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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. David Joris Schrifft/
[Spaltenumbruch] geruffen und nachgelauffen ist) mit vollkomme-
nem munde nicht gnug loben und völlig dancken
kan. Denn man weiß und erkennet alsdann den
meister oder seine hülffe und freundschafft in der
erfahrung/ der ihm in der noth beygestanden und
geholffen hat; ja je grösser die noth/ je mehr
danck/ lob und preiß erfolget alsdann/ und viel
mehr/ als der sich selbst in keiner angst/ noth oder
last empfindet. Das befindet sich ja in alle wege
also.

So verwahret euch denn/ meine allerliebste
kinder/ vor der ungerechtigkeit/ und vor der ver-
kehrten boßheit/ die muthwillig und mit wissen
und lust geschicht/ hütet euch/ sag ich/ vor ihrem
durchbruch/ daß ihr nicht in ihren ausfluß leicht-
hertzig als faul wasser dahin fahret wie die ehe-
brecherischen verhurten frauen/ die eine huren-
stirn bekommen und sich nicht mehr schämen
wollen/ und deshalben ohne rath und hülffe
sind/ oder sie müsten sich erst schämen lernen/ son-
sten ists unmüglich. Denn wo keine schaam ist/
da ist auch keine ehre/ und wo keine ehre ist/ da
achtet man der schande nicht. Und vor jeden sol-
chen menschen/ da die schaam durchgebrochen
ist/ ist kein rath/ oder er müste sich erst zur
schaam bringen lassen.

Darum schämet euch vor dem HERRN und
auch vor euren eltern/ brüdern und schwestern/
und vor allen insonderheit/ die GOtt fürchten
Aber das ist alleine menschlich an dem auswen-
digen menschen/ doch aber mit GOttes belieben.
Wiewol der HErr darauff eben so nicht siehet
oder darnach urtheilet/ als nach dem hertzen/
darnach alle wercke/ sie mögen gut oder böse
seyn/ geurtheilet werden. Und sehet/ darinn will
er sich vor ihm geschämet haben; nicht allein in
einem bösen handthätigem wercke/ sondern vor
allen dingen in einem bößwilligen oder begierli-
chen hertzen und bösen gedancken/ darauff er
siehet und darnach rechtet. Darum werdet dar-
inn verneuret und sauber/ haltet das rein/ wa-
chet/ daß es von dem wesen dieser welt nit befle-
cket/ sondern eine heilige wohnung/ hütte/ gezelt
oder tabernackel/ berg/ tempel und stadt GOt-
tes werde/ das wohl versuchet/ geprüfft und an-
gefochten und in allem treu und auffrichtig als
eine reine magd vor dem HErrn Zebaoth be-
funden werde/ der gebenedeyet/ überall hochge-
lobet zu fürchten ist in ewigkeit. Es ist wahr-
hafftig. Halleluja.

Wache auff/ der du schläffest/ und ste-
he auff von den todten/ so wird dich
CHristus erleuchten.
Ephes. V. 14.

ENDE.

Ausgangen im jahr 1545.

David Joris Schrifft/ was GOTTES
werck an uns befördere/ und wir im ge-
genwärtigen (dieweil es tag ist) zu ar-
beiten/ auch was vor ein leben wir
hier in der zeit zuverlieren
haben.

Nehmet wahr/ meine kinder (ihr/ die ihr euch
des glaubens rühmet/ und nach GOTT fra-
get/ und in seine freundschafft/ gnade/ liebe/ frie-
de und gerechtigkeit kommen/ ja derselben ewig-
lich geniessen/ gebrauchen/ und mit ihm/ gebene-
[Spaltenumbruch] deyet/ vereinbahret seyn wollet) das eintzige
wort: Wircket/ dieweil es tag ist/ denn dieJoh. IX.
4.

