Allgemeine Zeitung. Nr. 6. Augsburg, 6. Januar 1840.
Toulon, 28 Dec. Aus Algier sind keine neuern Berichte als die vom 21 Dec. eingetroffen. Folgendes Schreiben eines Officiers vom 21 ist mir mitgetheilt worden. "Noch immer ist in unserer Lage keine sehr bemerkbare Besserung eingetreten. Die Grundstücke der Europäer in der Metidscha sind mit Ausnahme von zwei großen Landgütern verheert. Die Colonisten haben sich nach Algier und in die Lager geflüchtet, wo die Verwaltung für ihre Bedürfnisse sorgt. Die Araber behaupten sich fortwährend in der Metidscha und greifen sogar die Waffenplätze im Sahel an. Alles, was man durch die Ankunft der Verstärkungen erlangt hat, beschränkt sich auf die Möglichkeit, die entferntesten Lager ohne Gefahr zu verproviantiren. Noch nie hat man mit so großer Macht so wenig ausgerichtet. Der Marschall Valee hat 18,000 Mann und konnte damit die Araber noch nicht aus der Metidscha verjagen. Vergebens denkt man über die Taktik des Gouverneurs nach, Niemand kann seinen Plan errathen. Ich meinerseits glaube, daß er gar keinen Plan hat. Er verfügt über sehr viele Truppen, und ergreift doch nicht die Offensive, ja er sucht nicht einmal die drei Ausgänge der Ebene den eingedrungenen Beduinen zu versperren, welchen dann der Weg zur Flucht abgeschnitten wäre, und die man durch mobile Colonnen bis auf den letzten aufreiben könnte. Zur Besetzung jener drei Ausgänge wären 2500 Mann und Artillerie für jeden hinreichend, eine Colonne von 3000 Mann würde dann gegen die Araber nach allen Richtungen marschiren, bis die eingedrungenen Feinde gänzlich vertilgt wären. Zur Bewachung der Lager blieben immer noch 7500 Mann übrig. - Die Lager sind jetzt mit Truppen überfüllt. Unsere Soldaten brennen vor Begierde, sich gegen den Feind zu schlagen, aber man zwingt sie mit dem Gewehr im Arm sich hinter den Schanzen zu halten. - Es scheint gewiß, daß wir vor dem künftigen Frühjahr nicht ins Feld rücken, und Abd-El-Kader also Zeit lassen werden, seinen Truppen Ruhe zu gönnen, und große Streitmassen zu sammeln. Der Emir ist wie verschwunden, und man glaubt, er habe sich gegen Oran gewendet, weil diese Provinz von Truppen entblößt ist." Belgien. Brüssel, 30 Dec. Am 27 d. M. wurde in Lüttich der vom päpstlichen Stuhle zum apostolischen Vicar für die Missionen in Norddeutschland ernannte Hr. Laurent, bisheriger Pfarrer in Gimnich unweit Aachen, zum Bischof von Chersonnesus in partibus infidelium geweiht. Die dabei fungirenden Bischöfe waren der von Lüttich, der von Namur und der in Lüttich residirende Erzbischof von Tyrus, Graf v. Mercy-Argenteau, ehemaliger päpstlicher Nuncius in München. Hr. Laurent in ein durch Eigenschaften des Geistes und Herzens gleich ausgezeichneter Mann. Das katholische Blatt "Courrier de la Meuse" enthält bei dieser Gelegenheit über die Ernennung des neuen Bischofs zum apostolischen Vicar in Norddeutschland eine Erklärung, die im Wesentlichen demjenigen gleich kommt, was bereits aus Münster hierüber an die Allgemeine Zeitung geschrieben worden ist. - Alle Nachrichten aus Holland stimmen darin überein, die Vermählung des Königs Wilhelm mit der Gräfin Henriette d'Oultremont als bereits vollzogen anzugeben. Sie wäre nämlich in Rom, nach vorher wegen Verschiedenheit der Religion erhaltenen päpstlichen Dispensen, per Procuration mit dem dortigen holländischen Gesandten geschlossen worden. Liest man