Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Worte, über die er jedoch bald wieder hinwegkam. Er klagte jämmerlich über die unvertilgbare Kellerkälte, die ihn so sehr plage, und verlangte den rothausgeschlagenen Rock Medard's, der ihm allein warm machen könne, und in dem er zum Richtplatze gehen wolle. Die scheinbare Geistesverwirrung Diethelms lös'te sich wieder. Er verzichtete ausdrücklich auf die Verhandlung vor dem Schwurgericht, wurde aber, da dieser Theil der Grundrechte noch galt, nicht zum Tode, sondern zu lebenslänglichem Zuchthaus verurtheilt. Im Zuchthause zu M. saß drei Jahre lang ein zusammengeschnurrtes Männchen, dürr und gebeugt, das immer fror und sich die Hände rieb und mit den Zähnen klapperte; es war schwer in diesem Männchen den einstigen stattlichen Diethelm wieder zu erkennen. Dumpf und lautlos verhielt sich der Sträfling, und nur manchmal bat er mit aufgehobenen Händen um die Gnade, Holz hacken zu dürfen, da diese Arbeit allein ihn vom Frost erlöse. Erst nach drei Jahren des Wohlverhaltens wurde ihm diese Gnade gewährt, und nachdem er die ersten Splitter von den zähen Baumstümpfen gelös't und die Keile eingetrieben hatte, fuhr er sich mit der Hand über die Stirn und betrachtete frohlockend die Schweißtropfen, die er abgewischt hatte. Aufs Neue erhob er mit Macht die Axt, und die zusammengeschrumpfte Gestalt wurde bei jedem Schlage größer und gewaltiger. Das war wieder der Diethelm von Buchenberg. Plötzlich schrie er laut auf: Heraus, heraus will ich! und zerschmetterte sich mit dem Beile das Hirn. Eine Leiche sank unter die Splitter der Baumstümpfe. Der anfängliche Wahnsinn Diethelm's gab dem Advocaten der Fränz Gelegenheit, die Ansprüche der Feuerversicherungsgesellschaft in Frage zu stellen, und ein langwieriger Rechtshandel schien sich daran zu knüpfen, den Fränz mit eiserner Unbeugsamkeit und mit Dransetzen eines großen Theils ihres Muttergutes fortführte. Sie wohnte allein mit einer Magd in dem großen Worte, über die er jedoch bald wieder hinwegkam. Er klagte jämmerlich über die unvertilgbare Kellerkälte, die ihn so sehr plage, und verlangte den rothausgeschlagenen Rock Medard's, der ihm allein warm machen könne, und in dem er zum Richtplatze gehen wolle. Die scheinbare Geistesverwirrung Diethelms lös'te sich wieder. Er verzichtete ausdrücklich auf die Verhandlung vor dem Schwurgericht, wurde aber, da dieser Theil der Grundrechte noch galt, nicht zum Tode, sondern zu lebenslänglichem Zuchthaus verurtheilt. Im Zuchthause zu M. saß drei Jahre lang ein zusammengeschnurrtes Männchen, dürr und gebeugt, das immer fror und sich die Hände rieb und mit den Zähnen klapperte; es war schwer in diesem Männchen den einstigen stattlichen Diethelm wieder zu erkennen. Dumpf und lautlos verhielt sich der Sträfling, und nur manchmal bat er mit aufgehobenen Händen um die Gnade, Holz hacken zu dürfen, da diese Arbeit allein ihn vom Frost erlöse. Erst nach drei Jahren des Wohlverhaltens wurde ihm diese Gnade gewährt, und nachdem er die ersten Splitter von den zähen Baumstümpfen gelös't und die Keile eingetrieben hatte, fuhr er sich mit der Hand über die Stirn und betrachtete frohlockend die Schweißtropfen, die er abgewischt hatte. Aufs Neue erhob er mit Macht die Axt, und die zusammengeschrumpfte Gestalt wurde bei jedem Schlage größer und gewaltiger. Das war wieder der Diethelm von Buchenberg. Plötzlich schrie er laut auf: Heraus, heraus will ich! und zerschmetterte sich mit dem Beile das Hirn. Eine Leiche sank unter die Splitter