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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XXVII. Schrifft der Münst. Wiedertäuffer.
[Spaltenumbruch] in welchem die glaubigen und auffrichtige men-
schen auch einen freyen zutritt haben zu GOtt/
und mit GOTT versöhnet und vereiniget wer-
den/ Christus ist von ewigkeit solcher taberna-
ckel gewest/ darinnen GOtt seine wohnstatt ge-
habt/ auch in der schrifft die weißheit Gottes ge-
nennet/ in welchem auch die menschen und alle
creaturen geschaffen sind. Dann da der mensch
gefallen ist/ so ist dieselbe weißheit und das ewi-
ge wort GOttes in des menschen stätte gekom-
men/ ist warhafftig mensch worden/ und hat
mit unterthänigem gehorsam den Vater ver-
söhnet/ und dem ungehorsamen entfallenen
menschen den weg des gehorsams wieder in sei-
ne herrlichkeit gezeiget und gebahnet.

Also ist das hauß der weißheit/ die wohnung
deß Allerhöchsten/ der Sohn deß lebendigen
GOttes in der hütten abgebildet/ und wird
verstanden in der warheit/ daß diß unser HErr
und Heyland Christus ist/ welcher/ da er in der
gestalt GOttes ware/ hat er sich selber erniedri-
get/ und hat eines knechtes gestalt angenom-
men/ und ist dem Vater gehorsam worden
biß zum tode/ ja biß zum tode deß creutzes/ wel-
chen streit und gehorsam er in dem vorhofe voll-
bracht hat/ darum er auch in dem garten also
beängstiget/ daß er von den engeln muste getrö-
stet werden. So ist er auch draussen vor der
heiligen stadt gecreutziget und gestorben/ wel-
ches alles in den vorhof gehöret/ da der eherne
altar ist/ darauff das fleisch muß geopffert wer-
den/ in demselben ist er auch also beängstiget
worden/ daß er rieff: Mein GOTT/ mein
GOtt/ warum hastu mich verlassen; das ist es/
was wir droben gesagt haben/ daß es ein enger
weg ist in den vorhofe und gantz finster/ und ein
bild des todes. Darnach die erkäntnis Chri-
sti war der eingang zum heiligen/ die
auffahrt zu den himmeln/ zu der rechten hand
der krafft GOTTES/ des der auff den
Cherubim sitzet/ das war ins allerheiligste
getreten.

Sehet also/ so doch Christus ein HERR
aller dinge war/ hat er seine herrlichkeit ver-
lassen/ und hat müssen als ein knecht durch-
kämpffen und streiten/ wieder seine herrlich-
keit einzunehmen/ die er verlassen hatte;
diß sagen wir alle darum/ auff daß desto
leichter und heller zu verstehen seye/ was und
wer der rechte Christus seye/ und auff daß
die guthertzigen den rechten Christum desto
besser lernen kennen/ dann weder die Papi-
sten noch die Lutherischen/ und wie viel der
gesellen mehr sind/ kennen Christum noch
nicht recht/ dann sie sagen/ Christi leib und
fleisch seye von Marien fleisch und leibe gewor-
den/ dasselbe sündliche fleisch Mariä habe der
Sohn GOttes an sich genommen/ und mit
dem leiden also spielen lassen/ aber der Sohn
GOttes selber habe nicht gelitten/ sondern seye
darbey gestanden/ und habe es angesehen; Als
wissen sie auch nicht/ wie Christus unser vor-
bild ist/ daß wir seinen fußstapffen auffrecht
mögen folgen/ und diese machen zwey unter-
schiedene wesen zugleich in Christo/ das eine
Göttlich/ das andere menschlich; Deßglei-
chen machen sie auch von kuchen und brod ei-
nen Christum/ als die Papisten sagen/ so war-
hafftig als er an dem creutz gehangen habe und
ist etc. Aber die Lutherischen die bescheiden so
[Spaltenumbruch] gewiß Christum ins brod/ daß er nicht darff
außbleiben/ daß sie sprechen/ wann sie ein oblat
haben/ ey da habe ich ihn. Wann nun diese
gesellen wüsten/ was und wie Christus wäre/
achten wir immer/ sie würden ihn würdiger
halten/ und nicht also mit ihren küchelgen fassen.
Wiederum/ dz sie ihn nicht recht kennen/ und wel-
che es sind die ihn nicht recht kennen/ zeiget sich/
so sie nicht also wandeln/ wie er gewandelt hat/
Christum recht bekennen/ seine gebotte halten/
und seinen fußstapffen folgen. Und eine sol-
che erkäntnis machet rechtfertig/ als der Pro-
phet sagt/ und ist auch dieselbe das ewige leben;
welcher anders sagt/ ich habe Christum JE-
sum erkant/ und hält seine gebotte nicht/ das ist
ein lügner/ und die warheit ist nicht in ihm.

