Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.daß Alles stattlich daher käme; und wurde er auch oft von Solchen mißbraucht, die fremder Gabe gar nicht bedurften, immer wieder fand ihn Jeder bereitwillig und hülfreich. Wenn unser Meister nach Letzweiler kam, stand Alles still, als erschiene ein höheres Wesen, und die Lippen bewegten sich wie zu Segenssprüchen, denn solch einen Wohlthäter hatte man noch nie gesehen, und Diethelm hatte nur abzuwehren, daß ihm nicht Kinder und Greise die Hände küßten. Seine hülfreiche Mildthätigkeit war aber auch ohne Grenzen, und man fabelte allerlei über seine unermeßlichen Reichthümer: er habe ein großes Loos in einer fremden Lotterie gewonnen, er habe einen Schatz gefunden und dergleichen mehr, und Diethelm gefiel sich in dem Ruhm seines Reichthums und seiner Wohlthätigkeit. In den besten, manneskräftigen Jahren, als er Schultheiß geworden war, fiel es ihm auf einmal ein, daß er genug gearbeitet habe. Er verpachtete daher seine Aecker und lief müßig und mit eingebildeten Krankheiten im Dorf umher; aber auch dies Leben verleidete ihm nach wenigen Jahren, zumal er mit den Pachtbeständern vielerlei Quengeleien hatte. Er wollte ändern, mochte aber nicht mehr zurück, verkaufte nun trotz heftigsten Widerspruchs seiner Frau alle seine Aecker, nur die Wiesen behielt er und lebte von Zinsen. Bald aber fing er einen kleinen Kornhandel an, der nicht ohne Gewinn war, und nun ging er Tag und Nacht auf sogenannte Speculationen aus, die ihm auch meist glückten. Dieses Verwenden der ganzen Lebensarbeit seiner Dorfbewohner als bloßen Werthgegenstandes hatte schon in sich etwas Herausforderndes, Feindseliges. Der ewige Kampf zwischen den Hervorbringenden und denen, die solches mühsame Händewerk mit Reden und Schreiben zu eigenem Vortheil verwenden, ist auf dem Lande naturgemäß ein Widerstreit gegen die Kornhändler, der sich je nach den Zeitläufen zu ausgesprochenem Hasse entwickelt. Das Vorhalten des Gedankens von dem großen Weltverkehre, und daß die Thätigkeitsergebnisse der ganzen Menschheit einander angehören, will bei daß Alles stattlich daher käme; und wurde er auch oft von Solchen mißbraucht, die fremder Gabe gar nicht bedurften, immer wieder fand ihn Jeder bereitwillig und hülfreich. Wenn unser Meister nach Letzweiler kam, stand Alles still, als erschiene ein höheres Wesen, und die Lippen bewegten sich wie zu Segenssprüchen, denn solch einen Wohlthäter hatte man noch nie gesehen, und Diethelm hatte nur abzuwehren, daß ihm nicht Kinder und Greise die Hände küßten. Seine hülfreiche Mildthätigkeit war aber auch ohne Grenzen, und man fabelte allerlei über seine unermeßlichen Reichthümer: er habe ein großes Loos in einer fremden Lotterie gewonnen, er habe einen Schatz gefunden und dergleichen mehr, und Diethelm gefiel sich in dem Ruhm seines Reichthums und seiner Wohlthätigkeit. In den besten, manneskräftigen Jahren, als er Schultheiß geworden war, fiel es ihm auf einmal ein, daß er genug gearbeitet habe. Er verpachtete daher seine Aecker und lief müßig und mit eingebildeten Krankheiten im Dorf umher; aber auch dies Leben verleidete ihm nach wenigen Jahren, zumal er mit den Pachtbeständern vielerlei Quengeleien hatte. Er wollte ändern, mochte aber nicht mehr zurück, verkaufte nun trotz heftigsten Widerspruchs seiner Frau alle seine Aecker, nur die Wiesen behielt er und lebte von Zinsen. Bald aber fing er einen kleinen Kornhandel an, der nicht ohne Gewinn war, und nun ging er Tag und Nacht auf sogenannte Speculationen aus, die ihm auch meist glückten. Dieses Verwenden der ganzen Lebensarbeit seiner Dorfbewohner als bloßen Werthgegenstandes hatte schon in sich etwas Herausforderndes, Feindseliges. Der ewige Kampf zwischen den Hervorbringenden und denen, die solches mühsame Händewerk mit Reden und Schreiben zu eigenem Vortheil verwenden, ist auf dem Lande naturgemäß ein Widerstreit gegen die Kornhändler, der sich je nach den Zeitläufen zu ausgesprochenem Hasse entwickelt. Das Vorhalten des Gedankens von dem großen