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Allgemeine Zeitung. Nr. 12. Augsburg, 12. Januar 1840.

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Frauen mit fort, welche sie entweder zu Sklaven machen oder an die Bukharen und Perser verkaufen, trotz der Verträge, welche Rußland mit den Regierungen dieser Staaten eingegangen, um den Verkauf russischer Unterthanen zu hindern. Die Perser haben mehr noch als die Russen von den Räubereien ihrer gefährlichen Nachbarn zu leiden. Als Schiiten werden die Perser von den sunnitischen Turkomanen verachtet und gehaßt; häufig brennen die Turkomanen persische Dörfer nieder, schleppen die Familien fort und verschwinden mit ihrer Beute, ehe man Zeit hat, sie zu verfolgen. In den stürmischen Jahren, welche der Thronbesteigung der Dynastie Kadschar vorangingen, dehnten die Turkomanen ihre Raubzüge bis in die Gegend von Ispahan aus. Bei diesen abenteuerlichen Zügen begünstigt sie eine Pferderace, welche, was das Ertragen der Beschwerden, des Hungers und Durstes anbelangt, die trefflichste der Welt ist. Um ein Begriff zu geben von dem, was sich mit diesen Thieren anfangen läßt, führen wir nur die Bemerkung von Burnes an, der sich nicht scheut zu versichern, daß turkomanische Pferde 600 englische Meilen innerhalb sechs Tagen zurücklegten und dabei noch die nöthigen Lebensmittel für sich und ihre Reiter trugen.

Rußlands Beschwerden gegen diese Völker, welche nun der Krieg rächen soll, sind gewiß sehr gegründet. Da aber der Anlaß zu diesen Beschwerden schon seit langer Zeit besteht, ohne daß Rußland zum Krieg schritt, so darf man annehmen, daß unter dieser jetzt begonnenen Expedition sich politische Motive bergen. Wir unsererseits glauben, daß die Absicht des St. Petersburger Cabinets bei diesem Krieg ist, dem moralischen Einfluß, welchen England der Einzug seiner siegreichen Armee in Kabul gab, das Gegengewicht zu halten. Letzteres Ereigniß wurde von der persischen Regierung so sehr gefürchtet, daß Hr. Fraser, welcher 1834 sich in Khorasan in Abbas Mirza's Lager befand, damals auf das bloße Gerücht des Uebergangs einer englischen Armee über den Indus, um Schah Schudscha wieder auf den Thron von Afghanistan zu setzen, beinahe als Kriegsgefangener zurückgehalten worden wäre. In Rußlands Interesse liegt es nun, seinerseits einen Beweis seiner Stärke zu geben, wenn es den Einfluß, dessen es in Teheran genießt, nicht geschwächt sehen will. Gewiß wäre die Niederlage der so gefürchteten Stämme von Khiwa ein Ereigniß, welches in der Meinung der Perser und Bucharen Rußlands Macht bedeutend erhöhen würde.

