Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 9. Augsburg, 9. Januar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Beilage zur Allgemeinen Zeitung
9 Januar 1840

Industrieberichte aus Frankreich, England und den Vereinigten Staaten.

Mit dem Project der Einrichtung einer großartigen Dampfschifffahrt zwischen den französischen Häfen und Nord- und Südamerika auf Kosten der Regierung soll es im Lauf des nächsten Jahres Ernst werden, wenn anders die Kammer nicht wieder in Ministerial-Compositionsdelirien verfällt und mehr phantasirt als handelt. Einige Oppositionsblätter, insbesondere das Journal du Commerce, protestiren indessen bereits gegen den Plan und verlangen, die Regierung solle nach dem Beispiel Englands nur Privatcompagnien unterstützen, nicht aber selbst Unternehmungen machen. Das Journal du Commerce vergißt, daß es die englische Regierung mit Engländern, die französische aber mit Franzosen zu thun hat. Von beinahe anderthalb hundert Compagnien, deren Curs voriges Jahr an der Börse quotirt worden ist, erfreuen sich heute nur noch zwei dieser Ehre. Die Art und Weise, wie die Geschäftsführer ihre Compagnien betrogen haben, geht ins Groteske und oft ins Hochkomische. Einer derselben, der Gerant einer Seifenfabrik, hatte eine Dividende von siebenzehn Procenten erklärt, worauf seine Actien bedeutend in die Höhe gingen. Als er bald darauf spurlos verschwand, konnten die Actionnäre nicht begreifen, wie der Agent eines so blühenden Geschäfts seinen Posten so ohne alle Ceremonie aufgeben könne. Bei der Untersuchung seines Nachlasses aber fanden sich nur Rechnungen über leere Fässer, nicht die geringsten Werthe. Der würdige Mann hatte mit den 17 Procenten das ganze noch vorhandene Vermögen der Compagnie vertheilt, in so weit er es nicht mit sich in sein neues Vaterland zu nehmen für gut gefunden. Es ist jetzt hier so sehr mit allem Associationsgeist in Frankreich aus, daß man kaum mehr davon sprechen kann, ohne sich lächerlich zu machen. In den nächsten Tagen wird eine Broschüre erscheinen, welche die Köchlin'sche Unternehmung von Straßburg nach Basel - dieses Muster der französischen Eisenbahnunternehmungen auf Actien - ins Licht stellt.

Wie sehr übrigens das Streben der Zeit auf die Beförderung der Transportmittel gerichtet ist, beweisen die Versuche, die zu gleicher Zeit in Nordamerika und England gemacht werden, vermittelst Menschenkraft in Verbindung mit ganz wohlfeilen (eisernen oder hölzernen) Schienenbahnen Reisende und geringe Lasten zu transportiren. Dieß ist das dem vorerwähnten ganz entgegengesetzte Ende des Welt-Transportsystems. Wenn die großen Dampfbootlinien darauf berechnet sind Welttheile und Hemisphären zu verbinden, so werden die Menschentransport-Maschinen dazu dienen den Verkehr zwischen Dörfern und kleinen Städten unter sich und mit den großen Eisenbahn-, Canal- und Dampfbootlinien zu erleichtern. Sie, so wenig als die Chausseedampfwagen, werden dem Verkehr der erwähnten großartigen Transportmittel Eintrag thun, sondern denselben vielmehr bedeutend vergrößern. Am weitesten ist Hr. Boydell, ein Engländer, in seinen derartigen Versuchen vorgerückt. Derselbe hat bereits auf einen durch Menschenkraft in Bewegung zu setzenden Wagen (eine Art Draisine die auf Schienen läuft) ein Patent genommen. Bei einem damit angestellten Versuche haben zwei Arbeiter sieben Personen in einem angehängten Wagen sechs englische Meilen weit fortbewegt, und der Erfinder hofft in Beziehung auf Gewicht und Schnelligkeit bald noch mehr leisten zu können. Schienenbahnen, nur zur Fortbewegung so geringer Lasten bestimmt, würden fast überall auf gewöhnlichen Chausseen und Vicinalstraßen mit wenig bedeutenden Kosten anzulegen seyn; wo aber die Steigung gar zu groß ist, könnte mit Pferdekraft nachgeholfen worden. Hancock hat immer noch nicht die Hoffnung aufgegeben, den Chausseedampfwagen zur größeren Vollkommenheit zu bringen, und neuere Experimente desselben haben bewiesen, daß er wieder ansehnliche Fortschritte gemacht hat.

