Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Fünftes Kapitel. Während die beiden Brüder draußen vor dem Thor sich über das Leben ihres Meisters besprachen, saß dieser drinnen beim Sternenwirth im hintern Stübchen vor einer Flasche vom Besten, die der Sternenwirth zu Ehren seines Gastes auftischte und dabei seine Familienverhältnisse darlegte. Halb klagend, halb ruhmredig erzählte er, wie sich die Zeiten ändern: er selber sei noch Metzger gewesen und habe dabei gewirthet, jetzt aber müsse ein Wirth alle Sprachen kennen, und ein Handwerk daneben zu treiben sei gar nicht denkbar; sein Wilhelm sei aber auch in Genf und "auf der Universität von allen Kellnern, im Schwan in Frankfurt" gewesen. Diethelm zeigte sich diesen Mittheilungen besonders theilnehmend und aufmerksam, denn es ist dem bangenden Herzen oft nichts erwünschter, als durch Aufnahme fremden Schicksals sein selbst zu vergessen. Während der Sternenwirth erzählte, hatte sich eine von dessen Töchtern und der Sohn angelegentlich mit Fränz beschäftigt und waren oft in lauten Scherz ausgebrochen. Der Sternenwirth rückte nun, von der Theilnahme seines Zuhörers ermuthigt, weiter heraus: wie glücklich ein vermögliches Mädchen mit seinem Wilhelm werden könne, er wolle den Engel in der obern Stadt kaufen und ausbauen und sei ohne Rühmens der geschickteste Wirth. Diethelm nickte einverständlich und bemerkte nur, daß der Wilhelm noch jung sei und wohl noch ein paar Jährchen warten müsse, und der Wirth stieß eben mit ihm an, als der Reppenberger eintrat. Diethelm nahm ihn bei Seite und vernahm, daß nichts zu verkaufen sei und höchstens ums halbe Geld. Sag nur, ich behalt' den Posten auch noch, rief Diethelm plötzlich laut und sagte dann, daß es Alle hören konnten, leichthin zu dem Wirth: Kannst mir nicht auf eine Stunde fünfhundert Gulden geben? Fünftes Kapitel. Während die beiden Brüder draußen vor dem Thor sich über das Leben ihres Meisters besprachen, saß dieser drinnen beim Sternenwirth im hintern Stübchen vor einer Flasche vom Besten, die der Sternenwirth zu Ehren seines Gastes auftischte und dabei seine Familienverhältnisse darlegte. Halb klagend, halb ruhmredig erzählte er, wie sich die Zeiten ändern: er selber sei noch Metzger gewesen und habe dabei gewirthet, jetzt aber müsse ein Wirth alle Sprachen kennen, und ein Handwerk daneben zu treiben sei gar nicht denkbar; sein Wilhelm sei aber auch in Genf und „auf der Universität von allen Kellnern, im Schwan in Frankfurt“ gewesen. Diethelm zeigte sich diesen Mittheilungen besonders theilnehmend und aufmerksam, denn es ist dem bangenden Herzen oft nichts erwünschter, als durch Aufnahme fremden Schicksals sein selbst zu vergessen. Während der Sternenwirth erzählte, hatte sich eine von dessen Töchtern und der Sohn angelegentlich mit Fränz beschäftigt und waren oft in lauten Scherz ausgebrochen. Der Sternenwirth rückte nun, von der Theilnahme seines Zuhörers ermuthigt, weiter heraus: wie glücklich ein vermögliches Mädchen mit seinem Wilhelm werden könne, er wolle den Engel in der obern Stadt kaufen und ausbauen und sei ohne Rühmens der geschickteste Wirth. Diethelm nickte einverständlich und bemerkte nur, daß der Wilhelm noch jung sei und wohl noch ein paar Jährchen warten müsse, und der Wirth stieß eben mit ihm an, als der Reppenberger eintrat. Diethelm nahm ihn bei Seite und vernahm, daß nichts zu verkaufen sei und höchstens ums halbe Geld. Sag nur, ich behalt' den Posten auch noch, rief Diethelm plötzlich laut und sagte dann, daß es Alle hören konnten, leichthin zu dem Wirth: Kannst mir nicht auf eine Stunde fünfhundert Gulden geben? <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <pb facs="#f0036"/> </div> <div type="chapter" n="5"> <head>Fünftes Kapitel.