Darum wollen wir dir endlich von dem we-
sen Christi/ und seiner rechten erkäntnis einen
kurtzen bericht thun/ daraus wir hoffen/ daß du
klärer vernehmen solst diß geheimnis/ und auch
verstehen/ wie jämmerlich eine lange zeit her/
und noch die reine erkäntnis Christi in dem
dreck gelegen/ und der greuel der verwüstung sei-
ne heilige stätte hat inne gehabt.

Demnach der JEsus/ der nach dem fleisch
aus Marien der Jungfrauen gebohren ist/ wel-
cher war vom geschlechte David/ der ist der
rechte verheissene Christus/ seines wesens ein
Sohn des lebendigen GOttes/ der sonder zu-
thun menschlicher natur oder samens von dem
Heiligen Geist empfangen ist/ welcher ist fleisch
und mensch worden/ in allem uns gleich/ aber
ohne sünde/ und unbefleckt/ dann er ist die sün-
de vor uns worden. Diß sagt die schrifft
allenthalben offenbahr gnug/ sonderlich im
Neuen Testament/ wolten wir anders unsern
verstand nach der Schrifft richten/ und nicht
die Schrifft nach unserm verstand. Also ste-
het Joh. I. Das wort ist fleisch worden/ ist
das nicht offenbahr gnug gesprochen? Für-
wahr/ dieser einige spruch ist auch starck gnug
gegen alle spitzfindige reden/ die die unverstän-
digen klugen menschen dargegen beybringen
mögen.

Es werden die menschen damit verblendet/
daß geschrieben stehet/ daß Christus solte her-
kommen von dem samen oder geschlecht Da-
vid/ und daß er nach dem fleisch von einem wei-
be gebohren ist. Diß wird also angenom-
men/ daß Christus sein fleischlich wesen solte
von Davids oder Marien samen angenom-
men haben/ also daß Christus fleisch solte ur-
sprünglich von Davids samen und Marien
fleische seyn/ und dasselbe ursprüngliche wesen/
und also das an dem creutz gestorben ist/ und be-
graben/ dasselbe solte ursprünglich Davids sa-
men und Marien fleisch seyn/ daraus unwie-
dersprechlich müste folgen/ daß es auch dersel-
ben art/ das ist/ sündlich müste seyn/ weil kein
samen noch fleisch an David oder Marien ist
gewesen/ das nicht als aller andern menschen
fleisch sündig wäre. Aber diß ist ein lästerlicher
mißverstand/ und machet den gantzen Chri-
stum zu schanden. Es mag auch niemand in
solchem verstande zum rechten schaffstall einge-
hen/ und weyde finden/ dann Christus ist die
thüre zum schaffen/ und sein fleisch der vorhang.
Wer da will auff dem rechten fundament ge-
gründet stehen/ der muß Christum recht beken-
nen/ daß er des lebendigen GOttes Sohn ist

mensch
A. K. H. Vierter Theil. D d 2

Th. IV. Sect. II. Num. XXVII. Schrifft der Muͤnſt. Wiedertaͤuffer.
[Spaltenumbruch] in welchem die glaubigen und auffrichtige men-
ſchen auch einen freyen zutritt haben zu GOtt/
und mit GOTT verſoͤhnet und vereiniget wer-
den/ Chriſtus iſt von ewigkeit ſolcher taberna-
ckel geweſt/ darinnen GOtt ſeine wohnſtatt ge-
habt/ auch in der ſchrifft die weißheit Gottes ge-
nennet/ in welchem auch die menſchen und alle
creaturen geſchaffen ſind. Dann da der menſch
gefallen iſt/ ſo iſt dieſelbe weißheit und das ewi-
ge wort GOttes in des menſchen ſtaͤtte gekom-
men/ iſt warhafftig menſch worden/ und hat
mit unterthaͤnigem gehorſam den Vater ver-
ſoͤhnet/ und dem ungehorſamen entfallenen
menſchen den weg des gehorſams wieder in ſei-
ne herrlichkeit gezeiget und gebahnet.