Kann aber Rußland in Khiwa einen nachdrücklichen Krieg führen? Dieß ist noch eine Frage. Im Jahr 1819 landete Hr. Murawieff, der mit einer Botschaft an den Khan von Khiwa beauftragt war, an den Ufern des kaspischen Meeres mit einer Colonne von etwa 1500 Mann, welche bei seiner Rückkehr durch Hunger, Durst und Krankheiten auf fast ein Viertheil sich vermindert sahen, ohne daß sie auf ernste Feindseligkeiten gestoßen waren. Diese Straße ist also nicht prakticabel, und die Nachrichten, welche uns den Aufbruch des Generals Perowski von Orenburg meldeten, sagen wenigstens, daß die Expedition einen andern Weg verfolgen wird. Wir wollen hier nicht in eine Untersuchung der äußerst bedeutenden Schwierigkeiten eingehen, welche die Expedition bereits von der russischen Gränze, nämlich von Orenburg an bis zur Nordgränze von Khiwa erwarten. Wir verweisen die, welche für diesen Gegenstand sich interessiren, auf das Werk des Barons von Meyendorff, der bekanntlich eine russische Mission nach Bukhara vollzog, und auf das kostbare, aus dem Russischen übersetzte Werk, welches Hr. Charriere in diesem Augenblick herausgibt unter dem Titel: "Beschreibung der Kirgis-Kaisaken." Den deutschen Journalen, welche anzeigten, der Abmarsch der vom General Perowski befehligten Truppen habe im December stattgefunden, bemerken wir, daß um diese Zeit die ganze Region, welche die Expeditionsarmee zu durchziehen hatte, unter einer mehrere Fuß tiefen Schneedecke begraben seyn mußte. Den Blättern, welche diesen Zwangsmarsch der Nothwendigkeit zuschreiben, daß die Russen in Khiwa eintreffen müßten, ehe die Engländer dorthin Truppen schicken könnten, bemerken wir, daß die Engländer in Kabul dreihundert (?) Lieues von Khiwa entfernt und durch die Engpässe des Paropamisus und Hindu-Kusch, durch Wüsten, Ströme und Gebirge getrennt sind. Es ist gar nicht wahrscheinlich, daß sich die Russen in einen solchen Zug im Winter einlassen werden nach der traurigen Erfahrung, die ihnen gelehrt hat, wie theuer dergleichen abenteuerliche Expeditionen selbst während der schönen Jahreszeit zu stehen kommen. Wir warten also weitere Nachrichten ab, ehe wir an ernste Bewegungen glauben.*)


Emigrationscommittee in London.

Die Colonialangelegenheiten nehmen mehr und mehr den Rang ein, den ihnen ihre Wichtigkeit längst hätte anweisen sollen, und daß Lord Russell dieses Ministerium annahm, war schon ein deutliches Zeichen, daß sich die Wahrheit darüber auch dem Ministerium aufgedrängt hat. Die große Theuerung, welche gegenwärtig herrscht, hat das Ihrige dazu beigetragen, und die zahllosen Emigrationsgesellschaften, welche sich in allen Theilen von Großbritannien gebildet haben, sind ein zu deutliches Zeichen der Zeit, als daß es hätte vernachlässigt werden können. Das alle Erwartung übersteigende Gelingen des Versuchs, eine Colonie durch den bloßen Verkauf der Kronländereien zu stiften, der in Südaustralien gemacht worden ist, das Bedürfniß von Arbeitern in Westindien und Guiana, die Nothwendigkeit, das englische Interesse in Canada durch zunehmende Emigration zu befestigen, und der Andrang von Auswanderern nach Neuseeland, verbunden mit dem Preis der Arbeit in England, welcher unter alle natürlichen Gränzen gefallen ist - Alles zusammen zeigt unwiderstehlich an, daß der Instinct der Nation das Hülfsmittel gefunden hat, das sie von ihrer Noth befreien wird. Die vom Parlament eingesetzte Commission für Colonisation von Südaustralien ist aufgelöst, und eine allgemeine Emigrationscommittee von drei Mitgliedern ernannt worden, welche den Verkauf von Kronländereien und die mit dem Ertrag zu bewerkstelligende Emigration von Arbeitern in allen englischen Colonien in Ausführung zu bringen hat. Alle bisherigen Systeme von unentgeltlicher Anweisung von Kronländereien, von ihrer Vergebung anstatt Militärpensionen, von Versteigerung derselben, von Verkauf an Landcompagnien u. s. w. sind aufgegeben, und die neue Committee hat das Wakefield'sche Princip von Verkauf zu einem fixen und unveränderlichen Preis überall und gleichförmig anzuwenden, wie es bis jetzt nur in Südaustralien angewendet worden ist. Die Resultate, die es dort hervorgebracht hat, sind bewundernswerth: in weniger als dritthalb Jahren haben sich auf der wüsten Küste dort über 9000 Personen niedergelassen, eine Hauptstadt mit über 1000 Häusern und zwei Häfen gebaut, über 100,000 Schafe und gegen 10,000 Stück

*) Das Journal des Debats ist hier mehrfach im Irrthum. Nicht die deutschen, sondern die St. Petersburger officiellen Blätter meldeten unterm 27 Dec. den am 1 Dec. erfolgten Abmarsch des Generals Perowski von Orenburg aus. Spätere Berichte sagten ausdrücklich, daß die Expedition schon vier Tagmärsche in der Kirgisensteppe zurückgelegt habe.


