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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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pathetischen Mittel zu sagen, wie er sie vom Vater ererbt; er wollte es anfangs nicht dulden, daß Munde sie aufschrieb, das sei gegen das Herkommen und tödte vielleicht ihre geheime Kraft, aber Munde behauptete, nicht Alles so schnell behalten zu können. Das Zaubermittel gegen angethane Liebe schrieb Munde nicht auf. Er saß nun bei seinem Vater, wie in einem Zauberberg, umgeben von geheimnißvollen Mächten, und wußte nichts mehr von der Welt, bis Martha mit dem Reppenberger kam.

Munde that es wehe, auch gegen die Meisterin feindselig zu sein, der Reppenberger sprach von einer Abstandssumme, die Diethelm dem Munde bezahlen wolle, wenn er sich zur Auswanderung entschließe, aber Munde wies alle Anerbietungen von sich, und der alte Schäferle war glücklich, als er hörte, daß sein Sohn die erledigte Stelle als Gemeindeschäfer in Unterthailfingen annehmen wolle.

Auf den Tag hin, wie er es vorausgesagt, starb der alte Schäferle. Als ihm Munde noch am Morgen die gestopfte Pfeife übergeben wollte, schüttelte er den Kopf verneinend und sagte: Es ist vorbei.

Munde überließ Alles seiner Schwester und nahm sich nur die Kleider des Medard.

Er saß am Wege und hütete die Schafe, als Diethelm vierspännig mit seiner neuen Kalesche daherfuhr; er schaute auf, und blitzschnell durchzuckte ihn der Gedanke, welch ein großes Leben er hätte führen können; aber er drückte den Hut ins Gesicht und pfiff dem Paßauf, während Diethelm und Fränz rasch vorbeirollten.

Nicht ohne Befriedigung hörte Diethelm, daß der alte Schäferle gestorben und begraben sei, und daß der Geistliche an dessen Grabe sagte, Gott möge ihm vergeben, wie ihm der vergeben habe, dem er so schweres Leid angethan. Den Munde fürchtete Diethelm nicht mehr, weil er nicht im ersten Zorn gehandelt hatte, in diesem war er des Schlimmsten von ihm gewärtig, jetzt in Ruhe, dachte er, wird die Schafseele es

pathetischen Mittel zu sagen, wie er sie vom Vater ererbt; er wollte es anfangs nicht dulden, daß Munde sie aufschrieb, das sei gegen das Herkommen und tödte vielleicht ihre geheime Kraft, aber Munde behauptete, nicht Alles so schnell behalten zu können. Das Zaubermittel gegen angethane Liebe schrieb Munde nicht auf. Er saß nun bei seinem Vater, wie in einem Zauberberg, umgeben von geheimnißvollen Mächten, und wußte nichts mehr von der Welt, bis Martha mit dem Reppenberger kam.

Munde that es wehe, auch gegen die Meisterin feindselig zu sein, der Reppenberger sprach von einer Abstandssumme, die Diethelm dem Munde bezahlen wolle, wenn er sich zur Auswanderung entschließe, aber Munde wies alle Anerbietungen von sich, und der alte Schäferle war glücklich, als er hörte, daß sein Sohn die erledigte Stelle als Gemeindeschäfer in Unterthailfingen annehmen wolle.

Auf den Tag hin, wie er es vorausgesagt, starb der alte Schäferle. Als ihm Munde noch am Morgen die gestopfte Pfeife übergeben wollte, schüttelte er den Kopf verneinend und sagte: Es ist vorbei.

Munde überließ Alles seiner Schwester und nahm sich nur die Kleider des Medard.

Er saß am Wege und hütete die Schafe, als Diethelm vierspännig mit seiner neuen Kalesche daherfuhr; er schaute auf, und blitzschnell durchzuckte ihn der Gedanke, welch ein großes Leben er hätte führen können; aber er drückte den Hut ins Gesicht und pfiff dem Paßauf, während Diethelm und Fränz rasch vorbeirollten.

Nicht ohne Befriedigung hörte Diethelm, daß der alte Schäferle gestorben und begraben sei, und daß der Geistliche an dessen Grabe sagte, Gott möge ihm vergeben, wie ihm der vergeben habe, dem er so schweres Leid angethan. Den Munde fürchtete Diethelm nicht mehr, weil er nicht im ersten Zorn gehandelt hatte, in diesem war er des Schlimmsten von ihm gewärtig, jetzt in Ruhe, dachte er, wird die Schafseele es

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/188>, abgerufen am 26.11.2024.