Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ihrem Drängen nachgab, sich nicht zum Abgeordneten wählen zu lassen, was er eigentlich nie recht im Sinne gehabt; nur that er jetzt, als ob er damit seinen liebsten Wunsch opfere. Fränz bestürmte den Vater, sie, wie er versprochen, nach der Stadt zu bringen; die Mutter aber widersetzte sich unnachgiebig diesem Vorhaben. Fränz schwieg und that, als ob sie nicht mehr daran dächte; je mehr es aber Herbst wurde, im Dorfe die Dreschzeit begann und die Wege so grundlos wurden, daß man oft ganze Wochen kaum ins Dorf hinab kam, um so mächtiger wurde die Sehnsucht der Fränz nach dem Stadtleben; sie war wie ein Wandervogel, der gewaltsam zurückgehalten wird vom Zuge. Trotz des Widerspruchs der Mutter wußte sie es dahin zu bringen, daß sie den Vater auf einer Fahrt nach der Amtsstadt begleiten durfte, und als Diethelm hier nicht, wie er gehofft hatte, Kauflustige für seine Vorräthe fand, ward es ihr nicht schwer, ihn zu bestimmen, mit ihr nach der Hauptstadt zu fahren. Wie ein Vogel, der angstvoll von Zweig zu Zweig hüpft, bald ausschaut, bald ruft: so wanderte Diethelm hier hin und her und verstand sich endlich zu dem schweren Entschluß, selber Anerbietungen zu machen und durch Zwischenhändler verbreiten zu lassen. Der Erfolg war aber ein geringer. Diethelm brachte nichts mit nach Hause, als Aussichten auf den Verkauf der Staatspapiere, die er zu einem sehr niedrigen Tagespreise abgeben sollte; Fränz aber brachte er nicht wieder, denn sie blieb im Rautenkranz, in dem Wirthshause, wo Diethelm stets seine Einkehr hatte, um hier die Koch- und größere Wirthschaftskunst zu erlernen. In Buchenberg ging es nun gar still her, wenn nicht dann und wann Fuhren mit Heu ankamen, von dem immer neue Vorräthe zur Ueberwinterung der Schafe gekauft werden mußten. Diethelm hatte eine wahre Kaufwuth; wo nur irgend etwas zu haben war, eignete er sich's an, bezahlte Anfangs baar, gerieth aber auch nach und nach ins Borgen und behaftete sich mit einer Anzahl sogenannter kleiner ihrem Drängen nachgab, sich nicht zum Abgeordneten wählen zu lassen, was er eigentlich nie recht im Sinne gehabt; nur that er jetzt, als ob er damit seinen liebsten Wunsch opfere. Fränz bestürmte den Vater, sie, wie er versprochen, nach der Stadt zu bringen; die Mutter aber widersetzte sich unnachgiebig diesem Vorhaben. Fränz schwieg und that, als ob sie nicht mehr daran dächte; je mehr es aber Herbst wurde, im Dorfe die Dreschzeit begann und die Wege so grundlos wurden, daß man oft ganze Wochen kaum ins Dorf hinab kam, um so mächtiger wurde die Sehnsucht der Fränz nach dem Stadtleben; sie war wie ein Wandervogel, der gewaltsam zurückgehalten wird vom Zuge. Trotz des Widerspruchs der Mutter wußte sie es dahin zu bringen, daß sie den Vater auf einer Fahrt nach der Amtsstadt begleiten durfte, und als Diethelm hier nicht, wie er gehofft hatte, Kauflustige für seine Vorräthe fand, ward es ihr nicht schwer, ihn zu bestimmen, mit ihr nach der Hauptstadt zu fahren. Wie ein Vogel, der angstvoll von Zweig zu Zweig hüpft, bald ausschaut, bald ruft: so wanderte Diethelm hier hin und her und verstand sich endlich zu dem schweren Entschluß, selber Anerbietungen zu machen und durch Zwischenhändler verbreiten zu lassen. Der Erfolg war aber ein geringer. Diethelm brachte nichts mit nach Hause, als Aussichten auf den Verkauf der Staatspapiere, die er zu einem sehr niedrigen Tagespreise abgeben sollte; Fränz aber brachte er nicht wieder, denn sie blieb im Rautenkranz, in dem Wirthshause, wo Diethelm stets seine Einkehr hatte, um hier die Koch- und größere Wirthschaftskunst zu erlernen. In Buchenberg ging es nun gar still her, wenn nicht dann und wann Fuhren mit Heu ankamen, von dem immer neue Vorräthe zur Ueberwinterung der Schafe gekauft werden mußten. Diethelm hatte eine wahre Kaufwuth; wo nur irgend etwas zu haben war, eignete er sich's an, bezahlte Anfangs baar, gerieth aber auch nach und nach ins Borgen und behaftete sich mit einer Anzahl sogenannter kleiner <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="10"> <p><pb facs="#f0071"/> ihrem Drängen nachgab, sich nicht zum Abgeordneten wählen zu lassen, was er eigentlich nie recht im Sinne gehabt; nur that er jetzt, als ob er damit seinen liebsten Wunsch opfere.