Frauen mit fort, welche sie entweder zu Sklaven machen oder an die Bukharen und Perser verkaufen, trotz der Verträge, welche Rußland mit den Regierungen dieser Staaten eingegangen, um den Verkauf russischer Unterthanen zu hindern. Die Perser haben mehr noch als die Russen von den Räubereien ihrer gefährlichen Nachbarn zu leiden. Als Schiiten werden die Perser von den sunnitischen Turkomanen verachtet und gehaßt; häufig brennen die Turkomanen persische Dörfer nieder, schleppen die Familien fort und verschwinden mit ihrer Beute, ehe man Zeit hat, sie zu verfolgen. In den stürmischen Jahren, welche der Thronbesteigung der Dynastie Kadschar vorangingen, dehnten die Turkomanen ihre Raubzüge bis in die Gegend von Ispahan aus. Bei diesen abenteuerlichen Zügen begünstigt sie eine Pferderace, welche, was das Ertragen der Beschwerden, des Hungers und Durstes anbelangt, die trefflichste der Welt ist. Um ein Begriff zu geben von dem, was sich mit diesen Thieren anfangen läßt, führen wir nur die Bemerkung von Burnes an, der sich nicht scheut zu versichern, daß turkomanische Pferde 600 englische Meilen innerhalb sechs Tagen zurücklegten und dabei noch die nöthigen Lebensmittel für sich und ihre Reiter trugen.

Rußlands Beschwerden gegen diese Völker, welche nun der Krieg rächen soll, sind gewiß sehr gegründet. Da aber der Anlaß zu diesen Beschwerden schon seit langer Zeit besteht, ohne daß Rußland zum Krieg schritt, so darf man annehmen, daß unter dieser jetzt begonnenen Expedition sich politische Motive bergen. Wir unsererseits glauben, daß die Absicht des St. Petersburger Cabinets bei diesem Krieg ist, dem moralischen Einfluß, welchen England der Einzug seiner siegreichen Armee in Kabul gab, das Gegengewicht zu halten. Letzteres Ereigniß wurde von der persischen Regierung so sehr gefürchtet, daß Hr. Fraser, welcher 1834 sich in Khorasan in Abbas Mirza's Lager befand, damals auf das bloße Gerücht des Uebergangs einer englischen Armee über den Indus, um Schah Schudscha wieder auf den Thron von Afghanistan zu setzen, beinahe als Kriegsgefangener zurückgehalten worden wäre. In Rußlands Interesse liegt es nun, seinerseits einen Beweis seiner Stärke zu geben, wenn es den Einfluß, dessen es in Teheran genießt, nicht geschwächt sehen will. Gewiß wäre die Niederlage der so gefürchteten Stämme von Khiwa ein Ereigniß, welches in der Meinung der Perser und Bucharen Rußlands Macht bedeutend erhöhen würde.

Kann aber Rußland in Khiwa einen nachdrücklichen Krieg führen? Dieß ist noch eine Frage. Im Jahr 1819 landete Hr. Murawieff, der mit einer Botschaft an den Khan von Khiwa beauftragt war, an den Ufern des kaspischen Meeres mit einer Colonne von etwa 1500 Mann, welche bei seiner Rückkehr durch Hunger, Durst und Krankheiten auf fast ein Viertheil sich vermindert sahen, ohne daß sie auf ernste Feindseligkeiten gestoßen waren. Diese Straße ist also nicht prakticabel, und die Nachrichten, welche uns den Aufbruch des Generals Perowski von Orenburg meldeten, sagen wenigstens, daß die Expedition einen andern Weg verfolgen wird. Wir wollen hier nicht in eine Untersuchung der äußerst bedeutenden Schwierigkeiten eingehen, welche die Expedition bereits von der russischen Gränze, nämlich von Orenburg an bis zur Nordgränze von Khiwa erwarten. Wir verweisen die, welche für diesen Gegenstand sich interessiren, auf das Werk des Barons von Meyendorff, der bekanntlich eine russische Mission nach Bukhara vollzog, und auf das kostbare, aus dem Russischen übersetzte Werk, welches Hr. Charrière in diesem Augenblick herausgibt unter dem Titel: „Beschreibung der Kirgis-Kaisaken.“ Den deutschen Journalen, welche anzeigten, der Abmarsch der vom General Perowski befehligten Truppen habe im December stattgefunden, bemerken wir, daß um diese Zeit die ganze Region, welche die Expeditionsarmee zu durchziehen hatte, unter einer mehrere Fuß tiefen Schneedecke begraben seyn mußte. Den Blättern, welche diesen Zwangsmarsch der Nothwendigkeit zuschreiben, daß die Russen in Khiwa eintreffen müßten, ehe die Engländer dorthin Truppen schicken könnten, bemerken wir, daß die Engländer in Kabul dreihundert (?) Lieues von Khiwa entfernt und durch die Engpässe des Paropamisus und Hindu-Kusch, durch Wüsten, Ströme und Gebirge getrennt sind. Es ist gar nicht wahrscheinlich, daß sich die Russen in einen solchen Zug im Winter einlassen werden nach der traurigen Erfahrung, die ihnen gelehrt hat, wie theuer dergleichen abenteuerliche Expeditionen selbst während der schönen Jahreszeit zu stehen kommen. Wir warten also weitere Nachrichten ab, ehe wir an ernste Bewegungen glauben.*)