nacht kommt/ da niemand wircken kan.
Diß wort gehet euch/ o meine kinder und brüder
alle gleich so wohl als mich an/ und trifft unsere
Christliche versammlung (wie wüste und ein-
tzeln sie auch noch allenthalben in dem einfälti-
gen glauben und wahren vollkommenen er-
käntnis CHristi liegt) ja so viel als die Aposteln
und ihre gemeine/ weil wir (obs wohl in denen
äusserlichen worten/ kräfften und verständnissen
seinen unterscheid nach menschlicher weise zu ha-
ben scheinet) alle eins/ unter einem haubt/ GOtt
und HErrn oder meister befunden und mit ei-
nem geist geträncket und zu einem leibe CHristi
müssen getaufft seyn/ und das beliebet und ist
ewig wahr und unwiedersprechlich. Aber hier-
über und hierinn straucheln und fallen gleich-
wol viele der berühmten glaubigen/ und müs-
sen/ meines bedünckens und verstandes nach/
diesen sinn noch weit verfehlen. Denn so sie sich
nicht in einem rechtem vollkommenem ewigem
niedrigem grund der wahrheit CHRISTI
gesetzet haben oder darinn gebohren sind/ muß
ihnen das licht und die weißheit im wahrhaff-
tigen urtheilen fehlen/ und könnens bey sich selbst
ohne das licht der ewigkeit GOTTES nicht
beschauen. Denn so viel einer durch seine eig-
ne unlauterkeit oder menschliche angebohrne
blindheit und kranckheit oder angenommene
sinnlichkeit oder selbstheit in einer unwissenden
wohlgefälligkeit oder gutdünckel verhindert
und verdunckelt worden ist/ so hat ihn dasPsalm.
XXXVI.
9.

lautere rechte tages-licht (in welches licht wir
das licht der ewigen wahrheit und weißheit
sehen/ erkennen und verstehen) nicht zu einem
wahrhafften ewigen urtheil bescheinen können.
Aber ihre fehler oder begangene schuld ist hier
zu vergeben und zu genesen/ oder sich desselben
zu erbarmen gewest/ weil sie in dem Vater
und dem Sohn/ nicht in dem Heiligen Geist
geschehen sind/ in welchem sich alle vollkom-
menheit/ wahrheit und klarheit des verstan-
des öffentlich hervor thut/ daß auch der un-
wissende/ so er nur glaubet und vertrauet/
in dem angezeigten wege nicht einmal irren
kan.

Eben so viel tages/ ewiges grundes/ lichts
und lebens ihnen von GOTTES gnaden da-
mals auffgegangen/ vorgeeragen und einzu-
kommen angeboten ist/ so viel haben sie empfan-
gen/ begreiffen/ sehen/ wissen und verstehen/ ja
aussagen können/ aber nicht weiter. Das feh-
let oder mangelt euch nicht. Frage. Und so sieNB.
auffs kürtzeste das höchste und vollkommenste
wesen/ licht/ leben und verstand nicht begriffen
oder erreichet haben/ solten sie/ die vor dieser zeit
gekommen/ deswegen auch zu beschuldigen
seyn/ wenn sie sonst treu und auffrichtig in demDie Hey-
den/ ist
mir so
viel ge-
sagt/ als
die er-
wehlung
oder auß-
erwehl-
ten. Die
letzten sol-
len die er-
sten seyn.
Matth.
XX. 4.

ihren geblieben sind? Antwort. O traun/
von GOTTES gnaden und seiner beliebung
wegen/ gar nicht: Denn den gegenwärtigen ist
das gegenwärtige/ das zukünfftige den kom-
menden/ und das innerste chor war denen hey-
den zugesagt. Benjamin der letzte empfieng
fünffmal mehr als die ersten oder als seine brü-
der. Also ists auch in der Parabel von den wein-
gärtnern zugangen. Es geschahe aber ihnen
darinn oder damit gar kein unrecht. Also kan/
soll oder mag nun vielweniger in diesen ewigen/

heiligen

Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. David Joris Schrifft/
[Spaltenumbruch] geruffen und nachgelauffen iſt) mit vollkomme-
nem munde nicht gnug loben und voͤllig dancken
kan. Denn man weiß und erkennet alsdann den
meiſter oder ſeine huͤlffe und freundſchafft in der
erfahrung/ der ihm in der noth beygeſtanden uñ
geholffen hat; ja je groͤſſer die noth/ je mehr
danck/ lob und preiß erfolget alsdann/ und viel
mehr/ als der ſich ſelbſt in keiner angſt/ noth oder
laſt empfindet. Das befindet ſich ja in alle wege
alſo.

So verwahret euch denn/ meine allerliebſte
kinder/ vor der ungerechtigkeit/ und vor der ver-
kehrten boßheit/ die muthwillig und mit wiſſen
und luſt geſchicht/ huͤtet euch/ ſag ich/ vor ihrem
durchbruch/ daß ihr nicht in ihren ausfluß leicht-
hertzig als faul waſſer dahin fahret wie die ehe-
brecheriſchen verhurten frauen/ die eine huren-
ſtirn bekommen und ſich nicht mehr ſchaͤmen
wollen/ und deshalben ohne rath und huͤlffe
ſind/ oder ſie muͤſten ſich erſt ſchaͤmen lernen/ ſon-
ſten iſts unmuͤglich. Denn wo keine ſchaam iſt/
da iſt auch keine ehre/ und wo keine ehre iſt/ da
achtet man der ſchande nicht. Und vor jeden ſol-
chen menſchen/ da die ſchaam durchgebrochen
iſt/ iſt kein rath/ oder er muͤſte ſich erſt zur
ſchaam bringen laſſen.

Darum ſchaͤmet euch vor dem HERRN und
auch vor euren eltern/ bruͤdern und ſchweſtern/
und vor allen inſonderheit/ die GOtt fuͤrchten
Aber das iſt alleine menſchlich an dem auswen-
digen menſchen/ doch aber mit GOttes belieben.
Wiewol der HErr darauff eben ſo nicht ſiehet
oder darnach urtheilet/ als nach dem hertzen/
darnach alle wercke/ ſie moͤgen gut oder boͤſe
ſeyn/ geurtheilet werden. Und ſehet/ darinn will
er ſich vor ihm geſchaͤmet haben; nicht allein in
einem boͤſen handthaͤtigem wercke/ ſondern vor
allen dingen in einem boͤßwilligen oder begierli-
chen hertzen und boͤſen gedancken/ darauff er
ſiehet und darnach rechtet. Darum werdet dar-
inn verneuret und ſauber/ haltet das rein/ wa-
chet/ daß es von dem weſen dieſer welt nit befle-
cket/ ſondern eine heilige wohnung/ huͤtte/ gezelt
oder tabernackel/ berg/ tempel und ſtadt GOt-
tes werde/ das wohl verſuchet/ gepruͤfft und an-
gefochten und in allem treu und auffrichtig als
eine reine magd vor dem HErrn Zebaoth be-
funden werde/ der gebenedeyet/ uͤberall hochge-
lobet zu fuͤrchten iſt in ewigkeit. Es iſt wahr-
hafftig. Halleluja.

Wache auff/ der du ſchlaͤffeſt/ und ſte-
he auff von den todten/ ſo wird dich
CHriſtus erleuchten.
Epheſ. V. 14.

ENDE.

Ausgangen im jahr 1545.

David Joris Schrifft/ was GOTTES
werck an uns befoͤrdere/ und wir im ge-
genwaͤrtigen (dieweil es tag iſt) zu ar-
beiten/ auch was vor ein leben wir
hier in der zeit zuverlieren
haben.

Nehmet wahr/ meine kinder (ihr/ die ihr euch
des glaubens ruͤhmet/ und nach GOTT fra-
get/ und in ſeine freundſchafft/ gnade/ liebe/ frie-
de und gerechtigkeit kommen/ ja derſelben ewig-
lich genieſſen/ gebrauchen/ und mit ihm/ gebene-
[Spaltenumbruch] deyet/ vereinbahret ſeyn wollet) das eintzige
wort: Wircket/ dieweil es tag iſt/ denn dieJoh. IX.
4.

