, auch so wenig geneigt, als es brittischen Schiffen, mit Frankreichs Zustimmung in den Hafen von Brest, oder französischen Schiffen mit Englands Genehmigung in den Hafen von Plymouth einzulaufen wehren kann oder darf. Die Post wähnt, der Vertrag von Hunkiar Skelessi enthalte eine Stipulation, wornach Rußland das Recht habe, die Anzahl der brittischen oder französischen Kriegsschiffe zu bestimmen, die eventuell in die Dardanellen zuzulassen seyen. Die kurze und hoffentlich genügende Antwort darauf ist, daß Lord Palmerston bei Gelegenheit, als eine Abschrift jenes Vertrags auf den Tisch des Unterhauses niedergelegt wurde, von seinem Platz in diesem Hause aus erklärte, &#x201E;die brittische Regierung habe dem russischen Hof notificirt, daß sie durch solche Restrictionen sich nicht als gebunden betrachte.&#x201C; &#x2013; An dieser Erklärung wird unsre Regierung festhalten. Sollte ein Schritt Mehemed Ali's ein Angehen der fünf Mächte von Seite des Sultans nöthig machen, so würde der Betrag und die Art der Streitkräfte, welche<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0130/0010] Spanien. Madrid, 4 Jan. Die Anstrengungen der verschiedenen Parteien, bei den bevorstehenden Wahlen zu den Cortes den Sieg davon zu tragen, vermehren sich mit jedem Tage, und der Ausgang ist daher noch keineswegs mit Gewißheit vorauszusehen. Die hiesige Provincialdeputation hält täglich öffentliche Sitzungen, um über die Reclamationen der Wahlberechtigten zu entscheiden. Verschiedene Granden von Spanien ersten Ranges, welche als solche in die Liste der Wähler aufgenommen zu werden verlangten, wurden zurückgewiesen, und erst, nachdem sie das unbedeutende Eigenthum nachgewiesen hatten, welches das Gesetz als Bedingung der Wahlberechtigung vorschreibt, zugelassen. Viele Personen, die entweder der moderirten oder gar keiner Partei angehören, scheuen sich indessen, ihre Rechte geltend zu machen, weil sie sich vor den Beschimpfungen und Mißhandlungen fürchten, mit denen der am Eingange des Ayuntamiento versammelte Pöbel nicht selten die Personen, die in anständiger Kleidung erscheinen, überhäuft. Diese Auftritte haben bereits verschiedene Thätlichkeiten hervorgerufen, und in Balaguer (Catalonien) wurde vor kurzem ein ruhiger Bürger, der für die Moderirten gestimmt hatte, auf offener Landstraße von mehreren Exaltirten ermordet. Letztere befürchten offenbar bei den bevorstehenden Wahlen zu unterliegen, denn ihre Aufforderungen zu Gewaltthätigkeiten werden mit jedem Tage lauter und eindringlicher; jeder noch so gesetzmäßige Schritt, den die Gegenpartei thut, um den Sieg davon zu tragen, wird für Hochverrath, Verfälschung der öffentlichen Meinung und offenbar verdammenswerthes und nichtiges Bestreben ausgegeben. Es unterliegt auch keinem Zweifel, daß bei dem Eintritt der Wahlhandlungen selbst alle Mittel des Terrorismus werden in Bewegung gesetzt werden, um dem Volke die „freie Ausübung seines Rechts“, oder mit andern Worten, den racheschnaubenden und gewaltdürstigen Demagogen das Uebergewicht zuzusichern. – Ich theilte Ihnen neulich eine mündliche Aeußerung Maroto's mit; nun wird hier behauptet, dieser General habe dem Herzog de la Victoria geschrieben, daß, wenn die Moderirten noch lang am Ruder blieben, Don Carlos endlich König von Spanien werden würde. Ich bezweifle, daß Maroto einen Brief dieses Inhalts an Espartero gerichtet habe, und vermuthe nur, daß die erwähnte mündliche Aeußerung einem Anhänger der exaltirten Partei zu Ohren gekommen sey, und nun von dieser, ihren Zwecken gemäß, benutzt werde. Um die zahlreichen Carlisten, welche sich der Königin unterworfen haben, auf ihre Seite zu bringen, suchen die Exaltirten ihnen den Glauben einzuflößen, daß durch das fehlerhafte politische System der Moderirten der endliche Triumph des Prätendenten, also die unerbittlichste Bestrafung derjenigen, welche seiner Fahne abtrünnig geworden wären, herbeigeführt werden könne. Letztere fürchten sich indessen fast eben so sehr vor dem Siege der Exaltirten, weil sie wissen und es täglich erfahren, daß ihnen diese ihr früheres Verhalten niemals verzeihen werden. Auf der andern Seite scheuen sie sich aber, sich offen für die Moderirten zu erklären, indem sie deren wahrscheinlichen Sturz voraussehen, und nicht in die Folgen desselben verwickelt zu werden wünschen können. So sind sie denn auf eine abwartende Stellung hingewiesen. Großbritannien. Die