</head><lb/> <p>Während die beiden Brüder draußen vor dem Thor sich über das Leben ihres Meisters besprachen, saß dieser drinnen beim Sternenwirth im hintern Stübchen vor einer Flasche vom Besten, die der Sternenwirth zu Ehren seines Gastes auftischte und dabei seine Familienverhältnisse darlegte.</p><lb/> <p>Halb klagend, halb ruhmredig erzählte er, wie sich die Zeiten ändern: er selber sei noch Metzger gewesen und habe dabei gewirthet, jetzt aber müsse ein Wirth alle Sprachen kennen, und ein Handwerk daneben zu treiben sei gar nicht denkbar; sein Wilhelm sei aber auch in Genf und „auf der Universität von allen Kellnern, im Schwan in Frankfurt“ gewesen.</p><lb/> <p>Diethelm zeigte sich diesen Mittheilungen besonders theilnehmend und aufmerksam, denn es ist dem bangenden Herzen oft nichts erwünschter, als durch Aufnahme fremden Schicksals sein selbst zu vergessen. Während der Sternenwirth erzählte, hatte sich eine von dessen Töchtern und der Sohn angelegentlich mit Fränz beschäftigt und waren oft in lauten Scherz ausgebrochen. Der Sternenwirth rückte nun, von der Theilnahme seines Zuhörers ermuthigt, weiter heraus: wie glücklich ein vermögliches Mädchen mit seinem Wilhelm werden könne, er wolle den Engel in der obern Stadt kaufen und ausbauen und sei ohne Rühmens der geschickteste Wirth. Diethelm nickte einverständlich und bemerkte nur, daß der Wilhelm noch jung sei und wohl noch ein paar Jährchen warten müsse, und der Wirth stieß eben mit ihm an, als der Reppenberger eintrat. Diethelm nahm ihn bei Seite und vernahm, daß nichts zu verkaufen sei und höchstens ums halbe Geld.</p><lb/> <p>Sag nur, ich behalt' den Posten auch noch, rief Diethelm plötzlich laut und sagte dann, daß es Alle hören konnten, leichthin zu dem Wirth:</p><lb/> <p>Kannst mir nicht auf eine Stunde fünfhundert Gulden geben?</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0036]
Fünftes Kapitel.
Während die beiden Brüder draußen vor dem Thor sich über das Leben ihres Meisters besprachen, saß dieser drinnen beim Sternenwirth im hintern Stübchen vor einer Flasche vom Besten, die der Sternenwirth zu Ehren seines Gastes auftischte und dabei seine Familienverhältnisse darlegte.
Halb klagend, halb ruhmredig erzählte er, wie sich die Zeiten ändern: er selber sei noch Metzger gewesen und habe dabei gewirthet, jetzt aber müsse ein Wirth alle Sprachen kennen, und ein Handwerk daneben zu treiben sei gar nicht denkbar; sein Wilhelm sei aber auch in Genf und „auf der Universität von allen Kellnern, im Schwan in Frankfurt“ gewesen.
Diethelm zeigte sich diesen Mittheilungen besonders theilnehmend und aufmerksam, denn es ist dem bangenden Herzen oft nichts erwünschter, als durch Aufnahme fremden Schicksals sein selbst zu vergessen. Während der Sternenwirth erzählte, hatte sich eine von dessen Töchtern und der Sohn angelegentlich mit Fränz beschäftigt und waren oft in lauten Scherz ausgebrochen. Der Sternenwirth rückte nun, von der Theilnahme seines Zuhörers ermuthigt, weiter heraus: wie glücklich ein vermögliches Mädchen mit seinem Wilhelm werden könne, er wolle den Engel in der obern Stadt kaufen und ausbauen und sei ohne Rühmens der geschickteste Wirth. Diethelm nickte einverständlich und bemerkte nur, daß der Wilhelm noch jung sei und wohl noch ein paar Jährchen warten müsse, und der Wirth stieß eben mit ihm an, als der Reppenberger eintrat. Diethelm nahm ihn bei Seite und vernahm, daß nichts zu verkaufen sei und höchstens ums halbe Geld.
Sag nur, ich behalt' den Posten auch noch, rief Diethelm plötzlich laut und sagte dann, daß es Alle hören konnten, leichthin zu dem Wirth:
Kannst mir nicht auf eine Stunde fünfhundert Gulden geben?
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-14T13:04:01Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-14T13:04:01Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |