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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XLI. Dav. Jor. warnung vor dem schädl. betrug
[Spaltenumbruch] tag über alles/ was groß/ hoch und erhaben
ist/ ergehen lassen/ zum lobe seiner herrlichkeit.
Der mund des HErrn hats gesagt.

Nun sehe ich wohl/ nach dem des menschen
ruhm eytel/ sein ansehen betrüglich/ sein lob
falsch/ seine arbeit mühe/ seine hoheit eine nie-
drigkeit/ sein reichthum eine armut/ seine stär-
cke eine kranckheit/ und seine weißheit eine thor-
heit ist/ daß es besser ist nichts/ dann etwas seyn/
angesehen GOtt das rufft/ was nichts ist/ nicht
aber das etwas ist/ sondern das nichts ist/ auff
daß er etwas mache/ nemlich das kranck/ arm
und beschwert ist/ auff daß ers starck/ reich und
leichte mache das blinde sehend/ das daube hö-
rend/ die krüppel gehend/ die stummen redend/
und die todten lebendig/ umb welcher willen
(wie geschrieben stehet) er allein kommen ist.
Das ist recht/ behaltets in euerem hertzen.

Die grösten sunden werden bey den grossen
befunden werden/ dann die kleinen thun solchen
fall nicht/ als die grossen/ eben wie die kinder
die eltern nicht reich machen/ und die armen mit
den reichen nicht zehren können; sondern die
kleinen müssen unter den grossen stehen/ die
krancken sich den starcken übergeben/ und die
knechte sich vor ihren Herren beugen. Also soll
alles in veränderung der zeit nach dem urtheil
der warheit gerichtet werden/ daß die gewalti-
gen/ gewaltige pein werden leiden/ und die mei-
sten sünden bey den grösten erfunden werden.
Es wird sich so befinden.

Wer nun hierinn will frey seyn/ der muß sich
herunter halten zu den kleinen/ vor den gering-
sten/ nicht aber vor den grösten düncken und
halten/ und auff alle art und weise aus gantzem
hertzen/ ja aus gantzem hertzen von gutdünckel
und eigen-weißheit absondern/ und dafür hü-
ten/ ja nicht allein hüten/ sondern auch hassen/
nicht zwar des/ was den kleinen einfältigen und
schlechten/ sondern den grossen/ tückischen und
gutdünckenden hertzen anstehet/ welche gerne
gesehen/ geachtet/ geehret/ gepriesen und etwas
seyn/ keines weges aber mit den kleinen vor
nichts gerechnet werden wollen. Deßwegen
sie durch gutdünckel und eigen-weißheit aus ih-
rem unverstand/ in grossen fall und schwere sün-
den gerathen/ darum sie sehr leiden und gepeini-
get werden müssen/ nach der regel der gerechtig-
keit und urtheil der warheit.

So sie nun kein demüthig/ einfältig/ auff-
richtig hertze überall im munde und gesichte der
menschen haben/ allwo die überzeugung und be-
straffung des HErrn einen eingang hat/ so wird
sie/ vermittelst der härtigkeit des hertzens/ ver-
worffen/ und nicht angenommen/ wodurch der
zorn des HErrn vermehret/ und die straffe/ pein
und leiden desto grösser wird/ daß sie das stoltze
und harte hertz schwerlich ertragen und außste-
hen kan/ dannoch aber endlich mit schaden und
schanden untergehen und zu nichte werden muß.
So es aber aus dem glauben williglich ge-
schicht/ so wird es alles guts/ friede und freude
darvon haben/ den HErrn in seiner niedrigkeit
erkennen und bekennen/ und ihme ehre in seiner
schande geben und höchlich loben können. Al-
so hütet euch alle/ die ihr die gütigkeit GOttes
und seine himmlische gaben gewiß geniesset und
mit weißheit/ erkäntnis/ wissenschafft und ver-
stand der Schrifft oder des Geistes erfüllet
werdet/ vor gutdünckel/ ehrgeitz und eigen-
[Spaltenumbruch] weißheit/ haltet euch klein/ niedrig/ nichtig
und allezeit unter die geringsten/ düncket euch
nicht etwas zu seyn/ wolt ihr nicht betrogen
und belogen werden in euch/ von euch und
durch euch selber/ sehet euch vor/ ich warne euch
alle.