hierüber die verschiedenen Zeitungsartikel, so hat es den Anschein, als wäre die Gräfin schon aus Rom in Holland zurück, da sie doch nach den Nachrichten, die man hier über sie hat, von Rom nach Neapel gegangen ist... Ueberhaupt erregen jetzt die Nachrichten aus Holland hier große Aufmerksamkeit. Niederlande. Das Journal des Debats enthält über die Vorgänge in den Generalstaaten folgenden erläuternden Artikel: "Seitdem der Wiener Congreß aus Holland eine Monarchie gemacht hat, war man gewöhnt, die Regierung dieses Landes in die Reihe der absoluten Regierungen zu stellen. In der That hat Holland, so lange die gewaltsame Vereinigung der beiden Länder, die das Königreich der Niederlande bildeten, dauerte, ohne große Unruhe in den Händen seines Monarchen die willkürliche Gewalt gelassen, die ihm dazu diente, die rebellischen Elemente Belgiens zu bewältigen. Nach 1830 hat dieselbe Nationalfeindschaft dem König Wilhelm zu derselben Dictatur verholfen. Seitdem aber die Trennung beider Länder definitiv sanctionirt ist, seitdem die liberalen Ideen in Holland nicht mehr durch auswärtigen Streit neutralisirt werden, und im Innern wieder ihren Einfluß gewonnen haben, ist der alte Geist der Generalstaaten wieder erwacht, und mit tiefem Erstaunen sah Europa sie alle Phasen constitutionellen Widerstandes durcheilen, und bis zum Aeußersten - zur Verwerfung des Budgets kommen.*)*) Dieses unerwartete Ereigniß bedarf einiger Erläuterungen. Man wird daraus ersehen, um welchen Preis Holland seit fast zehn Jahren gegen unwiderstehliche Thatsachen gerungen hat, und welch seltene Beharrlichkeit König Wilhelm haben mußte, um trotz der Abneigung der Generalstaaten seinen Widerstand so sehr zu verlängern. Während dieser neun Jahre sah der König, um eine Armee zu erhalten, welche in keinem Verhältniß mit den Hülfsquellen seines Landes war, sich genöthigt, die Nationalschuld immer mehr zu vergrößern, so daß diese Schuldzunahme sich auf ein Capital von 400 Millionen Gulden beläuft. Der außerordentlichste Umstand, der die gegenwärtige Lage besonders ernst macht, ist, daß all' diese Anleihen nach einander ohne die Beistimmung, ja ohne das Mitwissen der Generalstaaten contrahirt worden sind.**)**) Der König war von Seite der Rechnungskammer, welche nur der Form nach existirt, kaum einer Controle unterworfen, und verschanzte sich überdieß hinter einen Artikel der Constitution, welcher ihm die ausschließliche Leitung sämmtlicher Colonien *) Wir glauben doch bemerken zu müssen, daß - wenn wir nicht ganz irren - auch zur Zeit der vereinigten Niederlande das Budget einigemal verworfen wurde. Es ist dieß, nach dem holländischen Grundgesetz, kein solcher äußerster Schritt, wie er es in England, Frankreich oder den deutschen constitutionellen Staaten seyn würde. Die Generalstaaten haben nämlich nicht das Recht, Verminderungen im Budget vorzunehmen; sie dürfen es nur annehmen oder verwerfen, in welch letzterm Fall das Ministerium - dessen Verantwortlichkeit bekanntlich von der Krone bestritten wird - nicht resignirt, sondern bloß ein modificirtes Budget wieder vorlegt. **) Dieß ist nur mit bedeutenden Einschränkungen gegründet. Bekanntlich war das letztvorgeschlagene ostindische Anlehen nicht das erste, welches vor die Generalstaaten gebracht wurde, sondern gerade die Ueberlastung der Colonien durch die früher genehmigten Anleihen mit ein Grund der Verwerfung.
