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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. D. Jor. Tract. wie ein Christ sich selbst durchbrechen
[Spaltenumbruch] stuffen und abtheilungen oder eingänge manch-
faltig hat/ also hat meines Vaters hauß auch
viel wohnungen. Und gleich wie einer den andern
an klarheit übertrifft; also gehet gleicher weise
einer dem andern in der finsternis und blindheit
der sünden zuvor. Vor welcher grössesten ver-
kehrten boßheit oder verderbnis (die nun zur letz-
ten zeit in der krafft seine wirckung hat) ich euch/
meine allerliebste kinder/ gerne warnen und ver-
hüten wolte/ durch den rath und lehre meines
GOttes/ damit ihr doch ja nicht in die versu-
chungen der gottlosen fallen und keine schuld ha-
ben/ sondern wol (so ihr den willen habt) auff
alle weise davon frey gehen möchtet. Und je
schwerer/ ja je elender und jämmerlicher ihr ge-
fallen/ so könnet ihr durch die hülffe der gnaden
und barmhertzigkeit der rechten hand GOttes
(die nun zu uns allen ausgestrecket ist) in einem
guten willen des hertzens auffstehen/ aber an-
ders nicht. Unser wille vermag nichts/ als in
und durch den willen GOttes/ verstehets/ der
uns erst dargestellet oder in dem wort des aller-
heiligsten glaubens kund gethan wird. Daher
wir solches (ein jeder in dem seinen/ wie der HErr
saget und ruffet) nun sonderlich in unsern tagen
und zeiten wahrzunehmen haben/ und nicht das/
was er zu andern vor unsern zeiten geredet hat.
Es wird sich ewiglich also befinden.

Befindet sich aber einer über den andern in
sünden beschwereter/ gefährlicher/ armer/
ohnmächtiger oder elender durch seine ange-
bohrne boßheit und arglistigkeit der sünden
schärffer/ schneller und klüger/ d. i. mehrer
verdorben (wiewohl man darüber lachet und
frölich ist/ nicht aber sich darüber betrübet)
so soll er darum GOTTES oder seines
CHRISTI ehre und glorie/ in dem/ was
er ist/ kan/ mag und will/ nicht vermin-
dern und zu schwach vor ihm zu hülffe zu
kommen erkennen/ o nein/ das wäre viel
mehr sünde gethan/ als er an sich selbst oder
durchs fleisch möchte getrieben haben. Denn
ist ihm vieles nöthig/ so wird er desto mehr
begehren und desto hertzlicher bitten oder aus
grössern tieffen ruffen müssen/ nemlich mit
grösserm ernst/ macht und gewalt GOttes
hülffe ergreiffen/ und viel glauben/ hoff-
nung und liebe haben wollen/ oder hat ers
schon nicht/ so ists allerdings als in der zeit
der gnaden zu kriegen oder zu finden. Denn
das ist GOTTES allmächtigkeit und höch-
ste liebe/ die ohne ansehen alle benöthigte/
bekümmerte/ beschwerte/ beängstigte suchet und
trösten will/ und einem jeglichem seine nothdurfft
ohne verweigerung geben; nachdem er groß oder
klein/ reich oder arm ist.

Darum der gröste schuldner hier am meisten
frey gesprochen und dem allerdürfftigsten am
meisten gegeben wird. Und so er am meisten
frey gesprochen und ihm gegeben wird/ so hat
er auch am meisten liebe/ ja kan es auch von
rechtswegen aus der natur nicht lassen/ das
fehlet euch nicht. Daran denn GOTT und
der mensch offenbahr und der geber und neh-
mer erkant wird.