Emigrationscommittee in London.

Die Colonialangelegenheiten nehmen mehr und mehr den Rang ein, den ihnen ihre Wichtigkeit längst hätte anweisen sollen, und daß Lord Russell dieses Ministerium annahm, war schon ein deutliches Zeichen, daß sich die Wahrheit darüber auch dem Ministerium aufgedrängt hat. Die große Theuerung, welche gegenwärtig herrscht, hat das Ihrige dazu beigetragen, und die zahllosen Emigrationsgesellschaften, welche sich in allen Theilen von Großbritannien gebildet haben, sind ein zu deutliches Zeichen der Zeit, als daß es hätte vernachlässigt werden können. Das alle Erwartung übersteigende Gelingen des Versuchs, eine Colonie durch den bloßen Verkauf der Kronländereien zu stiften, der in Südaustralien gemacht worden ist, das Bedürfniß von Arbeitern in Westindien und Guiana, die Nothwendigkeit, das englische Interesse in Canada durch zunehmende Emigration zu befestigen, und der Andrang von Auswanderern nach Neuseeland, verbunden mit dem Preis der Arbeit in England, welcher unter alle natürlichen Gränzen gefallen ist – Alles zusammen zeigt unwiderstehlich an, daß der Instinct der Nation das Hülfsmittel gefunden hat, das sie von ihrer Noth befreien wird. Die vom Parlament eingesetzte Commission für Colonisation von Südaustralien ist aufgelöst, und eine allgemeine Emigrationscommittee von drei Mitgliedern ernannt worden, welche den Verkauf von Kronländereien und die mit dem Ertrag zu bewerkstelligende Emigration von Arbeitern in allen englischen Colonien in Ausführung zu bringen hat. Alle bisherigen Systeme von unentgeltlicher Anweisung von Kronländereien, von ihrer Vergebung anstatt Militärpensionen, von Versteigerung derselben, von Verkauf an Landcompagnien u. s. w. sind aufgegeben, und die neue Committee hat das Wakefield'sche Princip von Verkauf zu einem fixen und unveränderlichen Preis überall und gleichförmig anzuwenden, wie es bis jetzt nur in Südaustralien angewendet worden ist. Die Resultate, die es dort hervorgebracht hat, sind bewundernswerth: in weniger als dritthalb Jahren haben sich auf der wüsten Küste dort über 9000 Personen niedergelassen, eine Hauptstadt mit über 1000 Häusern und zwei Häfen gebaut, über 100,000 Schafe und gegen 10,000 Stück