Toulon, 28 Dec. Aus Algier sind keine neuern Berichte als die vom 21 Dec. eingetroffen. Folgendes Schreiben eines Officiers vom 21 ist mir mitgetheilt worden. „Noch immer ist in unserer Lage keine sehr bemerkbare Besserung eingetreten. Die Grundstücke der Europäer in der Metidscha sind mit Ausnahme von zwei großen Landgütern verheert. Die Colonisten haben sich nach Algier und in die Lager geflüchtet, wo die Verwaltung für ihre Bedürfnisse sorgt. Die Araber behaupten sich fortwährend in der Metidscha und greifen sogar die Waffenplätze im Sahel an. Alles, was man durch die Ankunft der Verstärkungen erlangt hat, beschränkt sich auf die Möglichkeit, die entferntesten Lager ohne Gefahr zu verproviantiren. Noch nie hat man mit so großer Macht so wenig ausgerichtet. Der Marschall Valée hat 18,000 Mann und konnte damit die Araber noch nicht aus der Metidscha verjagen. Vergebens denkt man über die Taktik des Gouverneurs nach, Niemand kann seinen Plan errathen. Ich meinerseits glaube, daß er gar keinen Plan hat. Er verfügt über sehr viele Truppen, und ergreift doch nicht die Offensive, ja er sucht nicht einmal die drei Ausgänge der Ebene den eingedrungenen Beduinen zu versperren, welchen dann der Weg zur Flucht abgeschnitten wäre, und die man durch mobile Colonnen bis auf den letzten aufreiben könnte. Zur Besetzung jener drei Ausgänge wären 2500 Mann und Artillerie für jeden hinreichend, eine Colonne von 3000 Mann würde dann gegen die Araber nach allen Richtungen marschiren, bis die eingedrungenen Feinde gänzlich vertilgt wären. Zur Bewachung der Lager blieben immer noch 7500 Mann übrig. – Die Lager sind jetzt mit Truppen überfüllt. Unsere Soldaten brennen vor Begierde, sich gegen den Feind zu schlagen, aber man zwingt sie mit dem Gewehr im Arm sich hinter den Schanzen zu halten. – Es scheint gewiß, daß wir vor dem künftigen Frühjahr nicht ins Feld rücken, und Abd-El-Kader also Zeit lassen werden, seinen Truppen Ruhe zu gönnen, und große Streitmassen zu sammeln. Der Emir ist wie verschwunden, und man glaubt, er habe sich gegen Oran gewendet, weil diese Provinz von Truppen entblößt ist.“ Belgien. Brüssel, 30 Dec. Am 27 d. M. wurde in Lüttich der vom päpstlichen Stuhle zum apostolischen Vicar für die Missionen in Norddeutschland ernannte Hr. Laurent, bisheriger Pfarrer in Gimnich unweit Aachen, zum Bischof von Chersonnesus in partibus infidelium geweiht. Die dabei fungirenden Bischöfe waren der von Lüttich, der von Namur und der in Lüttich residirende Erzbischof von Tyrus, Graf v. Mercy-Argenteau, ehemaliger päpstlicher Nuncius in München. Hr. Laurent in ein durch Eigenschaften des Geistes und Herzens gleich ausgezeichneter Mann. Das katholische Blatt „Courrier de la Meuse“ enthält bei dieser Gelegenheit über die Ernennung des neuen Bischofs zum apostolischen Vicar in Norddeutschland eine Erklärung, die im Wesentlichen demjenigen gleich kommt, was bereits aus Münster hierüber an die Allgemeine Zeitung geschrieben worden ist. – Alle Nachrichten aus Holland stimmen darin überein, die Vermählung des Königs Wilhelm mit der Gräfin Henriette d'Oultremont als bereits vollzogen anzugeben. Sie wäre nämlich in Rom, nach vorher wegen Verschiedenheit der Religion erhaltenen päpstlichen Dispensen, per Procuration mit dem dortigen holländischen Gesandten geschlossen worden. Liest man hierüber die verschiedenen Zeitungsartikel, so hat es den Anschein, als wäre die Gräfin schon aus Rom in Holland zurück, da sie doch nach den Nachrichten, die man hier über sie hat, von Rom nach Neapel gegangen ist... Ueberhaupt erregen jetzt die Nachrichten aus Holland hier große Aufmerksamkeit. Niederlande. Das Journal des Débats enthält über die Vorgänge in den Generalstaaten folgenden erläuternden Artikel: „Seitdem der Wiener Congreß aus Holland eine Monarchie gemacht hat, war man gewöhnt, die Regierung dieses Landes in die Reihe der absoluten Regierungen zu stellen. In der That hat Holland, so lange die gewaltsame Vereinigung der beiden Länder, die das Königreich der Niederlande bildeten, dauerte, ohne große Unruhe in den Händen seines Monarchen die willkürliche Gewalt gelassen, die ihm dazu diente, die rebellischen Elemente Belgiens zu bewältigen. Nach 1830 hat dieselbe Nationalfeindschaft dem König Wilhelm zu derselben Dictatur verholfen. Seitdem aber die Trennung beider Länder definitiv sanctionirt ist, seitdem die liberalen Ideen in Holland nicht mehr durch auswärtigen Streit neutralisirt werden, und im Innern wieder ihren Einfluß gewonnen haben, ist der alte Geist der Generalstaaten wieder erwacht, und mit tiefem Erstaunen sah Europa sie alle Phasen constitutionellen Widerstandes durcheilen, und bis zum Aeußersten – zur Verwerfung des Budgets kommen.