Neuerlich ist man in England auf den Gedanken gekommen, mit dieser Erfindung die Pflasterung von künstlichem Granit oder von Holzblöcken in der Art in Verbindung zu bringen, daß die Räder des Chausseedampfwagens in zwei auf die eine oder die andere Weise gepflasterten Geleisen gehen sollen. Der künstliche Granit, eine Erfindung des Franzosen d'Harcourt, ist eine Composition animalischer, vegetabilischer und mineralischer Substanzen, die, erst flüssig, nach wenigen Minuten um so vieles härter wird als Marmor oder Granit, daß man beide Steinarten daran poliren kann. Auf Kosten der englischen Kronforstverwaltung werden damit gegenwärtig großartige Versuche angestellt. Mit der (Eichen-) Holzpflasterung sind in London, New-York und Philadelphia bereits Proben gemacht worden. In der letztern Stadt ist der Plan, die so garstigen (nicht gepflasterten) Fahrwege zwischen den beiden Trottoirs durchaus zu pflastern. Kommt diese Verbesserung zu Stande, so wird Philadelphia weit schöner seyn, als Bührlen in seinem Ideal einer schönen Stadt geträumt hat; er hat sich nicht vorgestellt, daß die Straßen ohne Staub und Unrath seyn werden, daß die Wagen ohne Erschütterung und Geräusch darauf hinrollen, daß die zehn Fuß breiten Trottoirs wie Estriche gepflastert sind, daß zu jedem Haus eine Treppe oder doch eine Staffel von blendend weißem Marmor führt, und daß jedes Haus mit laufendem Wasser versehen ist, das bis zum Dach empor getrieben werden kann. Es wäre zu wünschen, daß auch in Deutschland, das so großen Ueberfluß an allen dazu erforderlichen Materialien hat, mit den vorerwähnten Pflasterungen Versuche angestellt werden möchten.


Kirchliches aus Großbritannien.

Meinem Versprechen gemäß will ich das Nähere über den Streit zwischen der hochkirchlichen und evangelischen Partei, wie solcher sich in der Gesellschaft für die Verbreitung christlicher Erkenntniß zu äußern pflegt, mittheilen. Zu dieser Gesellschaft gehören fast alle Geistlichen der anglicanischen Kirche, ohne Unterschied der Partei; aber die Hochkirchlichen haben darin das Uebergewicht, und durch diese ist es Doksworth und den Puseyisten gelungen, den Druck von Schriften und Tractätchen durchzusetzen, welche von der entgegengesetzten Partei geradezu als papistisch verschrieen werden, besonders weil dieselben die guten Werke zu hoch anschlagen. Indem nun die Evangelischen von Zeit zu Zeit den Vorschlag zur Unterdrückung dieser Schriften im Verlage der Gesellschaft erneuern, kömmt es häufig zu Streitigkeiten, wobei die Gegensätze der Parteien aufs grellste hervortreten. Auf der andern Seite wieder haben die Evangelischen den Eifer der Hochkirchlichen durch die Stiftung des Pfarrgehülfen-Vereins erregt, weil derselbe die hohe Idee von apostolischer Succession nicht genugsam im Auge behält, indem er, nur auf das Heil der vielen vernachlässigten Seelen bedacht, mitunter auch Laien zum heilsamen Geschäfte gebraucht, die verlornen Schafe in die Hürde zu bringen.



Beilage zur Allgemeinen Zeitung
9 Januar 1840

Industrieberichte aus Frankreich, England und den Vereinigten Staaten.