nacht kommt/ da niemand wircken kan.
Diß wort gehet euch/ o meine kinder und bruͤder
alle gleich ſo wohl als mich an/ und trifft unſere
Chriſtliche verſammlung (wie wuͤſte und ein-
tzeln ſie auch noch allenthalben in dem einfaͤlti-
gen glauben und wahren vollkommenen er-
kaͤntnis CHriſti liegt) ja ſo viel als die Apoſteln
und ihre gemeine/ weil wir (obs wohl in denen
aͤuſſerlichen worten/ kraͤfften und verſtaͤndniſſen
ſeinen unterſcheid nach menſchlicher weiſe zu ha-
ben ſcheinet) alle eins/ unter einem haubt/ GOtt
und HErrn oder meiſter befunden und mit ei-
nem geiſt getraͤncket und zu einem leibe CHriſti
muͤſſen getaufft ſeyn/ und das beliebet und iſt
ewig wahr und unwiederſprechlich. Aber hier-
uͤber und hierinn ſtraucheln und fallen gleich-
wol viele der beruͤhmten glaubigen/ und muͤſ-
ſen/ meines beduͤnckens und verſtandes nach/
dieſen ſinn noch weit verfehlen. Denn ſo ſie ſich
nicht in einem rechtem vollkommenem ewigem
niedrigem grund der wahrheit CHRISTI
geſetzet haben oder darinn gebohren ſind/ muß
ihnen das licht und die weißheit im wahrhaff-
tigen urtheilen fehlen/ und koͤñens bey ſich ſelbſt
ohne das licht der ewigkeit GOTTES nicht
beſchauen. Denn ſo viel einer durch ſeine eig-
ne unlauterkeit oder menſchliche angebohrne
blindheit und kranckheit oder angenommene
ſinnlichkeit oder ſelbſtheit in einer unwiſſenden
wohlgefaͤlligkeit oder gutduͤnckel verhindert
und verdunckelt worden iſt/ ſo hat ihn dasPſalm.
XXXVI.
9.

lautere rechte tages-licht (in welches licht wir
das licht der ewigen wahrheit und weißheit
ſehen/ erkennen und verſtehen) nicht zu einem
wahrhafften ewigen urtheil beſcheinen koͤnnen.
Aber ihre fehler oder begangene ſchuld iſt hier
zu vergeben und zu geneſen/ oder ſich deſſelben
zu erbarmen geweſt/ weil ſie in dem Vater
und dem Sohn/ nicht in dem Heiligen Geiſt
geſchehen ſind/ in welchem ſich alle vollkom-
menheit/ wahrheit und klarheit des verſtan-
des oͤffentlich hervor thut/ daß auch der un-
wiſſende/ ſo er nur glaubet und vertrauet/
in dem angezeigten wege nicht einmal irren
kan.

Eben ſo viel tages/ ewiges grundes/ lichts
und lebens ihnen von GOTTES gnaden da-
mals auffgegangen/ vorgeeragen und einzu-
kommen angeboten iſt/ ſo viel haben ſie empfan-
gen/ begreiffen/ ſehen/ wiſſen und verſtehen/ ja
ausſagen koͤnnen/ aber nicht weiter. Das feh-
let oder mangelt euch nicht. Frage. Und ſo ſieNB.
auffs kuͤrtzeſte das hoͤchſte und vollkommenſte
weſen/ licht/ leben und verſtand nicht begriffen
oder erreichet haben/ ſolten ſie/ die vor dieſer zeit
gekommen/ deswegen auch zu beſchuldigen
ſeyn/ wenn ſie ſonſt treu und auffrichtig in demDie Hey-
den/ iſt
mir ſo
viel ge-
ſagt/ als
die er-
wehlung
oder auß-
erwehl-
ten. Die
letzten ſol-
len die er-
ſten ſeyn.
Matth.
XX. 4.

ihren geblieben ſind? Antwort. O traun/
von GOTTES gnaden und ſeiner beliebung
wegen/ gar nicht: Denn den gegenwaͤrtigen iſt
das gegenwaͤrtige/ das zukuͤnfftige den kom-
menden/ und das innerſte chor war denen hey-
den zugeſagt. Benjamin der letzte empfieng
fuͤnffmal mehr als die erſten oder als ſeine bruͤ-
der. Alſo iſts auch in der Parabel von den wein-
gaͤrtnern zugangen. Es geſchahe aber ihnen
darinn oder damit gar kein unrecht. Alſo kan/
ſoll oder mag nun vielweniger in dieſen ewigen/