*)*) Dieses unerwartete Ereigniß bedarf einiger Erläuterungen. Man wird daraus ersehen, um welchen Preis Holland seit fast zehn Jahren gegen unwiderstehliche Thatsachen gerungen hat, und welch seltene Beharrlichkeit König Wilhelm haben mußte, um trotz der Abneigung der Generalstaaten seinen Widerstand so sehr zu verlängern. Während dieser neun Jahre sah der König, um eine Armee zu erhalten, welche in keinem Verhältniß mit den Hülfsquellen seines Landes war, sich genöthigt, die Nationalschuld immer mehr zu vergrößern, so daß diese Schuldzunahme sich auf ein Capital von 400 Millionen Gulden beläuft. Der außerordentlichste Umstand, der die gegenwärtige Lage besonders ernst macht, ist, daß all' diese Anleihen nach einander ohne die Beistimmung, ja ohne das Mitwissen der Generalstaaten contrahirt worden sind.**)**) Der König war von Seite der Rechnungskammer, welche nur der Form nach existirt, kaum einer Controle unterworfen, und verschanzte sich überdieß hinter einen Artikel der Constitution, welcher ihm die ausschließliche Leitung sämmtlicher Colonien *) Wir glauben doch bemerken zu müssen, daß – wenn wir nicht ganz irren – auch zur Zeit der vereinigten Niederlande das Budget einigemal verworfen wurde. Es ist dieß, nach dem holländischen Grundgesetz, kein solcher äußerster Schritt, wie er es in England, Frankreich oder den deutschen constitutionellen Staaten seyn würde. Die Generalstaaten haben nämlich nicht das Recht, Verminderungen im Budget vorzunehmen; sie dürfen es nur annehmen oder verwerfen, in welch letzterm Fall das Ministerium – dessen Verantwortlichkeit bekanntlich von der Krone bestritten wird – nicht resignirt, sondern bloß ein modificirtes Budget wieder vorlegt. **) Dieß ist nur mit bedeutenden Einschränkungen gegründet. Bekanntlich war das letztvorgeschlagene ostindische Anlehen nicht das erste, welches vor die Generalstaaten gebracht wurde, sondern gerade die Ueberlastung der Colonien durch die früher genehmigten Anleihen mit ein Grund der Verwerfung.
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Die Grundstücke der Europäer in der Metidscha sind mit Ausnahme von zwei großen Landgütern verheert. Die Colonisten haben sich nach Algier und in die Lager geflüchtet, wo die Verwaltung für ihre Bedürfnisse sorgt. Die Araber behaupten sich fortwährend in der Metidscha und greifen sogar die Waffenplätze im Sahel an. Alles, was man durch die Ankunft der Verstärkungen erlangt hat, beschränkt sich auf die Möglichkeit, die entferntesten Lager ohne Gefahr zu verproviantiren. Noch nie hat man mit so großer Macht so wenig ausgerichtet. Der Marschall Valée hat 18,000 Mann und konnte damit die Araber noch nicht aus der Metidscha verjagen. Vergebens denkt man über die Taktik des Gouverneurs nach, Niemand kann seinen Plan errathen. Ich meinerseits glaube, daß er gar keinen Plan hat. Er verfügt über sehr viele Truppen, und ergreift doch nicht die Offensive, ja er sucht nicht einmal die drei Ausgänge der Ebene den eingedrungenen Beduinen zu versperren, welchen dann der Weg zur Flucht abgeschnitten wäre, und die man durch mobile Colonnen bis auf den letzten aufreiben könnte. Zur Besetzung jener drei Ausgänge wären 2500 Mann und Artillerie für jeden hinreichend, eine Colonne von 3000 Mann würde dann gegen die Araber nach allen Richtungen marschiren, bis die eingedrungenen Feinde gänzlich vertilgt wären. Zur Bewachung der Lager blieben immer noch 7500 Mann übrig. – Die Lager sind jetzt mit Truppen überfüllt. Unsere Soldaten brennen vor Begierde, sich gegen den Feind zu schlagen, aber man zwingt sie mit dem Gewehr im Arm sich hinter den Schanzen zu halten. – Es scheint gewiß, daß wir vor dem künftigen Frühjahr nicht ins Feld rücken, und Abd-El-Kader also Zeit lassen werden, seinen Truppen Ruhe zu gönnen, und große Streitmassen zu sammeln. 