Alſo iſt das hauß der weißheit/ die wohnung
deß Allerhoͤchſten/ der Sohn deß lebendigen
GOttes in der huͤtten abgebildet/ und wird
verſtanden in der warheit/ daß diß unſer HErr
und Heyland Chriſtus iſt/ welcher/ da er in der
geſtalt GOttes ware/ hat er ſich ſelber erniedri-
get/ und hat eines knechtes geſtalt angenom-
men/ und iſt dem Vater gehorſam worden
biß zum tode/ ja biß zum tode deß creutzes/ wel-
chen ſtreit und gehorſam er in dem vorhofe voll-
bracht hat/ darum er auch in dem garten alſo
beaͤngſtiget/ daß er von den engeln muſte getroͤ-
ſtet werden. So iſt er auch drauſſen vor der
heiligen ſtadt gecreutziget und geſtorben/ wel-
ches alles in den vorhof gehoͤret/ da der eherne
altar iſt/ darauff das fleiſch muß geopffert wer-
den/ in demſelben iſt er auch alſo beaͤngſtiget
worden/ daß er rieff: Mein GOTT/ mein
GOtt/ warum haſtu mich verlaſſen; das iſt es/
was wir droben geſagt haben/ daß es ein enger
weg iſt in den vorhofe und gantz finſter/ und ein
bild des todes. Darnach die erkaͤntnis Chri-
ſti war der eingang zum heiligen/ die
auffahrt zu den himmeln/ zu der rechten hand
der krafft GOTTES/ des der auff den
Cherubim ſitzet/ das war ins allerheiligſte
getreten.

Sehet alſo/ ſo doch Chriſtus ein HERR
aller dinge war/ hat er ſeine herrlichkeit ver-
laſſen/ und hat muͤſſen als ein knecht durch-
kaͤmpffen und ſtreiten/ wieder ſeine herrlich-
keit einzunehmen/ die er verlaſſen hatte;
diß ſagen wir alle darum/ auff daß deſto
leichter und heller zu verſtehen ſeye/ was und
wer der rechte Chriſtus ſeye/ und auff daß
die guthertzigen den rechten Chriſtum deſto
beſſer lernen kennen/ dann weder die Papi-
ſten noch die Lutheriſchen/ und wie viel der
geſellen mehr ſind/ kennen Chriſtum noch
nicht recht/ dann ſie ſagen/ Chriſti leib und
fleiſch ſeye von Marien fleiſch und leibe gewor-
den/ daſſelbe ſuͤndliche fleiſch Mariaͤ habe der
Sohn GOttes an ſich genommen/ und mit
dem leiden alſo ſpielen laſſen/ aber der Sohn
GOttes ſelber habe nicht gelitten/ ſondern ſeye
darbey geſtanden/ und habe es angeſehen; Als
wiſſen ſie auch nicht/ wie Chriſtus unſer vor-
bild iſt/ daß wir ſeinen fußſtapffen auffrecht
moͤgen folgen/ und dieſe machen zwey unter-
ſchiedene weſen zugleich in Chriſto/ das eine
Goͤttlich/ das andere menſchlich; Deßglei-
chen machen ſie auch von kuchen und brod ei-
nen Chriſtum/ als die Papiſten ſagen/ ſo war-
hafftig als er an dem creutz gehangen habe und
iſt ꝛc. Aber die Lutheriſchen die beſcheiden ſo
[Spaltenumbruch] gewiß Chriſtum ins brod/ daß er nicht darff
außbleiben/ daß ſie ſprechen/ wann ſie ein oblat
haben/ ey da habe ich ihn. Wann nun dieſe
geſellen wuͤſten/ was und wie Chriſtus waͤre/
achten wir immer/ ſie wuͤrden ihn wuͤrdiger
halten/ uñ nicht alſo mit ihren kuͤchelgen faſſen.
Wiederum/ dz ſie ihn nicht recht keñen/ und wel-
che es ſind die ihn nicht recht keñen/ zeiget ſich/
ſo ſie nicht alſo wandeln/ wie er gewandelt hat/
Chriſtum recht bekennen/ ſeine gebotte halten/
und ſeinen fußſtapffen folgen. Und eine ſol-
che erkaͤntnis machet rechtfertig/ als der Pro-
phet ſagt/ und iſt auch dieſelbe das ewige leben;
welcher anders ſagt/ ich habe Chriſtum JE-
ſum erkant/ und haͤlt ſeine gebotte nicht/ das iſt
ein luͤgner/ und die warheit iſt nicht in ihm.