Mit dem Project der Einrichtung einer großartigen Dampfschifffahrt zwischen den französischen Häfen und Nord- und Südamerika auf Kosten der Regierung soll es im Lauf des nächsten Jahres Ernst werden, wenn anders die Kammer nicht wieder in Ministerial-Compositionsdelirien verfällt und mehr phantasirt als handelt. Einige Oppositionsblätter, insbesondere das Journal du Commerce, protestiren indessen bereits gegen den Plan und verlangen, die Regierung solle nach dem Beispiel Englands nur Privatcompagnien unterstützen, nicht aber selbst Unternehmungen machen. Das Journal du Commerce vergißt, daß es die englische Regierung mit Engländern, die französische aber mit Franzosen zu thun hat. Von beinahe anderthalb hundert Compagnien, deren Curs voriges Jahr an der Börse quotirt worden ist, erfreuen sich heute nur noch zwei dieser Ehre. Die Art und Weise, wie die Geschäftsführer ihre Compagnien betrogen haben, geht ins Groteske und oft ins Hochkomische. Einer derselben, der Gerant einer Seifenfabrik, hatte eine Dividende von siebenzehn Procenten erklärt, worauf seine Actien bedeutend in die Höhe gingen. Als er bald darauf spurlos verschwand, konnten die Actionnäre nicht begreifen, wie der Agent eines so blühenden Geschäfts seinen Posten so ohne alle Ceremonie aufgeben könne. Bei der Untersuchung seines Nachlasses aber fanden sich nur Rechnungen über leere Fässer, nicht die geringsten Werthe. Der würdige Mann hatte mit den 17 Procenten das ganze noch vorhandene Vermögen der Compagnie vertheilt, in so weit er es nicht mit sich in sein neues Vaterland zu nehmen für gut gefunden. Es ist jetzt hier so sehr mit allem Associationsgeist in Frankreich aus, daß man kaum mehr davon sprechen kann, ohne sich lächerlich zu machen. In den nächsten Tagen wird eine Broschüre erscheinen, welche die Köchlin'sche Unternehmung von Straßburg nach Basel – dieses Muster der französischen Eisenbahnunternehmungen auf Actien – ins Licht stellt.

Wie sehr übrigens das Streben der Zeit auf die Beförderung der Transportmittel gerichtet ist, beweisen die Versuche, die zu gleicher Zeit in Nordamerika und England gemacht werden, vermittelst Menschenkraft in Verbindung mit ganz wohlfeilen (eisernen oder hölzernen) Schienenbahnen Reisende und geringe Lasten zu transportiren. Dieß ist das dem vorerwähnten ganz entgegengesetzte Ende des Welt-Transportsystems. Wenn die großen Dampfbootlinien darauf berechnet sind Welttheile und Hemisphären zu verbinden, so werden die Menschentransport-Maschinen dazu dienen den Verkehr zwischen Dörfern und kleinen Städten unter sich und mit den großen Eisenbahn-, Canal- und Dampfbootlinien zu erleichtern. Sie, so wenig als die Chausseedampfwagen, werden dem Verkehr der erwähnten großartigen Transportmittel Eintrag thun, sondern denselben vielmehr bedeutend vergrößern. Am weitesten ist Hr. Boydell, ein Engländer, in seinen derartigen Versuchen vorgerückt. Derselbe hat bereits auf einen durch Menschenkraft in Bewegung zu setzenden Wagen (eine Art Draisine die auf Schienen läuft) ein Patent genommen. Bei einem damit angestellten Versuche haben zwei Arbeiter sieben Personen in einem angehängten Wagen sechs englische Meilen weit fortbewegt, und der Erfinder hofft in Beziehung auf Gewicht und Schnelligkeit bald noch mehr leisten zu können. Schienenbahnen, nur zur Fortbewegung so geringer Lasten bestimmt, würden fast überall auf gewöhnlichen Chausseen und Vicinalstraßen mit wenig bedeutenden Kosten anzulegen seyn; wo aber die Steigung gar zu groß ist, könnte mit Pferdekraft nachgeholfen worden. Hancock hat immer noch nicht die Hoffnung aufgegeben, den Chausseedampfwagen zur größeren Vollkommenheit zu bringen, und neuere Experimente desselben haben bewiesen, daß er wieder ansehnliche Fortschritte gemacht hat.