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[366/0662] Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. David Joris Schrifft/ geruffen und nachgelauffen iſt) mit vollkomme- nem munde nicht gnug loben und voͤllig dancken kan. Denn man weiß und erkennet alsdann den meiſter oder ſeine huͤlffe und freundſchafft in der erfahrung/ der ihm in der noth beygeſtanden uñ geholffen hat; ja je groͤſſer die noth/ je mehr danck/ lob und preiß erfolget alsdann/ und viel mehr/ als der ſich ſelbſt in keiner angſt/ noth oder laſt empfindet. Das befindet ſich ja in alle wege alſo. So verwahret euch denn/ meine allerliebſte kinder/ vor der ungerechtigkeit/ und vor der ver- kehrten boßheit/ die muthwillig und mit wiſſen und luſt geſchicht/ huͤtet euch/ ſag ich/ vor ihrem durchbruch/ daß ihr nicht in ihren ausfluß leicht- hertzig als faul waſſer dahin fahret wie die ehe- brecheriſchen verhurten frauen/ die eine huren- ſtirn bekommen und ſich nicht mehr ſchaͤmen wollen/ und deshalben ohne rath und huͤlffe ſind/ oder ſie muͤſten ſich erſt ſchaͤmen lernen/ ſon- ſten iſts unmuͤglich. Denn wo keine ſchaam iſt/ da iſt auch keine ehre/ und wo keine ehre iſt/ da achtet man der ſchande nicht. Und vor jeden ſol- chen menſchen/ da die ſchaam durchgebrochen iſt/ iſt kein rath/ oder er muͤſte ſich erſt zur ſchaam bringen laſſen. Darum ſchaͤmet euch vor dem HERRN und auch vor euren eltern/ bruͤdern und ſchweſtern/ und vor allen inſonderheit/ die GOtt fuͤrchten Aber das iſt alleine menſchlich an dem auswen- digen menſchen/ doch aber mit GOttes belieben. Wiewol der HErr darauff eben ſo nicht ſiehet oder darnach urtheilet/ als nach dem hertzen/ darnach alle wercke/ ſie moͤgen gut oder boͤſe ſeyn/ geurtheilet werden. Und ſehet/ darinn will er ſich vor ihm geſchaͤmet haben; nicht allein in einem boͤſen handthaͤtigem wercke/ ſondern vor allen dingen in einem boͤßwilligen oder begierli- chen hertzen und boͤſen gedancken/ darauff er ſiehet und darnach rechtet. Darum werdet dar- inn verneuret und ſauber/ haltet das rein/ wa- chet/ daß es von dem weſen dieſer welt nit befle- cket/ ſondern eine heilige wohnung/ huͤtte/ gezelt oder tabernackel/ berg/ tempel und ſtadt GOt- tes werde/ das wohl verſuchet/ gepruͤfft und an- gefochten und in allem treu und auffrichtig als eine reine magd vor dem HErrn Zebaoth be- funden werde/ der gebenedeyet/ uͤberall hochge- lobet zu fuͤrchten iſt in ewigkeit. Es iſt wahr- hafftig. Halleluja. Wache auff/ der du ſchlaͤffeſt/ und ſte- he auff von den todten/ ſo wird dich CHriſtus erleuchten. Epheſ. V. 14. ENDE. Ausgangen im jahr 1545. David Joris Schrifft/ was GOTTES werck an uns befoͤrdere/ und wir im ge- genwaͤrtigen (dieweil es tag iſt) zu ar- beiten/ auch was vor ein leben wir hier in der zeit zuverlieren haben. Nehmet wahr/ meine kinder (ihr/ die ihr euch des glaubens ruͤhmet/ und nach GOTT fra- get/ und in ſeine freundſchafft/ gnade/ liebe/ frie- de und gerechtigkeit kommen/ ja derſelben ewig- lich genieſſen/ gebrauchen/ und mit ihm/ gebene- deyet/ vereinbahret ſeyn wollet) das eintzige wort: Wircket/ dieweil es tag iſt/ denn die nacht kommt/ da niemand wircken kan. Diß wort gehet euch/ o meine kinder und bruͤder alle gleich ſo wohl als mich an/ und trifft