Die kleinen fallen zwar gleicher weise auch/
aber meist nur in der menschen hände oder
schuld/ aber die grossen meist in die hände
GOTTES/ doch sündigen sie ihnen beyde/
aber einer weit über den andern. Diß aber ist
mit bescheidenheit zu verstehen/ nemlich/ weil
ein jeder seinen Gott und gebott oder wort hat/
so übertrifft auch eins das andere/ nach dem es
von grösserer macht/ werck/ krafft und vermö-
gen ist/ aber des andern seine schuld oder verbre-
chen ist grösser/ eben wie des Königs wort eines
haußvaters seines übertrifft/ und die lehre ei-
nes jünglings/ schweige eines mannes/ über ei-
nes kindes gehet/ also ist auch die missethat ei-
nes kindes kleiner/ dann des jünglings oder
mannes.

Christus stehet unter GOTT/ die Gemei-
ne unter Christo/ aus welcher er etliche vor sich
außerkohren/ beruffen und eingesetzet hat an
seine statt/ nemlich/ etliche zu Aposteln/ etliche
zu Propheten/ etliche zu Lehrern/ zu Hirten/
auffsehern/ helffern/ regierern und leitern der
Heiligen im lichte nach der warheit/ unter wel-
chen Christus das haupt ist über die Geineine/
beyde mann und weib/ der mann aber gehet ü-
ber das weib mit bescheidenheit/ das weib über
die kinder/ und die kinder gehen über die frem-
den/ knechte und mägde.

Hiervon trägt der mensch ein schön gleichnis
an sich/ deßgleichen mahlet Jsrael nach dem
fleische in dem sinn des Geistes das vorbild
recht ab/ das von dem Sohn gesaget wird/ wel-
ches Priester/ Leviten/ Häupter und Regierer
aus- und vor sich hatte/ und endlich Könige
hervor brachte/ die insonderheit über andere be-
ruffen und außerkohren waren/ jeglicher in sei-
ner ordnung. Deßwegen aber ware Jsrael/NB.
die gantze Gemeine nicht verworffen/ auch nicht
der geringste daraus/ ob sie gleich nicht alle zu
herrschen eingesetzet waren/ wie die vorbenante;
als nur über weib und kinder/ knechte und mäg-
de und Heyden/ doch aber mit bescheidenheit.
Daraus man klärlich mercken kan/ daß ein sol-
cher von ihnen/ wann er sündigte/ nicht so hoch-
wichtig angesehen ware/ wiewol keiner unge-
strafft bleiben muste/ außgenommen die Hey-
den und unbeschnittenen.

Dieses gleichnis ist auch zu unsern zeiten vor
recht zuhalten/ und eben wie bey jenen anzuse-
hen/ daß man nemlich sich an der Obrigkeit
mehr versündigen oder verschulden kan/ als an
dem gemeinen volck/ schweige an einem bettler/
weil sie GOTT selbst geehret oder zu seinem
lob herrlich gemacht und eingesetzet/ und ihr zu
gehorsamen befohlen/ und will die Obrigkeit
zur beschir mung der frommen und den gottlosen
zur straffe haben/ wie man lesen kan. Fer-Exod. V.
XIIX.
XXII.
Levit.
XXIV.
Num. XI.
XXV.
XXVII.

ner finden wir den sinn bey männiglichen an sei-
nem eigenthum/ was vor macht nemlich
ein jeder Haußherr hat über das/ was sein ist/
der sich an sich selbst mit straffen/ züchtigen/
vorhalten/ verweisen/ überzeugen/ schelten/
drohen und andern hefftigkeiten mehr nicht so

sehr

Th. IV. Sect. II. Num. XLI. Dav. Jor. warnung vor dem ſchaͤdl. betrug
[Spaltenumbruch] tag uͤber alles/ was groß/ hoch und erhaben
iſt/ ergehen laſſen/ zum lobe ſeiner herrlichkeit.
Der mund des HErrn hats geſagt.

Nun ſehe ich wohl/ nach dem des menſchen
ruhm eytel/ ſein anſehen betruͤglich/ ſein lob
falſch/ ſeine arbeit muͤhe/ ſeine hoheit eine nie-
drigkeit/ ſein reichthum eine armut/ ſeine ſtaͤr-
cke eine kranckheit/ und ſeine weißheit eine thor-
heit iſt/ daß es beſſer iſt nichts/ dann etwas ſeyn/
angeſehen GOtt das rufft/ was nichts iſt/ nicht
aber das etwas iſt/ ſondern das nichts iſt/ auff
daß er etwas mache/ nemlich das kranck/ arm
und beſchwert iſt/ auff daß ers ſtarck/ reich und
leichte mache das blinde ſehend/ das daube hoͤ-
rend/ die kruͤppel gehend/ die ſtummen redend/
und die todten lebendig/ umb welcher willen
(wie geſchrieben ſtehet) er allein kommen iſt.
Das iſt recht/ behaltets in euerem hertzen.

Die groͤſten ſunden werden bey den groſſen
befunden werden/ dann die kleinen thun ſolchen
fall nicht/ als die groſſen/ eben wie die kinder
die eltern nicht reich machen/ und die armen mit
den reichen nicht zehren koͤnnen; ſondern die
kleinen muͤſſen unter den groſſen ſtehen/ die
krancken ſich den ſtarcken uͤbergeben/ und die
knechte ſich vor ihren Herren beugen. Alſo ſoll
alles in veraͤnderung der zeit nach dem urtheil
der warheit gerichtet werden/ daß die gewalti-
gen/ gewaltige pein werden leiden/ und die mei-
ſten ſuͤnden bey den groͤſten erfunden werden.
Es wird ſich ſo befinden.

Wer nun hierinn will frey ſeyn/ der muß ſich
herunter halten zu den kleinen/ vor den gering-
ſten/ nicht aber vor den groͤſten duͤncken und
halten/ und auff alle art und weiſe aus gantzem
hertzen/ ja aus gantzem hertzen von gutduͤnckel
und eigen-weißheit abſondern/ und dafuͤr huͤ-
ten/ ja nicht allein huͤten/ ſondern auch haſſen/
nicht zwar des/ was den kleinen einfaͤltigen und
ſchlechten/ ſondern den groſſen/ tuͤckiſchen und
gutduͤnckenden hertzen anſtehet/ welche gerne
geſehen/ geachtet/ geehret/ geprieſen und etwas
ſeyn/ keines weges aber mit den kleinen vor
nichts gerechnet werden wollen. Deßwegen
ſie durch gutduͤnckel und eigen-weißheit aus ih-
rem unverſtand/ in groſſen fall und ſchwere ſuͤn-
den gerathen/ darum ſie ſehr leiden und gepeini-
get werden muͤſſen/ nach der regel der gerechtig-
keit und urtheil der warheit.

So ſie nun kein demuͤthig/ einfaͤltig/ auff-
richtig hertze uͤberall im munde und geſichte der
menſchen haben/ allwo die uͤberzeugung und be-
ſtraffung des HErrn einen eingang hat/ ſo wird
ſie/ vermittelſt der haͤrtigkeit des hertzens/ ver-
worffen/ und nicht angenommen/ wodurch der
zorn des HErrn vermehret/ und die ſtraffe/ pein
und leiden deſto groͤſſer wird/ daß ſie das ſtoltze
und harte hertz ſchwerlich ertragen und außſte-
hen kan/ dannoch aber endlich mit ſchaden und
ſchanden untergehen und zu nichte werden muß.
So es aber aus dem glauben williglich ge-
ſchicht/ ſo wird es alles guts/ friede und freude
darvon haben/ den HErrn in ſeiner niedrigkeit
erkennen und bekennen/ und ihme ehre in ſeiner
ſchande geben und hoͤchlich loben koͤnnen. Al-
ſo huͤtet euch alle/ die ihr die guͤtigkeit GOttes
und ſeine himmliſche gaben gewiß genieſſet und
mit weißheit/ erkaͤntnis/ wiſſenſchafft und ver-
ſtand der Schrifft oder des Geiſtes erfuͤllet
werdet/ vor gutduͤnckel/ ehrgeitz und eigen-
[Spaltenumbruch] weißheit/ haltet euch klein/ niedrig/ nichtig
und allezeit unter die geringſten/ duͤncket euch
nicht etwas zu ſeyn/ wolt ihr nicht betrogen
und belogen werden in euch/ von euch und
durch euch ſelber/ ſehet euch vor/ ich warne euch
alle.

