Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ihnen trotz des scharfen Fahrens kein Haar krumm geworden sei, er ließ sie deßhalb nicht sogleich nach dem Stalle bringen, sondern hielt sie noch aus, bis sich immer mehr Bekannte sammelten, die sein "Baronen-Fuhrwerk" lobten und theils geradezu, theils auf Umwegen seinen Reichthum hervorhoben. Diethelm hielt die Hand auf den Sattelgaul gelegt, er war im Stehen kleiner als er auf dem Wagen erschienen war, er maß kaum etwas mehr als sechszehn Faust, wie die Rappen, und war auch so wohlgenährt und breit wie sie. Er vernahm nun, wie das immer geht, von schlechten Marktaussichten, das Ausgebot sei groß und die Nachfrage gering, da Händler und Fabrikanten den Preis sehr drückten und überhaupt baar Geld knapp sei, da Alles auf Zeit kaufen wolle. Dann verkauf' ich gar nicht und kauf' selber, erwiderte Diethelm und schlug sich dabei auf den Bauch, um den er eine umfangreiche leere Geldgurt geschnallt hatte. Mehrere boten ihm nun sogleich Wolle und Schafe an, aber er lehnte für jetzt noch ab, und als man ihn aufforderte, mit in die Stube zu gehen, schien er sich schwer von seinem Gefährte zu trennen und aus seinen Mienen sprach nur halb der ihn bewegende Gedanke: So wie man geht und steht herumlaufen, das hat kein Ansehen, da ist man wie jeder Hergelaufene; ich wollt' ich könnt' mit meinen Rappen und meinem Kütschle in den Stuben herum fahren, da zeigt sich doch auch gleich, wer man ist. Es war ein seltsames Lächeln, mit dem endlich Diethelm die Rappen in den Stall schickte. Die stattliche Rotte, die ihn umgab, konnte er mit Fug als sein Geleite betrachten, und waren auch verkommene Leute darunter, ehemalige Schafhalter, die jetzt als Unterhändler dienten, Schmarotzer, deren ganzes Marktgeschäft im Erhaschen eines Freitrunkes bestand: bah! große Männer haben immer auch solche in ihrem Geleite, und Diethelm schritt an der Spitze seines Trosses breitspurig einher. Der Reppenberger, ein hagerer Bauer im zertragenen blauen Kittel, mit einem schmutzigen Wochenbarte auf dem ihnen trotz des scharfen Fahrens kein Haar krumm geworden sei, er ließ sie deßhalb nicht sogleich nach dem Stalle bringen, sondern hielt sie noch aus, bis sich immer mehr Bekannte sammelten, die sein „Baronen-Fuhrwerk“ lobten und theils geradezu, theils auf Umwegen seinen Reichthum hervorhoben. Diethelm hielt die Hand auf den Sattelgaul gelegt, er war im Stehen kleiner als er auf dem Wagen erschienen war, er maß kaum etwas mehr als sechszehn Faust, wie die Rappen, und war auch so wohlgenährt und breit wie sie. Er vernahm nun, wie das immer geht, von schlechten Marktaussichten, das Ausgebot sei groß und die Nachfrage gering, da Händler und Fabrikanten den Preis sehr drückten und überhaupt baar Geld knapp sei, da Alles auf Zeit kaufen wolle. Dann verkauf' ich gar nicht und kauf' selber, erwiderte Diethelm und schlug sich dabei auf den Bauch, um den er eine umfangreiche leere Geldgurt geschnallt hatte. Mehrere boten ihm nun sogleich Wolle und Schafe an, aber er lehnte für jetzt noch ab, und als man ihn aufforderte, mit in die Stube zu gehen, schien er sich schwer von seinem Gefährte zu trennen und aus seinen Mienen sprach nur halb der ihn bewegende Gedanke: So wie man geht und steht herumlaufen, das hat kein Ansehen, da ist man wie jeder Hergelaufene; ich wollt' ich könnt' mit meinen Rappen und meinem Kütschle in den Stuben herum fahren, da zeigt sich doch auch gleich, wer man ist. Es war ein seltsames Lächeln, mit dem endlich Diethelm die Rappen in den Stall schickte. Die stattliche Rotte, die ihn umgab, konnte er mit Fug als sein Geleite betrachten, und waren auch verkommene Leute darunter, ehemalige Schafhalter, die jetzt als Unterhändler dienten, Schmarotzer, deren ganzes Marktgeschäft im Erhaschen eines Freitrunkes bestand: bah! große Männer haben immer auch solche in ihrem Geleite, und Diethelm schritt an der Spitze seines Trosses breitspurig einher. Der Reppenberger, ein hagerer Bauer im zertragenen blauen Kittel, mit einem schmutzigen Wochenbarte auf dem <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0010"/> ihnen trotz des scharfen Fahrens kein Haar krumm geworden