Wer nun viel gnade und barmhertzigkeit
aus seiner grösten schuld hat/ der hat auch
am meisten liebe/ wer aber nicht die grösseste
liebe hat/ der ist auch nicht am meisten frey
gesprochen oder begnadiget. Aber in dieser
[Spaltenumbruch] mildigkeit und reichthum der gnaden hat sich
niemand zu berühmen/ als allein der HERR/
dem das lob von einem jeden zukommt. Wers
ihm aber am meisten gibt/ der wird auch der
grösseste erscheinen/ als dem auch am mei-
sten geholffen und in grösserer gefahr gewest ist.
Wenns nun GOTT nicht wolte/ so kön-
ten wirs auch nicht/ und wolten wirs schon/
so wäre es doch unmöglich so wohl zu wollen
als zu thun. Aber da er uns nun helffen will/
so können wir wohl/ daher wird auch nie-
mand verlohren werden/ als das verlohr-
ne Teuffels-kind/ das nicht gefunden seyn
will/ und nur zum bösen/ nicht aber zum
guten willig ist. Was aber von GOTTES
gnaden gutwillig ist/ dem wird der friede mit
GOTT zugesagt in CHristo JESU.
Wer kan nun klagen/ ich bin kranek/ und sa-
gen: ich bin zu arm oder zu ohnmächtig/ an-
gesehen des HERRN gröste ehre und hülffe
darinnen stehet/ die er niemanden wegern/
sondern ohne ansehen zu seinem preiß und eh-
ren beweisen will. Wer seiner nöthig hat oder
bedürfftig ist/ der komme hervor/ ja kommt
alle ihr beschwerdten im hertzem um der sünde
willen/ denn euch ruffet der HErr/ nicht aber
die leichtfertigen. Höret ihr das wohl? O
ihr bekümmerte traurige seelen/ wo liegt ihr?
Und ihr armen am geiste/ ihr hungerige/ dur-
stige hertzen/ die ihr (sage ich) reu und leyd
traget/ klaget nichts als über euch selber/
nicht über den/ der euch offenbahr und kund
machet/ welches ist GOTT.

Verschmähet oder speyet euren eignen geist
an/ und zertrettet euch selbst durch euch selbst
zusamt eurem grossen schaden und boßheit/
am allermeisten/ daß ihr euch selbst im guten
zu wider und eurem eignem leben und seligkeit
hinderlich seyd.

Werdet doch einmal anders gesinnet und
GOtt-willig/ gleichwie ihrs so lange dem
Teuffel gewest seyd/ und dencket an die sol-
daten/ welche/ wenn sie frisch/ gesund/ starck/
groß und herrlich seyn/ sich schämen unter die
krancken und kleinen gerechnet zu werden/ ja
das thun nicht allein sie/ sondern auch alle
menschen/ und bezeigen desto vielmehr muth
und krafft oder frömmigkeit/ die sie vorneh-
men oder zum wenigsten um der ehre und prei-
ses willen/ gerne haben. Sehet/ eben so
solt ihr auch thun. Findet ihr eine grosse krafft
gegen euch durchzubrechen und eine starcke
force oder gewalt um euch/ so sollet ihrs euch
darum nicht verdrießlich fallen lassen/ daß
ihr nicht desto williger und um krafft und hülffe
begieriger wäret/ dadurch zu kommen: nein/
wen ihr nur wollt/ so könt ihr. Fasset einen
muth/ und brechet dadurch/ so wird euer aus-
fluß desto herrlicher seyn/ als wenn ihr keinen
harten durchbruch hättet. Sehet an alle erstge-2. B. Mos.
XIII. 2.

bohrne/ die ihre mutter brechen/ sind dem
HERRN zu seinem eigenthum geheiliget/
denn sie haben den vorzug in aller herrlichkeit.
Derohalben wollet ihr euch doch in diesem
durchbruch nicht verhindern lassen/ dieweil
euch die besitzung/ die herrlichkeit des reichs/
heiligkeit und gerechtigkeit daher zukommt
und ein solcher grosser lebendiger ausfluß/
der von euren leibern fliesset/ darinnen ste-
het.