Neuerlich ist man in England auf den Gedanken gekommen, mit dieser Erfindung die Pflasterung von künstlichem Granit oder von Holzblöcken in der Art in Verbindung zu bringen, daß die Räder des Chausseedampfwagens in zwei auf die eine oder die andere Weise gepflasterten Geleisen gehen sollen. Der künstliche Granit, eine Erfindung des Franzosen d'Harcourt, ist eine Composition animalischer, vegetabilischer und mineralischer Substanzen, die, erst flüssig, nach wenigen Minuten um so vieles härter wird als Marmor oder Granit, daß man beide Steinarten daran poliren kann. Auf Kosten der englischen Kronforstverwaltung werden damit gegenwärtig großartige Versuche angestellt. Mit der (Eichen-) Holzpflasterung sind in London, New-York und Philadelphia bereits Proben gemacht worden. In der letztern Stadt ist der Plan, die so garstigen (nicht gepflasterten) Fahrwege zwischen den beiden Trottoirs durchaus zu pflastern. Kommt diese Verbesserung zu Stande, so wird Philadelphia weit schöner seyn, als Bührlen in seinem Ideal einer schönen Stadt geträumt hat; er hat sich nicht vorgestellt, daß die Straßen ohne Staub und Unrath seyn werden, daß die Wagen ohne Erschütterung und Geräusch darauf hinrollen, daß die zehn Fuß breiten Trottoirs wie Estriche gepflastert sind, daß zu jedem Haus eine Treppe oder doch eine Staffel von blendend weißem Marmor führt, und daß jedes Haus mit laufendem Wasser versehen ist, das bis zum Dach empor getrieben werden kann. Es wäre zu wünschen, daß auch in Deutschland, das so großen Ueberfluß an allen dazu erforderlichen Materialien hat, mit den vorerwähnten Pflasterungen Versuche angestellt werden möchten.


Kirchliches aus Großbritannien.

Meinem Versprechen gemäß will ich das Nähere über den Streit zwischen der hochkirchlichen und evangelischen Partei, wie solcher sich in der Gesellschaft für die Verbreitung christlicher Erkenntniß zu äußern pflegt, mittheilen. Zu dieser Gesellschaft gehören fast alle Geistlichen der anglicanischen Kirche, ohne Unterschied der Partei; aber die Hochkirchlichen haben darin das Uebergewicht, und durch diese ist es Doksworth und den Puseyisten gelungen, den Druck von Schriften und Tractätchen durchzusetzen, welche von der entgegengesetzten Partei geradezu als papistisch verschrieen werden, besonders weil dieselben die guten Werke zu hoch anschlagen. Indem nun die Evangelischen von Zeit zu Zeit den Vorschlag zur Unterdrückung dieser Schriften im Verlage der Gesellschaft erneuern, kömmt es häufig zu Streitigkeiten, wobei die Gegensätze der Parteien aufs grellste hervortreten. Auf der andern Seite wieder haben die Evangelischen den Eifer der Hochkirchlichen durch die Stiftung des Pfarrgehülfen-Vereins erregt, weil derselbe die hohe Idee von apostolischer Succession nicht genugsam im Auge behält, indem er, nur auf das Heil der vielen vernachlässigten Seelen bedacht, mitunter auch Laien zum heilsamen Geschäfte gebraucht, die verlornen Schafe in die Hürde zu bringen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <pb facs="#f0007" n="0065"/><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jSupplement" n="1">
        <floatingText>
          <front>
            <titlePage type="heading">
              <docTitle>
                <titlePart type="main">Beilage zur Allgemeinen Zeitung</titlePart>
              </docTitle>
              <docImprint>
                <docDate>9 Januar 1840</docDate>
              </docImprint>
            </titlePage>
          </front>
          <body><lb/>
            <div n="2">
              <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Industrieberichte aus Frankreich</hi>, <hi rendition="#g">England und den Vereinigten Staaten</hi>.</hi> </head><lb/>
