Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.die drohenden Gerichtsverhandlungen, und wie jetzt zwei Männer auf Jahrzehente aus der Mitte der Menschen gerissen waren. Still und in sich gekehrt weilte Diethelm daheim, und nur Abends beim Spiel war er lebendig. Die Leute wunderten sich, warum er so wenig vom Schwurgericht erzählte, er aber wollte es sich aus dem Sinne schlagen und kehrte mißmuthig wiederum am zweiten Dienstag nach der Kreisstadt zurück. Achtundzwanzigstes Kapitel. Der erste Mann, der Diethelm begegnete, war der Steinbauer, er schien ihn nicht mehr zu kennen, und in der That hatte sich die Erscheinung Diethelm's auffallend verändert. Er trug jetzt einen dunkelblauen Rock mit Kummetkragen, Batten und dunkeln seidenbesponnenen Knöpfen, dazu eine schwarze, bis an den Hals geschlossene Atlasweste und lange dunkelblaue Hosen, nur der Hut war der alte geblieben. Theils um selber die kennzeichnende Bauerntracht los zu sein, theils auch, um, wie er hoffte, sich seinem Schwiegersohne genehmer darzustellen, hatte Diethelm seine Erscheinung verändert; überhaupt aber wollte er in jeder Weise ein anderer Mensch sein, er hatte sich genugsam über die Weichmüthigkeit geärgert, die ihn an dem Schicksal der abgeurtheilten Diebe so besondern Antheil nehmen ließ, daß er noch tagelang dachte, wie sie auf den Schub gebracht, im Zuchthaus eingekleidet und in ein fremdes Dasein gebracht werden. Er suchte gewaltsam seinen alten Stolz wieder hervor und stellte sich hoch über "das Lumpenpack, das nichts hat und nichts vermag." die drohenden Gerichtsverhandlungen, und wie jetzt zwei Männer auf Jahrzehente aus der Mitte der Menschen gerissen waren. Still und in sich gekehrt weilte Diethelm daheim, und nur Abends beim Spiel war er lebendig. Die Leute wunderten sich, warum er so wenig vom Schwurgericht erzählte, er aber wollte es sich aus dem Sinne schlagen und kehrte mißmuthig wiederum am zweiten Dienstag nach der Kreisstadt zurück. Achtundzwanzigstes Kapitel. Der erste Mann, der Diethelm begegnete, war der Steinbauer, er schien ihn nicht mehr zu kennen, und in der That hatte sich die Erscheinung Diethelm's auffallend verändert. Er trug jetzt einen dunkelblauen Rock mit Kummetkragen, Batten und dunkeln seidenbesponnenen Knöpfen, dazu eine schwarze, bis an den Hals geschlossene Atlasweste und lange dunkelblaue Hosen, nur der Hut war der alte geblieben. Theils um selber die kennzeichnende Bauerntracht los zu sein, theils auch, um, wie er hoffte, sich seinem Schwiegersohne genehmer darzustellen, hatte Diethelm seine Erscheinung verändert; überhaupt aber wollte er in jeder Weise ein anderer Mensch sein, er hatte sich genugsam über die Weichmüthigkeit geärgert, die ihn an dem Schicksal der abgeurtheilten Diebe so besondern Antheil nehmen ließ, daß er noch tagelang dachte, wie sie auf den Schub gebracht, im Zuchthaus eingekleidet und in ein fremdes Dasein gebracht werden. Er suchte gewaltsam seinen alten Stolz wieder hervor und stellte sich hoch über „das Lumpenpack, das nichts hat und nichts vermag.“ <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="27"> <p><pb facs="#f0210"/> die drohenden Gerichtsverhandlungen, und wie jetzt zwei Männer auf Jahrzehente aus der Mitte der Menschen gerissen waren.</p><lb/> <p>Still und in sich gekehrt weilte Diethelm daheim, und nur Abends beim Spiel war er lebendig. Die Leute wunderten sich, warum er so wenig vom Schwurgericht erzählte, er aber wollte es sich aus dem Sinne schlagen und kehrte mißmuthig wiederum am zweiten Dienstag nach der Kreisstadt zurück.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="28"> <head>Achtundzwanzigstes Kapitel.</head><lb/> <p>Der erste Mann, der Diethelm begegnete, war der Steinbauer, er schien ihn nicht mehr zu kennen, und in der That hatte sich die Erscheinung Diethelm's auffallend verändert. Er trug jetzt einen dunkelblauen Rock mit Kummetkragen, Batten und dunkeln seidenbesponnenen Knöpfen, dazu eine schwarze, bis an den Hals geschlossene Atlasweste und lange dunkelblaue Hosen, nur der Hut war der alte geblieben. Theils um selber die kennzeichnende Bauerntracht los zu sein, theils auch, um, wie er hoffte, sich seinem Schwiegersohne genehmer darzustellen, hatte Diethelm seine Erscheinung verändert; überhaupt aber wollte er in jeder Weise ein anderer Mensch sein, er hatte sich genugsam über die Weichmüthigkeit geärgert, die ihn an dem Schicksal der abgeurtheilten Diebe so besondern Antheil nehmen ließ, daß er noch tagelang dachte, wie sie auf den Schub gebracht, im Zuchthaus eingekleidet und in ein fremdes Dasein gebracht werden. Er suchte gewaltsam seinen alten Stolz wieder hervor und stellte sich hoch über „das Lumpenpack, das nichts hat und nichts vermag.“</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0210]
die drohenden Gerichtsverhandlungen, und wie jetzt zwei Männer auf Jahrzehente aus der Mitte der Menschen gerissen waren.
Still und in sich gekehrt weilte Diethelm daheim, und nur Abends beim Spiel war er lebendig. Die Leute wunderten sich, warum er so wenig vom Schwurgericht erzählte, er aber wollte es sich aus dem Sinne schlagen und kehrte mißmuthig wiederum am zweiten Dienstag nach der Kreisstadt zurück.
Achtundzwanzigstes Kapitel.
Der erste Mann, der Diethelm begegnete, war der Steinbauer, er schien ihn nicht mehr zu kennen, und in der That hatte sich die Erscheinung Diethelm's auffallend verändert. Er trug jetzt einen dunkelblauen Rock mit Kummetkragen, Batten und dunkeln seidenbesponnenen Knöpfen, dazu eine schwarze, bis an den Hals geschlossene Atlasweste und lange dunkelblaue Hosen, nur der Hut war der alte geblieben. Theils um selber die kennzeichnende Bauerntracht los zu sein, theils auch, um, wie er hoffte, sich seinem Schwiegersohne genehmer darzustellen, hatte Diethelm seine Erscheinung verändert; überhaupt aber wollte er in jeder Weise ein anderer Mensch sein, er hatte sich genugsam über die Weichmüthigkeit geärgert, die ihn an dem Schicksal der abgeurtheilten Diebe so besondern Antheil nehmen ließ, daß er noch tagelang dachte, wie sie auf den Schub gebracht, im Zuchthaus eingekleidet und in ein fremdes Dasein gebracht werden. Er suchte gewaltsam seinen alten Stolz wieder hervor und stellte sich hoch über „das Lumpenpack, das nichts hat und nichts vermag.“
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Zitationshilfe: | Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/210>, abgerufen am 22.02.2025. |