sei, er ließ sie deßhalb nicht sogleich nach dem Stalle bringen, sondern hielt sie noch aus, bis sich immer mehr Bekannte sammelten, die sein „Baronen-Fuhrwerk“ lobten und theils geradezu, theils auf Umwegen seinen Reichthum hervorhoben. Diethelm hielt die Hand auf den Sattelgaul gelegt, er war im Stehen kleiner als er auf dem Wagen erschienen war, er maß kaum etwas mehr als sechszehn Faust, wie die Rappen, und war auch so wohlgenährt und breit wie sie. Er vernahm nun, wie das immer geht, von schlechten Marktaussichten, das Ausgebot sei groß und die Nachfrage gering, da Händler und Fabrikanten den Preis sehr drückten und überhaupt baar Geld knapp sei, da Alles auf Zeit kaufen wolle.</p><lb/> <p>Dann verkauf' ich gar nicht und kauf' selber, erwiderte Diethelm und schlug sich dabei auf den Bauch, um den er eine umfangreiche leere Geldgurt geschnallt hatte. Mehrere boten ihm nun sogleich Wolle und Schafe an, aber er lehnte für jetzt noch ab, und als man ihn aufforderte, mit in die Stube zu gehen, schien er sich schwer von seinem Gefährte zu trennen und aus seinen Mienen sprach nur halb der ihn bewegende Gedanke: So wie man geht und steht herumlaufen, das hat kein Ansehen, da ist man wie jeder Hergelaufene; ich wollt' ich könnt' mit meinen Rappen und meinem Kütschle in den Stuben herum fahren, da zeigt sich doch auch gleich, wer man ist. Es war ein seltsames Lächeln, mit dem endlich Diethelm die Rappen in den Stall schickte. Die stattliche Rotte, die ihn umgab, konnte er mit Fug als sein Geleite betrachten, und waren auch verkommene Leute darunter, ehemalige Schafhalter, die jetzt als Unterhändler dienten, Schmarotzer, deren ganzes Marktgeschäft im Erhaschen eines Freitrunkes bestand: bah! große Männer haben immer auch solche in ihrem Geleite, und Diethelm schritt an der Spitze seines Trosses breitspurig einher.</p><lb/> <p>Der Reppenberger, ein hagerer Bauer im zertragenen blauen Kittel, mit einem schmutzigen Wochenbarte auf dem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
ihnen trotz des scharfen Fahrens kein Haar krumm geworden sei, er ließ sie deßhalb nicht sogleich nach dem Stalle bringen, sondern hielt sie noch aus, bis sich immer mehr Bekannte sammelten, die sein „Baronen-Fuhrwerk“ lobten und theils geradezu, theils auf Umwegen seinen Reichthum hervorhoben. Diethelm hielt die Hand auf den Sattelgaul gelegt, er war im Stehen kleiner als er auf dem Wagen erschienen war, er maß kaum etwas mehr als sechszehn Faust, wie die Rappen, und war auch so wohlgenährt und breit wie sie. Er vernahm nun, wie das immer geht, von schlechten Marktaussichten, das Ausgebot sei groß und die Nachfrage gering, da Händler und Fabrikanten den Preis sehr drückten und überhaupt baar Geld knapp sei, da Alles auf Zeit kaufen wolle.
Dann verkauf' ich gar nicht und kauf' selber, erwiderte Diethelm und schlug sich dabei auf den Bauch, um den er eine umfangreiche leere Geldgurt geschnallt hatte. Mehrere boten ihm nun sogleich Wolle und Schafe an, aber er lehnte für jetzt noch ab, und als man ihn aufforderte, mit in die Stube zu gehen, schien er sich schwer von seinem Gefährte zu trennen und aus seinen Mienen sprach nur halb der ihn bewegende Gedanke: So wie man geht und steht herumlaufen, das hat kein Ansehen, da ist man wie jeder Hergelaufene; ich wollt' ich könnt' mit meinen Rappen und meinem Kütschle in den Stuben herum fahren, da zeigt sich doch auch gleich, wer man ist. Es war ein seltsames Lächeln, mit dem endlich Diethelm die Rappen in den Stall schickte. Die stattliche Rotte, die ihn umgab, konnte er mit Fug als sein Geleite betrachten, und waren auch verkommene Leute darunter, ehemalige Schafhalter, die jetzt als Unterhändler dienten, Schmarotzer, deren ganzes Marktgeschäft im Erhaschen eines Freitrunkes bestand: bah! große Männer haben immer auch solche in ihrem Geleite, und Diethelm schritt an der Spitze seines Trosses breitspurig einher.
Der Reppenberger, ein hagerer Bauer im zertragenen blauen Kittel, mit einem schmutzigen Wochenbarte auf dem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/10 |
Zitationshilfe: | Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/10>, abgerufen am 25.07.2024. |