              <div type="jArticle" n="3">
                <byline>&#x25B3;</byline>
                <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 2 Jan.</dateline>
                <p> Mit dem Project der Einrichtung einer großartigen Dampfschifffahrt zwischen den französischen Häfen und Nord- und Südamerika auf Kosten der Regierung soll es im Lauf des nächsten Jahres Ernst werden, wenn anders die Kammer nicht wieder in Ministerial-Compositionsdelirien verfällt und mehr phantasirt als handelt. Einige Oppositionsblätter, insbesondere das Journal du Commerce, protestiren indessen bereits gegen den Plan und verlangen, die Regierung solle nach dem Beispiel Englands nur Privatcompagnien unterstützen, nicht aber selbst Unternehmungen machen. Das Journal du Commerce vergißt, daß es die englische Regierung mit Engländern, die französische aber mit Franzosen zu thun hat. Von beinahe anderthalb hundert Compagnien, deren Curs voriges Jahr an der Börse quotirt worden ist, erfreuen sich heute nur noch <hi rendition="#g">zwei</hi> dieser Ehre. Die Art und Weise, wie die Geschäftsführer ihre Compagnien betrogen haben, geht ins Groteske und oft ins Hochkomische. Einer derselben, der Gerant einer Seifenfabrik, hatte eine Dividende von <hi rendition="#g">siebenzehn</hi> Procenten erklärt, worauf seine Actien bedeutend in die Höhe gingen. Als er bald darauf spurlos verschwand, konnten die Actionnäre nicht begreifen, wie der Agent eines so blühenden Geschäfts seinen Posten so ohne alle Ceremonie aufgeben könne. Bei der Untersuchung seines Nachlasses aber fanden sich nur Rechnungen über leere Fässer, nicht die geringsten Werthe. Der würdige Mann hatte mit den 17 Procenten das ganze noch vorhandene Vermögen der Compagnie vertheilt, in so weit er es nicht mit sich in sein neues Vaterland zu nehmen für gut gefunden. Es ist jetzt hier so sehr mit allem Associationsgeist in Frankreich aus, daß man kaum mehr davon sprechen kann, ohne sich lächerlich zu machen. In den nächsten Tagen wird eine Broschüre erscheinen, welche die Köchlin'sche Unternehmung von Straßburg nach Basel &#x2013; dieses Muster der französischen Eisenbahnunternehmungen auf Actien &#x2013; ins Licht stellt.</p><lb/>
                <p>Wie sehr übrigens das Streben der Zeit auf die Beförderung der Transportmittel gerichtet ist, beweisen die Versuche, die zu gleicher Zeit in Nordamerika und England gemacht werden, vermittelst Menschenkraft in Verbindung mit ganz wohlfeilen (eisernen oder hölzernen) Schienenbahnen Reisende und geringe Lasten zu transportiren. Dieß ist das dem vorerwähnten ganz entgegengesetzte Ende des Welt-Transportsystems. Wenn die großen Dampfbootlinien darauf berechnet sind Welttheile und Hemisphären zu verbinden, so werden die Menschentransport-Maschinen dazu dienen den Verkehr zwischen Dörfern und kleinen Städten unter sich und mit den großen Eisenbahn-, Canal- und Dampfbootlinien zu erleichtern. Sie, so wenig als die Chausseedampfwagen, werden dem Verkehr der erwähnten großartigen Transportmittel Eintrag thun, sondern denselben vielmehr bedeutend vergrößern. Am weitesten ist Hr. Boydell, ein Engländer, in seinen derartigen Versuchen vorgerückt. Derselbe hat bereits auf einen durch Menschenkraft in Bewegung zu setzenden Wagen (eine Art Draisine die auf Schienen läuft) ein Patent genommen. Bei einem damit angestellten Versuche haben zwei Arbeiter sieben Personen in einem angehängten Wagen sechs englische Meilen weit fortbewegt, und der Erfinder hofft in Beziehung auf Gewicht und Schnelligkeit bald noch mehr leisten zu können. Schienenbahnen, nur zur Fortbewegung so geringer Lasten bestimmt, würden fast überall auf gewöhnlichen Chausseen und Vicinalstraßen mit wenig bedeutenden Kosten anzulegen seyn; wo aber die Steigung gar zu groß ist, könnte mit Pferdekraft nachgeholfen worden. Hancock hat immer noch nicht die Hoffnung aufgegeben, den Chausseedampfwagen zur größeren Vollkommenheit zu bringen, und neuere Experimente desselben haben bewiesen, daß er wieder ansehnliche Fortschritte gemacht hat.</p><lb/>
                <p>Neuerlich ist man in England auf den Gedanken gekommen, mit dieser Erfindung die Pflasterung von künstlichem Granit oder von Holzblöcken in der Art in Verbindung zu bringen, daß die Räder des Chausseedampfwagens in zwei auf die eine oder die andere Weise gepflasterten Geleisen gehen sollen. Der künstliche Granit, eine Erfindung des Franzosen d'Harcourt, ist eine Composition animalischer, vegetabilischer und mineralischer Substanzen, die, erst flüssig, nach wenigen Minuten um so vieles härter wird als Marmor oder Granit, daß man beide Steinarten daran poliren kann. Auf Kosten der englischen Kronforstverwaltung werden damit gegenwärtig großartige Versuche angestellt. Mit der (Eichen-) Holzpflasterung sind in London, New-York und Philadelphia bereits Proben gemacht worden. In der letztern Stadt ist der Plan, die so garstigen (nicht gepflasterten) Fahrwege zwischen den beiden Trottoirs durchaus zu pflastern. Kommt diese Verbesserung zu Stande, so wird Philadelphia weit schöner seyn, als Bührlen in seinem Ideal einer schönen Stadt geträumt hat; er hat sich nicht vorgestellt, daß die Straßen ohne Staub und Unrath seyn werden, daß die Wagen ohne Erschütterung und Geräusch darauf hinrollen, daß die zehn Fuß breiten Trottoirs wie Estriche gepflastert sind, daß zu jedem Haus eine Treppe oder doch eine Staffel von blendend weißem Marmor führt, und daß jedes Haus mit laufendem Wasser versehen ist, das bis zum Dach empor getrieben werden kann. Es wäre zu wünschen, daß auch in Deutschland, das so großen Ueberfluß an allen dazu erforderlichen Materialien hat, mit den vorerwähnten Pflasterungen Versuche angestellt werden möchten.</p><lb/>
              </div>
            </div>
            <div n="2">
              <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Kirchliches aus Großbritannien</hi>.</hi> </head><lb/>
              <div type="jArticle" n="3">
                <byline>*</byline>
                <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 30 Dec.</dateline>
                <p> Meinem Versprechen gemäß will ich das Nähere über den Streit zwischen der hochkirchlichen und evangelischen Partei, wie solcher sich in der Gesellschaft für die Verbreitung christlicher Erkenntniß zu äußern pflegt, mittheilen. Zu dieser Gesellschaft gehören fast alle Geistlichen der anglicanischen Kirche, ohne Unterschied der Partei; aber die Hochkirchlichen haben darin das Uebergewicht, und durch diese ist es Doksworth und den Puseyisten gelungen, den Druck von Schriften und Tractätchen durchzusetzen, welche von der entgegengesetzten Partei geradezu als papistisch verschrieen werden, besonders weil dieselben die guten Werke zu hoch anschlagen. Indem nun die Evangelischen von Zeit zu Zeit den Vorschlag zur Unterdrückung dieser Schriften im Verlage der Gesellschaft erneuern, kömmt es häufig zu Streitigkeiten, wobei die Gegensätze der Parteien aufs grellste hervortreten. Auf der andern Seite wieder haben die Evangelischen den Eifer der Hochkirchlichen durch die Stiftung des Pfarrgehülfen-Vereins erregt, weil derselbe die hohe Idee von apostolischer Succession nicht genugsam im Auge behält, indem er, nur auf das Heil der vielen vernachlässigten Seelen bedacht, mitunter auch Laien zum heilsamen Geschäfte gebraucht, die verlornen Schafe in die Hürde zu bringen.</p><lb/><lb/>