Weltverkehre, und daß die Thätigkeitsergebnisse der ganzen Menschheit einander angehören, will bei <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0034"/> daß Alles stattlich daher käme; und wurde er auch oft von Solchen mißbraucht, die fremder Gabe gar nicht bedurften, immer wieder fand ihn Jeder bereitwillig und hülfreich. Wenn unser Meister nach Letzweiler kam, stand Alles still, als erschiene ein höheres Wesen, und die Lippen bewegten sich wie zu Segenssprüchen, denn solch einen Wohlthäter hatte man noch nie gesehen, und Diethelm hatte nur abzuwehren, daß ihm nicht Kinder und Greise die Hände küßten. Seine hülfreiche Mildthätigkeit war aber auch ohne Grenzen, und man fabelte allerlei über seine unermeßlichen Reichthümer: er habe ein großes Loos in einer fremden Lotterie gewonnen, er habe einen Schatz gefunden und dergleichen mehr, und Diethelm gefiel sich in dem Ruhm seines Reichthums und seiner Wohlthätigkeit. In den besten, manneskräftigen Jahren, als er Schultheiß geworden war, fiel es ihm auf einmal ein, daß er genug gearbeitet habe. Er verpachtete daher seine Aecker und lief müßig und mit eingebildeten Krankheiten im Dorf umher; aber auch dies Leben verleidete ihm nach wenigen Jahren, zumal er mit den Pachtbeständern vielerlei Quengeleien hatte. Er wollte ändern, mochte aber nicht mehr zurück, verkaufte nun trotz heftigsten Widerspruchs seiner Frau alle seine Aecker, nur die Wiesen behielt er und lebte von Zinsen. Bald aber fing er einen kleinen Kornhandel an, der nicht ohne Gewinn war, und nun ging er Tag und Nacht auf sogenannte Speculationen aus, die ihm auch meist glückten.</p><lb/> <p>Dieses Verwenden der ganzen Lebensarbeit seiner Dorfbewohner als bloßen Werthgegenstandes hatte schon in sich etwas Herausforderndes, Feindseliges. 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daß Alles stattlich daher käme; und wurde er auch oft von Solchen mißbraucht, die fremder Gabe gar nicht bedurften, immer wieder fand ihn Jeder bereitwillig und hülfreich. Wenn unser Meister nach Letzweiler kam, stand Alles still, als erschiene ein höheres Wesen, und die Lippen bewegten sich wie zu Segenssprüchen, denn solch einen Wohlthäter hatte man noch nie gesehen, und Diethelm hatte nur abzuwehren, daß ihm nicht Kinder und Greise die Hände küßten. Seine hülfreiche Mildthätigkeit war aber auch ohne Grenzen, und man fabelte allerlei über seine unermeßlichen Reichthümer: er habe ein großes Loos in einer fremden Lotterie gewonnen, er habe einen Schatz gefunden und dergleichen mehr, und Diethelm gefiel sich in dem Ruhm seines Reichthums und seiner Wohlthätigkeit. In den besten, manneskräftigen Jahren, als er Schultheiß geworden war, fiel es ihm auf einmal ein, daß er genug gearbeitet habe. Er verpachtete daher seine Aecker und lief müßig und mit eingebildeten Krankheiten im Dorf umher; aber auch dies Leben verleidete ihm nach wenigen Jahren, zumal er mit den Pachtbeständern vielerlei Quengeleien hatte. Er wollte ändern, mochte aber nicht mehr zurück, verkaufte nun trotz heftigsten Widerspruchs seiner Frau alle seine Aecker, nur die Wiesen behielt er und lebte von Zinsen. Bald aber fing er einen kleinen Kornhandel an, der nicht ohne Gewinn war, und nun ging er Tag und Nacht auf sogenannte Speculationen aus, die ihm auch meist glückten.
Dieses Verwenden der ganzen Lebensarbeit seiner Dorfbewohner als bloßen Werthgegenstandes hatte schon in sich etwas Herausforderndes, Feindseliges. Der ewige Kampf zwischen den Hervorbringenden und denen, die solches mühsame Händewerk mit Reden und Schreiben zu eigenem Vortheil verwenden, ist auf dem Lande naturgemäß ein Widerstreit gegen die Kornhändler, der sich je nach den Zeitläufen zu ausgesprochenem Hasse entwickelt. Das Vorhalten des Gedankens von dem großen Weltverkehre, und daß die Thätigkeitsergebnisse der ganzen Menschheit einander angehören, will bei
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Zitationshilfe: | Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/34>, abgerufen am 25.07.2024. |