Doch

Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. D. Jor. Tract. wie ein Chriſt ſich ſelbſt durchbrechen
[Spaltenumbruch] ſtuffen und abtheilungen oder eingaͤnge manch-
faltig hat/ alſo hat meines Vaters hauß auch
viel wohnungen. Und gleich wie einer den andeꝛn
an klarheit uͤbertrifft; alſo gehet gleicher weiſe
einer dem andern in der finſternis und blindheit
der ſuͤnden zuvor. Vor welcher groͤſſeſten ver-
kehrten boßheit oder verderbnis (die nun zur letz-
ten zeit in der krafft ſeine wirckung hat) ich euch/
meine allerliebſte kinder/ gerne warnen und ver-
huͤten wolte/ durch den rath und lehre meines
GOttes/ damit ihr doch ja nicht in die verſu-
chungen der gottloſen fallen und keine ſchuld ha-
ben/ ſondern wol (ſo ihr den willen habt) auff
alle weiſe davon frey gehen moͤchtet. Und je
ſchwerer/ ja je elender und jaͤmmerlicher ihr ge-
fallen/ ſo koͤnnet ihr durch die huͤlffe der gnaden
und barmhertzigkeit der rechten hand GOttes
(die nun zu uns allen ausgeſtrecket iſt) in einem
guten willen des hertzens auffſtehen/ aber an-
ders nicht. Unſer wille vermag nichts/ als in
und durch den willen GOttes/ verſtehets/ der
uns erſt dargeſtellet oder in dem wort des aller-
heiligſten glaubens kund gethan wird. Daher
wir ſolches (ein jeder in dem ſeinen/ wie der HErr
ſaget und ruffet) nun ſonderlich in unſern tagen
und zeiten wahrzunehmen haben/ und nicht das/
was er zu andern vor unſern zeiten geredet hat.
Es wird ſich ewiglich alſo befinden.

Befindet ſich aber einer uͤber den andern in
ſuͤnden beſchwereter/ gefaͤhrlicher/ armer/
ohnmaͤchtiger oder elender durch ſeine ange-
bohrne boßheit und argliſtigkeit der ſuͤnden
ſchaͤrffer/ ſchneller und kluͤger/ d. i. mehrer
verdorben (wiewohl man daruͤber lachet und
froͤlich iſt/ nicht aber ſich daruͤber betruͤbet)
ſo ſoll er darum GOTTES oder ſeines
CHRISTI ehre und glorie/ in dem/ was
er iſt/ kan/ mag und will/ nicht vermin-
dern und zu ſchwach vor ihm zu huͤlffe zu
kommen erkennen/ o nein/ das waͤre viel
mehr ſuͤnde gethan/ als er an ſich ſelbſt oder
durchs fleiſch moͤchte getrieben haben. Denn
iſt ihm vieles noͤthig/ ſo wird er deſto mehr
begehren und deſto hertzlicher bitten oder aus
groͤſſern tieffen ruffen muͤſſen/ nemlich mit
groͤſſerm ernſt/ macht und gewalt GOttes
huͤlffe ergreiffen/ und viel glauben/ hoff-
nung und liebe haben wollen/ oder hat ers
ſchon nicht/ ſo iſts allerdings als in der zeit
der gnaden zu kriegen oder zu finden. Denn
das iſt GOTTES allmaͤchtigkeit und hoͤch-
ſte liebe/ die ohne anſehen alle benoͤthigte/
bekuͤmmerte/ beſchwerte/ beaͤngſtigte ſuchet und
troͤſten will/ uñ einem jeglichem ſeine nothdurfft
ohne verweigerung geben; nachdem er groß oder
klein/ reich oder arm iſt.

Darum der groͤſte ſchuldner hier am meiſten
frey geſprochen und dem allerduͤrfftigſten am
meiſten gegeben wird. Und ſo er am meiſten
frey geſprochen und ihm gegeben wird/ ſo hat
er auch am meiſten liebe/ ja kan es auch von
rechtswegen aus der natur nicht laſſen/ das
fehlet euch nicht. Daran denn GOTT und
der menſch offenbahr und der geber und neh-
mer erkant wird.

