Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Worte gaben. Besonders ein Wort des Vorsitzenden drang Diethelm ins Herz, denn er hatte gesagt: Ein Verbrechen, das ungesühnt in der Seele ruht, gleicht dem Brande in einem Kohlenbergwerke; man stopft es zu und will das Feuer ersticken, aber es brennt weiter, unterirdisch, ungesehen, und eine Oeffnung, die sich aufthut, läßt die Flamme emporschlagen. Diethelm fühlte bei diesen Worten, wie es wirklich in seinen Eingeweiden brannte, er hätte laut aufschreien mögen vor Schmerz, aber er bezwang sich. Als jetzt die Rechtsgelehrten der verschiedenen Stellungen gesprochen hatten, trat eine Pause ein. Man erwartete eine Ansprache aus der Mitte der Geschworenen. Einer stieß den Andern an, er möge reden, und doch hätte Jeder gerne selbst gesprochen, die Pause dauerte peinlich lange, da erhob sich Diethelm. Er glaubte gerade besonders zeigen zu müssen, wie sehr er die Bedeutsamkeit der neuen Einrichtung erkenne, die Worte des Amtmanns bei der Wahlversammlung kamen ihm wohl zu statten, und hatte er sich vordem nicht gescheut, mit fremdem Geld und Gut groß zu thun, so hatte es mit einem fremdem Gedanken gewiß viel weniger auf sich. Anfangs bebend, dann aber mit fester Stimme wiederholte er, in seine Weise übertragen, jene Worte, und Alle standen auf, als er plötzlich stotternd abbrach und die Hände faltend mit gehaltenem Tone das Vaterunser sprach. Bevor die Namen der Geschworenen verlesen wurden, ließ der Vorsitzende durch den Gerichtsschreiber ein ärztliches Zeugniß vortragen, das der Steinbauer beigebracht hatte, und das ihn befreien sollte. Nach kurzer leiser Berathung erklärte der Schwurgerichtshof, daß die Befreiungsgründe nicht zureichend seien. Diethelm schaute mit triumphirendem Lächeln auf den Steinbauer, der aber keine Miene zuckte. Nun ging es an das Verlesen der Namen. Der Vorsitzende nahm bald rechts bald links die Zettel auf, die ihm die beiden Schwurrichter reichten, und warf sie in die Worte gaben. Besonders ein Wort des Vorsitzenden drang Diethelm ins Herz, denn er hatte gesagt: Ein Verbrechen, das ungesühnt in der Seele ruht, gleicht dem Brande in einem Kohlenbergwerke; man stopft es zu und will das Feuer ersticken, aber es brennt weiter, unterirdisch, ungesehen, und eine Oeffnung, die sich aufthut, läßt die Flamme emporschlagen. Diethelm fühlte bei diesen Worten, wie es wirklich in seinen Eingeweiden brannte, er hätte laut aufschreien mögen vor Schmerz, aber er bezwang sich. Als jetzt die Rechtsgelehrten der verschiedenen Stellungen gesprochen hatten, trat eine Pause ein. Man erwartete eine Ansprache aus der Mitte der Geschworenen. Einer stieß den Andern an, er möge reden, und doch hätte Jeder gerne selbst gesprochen, die Pause dauerte peinlich lange, da erhob sich Diethelm. Er glaubte gerade besonders zeigen zu müssen, wie sehr er die Bedeutsamkeit der neuen Einrichtung erkenne, die Worte des Amtmanns bei der Wahlversammlung kamen ihm wohl zu statten, und hatte er sich vordem nicht gescheut, mit fremdem Geld und Gut groß zu thun, so hatte es mit einem fremdem Gedanken gewiß viel weniger auf sich. Anfangs bebend, dann aber mit fester Stimme wiederholte er, in seine Weise übertragen, jene Worte, und Alle standen auf, als er plötzlich stotternd abbrach und die Hände faltend mit gehaltenem Tone das Vaterunser sprach. Bevor die Namen der Geschworenen verlesen wurden, ließ der Vorsitzende durch den Gerichtsschreiber ein ärztliches Zeugniß vortragen, das der Steinbauer beigebracht hatte, und das ihn befreien sollte. Nach kurzer leiser Berathung erklärte der Schwurgerichtshof, daß die Befreiungsgründe nicht zureichend seien. Diethelm schaute mit triumphirendem Lächeln auf den Steinbauer, der aber keine Miene zuckte. Nun ging es an das Verlesen der Namen. Der Vorsitzende nahm bald rechts bald links die Zettel auf, die ihm die beiden Schwurrichter reichten, und warf sie in die <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="27"> <p><pb facs="#f0203"/> Worte gaben. Besonders ein Wort des Vorsitzenden drang Diethelm ins Herz, denn er hatte gesagt: Ein Verbrechen, das ungesühnt in der Seele ruht, gleicht dem Brande in einem Kohlenbergwerke; man stopft es zu und will das Feuer ersticken, aber es brennt weiter, unterirdisch, ungesehen, und eine Oeffnung, die sich aufthut, läßt die Flamme emporschlagen.</p><lb/> <p>Diethelm fühlte bei diesen Worten, wie es wirklich in seinen Eingeweiden brannte, er hätte laut aufschreien mögen vor Schmerz, aber er bezwang sich. 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Worte gaben. Besonders ein Wort des Vorsitzenden drang Diethelm ins Herz, denn er hatte gesagt: Ein Verbrechen, das ungesühnt in der Seele ruht, gleicht dem Brande in einem Kohlenbergwerke; man stopft es zu und will das Feuer ersticken, aber es brennt weiter, unterirdisch, ungesehen, und eine Oeffnung, die sich aufthut, läßt die Flamme emporschlagen.
Diethelm fühlte bei diesen Worten, wie es wirklich in seinen Eingeweiden brannte, er hätte laut aufschreien mögen vor Schmerz, aber er bezwang sich. Als jetzt die Rechtsgelehrten der verschiedenen Stellungen gesprochen hatten, trat eine Pause ein. Man erwartete eine Ansprache aus der Mitte der Geschworenen. Einer stieß den Andern an, er möge reden, und doch hätte Jeder gerne selbst gesprochen, die Pause dauerte peinlich lange, da erhob sich Diethelm. Er glaubte gerade besonders zeigen zu müssen, wie sehr er die Bedeutsamkeit der neuen Einrichtung erkenne, die Worte des Amtmanns bei der Wahlversammlung kamen ihm wohl zu statten, und hatte er sich vordem nicht gescheut, mit fremdem Geld und Gut groß zu thun, so hatte es mit einem fremdem Gedanken gewiß viel weniger auf sich. Anfangs bebend, dann aber mit fester Stimme wiederholte er, in seine Weise übertragen, jene Worte, und Alle standen auf, als er plötzlich stotternd abbrach und die Hände faltend mit gehaltenem Tone das Vaterunser sprach.
Bevor die Namen der Geschworenen verlesen wurden, ließ der Vorsitzende durch den Gerichtsschreiber ein ärztliches Zeugniß vortragen, das der Steinbauer beigebracht hatte, und das ihn befreien sollte. Nach kurzer leiser Berathung erklärte der Schwurgerichtshof, daß die Befreiungsgründe nicht zureichend seien. Diethelm schaute mit triumphirendem Lächeln auf den Steinbauer, der aber keine Miene zuckte.
Nun ging es an das Verlesen der Namen. Der Vorsitzende nahm bald rechts bald links die Zettel auf, die ihm die beiden Schwurrichter reichten, und warf sie in die
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Zitationshilfe: | Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/203>, abgerufen am 25.07.2024. |