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Das katholische Blatt „Courrier de la Meuse“ enthält bei dieser Gelegenheit über die Ernennung des neuen Bischofs zum apostolischen Vicar in Norddeutschland eine Erklärung, die im Wesentlichen demjenigen gleich kommt, was bereits aus Münster hierüber an die Allgemeine Zeitung geschrieben worden ist. – Alle Nachrichten aus Holland stimmen darin überein, die Vermählung des Königs Wilhelm mit der Gräfin Henriette d'Oultremont als bereits vollzogen anzugeben. Sie wäre nämlich in Rom, nach vorher wegen Verschiedenheit der Religion erhaltenen päpstlichen Dispensen, per Procuration mit dem dortigen holländischen Gesandten geschlossen worden. Liest man hierüber die verschiedenen Zeitungsartikel, so hat es den Anschein, als wäre die Gräfin schon aus Rom in Holland zurück, da sie doch nach den Nachrichten, die man hier über sie hat, von Rom nach Neapel gegangen ist... 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Seitdem aber die Trennung beider Länder definitiv sanctionirt ist, seitdem die liberalen Ideen in Holland nicht mehr durch auswärtigen Streit neutralisirt werden, und im Innern wieder ihren Einfluß gewonnen haben, ist der alte Geist der Generalstaaten wieder erwacht, und mit tiefem Erstaunen sah Europa sie alle Phasen constitutionellen Widerstandes durcheilen, und bis zum Aeußersten – zur Verwerfung des Budgets kommen.<hi rendition="#sup">*)</hi><note place="foot" n="*)">Wir glauben doch bemerken zu müssen, daß – wenn wir nicht ganz irren – auch zur Zeit der vereinigten Niederlande das Budget einigemal verworfen wurde. Es ist dieß, nach dem holländischen Grundgesetz, kein solcher äußerster Schritt, wie er es in England, Frankreich oder den deutschen constitutionellen Staaten seyn würde. Die Generalstaaten haben nämlich nicht das Recht, Verminderungen im Budget vorzunehmen; sie dürfen es nur annehmen oder verwerfen, in welch letzterm Fall das Ministerium – dessen Verantwortlichkeit bekanntlich von der Krone bestritten wird – nicht resignirt, sondern bloß ein modificirtes Budget wieder vorlegt.</note> Dieses unerwartete Ereigniß bedarf einiger Erläuterungen. Man wird daraus ersehen, um welchen Preis Holland seit fast zehn Jahren gegen unwiderstehliche Thatsachen gerungen hat, und welch seltene Beharrlichkeit König Wilhelm haben mußte, um trotz der Abneigung der Generalstaaten seinen Widerstand so sehr zu verlängern. Während dieser neun Jahre sah der König, um eine Armee zu erhalten, welche in keinem Verhältniß mit den Hülfsquellen seines Landes war, sich genöthigt, die Nationalschuld immer mehr zu vergrößern, so daß diese Schuldzunahme sich auf ein Capital von 400 Millionen Gulden beläuft. Der außerordentlichste Umstand, der die gegenwärtige Lage besonders ernst macht, ist, daß all' diese Anleihen nach einander ohne die Beistimmung, ja ohne das Mitwissen der Generalstaaten contrahirt worden sind.<hi rendition="#sup">**)</hi><note place="foot" n="**)">Dieß ist nur mit bedeutenden Einschränkungen gegründet. Bekanntlich war das letztvorgeschlagene ostindische Anlehen nicht das erste, welches vor die Generalstaaten gebracht wurde, sondern gerade die Ueberlastung der Colonien durch die früher genehmigten Anleihen mit ein Grund der Verwerfung.</note> Der König war von Seite der Rechnungskammer, welche nur der Form nach existirt, kaum einer Controle unterworfen, und verschanzte sich überdieß hinter einen Artikel der Constitution, welcher ihm die ausschließliche Leitung sämmtlicher Colonien<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0044/0004]
einem einzigen Tage schönen Wetters sind wir in die unheimliche graue Decemberfarbe verfallen, welche die Frage: was werden wir morgen für einen Himmel haben? zum unauflöslichen Räthsel macht. – Die Stadt Paris hat ihre muthmaßlichen Ausgaben des Jahres 1840 für Verschönerungen der Stadt, neue Bauten und Verbesserungen, auf 4,536,605 Fr. festgesetzt; das Journal, das diese Zahlen gibt, fügt bei: in der Regel werden diese provisorischen Ansätze um mehr als ¾ überschritten. Welche Stadt!