Wer nun viel gnade und barmhertzigkeit
aus ſeiner groͤſten ſchuld hat/ der hat auch
am meiſten liebe/ wer aber nicht die groͤſſeſte
liebe hat/ der iſt auch nicht am meiſten frey
geſprochen oder begnadiget. Aber in dieſer
[Spaltenumbruch] mildigkeit und reichthum der gnaden hat ſich
niemand zu beruͤhmen/ als allein der HERR/
dem das lob von einem jeden zukommt. Wers
ihm aber am meiſten gibt/ der wird auch der
groͤſſeſte erſcheinen/ als dem auch am mei-
ſten geholffen und in groͤſſerer gefahr geweſt iſt.
Wenns nun GOTT nicht wolte/ ſo koͤn-
ten wirs auch nicht/ und wolten wirs ſchon/
ſo waͤre es doch unmoͤglich ſo wohl zu wollen
als zu thun. Aber da er uns nun helffen will/
ſo koͤnnen wir wohl/ daher wird auch nie-
mand verlohren werden/ als das verlohr-
ne Teuffels-kind/ das nicht gefunden ſeyn
will/ und nur zum boͤſen/ nicht aber zum
guten willig iſt. Was aber von GOTTES
gnaden gutwillig iſt/ dem wird der friede mit
GOTT zugeſagt in CHriſto JESU.
Wer kan nun klagen/ ich bin kranek/ und ſa-
gen: ich bin zu arm oder zu ohnmaͤchtig/ an-
geſehen des HERRN groͤſte ehre und huͤlffe
darinnen ſtehet/ die er niemanden wegern/
ſondern ohne anſehen zu ſeinem preiß und eh-
ren beweiſen will. Wer ſeiner noͤthig hat oder
beduͤrfftig iſt/ der komme hervor/ ja kommt
alle ihr beſchwerdten im hertzem um der ſuͤnde
willen/ denn euch ruffet der HErr/ nicht aber
die leichtfertigen. Hoͤret ihr das wohl? O
ihr bekuͤmmerte traurige ſeelen/ wo liegt ihr?
Und ihr armen am geiſte/ ihr hungerige/ dur-
ſtige hertzen/ die ihr (ſage ich) reu und leyd
traget/ klaget nichts als uͤber euch ſelber/
nicht uͤber den/ der euch offenbahr und kund
machet/ welches iſt GOTT.

Verſchmaͤhet oder ſpeyet euren eignen geiſt
an/ und zertrettet euch ſelbſt durch euch ſelbſt
zuſamt eurem groſſen ſchaden und boßheit/
am allermeiſten/ daß ihr euch ſelbſt im guten
zu wider und eurem eignem leben und ſeligkeit
hinderlich ſeyd.

Werdet doch einmal anders geſinnet und
GOtt-willig/ gleichwie ihrs ſo lange dem
Teuffel geweſt ſeyd/ und dencket an die ſol-
daten/ welche/ wenn ſie friſch/ geſund/ ſtarck/
groß und herrlich ſeyn/ ſich ſchaͤmen unter die
krancken und kleinen gerechnet zu werden/ ja
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menſchen/ und bezeigen deſto vielmehr muth
und krafft oder froͤmmigkeit/ die ſie vorneh-
men oder zum wenigſten um der ehre und prei-
ſes willen/ gerne haben. Sehet/ eben ſo
ſolt ihr auch thun. Findet ihr eine groſſe krafft
gegen euch durchzubrechen und eine ſtarcke
force oder gewalt um euch/ ſo ſollet ihrs euch
darum nicht verdrießlich fallen laſſen/ daß
ihr nicht deſto williger und um krafft und huͤlffe
begieriger waͤret/ dadurch zu kommen: nein/
wen ihr nur wollt/ ſo koͤnt ihr. Faſſet einen
muth/ und brechet dadurch/ ſo wird euer aus-
fluß deſto herrlicher ſeyn/ als wenn ihr keinen
harten durchbruch haͤttet. Sehet an alle erſtge-2. B. Moſ.
XIII. 2.

bohrne/ die ihre mutter brechen/ ſind dem
HERRN zu ſeinem eigenthum geheiliget/
denn ſie haben den vorzug in aller herrlichkeit.
Derohalben wollet ihr euch doch in dieſem
durchbruch nicht verhindern laſſen/ dieweil
euch die beſitzung/ die herrlichkeit des reichs/
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und ein ſolcher groſſer lebendiger ausfluß/
der von euren leibern flieſſet/ darinnen ſte-
het.

Doch
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[364/0660] Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. D. Jor. Tract. wie ein Chriſt ſich ſelbſt durchbrechen ſtuffen und abtheilungen oder eingaͤnge manch- faltig hat/ alſo hat meines Vaters hauß auch viel wohnungen. Und gleich wie einer den andeꝛn an klarheit uͤbertrifft; alſo gehet gleicher weiſe einer dem andern in der finſternis und blindheit der ſuͤnden zuvor. Vor welcher groͤſſeſten ver- kehrten boßheit oder verderbnis (die nun zur letz- ten zeit in der krafft ſeine wirckung hat) ich euch/ meine allerliebſte kinder/ gerne warnen und ver- huͤten wolte/ durch den rath und lehre meines GOttes/ damit ihr doch ja nicht in die verſu- chungen der gottloſen fallen und keine ſchuld ha- ben/ ſondern wol (ſo ihr den willen habt) auff alle weiſe davon frey gehen moͤchtet. Und je ſchwerer/ ja je elender und jaͤmmerlicher ihr ge- fallen/ ſo koͤnnet ihr durch die huͤlffe der gnaden und barmhertzigkeit der rechten hand GOttes (die nun zu uns allen ausgeſtrecket iſt) in einem guten willen des hertzens auffſtehen/ aber an- ders nicht. Unſer wille vermag nichts/ als in und durch den willen GOttes/ verſtehets/ der uns erſt dargeſtellet oder in dem wort des aller- heiligſten glaubens kund gethan wird. Daher wir ſolches (ein jeder in dem ſeinen/ wie der HErr ſaget und ruffet) nun ſonderlich in unſern tagen und zeiten wahrzunehmen haben/ und nicht das/ was er zu andern vor unſern zeiten geredet hat. Es wird ſich ewiglich alſo befinden. Befindet ſich aber einer uͤber den andern in ſuͤnden beſchwereter/ gefaͤhrlicher/ armer/ ohnmaͤchtiger oder elender durch ſeine ange- bohrne boßheit und argliſtigkeit der ſuͤnden ſchaͤrffer/ ſchneller und kluͤger/ d. i. mehrer verdorben (wiewohl man daruͤber lachet und froͤlich iſt/ nicht aber ſich daruͤber betruͤbet) ſo ſoll er darum GOTTES oder ſeines CHRISTI ehre und glorie/ in dem/ was er iſt/ kan/ mag und will/ nicht vermin- dern und zu ſchwach vor ihm zu huͤlffe zu kommen erkennen/ o nein/ das waͤre viel mehr ſuͤnde gethan/ als er an ſich ſelbſt oder durchs fleiſch moͤchte getrieben haben. Denn iſt ihm vieles noͤthig/ ſo wird er deſto mehr begehren und deſto hertzlicher bitten oder aus groͤſſern tieffen ruffen muͤſſen/ nemlich mit groͤſſerm ernſt/ macht und gewalt GOttes huͤlffe ergreiffen/ und viel glauben/ hoff- nung und liebe haben wollen/ oder hat ers ſchon nicht/ ſo iſts allerdings als in der zeit der gnaden zu kriegen oder zu finden. Denn das iſt GOTTES allmaͤchtigkeit und hoͤch- ſte liebe/ die ohne anſehen alle benoͤthigte/ bekuͤmmerte/ beſchwerte/ beaͤngſtigte ſuchet und troͤſten will/ uñ einem jeglichem ſeine nothdurfft ohne verweigerung geben; nachdem er groß oder klein/ reich oder arm iſt. Darum der groͤſte ſchuldner hier am meiſten frey geſprochen und dem allerduͤrfftigſten am meiſten gegeben wird. Und ſo er am meiſten frey geſprochen und ihm gegeben wird/ ſo hat er auch am meiſten liebe/ ja kan es auch von rechtswegen aus der natur nicht laſſen/ das fehlet euch nicht. Daran denn GOTT und der menſch offenbahr und der geber und neh- mer erkant wird. Wer nun viel gnade und barmhertzigkeit aus ſeiner groͤſten ſchuld hat/ der hat auch am meiſten liebe/ wer aber nicht die