              </div>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0065/0007] Beilage zur Allgemeinen Zeitung 9 Januar 1840 Industrieberichte aus Frankreich, England und den Vereinigten Staaten. △ Paris, 2 Jan. Mit dem Project der Einrichtung einer großartigen Dampfschifffahrt zwischen den französischen Häfen und Nord- und Südamerika auf Kosten der Regierung soll es im Lauf des nächsten Jahres Ernst werden, wenn anders die Kammer nicht wieder in Ministerial-Compositionsdelirien verfällt und mehr phantasirt als handelt. Einige Oppositionsblätter, insbesondere das Journal du Commerce, protestiren indessen bereits gegen den Plan und verlangen, die Regierung solle nach dem Beispiel Englands nur Privatcompagnien unterstützen, nicht aber selbst Unternehmungen machen. Das Journal du Commerce vergißt, daß es die englische Regierung mit Engländern, die französische aber mit Franzosen zu thun hat. Von beinahe anderthalb hundert Compagnien, deren Curs voriges Jahr an der Börse quotirt worden ist, erfreuen sich heute nur noch zwei dieser Ehre. Die Art und Weise, wie die Geschäftsführer ihre Compagnien betrogen haben, geht ins Groteske und oft ins Hochkomische. Einer derselben, der Gerant einer Seifenfabrik, hatte eine Dividende von siebenzehn Procenten erklärt, worauf seine Actien bedeutend in die Höhe gingen. Als er bald darauf spurlos verschwand, konnten die Actionnäre nicht begreifen, wie der Agent eines so blühenden Geschäfts seinen Posten so ohne alle Ceremonie aufgeben könne. Bei der Untersuchung seines Nachlasses aber fanden sich nur Rechnungen über leere Fässer, nicht die geringsten Werthe. Der würdige Mann hatte mit den 17 Procenten das ganze noch vorhandene Vermögen der Compagnie vertheilt, in so weit er es nicht mit sich in sein neues Vaterland zu nehmen für gut gefunden. Es ist jetzt hier so sehr mit allem Associationsgeist in Frankreich aus, daß man kaum mehr davon sprechen kann, ohne sich lächerlich zu machen. In den nächsten Tagen wird eine Broschüre erscheinen, welche die Köchlin'sche Unternehmung von Straßburg nach Basel – dieses Muster der französischen Eisenbahnunternehmungen auf Actien – ins Licht stellt. Wie sehr übrigens das Streben der Zeit auf die Beförderung der Transportmittel gerichtet ist, beweisen die Versuche, die zu gleicher Zeit in Nordamerika und England gemacht werden, vermittelst Menschenkraft in Verbindung mit ganz wohlfeilen (eisernen oder hölzernen) Schienenbahnen Reisende und geringe Lasten zu transportiren. Dieß ist das dem vorerwähnten ganz entgegengesetzte Ende des Welt-Transportsystems. Wenn die großen Dampfbootlinien darauf berechnet sind Welttheile und Hemisphären zu verbinden, so werden die Menschentransport-Maschinen dazu dienen den Verkehr zwischen Dörfern und kleinen Städten unter sich und mit den großen Eisenbahn-, Canal- und Dampfbootlinien zu erleichtern. Sie, so wenig als die Chausseedampfwagen, werden dem Verkehr der erwähnten großartigen Transportmittel Eintrag thun, sondern denselben vielmehr bedeutend vergrößern. Am weitesten ist Hr. Boydell, ein Engländer, in seinen derartigen Versuchen vorgerückt. Derselbe hat bereits auf einen durch Menschenkraft in Bewegung zu setzenden Wagen (eine Art Draisine die auf Schienen läuft) ein Patent genommen. Bei einem damit angestellten Versuche haben zwei Arbeiter sieben Personen in einem angehängten Wagen sechs englische Meilen weit fortbewegt, und der Erfinder hofft in Beziehung auf Gewicht und Schnelligkeit bald noch mehr leisten zu können. Schienenbahnen, nur zur Fortbewegung so geringer Lasten bestimmt, würden fast überall auf gewöhnlichen