Darum wollen wir dir endlich von dem we-
ſen Chriſti/ und ſeiner rechten erkaͤntnis einen
kurtzen bericht thun/ daraus wir hoffen/ daß du
klaͤrer vernehmen ſolſt diß geheimnis/ und auch
verſtehen/ wie jaͤmmerlich eine lange zeit her/
und noch die reine erkaͤntnis Chriſti in dem
dreck gelegen/ und der greuel der verwuͤſtung ſei-
ne heilige ſtaͤtte hat inne gehabt.

Demnach der JEſus/ der nach dem fleiſch
aus Marien der Jungfrauen gebohren iſt/ wel-
cher war vom geſchlechte David/ der iſt der
rechte verheiſſene Chriſtus/ ſeines weſens ein
Sohn des lebendigen GOttes/ der ſonder zu-
thun menſchlicher natur oder ſamens von dem
Heiligen Geiſt empfangen iſt/ welcher iſt fleiſch
und menſch worden/ in allem uns gleich/ aber
ohne ſuͤnde/ und unbefleckt/ dann er iſt die ſuͤn-
de vor uns worden. Diß ſagt die ſchrifft
allenthalben offenbahr gnug/ ſonderlich im
Neuen Teſtament/ wolten wir anders unſern
verſtand nach der Schrifft richten/ und nicht
die Schrifft nach unſerm verſtand. Alſo ſte-
het Joh. I. Das wort iſt fleiſch worden/ iſt
das nicht offenbahr gnug geſprochen? Fuͤr-
wahr/ dieſer einige ſpruch iſt auch ſtarck gnug
gegen alle ſpitzfindige reden/ die die unverſtaͤn-
digen klugen menſchen dargegen beybringen
moͤgen.

Es werden die menſchen damit verblendet/
daß geſchrieben ſtehet/ daß Chriſtus ſolte her-
kommen von dem ſamen oder geſchlecht Da-
vid/ und daß er nach dem fleiſch von einem wei-
be gebohren iſt. Diß wird alſo angenom-
men/ daß Chriſtus ſein fleiſchlich weſen ſolte
von Davids oder Marien ſamen angenom-
men haben/ alſo daß Chriſtus fleiſch ſolte ur-
ſpruͤnglich von Davids ſamen und Marien
fleiſche ſeyn/ und daſſelbe urſpruͤngliche weſen/
und alſo das an dem creutz geſtorben iſt/ und be-
graben/ daſſelbe ſolte urſpruͤnglich Davids ſa-
men und Marien fleiſch ſeyn/ daraus unwie-
derſprechlich muͤſte folgen/ daß es auch derſel-
ben art/ das iſt/ ſuͤndlich muͤſte ſeyn/ weil kein
ſamen noch fleiſch an David oder Marien iſt
geweſen/ das nicht als aller andern menſchen
fleiſch ſuͤndig waͤre. Aber diß iſt ein laͤſterlicher
mißverſtand/ und machet den gantzen Chri-
ſtum zu ſchanden. Es mag auch niemand in
ſolchem verſtande zum rechten ſchaffſtall einge-
hen/ und weyde finden/ dann Chriſtus iſt die
thuͤre zum ſchaffen/ und ſein fleiſch der vorhang.
Wer da will auff dem rechten fundament ge-
gruͤndet ſtehen/ der muß Chriſtum recht beken-
nen/ daß er des lebendigen GOttes Sohn iſt