Die kleinen fallen zwar gleicher weiſe auch/
aber meiſt nur in der menſchen haͤnde oder
ſchuld/ aber die groſſen meiſt in die haͤnde
GOTTES/ doch ſuͤndigen ſie ihnen beyde/
aber einer weit uͤber den andern. Diß aber iſt
mit beſcheidenheit zu verſtehen/ nemlich/ weil
ein jeder ſeinen Gott und gebott oder wort hat/
ſo uͤbertrifft auch eins das andere/ nach dem es
von groͤſſerer macht/ werck/ krafft und vermoͤ-
gen iſt/ aber des andern ſeine ſchuld oder verbre-
chen iſt groͤſſer/ eben wie des Koͤnigs wort eines
haußvaters ſeines uͤbertrifft/ und die lehre ei-
nes juͤnglings/ ſchweige eines mannes/ uͤber ei-
nes kindes gehet/ alſo iſt auch die miſſethat ei-
nes kindes kleiner/ dann des juͤnglings oder
mannes.

Chriſtus ſtehet unter GOTT/ die Gemei-
ne unter Chriſto/ aus welcher er etliche vor ſich
außerkohren/ beruffen und eingeſetzet hat an
ſeine ſtatt/ nemlich/ etliche zu Apoſteln/ etliche
zu Propheten/ etliche zu Lehrern/ zu Hirten/
auffſehern/ helffern/ regierern und leitern der
Heiligen im lichte nach der warheit/ unter wel-
chen Chriſtus das haupt iſt uͤber die Geineine/
beyde mann und weib/ der mann aber gehet uͤ-
ber das weib mit beſcheidenheit/ das weib uͤber
die kinder/ und die kinder gehen uͤber die frem-
den/ knechte und maͤgde.

Hiervon traͤgt der menſch ein ſchoͤn gleichnis
an ſich/ deßgleichen mahlet Jſrael nach dem
fleiſche in dem ſinn des Geiſtes das vorbild
recht ab/ das von dem Sohn geſaget wird/ wel-
ches Prieſter/ Leviten/ Haͤupter und Regierer
aus- und vor ſich hatte/ und endlich Koͤnige
hervor brachte/ die inſonderheit uͤber andere be-
ruffen und außerkohren waren/ jeglicher in ſei-
ner ordnung. Deßwegen aber ware Jſrael/NB.
die gantze Gemeine nicht verworffen/ auch nicht
der geringſte daraus/ ob ſie gleich nicht alle zu
herrſchen eingeſetzet waren/ wie die vorbenante;
als nur uͤber weib und kinder/ knechte und maͤg-
de und Heyden/ doch aber mit beſcheidenheit.
Daraus man klaͤrlich mercken kan/ daß ein ſol-
cher von ihnen/ wann er ſuͤndigte/ nicht ſo hoch-
wichtig angeſehen ware/ wiewol keiner unge-
ſtrafft bleiben muſte/ außgenommen die Hey-
den und unbeſchnittenen.

Dieſes gleichnis iſt auch zu unſern zeiten vor
recht zuhalten/ und eben wie bey jenen anzuſe-
hen/ daß man nemlich ſich an der Obrigkeit
mehr verſuͤndigen oder verſchulden kan/ als an
dem gemeinen volck/ ſchweige an einem bettler/
weil ſie GOTT ſelbſt geehret oder zu ſeinem
lob herrlich gemacht und eingeſetzet/ und ihr zu
gehorſamen befohlen/ und will die Obrigkeit
zur beſchir mung der from̃en und den gottloſen
zur ſtraffe haben/ wie man leſen kan. Fer-Exod. V.
XIIX.
XXII.
Levit.
XXIV.
Num. XI.
XXV.
XXVII.

ner finden wir den ſinn bey maͤnniglichen an ſei-
nem eigenthum/ was vor macht nemlich
ein jeder Haußherr hat uͤber das/ was ſein iſt/
der ſich an ſich ſelbſt mit ſtraffen/ zuͤchtigen/
vorhalten/ verweiſen/ uͤberzeugen/ ſchelten/
drohen und andern hefftigkeiten mehr nicht ſo

