Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Ich will nichts von Euch, rief der alte Schäferle der Eintretenden entgegen. Aber ich will was von dir, entgegnete Martha; da sieh, was ich für todte Finger hab'. Du mußt mir helfen. Der alte Schäferle, dessen geheime Kunst aufgefordert war, die er seinem Vater an Freund und Feind zu üben versprochen hatte, näherte sich, wenn auch langsam, betrachtete sie lange, hauchte dreimal darauf und murmelte dabei unverständliche Worte. Martha bewegte schon die Finger besser auf und zu, und der Schäferle sagte: Der Hund da, der Paßauf, kann Euch helfen. Lasset ihn nur bei Euch im Bett schlafen. Martha wehrte sich gegen dieses Mittel, gerade der Hund des verbrannten Medard war ihr ein Schrecken, und sie dachte nicht, daß ein anderer kurzhaariger eben so dienlich gewesen wäre; sie verstand sich eher zu den anderen Mitteln, die darin bestanden, Turteltauben im Zimmer zu halten und im Neumond drei Blutstropfen aus den drei Fingern auf Baumwolle aufzufangen und solche in eine junge ab dem Wege stehende Weide einzuspunden. In der That wurde Martha von nun an viel belebter und heiterer, und sie rieth oft ihrem Manne, wegen seines Fröstelns den alten Schäferle zu befragen, ja sie befragte diesen von selbst über den Fall; aber der alte Schäferle, der wußte, wem es galt, behauptete, nicht helfen zu können, bevor der Mann selber zu ihm käme. Diethelm aber wollte sich nicht dazu verstehen, und wenn ihn seine Frau über seine unruhigen Nächte ausfragte, redete er ihr ein, das viele Geld im Hause mache ihm bange; er durfte ihr ja nicht sagen, wie nicht die Sicherung seines Geldes, sondern die Wahrung seines Geheimnisses ihn oft in der Nacht aufschreckte, und wie es ihm oft war, als hörte er Peitschenknallen, Wagenrasseln, und als kämen plötzlich die Häscher, um ihn aufs Neue einzufangen. Jedesmal in der Nacht, Ich will nichts von Euch, rief der alte Schäferle der Eintretenden entgegen. Aber ich will was von dir, entgegnete Martha; da sieh, was ich für todte Finger hab'. Du mußt mir helfen. Der alte Schäferle, dessen geheime Kunst aufgefordert war, die er seinem Vater an Freund und Feind zu üben versprochen hatte, näherte sich, wenn auch langsam, betrachtete sie lange, hauchte dreimal darauf und murmelte dabei unverständliche Worte. Martha bewegte schon die Finger besser auf und zu, und der Schäferle sagte: Der Hund da, der Paßauf, kann Euch helfen. Lasset ihn nur bei Euch im Bett schlafen. Martha wehrte sich gegen dieses Mittel, gerade der Hund des verbrannten Medard war ihr ein Schrecken, und sie dachte nicht, daß ein anderer kurzhaariger eben so dienlich gewesen wäre; sie verstand sich eher zu den anderen Mitteln, die darin bestanden, Turteltauben im Zimmer zu halten und im Neumond drei Blutstropfen aus den drei Fingern auf Baumwolle aufzufangen und solche in eine junge ab dem Wege stehende Weide einzuspunden. In der That wurde Martha von nun an viel belebter und heiterer, und sie rieth oft ihrem Manne, wegen seines Fröstelns den alten Schäferle zu befragen, ja sie befragte diesen von selbst über den Fall; aber der alte Schäferle, der wußte, wem es galt, behauptete, nicht helfen zu können, bevor der Mann selber zu ihm käme. Diethelm aber wollte sich nicht dazu verstehen, und wenn ihn seine Frau über seine unruhigen Nächte ausfragte, redete er ihr ein, das viele Geld im Hause mache ihm bange; er durfte ihr ja nicht sagen, wie nicht die Sicherung seines Geldes, sondern die Wahrung seines Geheimnisses ihn oft in der Nacht aufschreckte, und wie es ihm oft war, als hörte er Peitschenknallen, Wagenrasseln, und als kämen plötzlich die Häscher, um ihn aufs Neue einzufangen. Jedesmal in der Nacht, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="21"> <pb facs="#f0155"/> <p>Ich will nichts von Euch, rief der alte Schäferle der Eintretenden entgegen.</p><lb/> <p>Aber ich will was von dir, entgegnete Martha; da sieh, was ich für todte Finger hab'. Du mußt mir helfen.</p><lb/> <p>Der alte Schäferle, dessen geheime Kunst aufgefordert war, die er seinem Vater an Freund und Feind zu üben versprochen hatte, näherte sich, wenn auch langsam, betrachtete sie lange, hauchte dreimal darauf und murmelte dabei unverständliche Worte. 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Diethelm aber wollte sich nicht dazu verstehen, und wenn ihn seine Frau über seine unruhigen Nächte ausfragte, redete er ihr ein, das viele Geld im Hause mache ihm bange; er durfte ihr ja nicht sagen, wie nicht die Sicherung seines Geldes, sondern die Wahrung seines Geheimnisses ihn oft in der Nacht aufschreckte, und wie es ihm oft war, als hörte er Peitschenknallen, Wagenrasseln, und als kämen plötzlich die Häscher, um ihn aufs Neue einzufangen. Jedesmal in der Nacht,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0155]
Ich will nichts von Euch, rief der alte Schäferle der Eintretenden entgegen.
Aber ich will was von dir, entgegnete Martha; da sieh, was ich für todte Finger hab'. Du mußt mir helfen.
Der alte Schäferle, dessen geheime Kunst aufgefordert war, die er seinem Vater an Freund und Feind zu üben versprochen hatte, näherte sich, wenn auch langsam, betrachtete sie lange, hauchte dreimal darauf und murmelte dabei unverständliche Worte. Martha bewegte schon die Finger besser auf und zu, und der Schäferle sagte:
Der Hund da, der Paßauf, kann Euch helfen. Lasset ihn nur bei Euch im Bett schlafen.
Martha wehrte sich gegen dieses Mittel, gerade der Hund des verbrannten Medard war ihr ein Schrecken, und sie dachte nicht, daß ein anderer kurzhaariger eben so dienlich gewesen wäre; sie verstand sich eher zu den anderen Mitteln, die darin bestanden, Turteltauben im Zimmer zu halten und im Neumond drei Blutstropfen aus den drei Fingern auf Baumwolle aufzufangen und solche in eine junge ab dem Wege stehende Weide einzuspunden.
In der That wurde Martha von nun an viel belebter und heiterer, und sie rieth oft ihrem Manne, wegen seines Fröstelns den alten Schäferle zu befragen, ja sie befragte diesen von selbst über den Fall; aber der alte Schäferle, der wußte, wem es galt, behauptete, nicht helfen zu können, bevor der Mann selber zu ihm käme. Diethelm aber wollte sich nicht dazu verstehen, und wenn ihn seine Frau über seine unruhigen Nächte ausfragte, redete er ihr ein, das viele Geld im Hause mache ihm bange; er durfte ihr ja nicht sagen, wie nicht die Sicherung seines Geldes, sondern die Wahrung seines Geheimnisses ihn oft in der Nacht aufschreckte, und wie es ihm oft war, als hörte er Peitschenknallen, Wagenrasseln, und als kämen plötzlich die Häscher, um ihn aufs Neue einzufangen. Jedesmal in der Nacht,
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Zitationshilfe: | Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/155>, abgerufen am 25.07.2024. |