*) Das Journal des Débats ist hier mehrfach im Irrthum. Nicht die deutschen, sondern die St. Petersburger officiellen Blätter meldeten unterm 27 Dec. den am 1 Dec. erfolgten Abmarsch des Generals Perowski von Orenburg aus. Spätere Berichte sagten ausdrücklich, daß die Expedition schon vier Tagmärsche in der Kirgisensteppe zurückgelegt habe.
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[0091/0011] Frauen mit fort, welche sie entweder zu Sklaven machen oder an die Bukharen und Perser verkaufen, trotz der Verträge, welche Rußland mit den Regierungen dieser Staaten eingegangen, um den Verkauf russischer Unterthanen zu hindern. Die Perser haben mehr noch als die Russen von den Räubereien ihrer gefährlichen Nachbarn zu leiden. Als Schiiten werden die Perser von den sunnitischen Turkomanen verachtet und gehaßt; häufig brennen die Turkomanen persische Dörfer nieder, schleppen die Familien fort und verschwinden mit ihrer Beute, ehe man Zeit hat, sie zu verfolgen. In den stürmischen Jahren, welche der Thronbesteigung der Dynastie Kadschar vorangingen, dehnten die Turkomanen ihre Raubzüge bis in die Gegend von Ispahan aus. Bei diesen abenteuerlichen Zügen begünstigt sie eine Pferderace, welche, was das Ertragen der Beschwerden, des Hungers und Durstes anbelangt, die trefflichste der Welt ist. Um ein Begriff zu geben von dem, was sich mit diesen Thieren anfangen läßt, führen wir nur die Bemerkung von Burnes an, der sich nicht scheut zu versichern, daß turkomanische Pferde 600 englische Meilen innerhalb sechs Tagen zurücklegten und dabei noch die nöthigen Lebensmittel für sich und ihre Reiter trugen. Rußlands Beschwerden gegen diese Völker, welche nun der Krieg rächen soll, sind gewiß sehr gegründet. Da aber der Anlaß zu diesen Beschwerden schon seit langer Zeit besteht, ohne daß Rußland zum Krieg schritt, so darf man annehmen, daß unter dieser jetzt begonnenen Expedition sich politische Motive bergen. Wir unsererseits glauben, daß die Absicht des St. Petersburger Cabinets bei diesem Krieg ist, dem moralischen Einfluß, welchen England der Einzug seiner siegreichen Armee in Kabul gab, das Gegengewicht zu halten. Letzteres Ereigniß wurde von der persischen Regierung so sehr gefürchtet, daß Hr. Fraser, welcher 1834 sich in Khorasan in Abbas Mirza's Lager befand, damals auf das bloße Gerücht des Uebergangs einer englischen Armee über den Indus, um Schah Schudscha wieder auf den Thron von Afghanistan zu setzen, beinahe als Kriegsgefangener zurückgehalten worden wäre. In Rußlands Interesse liegt es nun, seinerseits einen Beweis seiner Stärke zu geben, wenn es den Einfluß, dessen es in Teheran genießt, nicht geschwächt sehen will. Gewiß wäre die Niederlage der so gefürchteten Stämme von Khiwa ein Ereigniß, welches in der Meinung der Perser und Bucharen Rußlands Macht bedeutend erhöhen würde. Kann aber Rußland in Khiwa einen nachdrücklichen Krieg führen? Dieß ist noch eine Frage. Im Jahr 1819 landete Hr. Murawieff, der mit einer Botschaft an den Khan von Khiwa beauftragt war, an den Ufern des kaspischen Meeres mit einer Colonne von etwa 1500 Mann, welche bei seiner Rückkehr durch Hunger, Durst und Krankheiten auf fast ein Viertheil sich vermindert sahen, ohne daß sie auf ernste Feindseligkeiten gestoßen waren. Diese Straße ist also nicht prakticabel, und die Nachrichten, welche uns den Aufbruch des Generals Perowski von Orenburg meldeten, sagen wenigstens, daß die Expedition einen andern Weg verfolgen wird. Wir wollen hier nicht in eine Untersuchung der äußerst bedeutenden Schwierigkeiten eingehen, welche die Expedition bereits von der russischen Gränze, nämlich von Orenburg an bis zur Nordgränze von Khiwa erwarten. Wir verweisen die, welche für diesen Gegenstand sich interessiren, auf das Werk des Barons von Meyendorff, der bekanntlich eine russische Mission nach Bukhara vollzog, und auf das kostbare, aus dem Russischen übersetzte Werk, welches Hr. Charrière in diesem Augenblick herausgibt unter dem Titel: „Beschreibung der Kirgis-Kaisaken.