M. Post hatte ihrer (vorgestern erwähnten) Angabe, daß Lord Palmerston Rußlands Vorschläge in der orientalischen Angelegenheit beigetreten sey, mancherlei der whiggischen Politik ungünstige Bemerkungen angehängt, die der ministerielle Globe mit Spott behandelt, ohne jedoch in der Sache selbst eine genügende Aufklärung zu geben. Vielmehr sind seine Erläuterungen über die Dardanellenfrage nur geeignet, in Betreff der praktischen Folgen des Vertrags von Hunkiar Skelessi den wahren Gesichtspunkt zu verrücken. „Die Post,“ sagt der Globe, „ist groß in Fraubasenneuigkeiten, sie ist das anerkannte Orakel aller Kammerjungfern, die Modezeitung der Bedientenstuben. Durch den rastlosen Eifer, womit ihre Zuträger allen Schnickschnack der Abigails (Stubenmägde) aufklauben, sieht sie sich gelegentlich in den Stand gesetzt, die frischesten Nachrichten über „bevorstehende Heirathen in der vornehmen Welt“ und ähnliche Ereignisse von Belang zu liefern. Jetzt aber hat unsre Collegin einen höheren Flug gewagt, damit aber nur bewiesen, daß sie die alte Maxime: „Ne sutor ultra crepidam“ nicht kennt, oder nicht bedacht hat.“ Der Globe citirt hier die erwähnte Nachricht des Toryjournals, und fährt fort: „Da die Post sich nicht herbeigelassen hat, ihre hohe Autorität für ihre Nachricht zu nennen, so bleibt das Publicum hierüber in einer peinlichen Spannung, die zu heben nicht in unsrer Macht liegt. Damit jedoch die hämischen Bemerkungen, mit denen das Blatt seine Angabe begleitet, nicht die irrige Meinung verbreiten, Lord Palmerston habe, seiner Gewohnheit entgegen, in diesem Fall eine Geneigtheit gezeigt, Rußland einen mit der Ehre und Unabhängigkeit Englands nicht verträglichen, durch bestehende und anerkannte Verträge nicht gerechtfertigten Einfluß üben zu lassen, so wollen wir uns die Mühe nehmen, der Post einige ihrer Ungereimtheiten nachzuweisen. „„Der neuerlich von Rußland gemachte Vorschlag, versichert sie, geht dahin, daß, falls zum Schutze Konstantinopels das Vorrücken eines russischen Heers in die Nachbarschaft dieser Hauptstadt nöthig würde, den Flotten Großbritanniens und Frankreichs sofort gestattet seyn soll, in die Dardanellen einzulaufen, jedoch nur mit einer solchen Anzahl Schiffe, wie sie zuvor durch Vertrag unter den fünf Mächten festgesetzt, und als zu den Erfordernissen des Augenblicks und der Größe der von Rußland aufgewendeten Streitkräfte verhältnißmäßig befunden worden seyn werde.““ Den Flotten Großbritanniens und Frankreichs soll es gestattet seyn, in die Dardanellen einzulaufen! Gestattet! Von wem? Von Rußland? Welche Befugniß besitzt Rußland, oder hat es je angesprochen, die Dardanellendurchfahrt den englischen und französischen Kriegsschiffen zu erlauben oder zu verbieten? Die Dardanellen gehören völkerrechtlich der Türkei, einer unabhängigen Macht, die das Recht hat, den Schiffen anderer unabhängigen Mächte die Annäherung an ihre Küsten zu gestatten, oder sie in ihre Häfen einzuladen. In dieses Recht störend einzugreifen ist Rußland so wenig befugt, und, wie wir glauben, auch so wenig geneigt, als es brittischen Schiffen, mit Frankreichs Zustimmung in den Hafen von Brest, oder französischen Schiffen mit Englands Genehmigung in den Hafen von Plymouth einzulaufen wehren kann oder darf. Die Post wähnt, der Vertrag von Hunkiar Skelessi enthalte eine Stipulation, wornach Rußland das Recht habe, die Anzahl der brittischen oder französischen Kriegsschiffe zu bestimmen, die eventuell in die Dardanellen zuzulassen seyen. Die kurze und hoffentlich genügende Antwort darauf ist, daß Lord Palmerston bei Gelegenheit, als eine Abschrift jenes Vertrags auf den Tisch des Unterhauses niedergelegt wurde, von seinem Platz in diesem Hause aus erklärte, „die brittische Regierung habe dem russischen Hof notificirt, daß sie durch solche Restrictionen sich nicht als gebunden betrachte.“ – An dieser Erklärung wird unsre Regierung festhalten. Sollte ein Schritt Mehemed Ali's ein Angehen der fünf Mächte von Seite des Sultans nöthig machen, so würde der Betrag und die Art der Streitkräfte, welche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_017_18400117
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_017_18400117/10
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 17. Augsburg, 17. Januar 1840, S. 0130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_017_18400117/10>, abgerufen am 11.12.2024.