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A. K. H. Vierter Theil. D d 2
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[211/0507] Th. IV. Sect. II. Num. XXVII. Schrifft der Muͤnſt. Wiedertaͤuffer. in welchem die glaubigen und auffrichtige men- ſchen auch einen freyen zutritt haben zu GOtt/ und mit GOTT verſoͤhnet und vereiniget wer- den/ Chriſtus iſt von ewigkeit ſolcher taberna- ckel geweſt/ darinnen GOtt ſeine wohnſtatt ge- habt/ auch in der ſchrifft die weißheit Gottes ge- nennet/ in welchem auch die menſchen und alle creaturen geſchaffen ſind. Dann da der menſch gefallen iſt/ ſo iſt dieſelbe weißheit und das ewi- ge wort GOttes in des menſchen ſtaͤtte gekom- men/ iſt warhafftig menſch worden/ und hat mit unterthaͤnigem gehorſam den Vater ver- ſoͤhnet/ und dem ungehorſamen entfallenen menſchen den weg des gehorſams wieder in ſei- ne herrlichkeit gezeiget und gebahnet. Alſo iſt das hauß der weißheit/ die wohnung deß Allerhoͤchſten/ der Sohn deß lebendigen GOttes in der huͤtten abgebildet/ und wird verſtanden in der warheit/ daß diß unſer HErr und Heyland Chriſtus iſt/ welcher/ da er in der geſtalt GOttes ware/ hat er ſich ſelber erniedri- get/ und hat eines knechtes geſtalt angenom- men/ und iſt dem Vater gehorſam worden biß zum tode/ ja biß zum tode deß creutzes/ wel- chen ſtreit und gehorſam er in dem vorhofe voll- bracht hat/ darum er auch in dem garten alſo beaͤngſtiget/ daß er von den engeln muſte getroͤ- ſtet werden. So iſt er auch drauſſen vor der heiligen ſtadt gecreutziget und geſtorben/ wel- ches alles in den vorhof gehoͤret/ da der eherne altar iſt/ darauff das fleiſch muß geopffert wer- den/ in demſelben iſt er auch alſo beaͤngſtiget worden/ daß er rieff: Mein GOTT/ mein GOtt/ warum haſtu mich verlaſſen; das iſt es/ was wir droben geſagt haben/ daß es ein enger weg iſt in den vorhofe und gantz finſter/ und ein bild des todes. Darnach die erkaͤntnis Chri- ſti war der eingang zum heiligen/ die auffahrt zu den himmeln/ zu der rechten hand der krafft GOTTES/ des der auff den Cherubim ſitzet/ das war ins allerheiligſte getreten. Sehet alſo/ ſo doch Chriſtus ein HERR aller dinge war/ hat er ſeine herrlichkeit ver- laſſen/ und hat muͤſſen als ein knecht durch- kaͤmpffen und ſtreiten/ wieder ſeine herrlich- keit einzunehmen/ die er verlaſſen hatte; diß ſagen wir alle darum/ auff daß deſto leichter und heller zu verſtehen ſeye/ was und wer der rechte Chriſtus ſeye/ und auff daß die guthertzigen den rechten Chriſtum deſto beſſer lernen kennen/ dann weder die Papi- ſten noch die Lutheriſchen/ und wie viel der geſellen mehr ſind/ kennen Chriſtum noch nicht recht/ dann ſie ſagen/ Chriſti leib und fleiſch ſeye von Marien fleiſch und leibe gewor- den/ daſſelbe ſuͤndliche fleiſch Mariaͤ habe der Sohn GOttes an ſich genommen/ und mit dem leiden alſo ſpielen laſſen/ aber der Sohn GOttes ſelber habe nicht gelitten/ ſondern ſeye darbey geſtanden/ und habe es angeſehen; Als wiſſen ſie auch nicht/ wie Chriſtus unſer vor- bild iſt/ daß wir ſeinen fußſtapffen auffrecht moͤgen folgen/ und dieſe machen zwey unter- ſchiedene weſen zugleich in Chriſto/ das eine Goͤttlich/ das andere menſchlich; Deßglei- chen machen ſie auch von kuchen und brod ei- nen Chriſtum/ als die Papiſten ſagen/ ſo war- hafftig als er an dem creutz gehangen habe und iſt ꝛc. Aber die