Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.habe; diese nun nebst einem Hypothekenschein auf das Wirthshaus zum Waldhorn waren verbrannt. Ich weiß wohl, schloß Diethelm, daß das Verbrennen der Hypotheke nichts schadet, sie ist im Hypothekenbuch eingetragen; aber die Staatspapiere sind verloren, und diese hätte ich doch gewiß leicht gerettet, wenn ich den schlechten Gedanken an Anzünden nur eine Minute gehabt hätte. Als der Amtsverweser erklärte, daß man die Nummern der Staatspapiere, die der Kastenverwalter noch in seinem Buche verzeichnet hatte, in den Zeitungen bekannt machen und die etwaigen Besitzer bei Vermeidung der Amortisation auffordern werde, da sagte Diethelm: Was das ist, ich weiß es nicht, ich frag' auch nicht darnach, es wird sich Alles zeigen; wie es scheint, glaubt man mir ja nicht mehr. -- Und das, daß man ihm das Wahrhafte an seinen Angaben bezweifelte, gab ihm immer mehr den Muth, mit kecker, herausfordernder Zuversicht aufzutreten. Zuletzt faßte er seine Aussagen dahin zusammen, daß er mindestens zehn Stunden abwesend war, als der Brand ausbrach, daß er gerade jetzt in der besten Lage war, da er nicht nur einen schicklichen Verkauf machen konnte, sondern auch durch den Tod seiner Stieftochter ihm eine reiche Erbschaft ins Haus kam, er habe daher nach der Hauptstadt reisen wollen, um den Handel abzuschließen und seine Fränz heimzubringen, damit die Mutter in ihrem Schmerz doch auch ein Kind um sich habe. Dem Vorhalten, daß er über den Aufenthalt Medard's widersprechende Aussagen gemacht und wohl mit ihm im Einverstande gewesen sei, setzte Diethelm die Betheuerung entgegen, daß er im Gegentheil dem Knaben gesagt habe, der alt' Schäferle möge zu seinem Sohn hinaufgehen, da er daheim bleiben müsse und an seinem Beinbruche leide. An dieser letzten neuen Zuthat fand der Richter eine Handhabe, um Diethelm noch eine geraume Weile hin und her zu zerren, aber Diethelm riß sich endlich gewaltsam los und sagte aufstehend mit mächtiger Zornesstimme: habe; diese nun nebst einem Hypothekenschein auf das Wirthshaus zum Waldhorn waren verbrannt. Ich weiß wohl, schloß Diethelm, daß das Verbrennen der Hypotheke nichts schadet, sie ist im Hypothekenbuch eingetragen; aber die Staatspapiere sind verloren, und diese hätte ich doch gewiß leicht gerettet, wenn ich den schlechten Gedanken an Anzünden nur eine Minute gehabt hätte. Als der Amtsverweser erklärte, daß man die Nummern der Staatspapiere, die der Kastenverwalter noch in seinem Buche verzeichnet hatte, in den Zeitungen bekannt machen und die etwaigen Besitzer bei Vermeidung der Amortisation auffordern werde, da sagte Diethelm: Was das ist, ich weiß es nicht, ich frag' auch nicht darnach, es wird sich Alles zeigen; wie es scheint, glaubt man mir ja nicht mehr. — Und das, daß man ihm das Wahrhafte an seinen Angaben bezweifelte, gab ihm immer mehr den Muth, mit kecker, herausfordernder Zuversicht aufzutreten. Zuletzt faßte er seine Aussagen dahin zusammen, daß er mindestens zehn Stunden abwesend war, als der Brand ausbrach, daß er gerade jetzt in der besten Lage war, da er nicht nur einen schicklichen Verkauf machen konnte, sondern auch durch den Tod seiner Stieftochter ihm eine reiche Erbschaft ins Haus kam, er habe daher nach der Hauptstadt reisen wollen, um den Handel abzuschließen und seine Fränz heimzubringen, damit die Mutter in ihrem Schmerz doch auch ein Kind um sich habe. Dem Vorhalten, daß er über den Aufenthalt Medard's widersprechende Aussagen gemacht und wohl mit ihm im Einverstande gewesen sei, setzte Diethelm die Betheuerung entgegen, daß er im Gegentheil dem Knaben gesagt habe, der alt' Schäferle möge zu seinem Sohn hinaufgehen, da er daheim bleiben müsse und an seinem Beinbruche leide. An dieser letzten neuen Zuthat fand der Richter eine Handhabe, um Diethelm noch eine geraume Weile hin und her zu zerren, aber Diethelm riß sich endlich gewaltsam los und sagte aufstehend mit mächtiger Zornesstimme: <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="18"> <p><pb facs="#f0127"/> habe; diese nun nebst einem Hypothekenschein auf das Wirthshaus zum Waldhorn waren verbrannt.