der Baumstümpfe. Der anfängliche Wahnsinn Diethelm's gab dem Advocaten der Fränz Gelegenheit, die Ansprüche der Feuerversicherungsgesellschaft in Frage zu stellen, und ein langwieriger Rechtshandel schien sich daran zu knüpfen, den Fränz mit eiserner Unbeugsamkeit und mit Dransetzen eines großen Theils ihres Muttergutes fortführte. Sie wohnte allein mit einer Magd in dem großen <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="30"> <p><pb facs="#f0225"/> Worte, über die er jedoch bald wieder hinwegkam. Er klagte jämmerlich über die unvertilgbare Kellerkälte, die ihn so sehr plage, und verlangte den rothausgeschlagenen Rock Medard's, der ihm allein warm machen könne, und in dem er zum Richtplatze gehen wolle.</p><lb/> <p>Die scheinbare Geistesverwirrung Diethelms lös'te sich wieder. 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Aufs Neue erhob er mit Macht die Axt, und die zusammengeschrumpfte Gestalt wurde bei jedem Schlage größer und gewaltiger. Das war wieder der Diethelm von Buchenberg. Plötzlich schrie er laut auf: Heraus, heraus will ich! und zerschmetterte sich mit dem Beile das Hirn.</p><lb/> <p>Eine Leiche sank unter die Splitter der Baumstümpfe.</p><lb/> <p>Der anfängliche Wahnsinn Diethelm's gab dem Advocaten der Fränz Gelegenheit, die Ansprüche der Feuerversicherungsgesellschaft in Frage zu stellen, und ein langwieriger Rechtshandel schien sich daran zu knüpfen, den Fränz mit eiserner Unbeugsamkeit und mit Dransetzen eines großen Theils ihres Muttergutes fortführte.</p><lb/> <p>Sie wohnte allein mit einer Magd in dem großen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0225]
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Die scheinbare Geistesverwirrung Diethelms lös'te sich wieder. Er verzichtete ausdrücklich auf die Verhandlung vor dem Schwurgericht, wurde aber, da dieser Theil der Grundrechte noch galt, nicht zum Tode, sondern zu lebenslänglichem Zuchthaus verurtheilt.
Im Zuchthause zu M. saß drei Jahre lang ein zusammengeschnurrtes Männchen, dürr und gebeugt, das immer fror und sich die Hände rieb und mit den Zähnen klapperte; es war schwer in diesem Männchen den einstigen stattlichen Diethelm wieder zu erkennen. Dumpf und lautlos verhielt sich der Sträfling, und nur manchmal bat er mit aufgehobenen Händen um die Gnade, Holz hacken zu dürfen, da diese Arbeit allein ihn vom Frost erlöse. Erst nach drei Jahren des Wohlverhaltens wurde ihm diese Gnade gewährt, und nachdem er die ersten Splitter von den zähen Baumstümpfen gelös't und die Keile eingetrieben hatte, fuhr er sich mit der Hand über die Stirn und betrachtete frohlockend die Schweißtropfen, die er abgewischt hatte. Aufs Neue erhob er mit Macht die Axt, und die zusammengeschrumpfte Gestalt wurde bei jedem Schlage größer und gewaltiger. Das war wieder der Diethelm von Buchenberg. Plötzlich schrie er laut auf: Heraus, heraus will ich! und zerschmetterte sich mit dem Beile das Hirn.
Eine Leiche sank unter die Splitter der Baumstümpfe.
Der anfängliche Wahnsinn Diethelm's gab dem Advocaten der Fränz Gelegenheit, die Ansprüche der Feuerversicherungsgesellschaft in Frage zu stellen, und ein langwieriger Rechtshandel schien sich daran zu knüpfen, den Fränz mit eiserner Unbeugsamkeit und mit Dransetzen eines großen Theils ihres Muttergutes fortführte.
Sie wohnte allein mit einer Magd in dem großen
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Zitationshilfe: | Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/225>, abgerufen am 25.07.2024. |