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[324/0620] Th. IV. Sect. II. Num. XLI. Dav. Jor. warnung vor dem ſchaͤdl. betrug tag uͤber alles/ was groß/ hoch und erhaben iſt/ ergehen laſſen/ zum lobe ſeiner herrlichkeit. Der mund des HErrn hats geſagt. Nun ſehe ich wohl/ nach dem des menſchen ruhm eytel/ ſein anſehen betruͤglich/ ſein lob falſch/ ſeine arbeit muͤhe/ ſeine hoheit eine nie- drigkeit/ ſein reichthum eine armut/ ſeine ſtaͤr- cke eine kranckheit/ und ſeine weißheit eine thor- heit iſt/ daß es beſſer iſt nichts/ dann etwas ſeyn/ angeſehen GOtt das rufft/ was nichts iſt/ nicht aber das etwas iſt/ ſondern das nichts iſt/ auff daß er etwas mache/ nemlich das kranck/ arm und beſchwert iſt/ auff daß ers ſtarck/ reich und leichte mache das blinde ſehend/ das daube hoͤ- rend/ die kruͤppel gehend/ die ſtummen redend/ und die todten lebendig/ umb welcher willen (wie geſchrieben ſtehet) er allein kommen iſt. Das iſt recht/ behaltets in euerem hertzen. Die groͤſten ſunden werden bey den groſſen befunden werden/ dann die kleinen thun ſolchen fall nicht/ als die groſſen/ eben wie die kinder die eltern nicht reich machen/ und die armen mit den reichen nicht zehren koͤnnen; ſondern die kleinen muͤſſen unter den groſſen ſtehen/ die krancken ſich den ſtarcken uͤbergeben/ und die knechte ſich vor ihren Herren beugen. Alſo ſoll alles in veraͤnderung der zeit nach dem urtheil der warheit gerichtet werden/ daß die gewalti- gen/ gewaltige pein werden leiden/ und die mei- ſten ſuͤnden bey den groͤſten erfunden werden. Es wird ſich ſo befinden. Wer nun hierinn will frey ſeyn/ der muß ſich herunter halten zu den kleinen/ vor den gering- ſten/ nicht aber vor den groͤſten duͤncken und halten/ und auff alle art und weiſe aus gantzem hertzen/ ja aus gantzem hertzen von gutduͤnckel und eigen-weißheit abſondern/ und dafuͤr huͤ- ten/ ja nicht allein huͤten/ ſondern auch haſſen/ nicht zwar des/ was den kleinen einfaͤltigen und ſchlechten/ ſondern den groſſen/ tuͤckiſchen und gutduͤnckenden hertzen anſtehet/ welche gerne geſehen/ geachtet/ geehret/ geprieſen und etwas ſeyn/ keines weges aber mit den kleinen vor nichts gerechnet werden wollen. Deßwegen ſie durch gutduͤnckel und eigen-weißheit aus ih- rem unverſtand/ in groſſen fall und ſchwere ſuͤn- den gerathen/ darum ſie ſehr leiden und gepeini- get werden muͤſſen/ nach der regel der gerechtig- keit und urtheil der warheit. So ſie nun kein demuͤthig/ einfaͤltig/ auff- richtig hertze uͤberall im munde und geſichte der menſchen haben/ allwo die uͤberzeugung und be- ſtraffung des HErrn einen eingang hat/ ſo wird ſie/ vermittelſt der haͤrtigkeit des hertzens/ ver- worffen/ und nicht angenommen/ wodurch der zorn des HErrn vermehret/ und die ſtraffe/ pein und leiden deſto groͤſſer wird/ daß ſie das ſtoltze und harte hertz ſchwerlich ertragen und außſte- hen kan/ dannoch aber endlich mit ſchaden und ſchanden untergehen und zu nichte werden muß. So es aber aus dem glauben williglich ge- ſchicht/ ſo wird es alles guts/ friede und freude darvon haben/ den HErrn in ſeiner niedrigkeit erkennen und bekennen/ und ihme ehre in ſeiner ſchande geben und hoͤchlich loben koͤnnen. Al- ſo huͤtet euch alle/ die ihr die guͤtigkeit GOttes und ſeine himmliſche gaben gewiß genieſſet und mit weißheit/ erkaͤntnis/ wiſſenſchafft und ver- ſtand der