unſere Chriſtliche verſammlung (wie wuͤſte und ein- tzeln ſie auch noch allenthalben in dem einfaͤlti- gen glauben und wahren vollkommenen er- kaͤntnis CHriſti liegt) ja ſo viel als die Apoſteln und ihre gemeine/ weil wir (obs wohl in denen aͤuſſerlichen worten/ kraͤfften und verſtaͤndniſſen ſeinen unterſcheid nach menſchlicher weiſe zu ha- ben ſcheinet) alle eins/ unter einem haubt/ GOtt und HErrn oder meiſter befunden und mit ei- nem geiſt getraͤncket und zu einem leibe CHriſti muͤſſen getaufft ſeyn/ und das beliebet und iſt ewig wahr und unwiederſprechlich. Aber hier- uͤber und hierinn ſtraucheln und fallen gleich- wol viele der beruͤhmten glaubigen/ und muͤſ- ſen/ meines beduͤnckens und verſtandes nach/ dieſen ſinn noch weit verfehlen. Denn ſo ſie ſich nicht in einem rechtem vollkommenem ewigem niedrigem grund der wahrheit CHRISTI geſetzet haben oder darinn gebohren ſind/ muß ihnen das licht und die weißheit im wahrhaff- tigen urtheilen fehlen/ und koͤñens bey ſich ſelbſt ohne das licht der ewigkeit GOTTES nicht beſchauen. Denn ſo viel einer durch ſeine eig- ne unlauterkeit oder menſchliche angebohrne blindheit und kranckheit oder angenommene ſinnlichkeit oder ſelbſtheit in einer unwiſſenden wohlgefaͤlligkeit oder gutduͤnckel verhindert und verdunckelt worden iſt/ ſo hat ihn das lautere rechte tages-licht (in welches licht wir das licht der ewigen wahrheit und weißheit ſehen/ erkennen und verſtehen) nicht zu einem wahrhafften ewigen urtheil beſcheinen koͤnnen. Aber ihre fehler oder begangene ſchuld iſt hier zu vergeben und zu geneſen/ oder ſich deſſelben zu erbarmen geweſt/ weil ſie in dem Vater und dem Sohn/ nicht in dem Heiligen Geiſt geſchehen ſind/ in welchem ſich alle vollkom- menheit/ wahrheit und klarheit des verſtan- des oͤffentlich hervor thut/ daß auch der un- wiſſende/ ſo er nur glaubet und vertrauet/ in dem angezeigten wege nicht einmal irren kan. Joh. IX. 4. Pſalm. XXXVI. 9. Eben ſo viel tages/ ewiges grundes/ lichts und lebens ihnen von GOTTES gnaden da- mals auffgegangen/ vorgeeragen und einzu- kommen angeboten iſt/ ſo viel haben ſie empfan- gen/ begreiffen/ ſehen/ wiſſen und verſtehen/ ja ausſagen koͤnnen/ aber nicht weiter. Das feh- let oder mangelt euch nicht. Frage. Und ſo ſie auffs kuͤrtzeſte das hoͤchſte und vollkommenſte weſen/ licht/ leben und verſtand nicht begriffen oder erreichet haben/ ſolten ſie/ die vor dieſer zeit gekommen/ deswegen auch zu beſchuldigen ſeyn/ wenn ſie ſonſt treu und auffrichtig in dem ihren geblieben ſind? Antwort. O traun/ von GOTTES gnaden und ſeiner beliebung wegen/ gar nicht: Denn den gegenwaͤrtigen iſt das gegenwaͤrtige/ das zukuͤnfftige den kom- menden/ und das innerſte chor war denen hey- den zugeſagt. Benjamin der letzte empfieng fuͤnffmal mehr als die erſten oder als ſeine bruͤ- der. Alſo iſts auch in der Parabel von den wein- gaͤrtnern zugangen. Es geſchahe aber ihnen darinn oder damit gar kein unrecht. Alſo kan/ ſoll oder mag nun vielweniger in dieſen ewigen/ heiligen NB. Die Hey- den/ iſt mir ſo viel ge- ſagt/ als die er- wehlung oder auß- erwehl- ten. Die letzten ſol- len die er- ſten ſeyn. Matth. XX. 4.

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/662>, abgerufen am 20.11.2024.