“ Den deutschen Journalen, welche anzeigten, der Abmarsch der vom General Perowski befehligten Truppen habe im December stattgefunden, bemerken wir, daß um diese Zeit die ganze Region, welche die Expeditionsarmee zu durchziehen hatte, unter einer mehrere Fuß tiefen Schneedecke begraben seyn mußte. Den Blättern, welche diesen Zwangsmarsch der Nothwendigkeit zuschreiben, daß die Russen in Khiwa eintreffen müßten, ehe die Engländer dorthin Truppen schicken könnten, bemerken wir, daß die Engländer in Kabul dreihundert (?) Lieues von Khiwa entfernt und durch die Engpässe des Paropamisus und Hindu-Kusch, durch Wüsten, Ströme und Gebirge getrennt sind. Es ist gar nicht wahrscheinlich, daß sich die Russen in einen solchen Zug im Winter einlassen werden nach der traurigen Erfahrung, die ihnen gelehrt hat, wie theuer dergleichen abenteuerliche Expeditionen selbst während der schönen Jahreszeit zu stehen kommen. Wir warten also weitere Nachrichten ab, ehe wir an ernste Bewegungen glauben. *) Emigrationscommittee in London. ** London, 1 Jan. Die Colonialangelegenheiten nehmen mehr und mehr den Rang ein, den ihnen ihre Wichtigkeit längst hätte anweisen sollen, und daß Lord Russell dieses Ministerium annahm, war schon ein deutliches Zeichen, daß sich die Wahrheit darüber auch dem Ministerium aufgedrängt hat. Die große Theuerung, welche gegenwärtig herrscht, hat das Ihrige dazu beigetragen, und die zahllosen Emigrationsgesellschaften, welche sich in allen Theilen von Großbritannien gebildet haben, sind ein zu deutliches Zeichen der Zeit, als daß es hätte vernachlässigt werden können. Das alle Erwartung übersteigende Gelingen des Versuchs, eine Colonie durch den bloßen Verkauf der Kronländereien zu stiften, der in Südaustralien gemacht worden ist, das Bedürfniß von Arbeitern in Westindien und Guiana, die Nothwendigkeit, das englische Interesse in Canada durch zunehmende Emigration zu befestigen, und der Andrang von Auswanderern nach Neuseeland, verbunden mit dem Preis der Arbeit in England, welcher unter alle natürlichen Gränzen gefallen ist – Alles zusammen zeigt unwiderstehlich an, daß der Instinct der Nation das Hülfsmittel gefunden hat, das sie von ihrer Noth befreien wird. Die vom Parlament eingesetzte Commission für Colonisation von Südaustralien ist aufgelöst, und eine allgemeine Emigrationscommittee von drei Mitgliedern ernannt worden, welche den Verkauf von Kronländereien und die mit dem Ertrag zu bewerkstelligende Emigration von Arbeitern in allen englischen Colonien in Ausführung zu bringen hat. Alle bisherigen Systeme von unentgeltlicher Anweisung von Kronländereien, von ihrer Vergebung anstatt Militärpensionen, von Versteigerung derselben, von Verkauf an Landcompagnien u. s. w. sind aufgegeben, und die neue Committee hat das Wakefield'sche Princip von Verkauf zu einem fixen und unveränderlichen Preis überall und gleichförmig anzuwenden, wie es bis jetzt nur in Südaustralien angewendet worden ist. Die Resultate, die es dort hervorgebracht hat, sind bewundernswerth: in weniger als dritthalb Jahren haben sich auf der wüsten Küste dort über 9000 Personen niedergelassen, eine Hauptstadt mit über 1000 Häusern und zwei Häfen gebaut, über 100,000 Schafe und gegen 10,000 Stück *) Das Journal des Débats ist hier mehrfach im Irrthum. Nicht die deutschen, sondern die St. Petersburger officiellen Blätter meldeten unterm 27 Dec. den am 1 Dec. erfolgten Abmarsch des Generals Perowski von Orenburg aus. Spätere Berichte sagten ausdrücklich, daß die Expedition schon vier Tagmärsche in der Kirgisensteppe zurückgelegt habe.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 12. Augsburg, 12. Januar 1840, S. 0091. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_012_18400112/11>, abgerufen am 24.11.2024.