Schrifft oder des Geiſtes erfuͤllet werdet/ vor gutduͤnckel/ ehrgeitz und eigen- weißheit/ haltet euch klein/ niedrig/ nichtig und allezeit unter die geringſten/ duͤncket euch nicht etwas zu ſeyn/ wolt ihr nicht betrogen und belogen werden in euch/ von euch und durch euch ſelber/ ſehet euch vor/ ich warne euch alle. Die kleinen fallen zwar gleicher weiſe auch/ aber meiſt nur in der menſchen haͤnde oder ſchuld/ aber die groſſen meiſt in die haͤnde GOTTES/ doch ſuͤndigen ſie ihnen beyde/ aber einer weit uͤber den andern. Diß aber iſt mit beſcheidenheit zu verſtehen/ nemlich/ weil ein jeder ſeinen Gott und gebott oder wort hat/ ſo uͤbertrifft auch eins das andere/ nach dem es von groͤſſerer macht/ werck/ krafft und vermoͤ- gen iſt/ aber des andern ſeine ſchuld oder verbre- chen iſt groͤſſer/ eben wie des Koͤnigs wort eines haußvaters ſeines uͤbertrifft/ und die lehre ei- nes juͤnglings/ ſchweige eines mannes/ uͤber ei- nes kindes gehet/ alſo iſt auch die miſſethat ei- nes kindes kleiner/ dann des juͤnglings oder mannes. Chriſtus ſtehet unter GOTT/ die Gemei- ne unter Chriſto/ aus welcher er etliche vor ſich außerkohren/ beruffen und eingeſetzet hat an ſeine ſtatt/ nemlich/ etliche zu Apoſteln/ etliche zu Propheten/ etliche zu Lehrern/ zu Hirten/ auffſehern/ helffern/ regierern und leitern der Heiligen im lichte nach der warheit/ unter wel- chen Chriſtus das haupt iſt uͤber die Geineine/ beyde mann und weib/ der mann aber gehet uͤ- ber das weib mit beſcheidenheit/ das weib uͤber die kinder/ und die kinder gehen uͤber die frem- den/ knechte und maͤgde. Hiervon traͤgt der menſch ein ſchoͤn gleichnis an ſich/ deßgleichen mahlet Jſrael nach dem fleiſche in dem ſinn des Geiſtes das vorbild recht ab/ das von dem Sohn geſaget wird/ wel- ches Prieſter/ Leviten/ Haͤupter und Regierer aus- und vor ſich hatte/ und endlich Koͤnige hervor brachte/ die inſonderheit uͤber andere be- ruffen und außerkohren waren/ jeglicher in ſei- ner ordnung. Deßwegen aber ware Jſrael/ die gantze Gemeine nicht verworffen/ auch nicht der geringſte daraus/ ob ſie gleich nicht alle zu herrſchen eingeſetzet waren/ wie die vorbenante; als nur uͤber weib und kinder/ knechte und maͤg- de und Heyden/ doch aber mit beſcheidenheit. Daraus man klaͤrlich mercken kan/ daß ein ſol- cher von ihnen/ wann er ſuͤndigte/ nicht ſo hoch- wichtig angeſehen ware/ wiewol keiner unge- ſtrafft bleiben muſte/ außgenommen die Hey- den und unbeſchnittenen. NB. Dieſes gleichnis iſt auch zu unſern zeiten vor recht zuhalten/ und eben wie bey jenen anzuſe- hen/ daß man nemlich ſich an der Obrigkeit mehr verſuͤndigen oder verſchulden kan/ als an dem gemeinen volck/ ſchweige an einem bettler/ weil ſie GOTT ſelbſt geehret oder zu ſeinem lob herrlich gemacht und eingeſetzet/ und ihr zu gehorſamen befohlen/ und will die Obrigkeit zur beſchir mung der from̃en und den gottloſen zur ſtraffe haben/ wie man leſen kan. Fer- ner finden wir den ſinn bey maͤnniglichen an ſei- nem eigenthum/ was vor macht nemlich ein jeder Haußherr hat uͤber das/ was ſein iſt/ der ſich an ſich ſelbſt mit ſtraffen/ zuͤchtigen/ vorhalten/ verweiſen/ uͤberzeugen/ ſchelten/ drohen und andern hefftigkeiten mehr nicht ſo ſehr Exod. V. XIIX. XXII. Levit. XXIV. Num. XI. XXV. XXVII.

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/620>, abgerufen am 22.12.2024.