Lutheriſchen die beſcheiden ſo gewiß Chriſtum ins brod/ daß er nicht darff außbleiben/ daß ſie ſprechen/ wann ſie ein oblat haben/ ey da habe ich ihn. Wann nun dieſe geſellen wuͤſten/ was und wie Chriſtus waͤre/ achten wir immer/ ſie wuͤrden ihn wuͤrdiger halten/ uñ nicht alſo mit ihren kuͤchelgen faſſen. Wiederum/ dz ſie ihn nicht recht keñen/ und wel- che es ſind die ihn nicht recht keñen/ zeiget ſich/ ſo ſie nicht alſo wandeln/ wie er gewandelt hat/ Chriſtum recht bekennen/ ſeine gebotte halten/ und ſeinen fußſtapffen folgen. Und eine ſol- che erkaͤntnis machet rechtfertig/ als der Pro- phet ſagt/ und iſt auch dieſelbe das ewige leben; welcher anders ſagt/ ich habe Chriſtum JE- ſum erkant/ und haͤlt ſeine gebotte nicht/ das iſt ein luͤgner/ und die warheit iſt nicht in ihm. Darum wollen wir dir endlich von dem we- ſen Chriſti/ und ſeiner rechten erkaͤntnis einen kurtzen bericht thun/ daraus wir hoffen/ daß du klaͤrer vernehmen ſolſt diß geheimnis/ und auch verſtehen/ wie jaͤmmerlich eine lange zeit her/ und noch die reine erkaͤntnis Chriſti in dem dreck gelegen/ und der greuel der verwuͤſtung ſei- ne heilige ſtaͤtte hat inne gehabt. Demnach der JEſus/ der nach dem fleiſch aus Marien der Jungfrauen gebohren iſt/ wel- cher war vom geſchlechte David/ der iſt der rechte verheiſſene Chriſtus/ ſeines weſens ein Sohn des lebendigen GOttes/ der ſonder zu- thun menſchlicher natur oder ſamens von dem Heiligen Geiſt empfangen iſt/ welcher iſt fleiſch und menſch worden/ in allem uns gleich/ aber ohne ſuͤnde/ und unbefleckt/ dann er iſt die ſuͤn- de vor uns worden. Diß ſagt die ſchrifft allenthalben offenbahr gnug/ ſonderlich im Neuen Teſtament/ wolten wir anders unſern verſtand nach der Schrifft richten/ und nicht die Schrifft nach unſerm verſtand. Alſo ſte- het Joh. I. Das wort iſt fleiſch worden/ iſt das nicht offenbahr gnug geſprochen? Fuͤr- wahr/ dieſer einige ſpruch iſt auch ſtarck gnug gegen alle ſpitzfindige reden/ die die unverſtaͤn- digen klugen menſchen dargegen beybringen moͤgen. Es werden die menſchen damit verblendet/ daß geſchrieben ſtehet/ daß Chriſtus ſolte her- kommen von dem ſamen oder geſchlecht Da- vid/ und daß er nach dem fleiſch von einem wei- be gebohren iſt. Diß wird alſo angenom- men/ daß Chriſtus ſein fleiſchlich weſen ſolte von Davids oder Marien ſamen angenom- men haben/ alſo daß Chriſtus fleiſch ſolte ur- ſpruͤnglich von Davids ſamen und Marien fleiſche ſeyn/ und daſſelbe urſpruͤngliche weſen/ und alſo das an dem creutz geſtorben iſt/ und be- graben/ daſſelbe ſolte urſpruͤnglich Davids ſa- men und Marien fleiſch ſeyn/ daraus unwie- derſprechlich muͤſte folgen/ daß es auch derſel- ben art/ das iſt/ ſuͤndlich muͤſte ſeyn/ weil kein ſamen noch fleiſch an David oder Marien iſt geweſen/ das nicht als aller andern menſchen fleiſch ſuͤndig waͤre. Aber diß iſt ein laͤſterlicher mißverſtand/ und machet den gantzen Chri- ſtum zu ſchanden. Es mag auch niemand in ſolchem verſtande zum rechten ſchaffſtall einge- hen/ und weyde finden/ dann Chriſtus iſt die thuͤre zum ſchaffen/ und ſein fleiſch der vorhang. Wer da will auff dem rechten fundament ge- gruͤndet ſtehen/ der muß Chriſtum recht beken- nen/ daß er des lebendigen GOttes Sohn iſt menſch A. K. H. Vierter Theil. D d 2

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/507>, abgerufen am 23.12.2024.