Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Alles vor, um Buchenberg auf ewig zu verlassen; einstweilen, bis er einen schicklichen Käufer gefunden, übergab er dem Vetter Waldhornwirth Alles zur Ueberwachung. Es gingen aber doch noch Tage darauf, bevor er fortkam, da waren noch hunderterlei Sachen abzuwickeln, und diese Tage wurden zur höchsten Pein; der Geist, der aller gewohnten Umgebung bereits Ade gesagt, und doch noch mitten in ihr steht, erschien wie ein ruheloses Gespenst, das noch umwandeln muß. Endlich am zehnten Tage nach seiner Rückkehr fuhr Diethelm allein mit seinen Rappen davon. Er drückte den Hut tief in die Stirne und schaute nicht rechts und nicht links, und erst als er die kalte Herberge hinter sich hatte, athmete er frei auf. Das Reisen im frischen Herbsttage, das Fahren im eigenen Gefährte belebte ihn wieder neu, und am zweiten Mittage kam er wohl gekräftigt in der Kreisstadt an. Fränz, die er bei den Schwiegereltern traf, klagte und weinte viel, und doch schien es Diethelm, als ob sie Manches nur erkünstle, um vor den Schwiegereltern als gute Tochter zu erscheinen; sie ging so straff und aufrecht umher, ihre Trauerkleidung war so wohlgeordnet, sie erschien darin schöner als je und trug gekräuselte Scheitelhaare. Diethelm betrachtete sie oft still forschend, als wäre sie gar nicht seine Tochter, und in der That war Fränz eine zierlich schlanke Dame geworden; nur die breiten Hände, die sich noch durch Flormanschetten besonders hervorhoben, zeigten die ehemalige Bäuerin. Als sie einen Augenblick mit dem Vater allein war, sagte sie schnell: Der Munde ist auch in der Stadt, er ist beim Manöver, ich hab' ihn gesehen. Was geht dich der Munde an? entgegnete Diethelm zornig, und noch ehe etwas erwidert werden konnte, trat der Schwiegersohn ein; er trug einen Flor um den Hut und sprach aufrichtige Worte des Mitgefühls um den Tod der Schwiegermutter. Alles vor, um Buchenberg auf ewig zu verlassen; einstweilen, bis er einen schicklichen Käufer gefunden, übergab er dem Vetter Waldhornwirth Alles zur Ueberwachung. Es gingen aber doch noch Tage darauf, bevor er fortkam, da waren noch hunderterlei Sachen abzuwickeln, und diese Tage wurden zur höchsten Pein; der Geist, der aller gewohnten Umgebung bereits Ade gesagt, und doch noch mitten in ihr steht, erschien wie ein ruheloses Gespenst, das noch umwandeln muß. Endlich am zehnten Tage nach seiner Rückkehr fuhr Diethelm allein mit seinen Rappen davon. Er drückte den Hut tief in die Stirne und schaute nicht rechts und nicht links, und erst als er die kalte Herberge hinter sich hatte, athmete er frei auf. Das Reisen im frischen Herbsttage, das Fahren im eigenen Gefährte belebte ihn wieder neu, und am zweiten Mittage kam er wohl gekräftigt in der Kreisstadt an. Fränz, die er bei den Schwiegereltern traf, klagte und weinte viel, und doch schien es Diethelm, als ob sie Manches nur erkünstle, um vor den Schwiegereltern als gute Tochter zu erscheinen; sie ging so straff und aufrecht umher, ihre Trauerkleidung war so wohlgeordnet, sie erschien darin schöner als je und trug gekräuselte Scheitelhaare. Diethelm betrachtete sie oft still forschend, als wäre sie gar nicht seine Tochter, und in der That war Fränz eine zierlich schlanke Dame geworden; nur die breiten Hände, die sich noch durch Flormanschetten besonders hervorhoben, zeigten die ehemalige Bäuerin. Als sie einen Augenblick mit dem Vater allein war, sagte sie schnell: Der Munde ist auch in der Stadt, er ist beim Manöver, ich hab' ihn gesehen. Was geht dich der Munde an? entgegnete Diethelm zornig, und noch ehe etwas erwidert werden konnte, trat der Schwiegersohn ein; er trug einen Flor um den Hut und sprach aufrichtige Worte des Mitgefühls um den Tod der Schwiegermutter. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="29"> <p><pb facs="#f0217"/> Alles vor, um Buchenberg auf ewig zu verlassen; einstweilen, bis er einen schicklichen Käufer gefunden, übergab er dem Vetter Waldhornwirth Alles zur Ueberwachung. Es gingen aber doch noch Tage darauf, bevor er fortkam, da waren noch hunderterlei Sachen abzuwickeln, und diese Tage wurden zur höchsten Pein; der Geist, der aller gewohnten Umgebung bereits Ade gesagt, und doch noch mitten in ihr steht, erschien wie ein ruheloses Gespenst, das noch umwandeln muß. Endlich am zehnten Tage nach seiner Rückkehr fuhr Diethelm allein mit seinen Rappen davon. Er drückte den Hut tief in die Stirne und schaute nicht rechts und nicht links, und erst als er die kalte Herberge hinter sich hatte, athmete er frei auf.</p><lb/> <p>Das Reisen im frischen Herbsttage, das Fahren im eigenen Gefährte belebte ihn wieder neu, und am zweiten Mittage kam er wohl gekräftigt in der Kreisstadt an. Fränz, die er bei den Schwiegereltern traf, klagte und weinte viel, und doch schien es Diethelm, als ob sie Manches nur erkünstle, um vor den Schwiegereltern als gute Tochter zu erscheinen; sie ging so straff und aufrecht umher, ihre Trauerkleidung war so wohlgeordnet, sie erschien darin schöner als je und trug gekräuselte Scheitelhaare. Diethelm betrachtete sie oft still forschend, als wäre sie gar nicht seine Tochter, und in der That war Fränz eine zierlich schlanke Dame geworden; nur die breiten Hände, die sich noch durch Flormanschetten besonders hervorhoben, zeigten die ehemalige Bäuerin. 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Alles vor, um Buchenberg auf ewig zu verlassen; einstweilen, bis er einen schicklichen Käufer gefunden, übergab er dem Vetter Waldhornwirth Alles zur Ueberwachung. Es gingen aber doch noch Tage darauf, bevor er fortkam, da waren noch hunderterlei Sachen abzuwickeln, und diese Tage wurden zur höchsten Pein; der Geist, der aller gewohnten Umgebung bereits Ade gesagt, und doch noch mitten in ihr steht, erschien wie ein ruheloses Gespenst, das noch umwandeln muß. Endlich am zehnten Tage nach seiner Rückkehr fuhr Diethelm allein mit seinen Rappen davon. Er drückte den Hut tief in die Stirne und schaute nicht rechts und nicht links, und erst als er die kalte Herberge hinter sich hatte, athmete er frei auf.
Das Reisen im frischen Herbsttage, das Fahren im eigenen Gefährte belebte ihn wieder neu, und am zweiten Mittage kam er wohl gekräftigt in der Kreisstadt an. Fränz, die er bei den Schwiegereltern traf, klagte und weinte viel, und doch schien es Diethelm, als ob sie Manches nur erkünstle, um vor den Schwiegereltern als gute Tochter zu erscheinen; sie ging so straff und aufrecht umher, ihre Trauerkleidung war so wohlgeordnet, sie erschien darin schöner als je und trug gekräuselte Scheitelhaare. Diethelm betrachtete sie oft still forschend, als wäre sie gar nicht seine Tochter, und in der That war Fränz eine zierlich schlanke Dame geworden; nur die breiten Hände, die sich noch durch Flormanschetten besonders hervorhoben, zeigten die ehemalige Bäuerin. Als sie einen Augenblick mit dem Vater allein war, sagte sie schnell:
Der Munde ist auch in der Stadt, er ist beim Manöver, ich hab' ihn gesehen.
Was geht dich der Munde an? entgegnete Diethelm zornig, und noch ehe etwas erwidert werden konnte, trat der Schwiegersohn ein; er trug einen Flor um den Hut und sprach aufrichtige Worte des Mitgefühls um den Tod der Schwiegermutter.
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