groͤſſeſte liebe hat/ der iſt auch nicht am meiſten frey geſprochen oder begnadiget. Aber in dieſer mildigkeit und reichthum der gnaden hat ſich niemand zu beruͤhmen/ als allein der HERR/ dem das lob von einem jeden zukommt. Wers ihm aber am meiſten gibt/ der wird auch der groͤſſeſte erſcheinen/ als dem auch am mei- ſten geholffen und in groͤſſerer gefahr geweſt iſt. Wenns nun GOTT nicht wolte/ ſo koͤn- ten wirs auch nicht/ und wolten wirs ſchon/ ſo waͤre es doch unmoͤglich ſo wohl zu wollen als zu thun. Aber da er uns nun helffen will/ ſo koͤnnen wir wohl/ daher wird auch nie- mand verlohren werden/ als das verlohr- ne Teuffels-kind/ das nicht gefunden ſeyn will/ und nur zum boͤſen/ nicht aber zum guten willig iſt. Was aber von GOTTES gnaden gutwillig iſt/ dem wird der friede mit GOTT zugeſagt in CHriſto JESU. Wer kan nun klagen/ ich bin kranek/ und ſa- gen: ich bin zu arm oder zu ohnmaͤchtig/ an- geſehen des HERRN groͤſte ehre und huͤlffe darinnen ſtehet/ die er niemanden wegern/ ſondern ohne anſehen zu ſeinem preiß und eh- ren beweiſen will. Wer ſeiner noͤthig hat oder beduͤrfftig iſt/ der komme hervor/ ja kommt alle ihr beſchwerdten im hertzem um der ſuͤnde willen/ denn euch ruffet der HErr/ nicht aber die leichtfertigen. Hoͤret ihr das wohl? O ihr bekuͤmmerte traurige ſeelen/ wo liegt ihr? Und ihr armen am geiſte/ ihr hungerige/ dur- ſtige hertzen/ die ihr (ſage ich) reu und leyd traget/ klaget nichts als uͤber euch ſelber/ nicht uͤber den/ der euch offenbahr und kund machet/ welches iſt GOTT. Verſchmaͤhet oder ſpeyet euren eignen geiſt an/ und zertrettet euch ſelbſt durch euch ſelbſt zuſamt eurem groſſen ſchaden und boßheit/ am allermeiſten/ daß ihr euch ſelbſt im guten zu wider und eurem eignem leben und ſeligkeit hinderlich ſeyd. Werdet doch einmal anders geſinnet und GOtt-willig/ gleichwie ihrs ſo lange dem Teuffel geweſt ſeyd/ und dencket an die ſol- daten/ welche/ wenn ſie friſch/ geſund/ ſtarck/ groß und herrlich ſeyn/ ſich ſchaͤmen unter die krancken und kleinen gerechnet zu werden/ ja das thun nicht allein ſie/ ſondern auch alle menſchen/ und bezeigen deſto vielmehr muth und krafft oder froͤmmigkeit/ die ſie vorneh- men oder zum wenigſten um der ehre und prei- ſes willen/ gerne haben. Sehet/ eben ſo ſolt ihr auch thun. Findet ihr eine groſſe krafft gegen euch durchzubrechen und eine ſtarcke force oder gewalt um euch/ ſo ſollet ihrs euch darum nicht verdrießlich fallen laſſen/ daß ihr nicht deſto williger und um krafft und huͤlffe begieriger waͤret/ dadurch zu kommen: nein/ wen ihr nur wollt/ ſo koͤnt ihr. Faſſet einen muth/ und brechet dadurch/ ſo wird euer aus- fluß deſto herrlicher ſeyn/ als wenn ihr keinen harten durchbruch haͤttet. Sehet an alle erſtge- bohrne/ die ihre mutter brechen/ ſind dem HERRN zu ſeinem eigenthum geheiliget/ denn ſie haben den vorzug in aller herrlichkeit. Derohalben wollet ihr euch doch in dieſem durchbruch nicht verhindern laſſen/ dieweil euch die beſitzung/ die herrlichkeit des reichs/ heiligkeit und gerechtigkeit daher zukommt und ein ſolcher groſſer lebendiger ausfluß/ der von euren leibern flieſſet/ darinnen ſte- het. 2. B. Moſ. XIII. 2. Doch

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/660>, abgerufen am 22.12.2024.