Chausseen und Vicinalstraßen mit wenig bedeutenden Kosten anzulegen seyn; wo aber die Steigung gar zu groß ist, könnte mit Pferdekraft nachgeholfen worden. Hancock hat immer noch nicht die Hoffnung aufgegeben, den Chausseedampfwagen zur größeren Vollkommenheit zu bringen, und neuere Experimente desselben haben bewiesen, daß er wieder ansehnliche Fortschritte gemacht hat. Neuerlich ist man in England auf den Gedanken gekommen, mit dieser Erfindung die Pflasterung von künstlichem Granit oder von Holzblöcken in der Art in Verbindung zu bringen, daß die Räder des Chausseedampfwagens in zwei auf die eine oder die andere Weise gepflasterten Geleisen gehen sollen. Der künstliche Granit, eine Erfindung des Franzosen d'Harcourt, ist eine Composition animalischer, vegetabilischer und mineralischer Substanzen, die, erst flüssig, nach wenigen Minuten um so vieles härter wird als Marmor oder Granit, daß man beide Steinarten daran poliren kann. Auf Kosten der englischen Kronforstverwaltung werden damit gegenwärtig großartige Versuche angestellt. Mit der (Eichen-) Holzpflasterung sind in London, New-York und Philadelphia bereits Proben gemacht worden. In der letztern Stadt ist der Plan, die so garstigen (nicht gepflasterten) Fahrwege zwischen den beiden Trottoirs durchaus zu pflastern. Kommt diese Verbesserung zu Stande, so wird Philadelphia weit schöner seyn, als Bührlen in seinem Ideal einer schönen Stadt geträumt hat; er hat sich nicht vorgestellt, daß die Straßen ohne Staub und Unrath seyn werden, daß die Wagen ohne Erschütterung und Geräusch darauf hinrollen, daß die zehn Fuß breiten Trottoirs wie Estriche gepflastert sind, daß zu jedem Haus eine Treppe oder doch eine Staffel von blendend weißem Marmor führt, und daß jedes Haus mit laufendem Wasser versehen ist, das bis zum Dach empor getrieben werden kann. Es wäre zu wünschen, daß auch in Deutschland, das so großen Ueberfluß an allen dazu erforderlichen Materialien hat, mit den vorerwähnten Pflasterungen Versuche angestellt werden möchten. Kirchliches aus Großbritannien. * London, 30 Dec. Meinem Versprechen gemäß will ich das Nähere über den Streit zwischen der hochkirchlichen und evangelischen Partei, wie solcher sich in der Gesellschaft für die Verbreitung christlicher Erkenntniß zu äußern pflegt, mittheilen. Zu dieser Gesellschaft gehören fast alle Geistlichen der anglicanischen Kirche, ohne Unterschied der Partei; aber die Hochkirchlichen haben darin das Uebergewicht, und durch diese ist es Doksworth und den Puseyisten gelungen, den Druck von Schriften und Tractätchen durchzusetzen, welche von der entgegengesetzten Partei geradezu als papistisch verschrieen werden, besonders weil dieselben die guten Werke zu hoch anschlagen. Indem nun die Evangelischen von Zeit zu Zeit den Vorschlag zur Unterdrückung dieser Schriften im Verlage der Gesellschaft erneuern, kömmt es häufig zu Streitigkeiten, wobei die Gegensätze der Parteien aufs grellste hervortreten. Auf der andern Seite wieder haben die Evangelischen den Eifer der Hochkirchlichen durch die Stiftung des Pfarrgehülfen-Vereins erregt, weil derselbe die hohe Idee von apostolischer Succession nicht genugsam im Auge behält, indem er, nur auf das Heil der vielen vernachlässigten Seelen bedacht, mitunter auch Laien zum heilsamen Geschäfte gebraucht, die verlornen Schafe in die Hürde zu bringen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_009_18400109
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_009_18400109/7
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 9. Augsburg, 9. Januar 1840, S. 0065. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_009_18400109/7>, abgerufen am 24.11.2024.