</p><lb/> <p>Ich weiß wohl, schloß Diethelm, daß das Verbrennen der Hypotheke nichts schadet, sie ist im Hypothekenbuch eingetragen; aber die Staatspapiere sind verloren, und diese hätte ich doch gewiß leicht gerettet, wenn ich den schlechten Gedanken an Anzünden nur eine Minute gehabt hätte.</p><lb/> <p>Als der Amtsverweser erklärte, daß man die Nummern der Staatspapiere, die der Kastenverwalter noch in seinem Buche verzeichnet hatte, in den Zeitungen bekannt machen und die etwaigen Besitzer bei Vermeidung der Amortisation auffordern werde, da sagte Diethelm:</p><lb/> <p>Was das ist, ich weiß es nicht, ich frag' auch nicht darnach, es wird sich Alles zeigen; wie es scheint, glaubt man mir ja nicht mehr. — Und das, daß man ihm das Wahrhafte an seinen Angaben bezweifelte, gab ihm immer mehr den Muth, mit kecker, herausfordernder Zuversicht aufzutreten. Zuletzt faßte er seine Aussagen dahin zusammen, daß er mindestens zehn Stunden abwesend war, als der Brand ausbrach, daß er gerade jetzt in der besten Lage war, da er nicht nur einen schicklichen Verkauf machen konnte, sondern auch durch den Tod seiner Stieftochter ihm eine reiche Erbschaft ins Haus kam, er habe daher nach der Hauptstadt reisen wollen, um den Handel abzuschließen und seine Fränz heimzubringen, damit die Mutter in ihrem Schmerz doch auch ein Kind um sich habe. Dem Vorhalten, daß er über den Aufenthalt Medard's widersprechende Aussagen gemacht und wohl mit ihm im Einverstande gewesen sei, setzte Diethelm die Betheuerung entgegen, daß er im Gegentheil dem Knaben gesagt habe, der alt' Schäferle möge zu seinem Sohn hinaufgehen, da er daheim bleiben müsse und an seinem Beinbruche leide. An dieser letzten neuen Zuthat fand der Richter eine Handhabe, um Diethelm noch eine geraume Weile hin und her zu zerren, aber Diethelm riß sich endlich gewaltsam los und sagte aufstehend mit mächtiger Zornesstimme:</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0127]
habe; diese nun nebst einem Hypothekenschein auf das Wirthshaus zum Waldhorn waren verbrannt.
Ich weiß wohl, schloß Diethelm, daß das Verbrennen der Hypotheke nichts schadet, sie ist im Hypothekenbuch eingetragen; aber die Staatspapiere sind verloren, und diese hätte ich doch gewiß leicht gerettet, wenn ich den schlechten Gedanken an Anzünden nur eine Minute gehabt hätte.
Als der Amtsverweser erklärte, daß man die Nummern der Staatspapiere, die der Kastenverwalter noch in seinem Buche verzeichnet hatte, in den Zeitungen bekannt machen und die etwaigen Besitzer bei Vermeidung der Amortisation auffordern werde, da sagte Diethelm:
Was das ist, ich weiß es nicht, ich frag' auch nicht darnach, es wird sich Alles zeigen; wie es scheint, glaubt man mir ja nicht mehr. — Und das, daß man ihm das Wahrhafte an seinen Angaben bezweifelte, gab ihm immer mehr den Muth, mit kecker, herausfordernder Zuversicht aufzutreten. Zuletzt faßte er seine Aussagen dahin zusammen, daß er mindestens zehn Stunden abwesend war, als der Brand ausbrach, daß er gerade jetzt in der besten Lage war, da er nicht nur einen schicklichen Verkauf machen konnte, sondern auch durch den Tod seiner Stieftochter ihm eine reiche Erbschaft ins Haus kam, er habe daher nach der Hauptstadt reisen wollen, um den Handel abzuschließen und seine Fränz heimzubringen, damit die Mutter in ihrem Schmerz doch auch ein Kind um sich habe. Dem Vorhalten, daß er über den Aufenthalt Medard's widersprechende Aussagen gemacht und wohl mit ihm im Einverstande gewesen sei, setzte Diethelm die Betheuerung entgegen, daß er im Gegentheil dem Knaben gesagt habe, der alt' Schäferle möge zu seinem Sohn hinaufgehen, da er daheim bleiben müsse und an seinem Beinbruche leide. An dieser letzten neuen Zuthat fand der Richter eine Handhabe, um Diethelm noch eine geraume Weile hin und her zu zerren, aber Diethelm riß sich endlich gewaltsam los und sagte aufstehend mit mächtiger Zornesstimme:
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Zitationshilfe: | Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/127>, abgerufen am 16.02.2025. |