* Toulon, 28 Dec. Aus Algier sind keine neuern Berichte als die vom 21 Dec. eingetroffen. Folgendes Schreiben eines Officiers vom 21 ist mir mitgetheilt worden. „Noch immer ist in unserer Lage keine sehr bemerkbare Besserung eingetreten. Die Grundstücke der Europäer in der Metidscha sind mit Ausnahme von zwei großen Landgütern verheert. Die Colonisten haben sich nach Algier und in die Lager geflüchtet, wo die Verwaltung für ihre Bedürfnisse sorgt. Die Araber behaupten sich fortwährend in der Metidscha und greifen sogar die Waffenplätze im Sahel an. Alles, was man durch die Ankunft der Verstärkungen erlangt hat, beschränkt sich auf die Möglichkeit, die entferntesten Lager ohne Gefahr zu verproviantiren. Noch nie hat man mit so großer Macht so wenig ausgerichtet. Der Marschall Valée hat 18,000 Mann und konnte damit die Araber noch nicht aus der Metidscha verjagen. Vergebens denkt man über die Taktik des Gouverneurs nach, Niemand kann seinen Plan errathen. Ich meinerseits glaube, daß er gar keinen Plan hat. Er verfügt über sehr viele Truppen, und ergreift doch nicht die Offensive, ja er sucht nicht einmal die drei Ausgänge der Ebene den eingedrungenen Beduinen zu versperren, welchen dann der Weg zur Flucht abgeschnitten wäre, und die man durch mobile Colonnen bis auf den letzten aufreiben könnte. Zur Besetzung jener drei Ausgänge wären 2500 Mann und Artillerie für jeden hinreichend, eine Colonne von 3000 Mann würde dann gegen die Araber nach allen Richtungen marschiren, bis die eingedrungenen Feinde gänzlich vertilgt wären. Zur Bewachung der Lager blieben immer noch 7500 Mann übrig. – Die Lager sind jetzt mit Truppen überfüllt. Unsere Soldaten brennen vor Begierde, sich gegen den Feind zu schlagen, aber man zwingt sie mit dem Gewehr im Arm sich hinter den Schanzen zu halten. – Es scheint gewiß, daß wir vor dem künftigen Frühjahr nicht ins Feld rücken, und Abd-El-Kader also Zeit lassen werden, seinen Truppen Ruhe zu gönnen, und große Streitmassen zu sammeln. Der Emir ist wie verschwunden, und man glaubt, er habe sich gegen Oran gewendet, weil diese Provinz von Truppen entblößt ist.“
Belgien.
✝ Brüssel, 30 Dec. Am 27 d. M. wurde in Lüttich der vom päpstlichen Stuhle zum apostolischen Vicar für die Missionen in Norddeutschland ernannte Hr. Laurent, bisheriger Pfarrer in Gimnich unweit Aachen, zum Bischof von Chersonnesus in partibus infidelium geweiht. Die dabei fungirenden Bischöfe waren der von Lüttich, der von Namur und der in Lüttich residirende Erzbischof von Tyrus, Graf v. Mercy-Argenteau, ehemaliger päpstlicher Nuncius in München. Hr. Laurent in ein durch Eigenschaften des Geistes und Herzens gleich ausgezeichneter Mann. Das katholische Blatt „Courrier de la Meuse“ enthält bei dieser Gelegenheit über die Ernennung des neuen Bischofs zum apostolischen Vicar in Norddeutschland eine Erklärung, die im Wesentlichen demjenigen gleich kommt, was bereits aus Münster hierüber an die Allgemeine Zeitung geschrieben worden ist. – Alle Nachrichten aus Holland stimmen darin überein, die Vermählung des Königs Wilhelm mit der Gräfin Henriette d'Oultremont als bereits vollzogen anzugeben. Sie wäre nämlich in Rom, nach vorher wegen Verschiedenheit der Religion erhaltenen päpstlichen Dispensen, per Procuration mit dem dortigen holländischen Gesandten geschlossen worden. Liest man hierüber die verschiedenen Zeitungsartikel, so hat es den Anschein, als wäre die Gräfin schon aus Rom in Holland zurück, da sie doch nach den Nachrichten, die man hier über sie hat, von Rom nach Neapel gegangen ist... Ueberhaupt erregen jetzt die Nachrichten aus Holland hier große Aufmerksamkeit.
