Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847.auf; bald ließ sie den Blick auf einer durch die Nacht erschlossenen Blume haften. Da plötzlich schrack sie sichtbar zusammen: sie erblickte den Prinzen C**, der höchst leutselig im eifrigen Gespräch mit Frau Meier, im Hauptgang des Gartens auf und ab promenirte. Wie ein gescheuchtes Reh sprang sie vom Fenster, und zog sich in die entfernteste Ecke des Zimmers zurück. Der gestrige, bewegte Abend, den sie noch vor wenigen Minuten, wie einen bangen Traum ansah, stand lebendig vor ihr; verworrene Ahnungen eines nahen und großen Unheils ergriffen sie; und als wollte sie dem eigenen, dunklen Verhängniß entfliehen, vertiefte sie sich in die Lektüre "Indiana." Während sie andächtig alle Empfindungen und Leidenschaften nachfühlte, die in diesem Buche so hinreißend geschildert sind; während sie in dem Geschick der "Indiana" das Walten derselben Mächte erkannte, die ihre Gegenwart beherrschten und mehr noch ihrer Zukunft verhängnißvoll zu werden drohten: wurden in dem Nebenzimmer, mit geschäftiger Hast, die Waffen geschmiedet zu ihrem Verderben. Das dicke, morchelartige Gesicht der Frau Meier strahlte vor Wonne auf; bald ließ sie den Blick auf einer durch die Nacht erschlossenen Blume haften. Da plötzlich schrack sie sichtbar zusammen: sie erblickte den Prinzen C**, der höchst leutselig im eifrigen Gespräch mit Frau Meier, im Hauptgang des Gartens auf und ab promenirte. Wie ein gescheuchtes Reh sprang sie vom Fenster, und zog sich in die entfernteste Ecke des Zimmers zurück. Der gestrige, bewegte Abend, den sie noch vor wenigen Minuten, wie einen bangen Traum ansah, stand lebendig vor ihr; verworrene Ahnungen eines nahen und großen Unheils ergriffen sie; und als wollte sie dem eigenen, dunklen Verhängniß entfliehen, vertiefte sie sich in die Lektüre „Indiana.“ Während sie andächtig alle Empfindungen und Leidenschaften nachfühlte, die in diesem Buche so hinreißend geschildert sind; während sie in dem Geschick der „Indiana“ das Walten derselben Mächte erkannte, die ihre Gegenwart beherrschten und mehr noch ihrer Zukunft verhängnißvoll zu werden drohten: wurden in dem Nebenzimmer, mit geschäftiger Hast, die Waffen geschmiedet zu ihrem Verderben. Das dicke, morchelartige Gesicht der Frau Meier strahlte vor Wonne <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0080" n="68"/> auf; bald ließ sie den Blick auf einer durch die Nacht erschlossenen Blume haften. Da plötzlich schrack sie sichtbar zusammen: sie erblickte den Prinzen C**, der höchst leutselig im eifrigen Gespräch mit Frau Meier, im Hauptgang des Gartens auf und ab promenirte. Wie ein gescheuchtes Reh sprang sie vom Fenster, und zog sich in die entfernteste Ecke des Zimmers zurück. Der gestrige, bewegte Abend, den sie noch vor wenigen Minuten, wie einen bangen Traum ansah, stand lebendig vor ihr; verworrene Ahnungen eines nahen und großen Unheils ergriffen sie; und als wollte sie dem eigenen, dunklen Verhängniß entfliehen, vertiefte sie sich in die Lektüre „Indiana.“ Während sie andächtig alle Empfindungen und Leidenschaften nachfühlte, die in diesem Buche so hinreißend geschildert sind; während sie in dem Geschick der „Indiana“ das Walten derselben Mächte erkannte, die ihre Gegenwart beherrschten und mehr noch ihrer Zukunft verhängnißvoll zu werden drohten: wurden in dem Nebenzimmer, mit geschäftiger Hast, die Waffen geschmiedet zu ihrem Verderben. Das dicke, morchelartige Gesicht der Frau Meier strahlte vor Wonne </p> </div> </body> </text> </TEI> [68/0080]
auf; bald ließ sie den Blick auf einer durch die Nacht erschlossenen Blume haften. Da plötzlich schrack sie sichtbar zusammen: sie erblickte den Prinzen C**, der höchst leutselig im eifrigen Gespräch mit Frau Meier, im Hauptgang des Gartens auf und ab promenirte. Wie ein gescheuchtes Reh sprang sie vom Fenster, und zog sich in die entfernteste Ecke des Zimmers zurück. Der gestrige, bewegte Abend, den sie noch vor wenigen Minuten, wie einen bangen Traum ansah, stand lebendig vor ihr; verworrene Ahnungen eines nahen und großen Unheils ergriffen sie; und als wollte sie dem eigenen, dunklen Verhängniß entfliehen, vertiefte sie sich in die Lektüre „Indiana.“ Während sie andächtig alle Empfindungen und Leidenschaften nachfühlte, die in diesem Buche so hinreißend geschildert sind; während sie in dem Geschick der „Indiana“ das Walten derselben Mächte erkannte, die ihre Gegenwart beherrschten und mehr noch ihrer Zukunft verhängnißvoll zu werden drohten: wurden in dem Nebenzimmer, mit geschäftiger Hast, die Waffen geschmiedet zu ihrem Verderben. Das dicke, morchelartige Gesicht der Frau Meier strahlte vor Wonne
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