</p><lb/> <p>Fränz bestürmte den Vater, sie, wie er versprochen, nach der Stadt zu bringen; die Mutter aber widersetzte sich unnachgiebig diesem Vorhaben. Fränz schwieg und that, als ob sie nicht mehr daran dächte; je mehr es aber Herbst wurde, im Dorfe die Dreschzeit begann und die Wege so grundlos wurden, daß man oft ganze Wochen kaum ins Dorf hinab kam, um so mächtiger wurde die Sehnsucht der Fränz nach dem Stadtleben; sie war wie ein Wandervogel, der gewaltsam zurückgehalten wird vom Zuge. Trotz des Widerspruchs der Mutter wußte sie es dahin zu bringen, daß sie den Vater auf einer Fahrt nach der Amtsstadt begleiten durfte, und als Diethelm hier nicht, wie er gehofft hatte, Kauflustige für seine Vorräthe fand, ward es ihr nicht schwer, ihn zu bestimmen, mit ihr nach der Hauptstadt zu fahren. Wie ein Vogel, der angstvoll von Zweig zu Zweig hüpft, bald ausschaut, bald ruft: so wanderte Diethelm hier hin und her und verstand sich endlich zu dem schweren Entschluß, selber Anerbietungen zu machen und durch Zwischenhändler verbreiten zu lassen. Der Erfolg war aber ein geringer. Diethelm brachte nichts mit nach Hause, als Aussichten auf den Verkauf der Staatspapiere, die er zu einem sehr niedrigen Tagespreise abgeben sollte; Fränz aber brachte er nicht wieder, denn sie blieb im Rautenkranz, in dem Wirthshause, wo Diethelm stets seine Einkehr hatte, um hier die Koch- und größere Wirthschaftskunst zu erlernen.</p><lb/> <p>In Buchenberg ging es nun gar still her, wenn nicht dann und wann Fuhren mit Heu ankamen, von dem immer neue Vorräthe zur Ueberwinterung der Schafe gekauft werden mußten. Diethelm hatte eine wahre Kaufwuth; wo nur irgend etwas zu haben war, eignete er sich's an, bezahlte Anfangs baar, gerieth aber auch nach und nach ins Borgen und behaftete sich mit einer Anzahl sogenannter kleiner<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0071]
ihrem Drängen nachgab, sich nicht zum Abgeordneten wählen zu lassen, was er eigentlich nie recht im Sinne gehabt; nur that er jetzt, als ob er damit seinen liebsten Wunsch opfere.
Fränz bestürmte den Vater, sie, wie er versprochen, nach der Stadt zu bringen; die Mutter aber widersetzte sich unnachgiebig diesem Vorhaben. Fränz schwieg und that, als ob sie nicht mehr daran dächte; je mehr es aber Herbst wurde, im Dorfe die Dreschzeit begann und die Wege so grundlos wurden, daß man oft ganze Wochen kaum ins Dorf hinab kam, um so mächtiger wurde die Sehnsucht der Fränz nach dem Stadtleben; sie war wie ein Wandervogel, der gewaltsam zurückgehalten wird vom Zuge. Trotz des Widerspruchs der Mutter wußte sie es dahin zu bringen, daß sie den Vater auf einer Fahrt nach der Amtsstadt begleiten durfte, und als Diethelm hier nicht, wie er gehofft hatte, Kauflustige für seine Vorräthe fand, ward es ihr nicht schwer, ihn zu bestimmen, mit ihr nach der Hauptstadt zu fahren. Wie ein Vogel, der angstvoll von Zweig zu Zweig hüpft, bald ausschaut, bald ruft: so wanderte Diethelm hier hin und her und verstand sich endlich zu dem schweren Entschluß, selber Anerbietungen zu machen und durch Zwischenhändler verbreiten zu lassen. Der Erfolg war aber ein geringer. Diethelm brachte nichts mit nach Hause, als Aussichten auf den Verkauf der Staatspapiere, die er zu einem sehr niedrigen Tagespreise abgeben sollte; Fränz aber brachte er nicht wieder, denn sie blieb im Rautenkranz, in dem Wirthshause, wo Diethelm stets seine Einkehr hatte, um hier die Koch- und größere Wirthschaftskunst zu erlernen.
In Buchenberg ging es nun gar still her, wenn nicht dann und wann Fuhren mit Heu ankamen, von dem immer neue Vorräthe zur Ueberwinterung der Schafe gekauft werden mußten. Diethelm hatte eine wahre Kaufwuth; wo nur irgend etwas zu haben war, eignete er sich's an, bezahlte Anfangs baar, gerieth aber auch nach und nach ins Borgen und behaftete sich mit einer Anzahl sogenannter kleiner
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Zitationshilfe: | Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/71>, abgerufen am 25.07.2024. |