Niederlande.
Das Journal des Débats enthält über die Vorgänge in den Generalstaaten folgenden erläuternden Artikel: „Seitdem der Wiener Congreß aus Holland eine Monarchie gemacht hat, war man gewöhnt, die Regierung dieses Landes in die Reihe der absoluten Regierungen zu stellen. In der That hat Holland, so lange die gewaltsame Vereinigung der beiden Länder, die das Königreich der Niederlande bildeten, dauerte, ohne große Unruhe in den Händen seines Monarchen die willkürliche Gewalt gelassen, die ihm dazu diente, die rebellischen Elemente Belgiens zu bewältigen. Nach 1830 hat dieselbe Nationalfeindschaft dem König Wilhelm zu derselben Dictatur verholfen. Seitdem aber die Trennung beider Länder definitiv sanctionirt ist, seitdem die liberalen Ideen in Holland nicht mehr durch auswärtigen Streit neutralisirt werden, und im Innern wieder ihren Einfluß gewonnen haben, ist der alte Geist der Generalstaaten wieder erwacht, und mit tiefem Erstaunen sah Europa sie alle Phasen constitutionellen Widerstandes durcheilen, und bis zum Aeußersten – zur Verwerfung des Budgets kommen.*) *) Dieses unerwartete Ereigniß bedarf einiger Erläuterungen. Man wird daraus ersehen, um welchen Preis Holland seit fast zehn Jahren gegen unwiderstehliche Thatsachen gerungen hat, und welch seltene Beharrlichkeit König Wilhelm haben mußte, um trotz der Abneigung der Generalstaaten seinen Widerstand so sehr zu verlängern. Während dieser neun Jahre sah der König, um eine Armee zu erhalten, welche in keinem Verhältniß mit den Hülfsquellen seines Landes war, sich genöthigt, die Nationalschuld immer mehr zu vergrößern, so daß diese Schuldzunahme sich auf ein Capital von 400 Millionen Gulden beläuft. Der außerordentlichste Umstand, der die gegenwärtige Lage besonders ernst macht, ist, daß all' diese Anleihen nach einander ohne die Beistimmung, ja ohne das Mitwissen der Generalstaaten contrahirt worden sind.**) **) Der König war von Seite der Rechnungskammer, welche nur der Form nach existirt, kaum einer Controle unterworfen, und verschanzte sich überdieß hinter einen Artikel der Constitution, welcher ihm die ausschließliche Leitung sämmtlicher Colonien
*) Wir glauben doch bemerken zu müssen, daß – wenn wir nicht ganz irren – auch zur Zeit der vereinigten Niederlande das Budget einigemal verworfen wurde. Es ist dieß, nach dem holländischen Grundgesetz, kein solcher äußerster Schritt, wie er es in England, Frankreich oder den deutschen constitutionellen Staaten seyn würde. Die Generalstaaten haben nämlich nicht das Recht, Verminderungen im Budget vorzunehmen; sie dürfen es nur annehmen oder verwerfen, in welch letzterm Fall das Ministerium – dessen Verantwortlichkeit bekanntlich von der Krone bestritten wird – nicht resignirt, sondern bloß ein modificirtes Budget wieder vorlegt.
**) Dieß ist nur mit bedeutenden Einschränkungen gegründet. Bekanntlich war das letztvorgeschlagene ostindische Anlehen nicht das erste, welches vor die Generalstaaten gebracht wurde, sondern gerade die Ueberlastung der Colonien durch die früher genehmigten Anleihen mit ein Grund der Verwerfung.
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