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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XXVII. Schrifft der Münsterischen Wiedertäuffer.
[Spaltenumbruch]

Diß ist dann nun das vornemste der H. Schrifft
und der allgemeine inhalt daraus wieder/ wenn
diß recht verstanden wird/ dann einjedes stück beson-
dern desto leichtlicher begriffen mag werde. Darum
was der Schrifft verborgen heit in sich hat/ von dem/
was und wie Christus sey/ und wie alle dinge von
GOtt/ und durch denselben geschaffen und verord-
net seyn/ wollen wir etwas wieder anweisen/ und
damit einem jeden liebhaber der wahrheit und der
heilsamen weißheit GOttes/ welche in der Schrifft
verborgen ist/ der den schlüssel der weißheit vorhan-
den hat/ ursach geben/ den kasten wieder aufzuschlies-
sen/ und mehr köstliche kleinodien und zierathen dar-
aus zu nehmen/ und das ordentlich/ (wie oben ge-
sagt) daß mit guter bescheiden heit| ein jedes kleinod
nach seiner würde angegriffen und angelachet werde.
So ist nun Christus der erstgeborne von allen crea-
turen/ und das haupt aller dinge/ derhalben gezie-
met sich auch/ daß wir den schatz des rechten verstan-
des seines wesens vors erste aus dem verschlossenen
kasten/ so viel uns der geöffnet ist/ durch Gottes gna-
de hervortragen. Rom. VIII. Col. I. Heb. I.

Demnach so zeiget nun die Schrifft vornehmlich
von Christo als von seinem wesen zweyerley. Erstlich
was er vom anfang gewesen ist/ zum andern/ was er
in der zeit geworden sey. Von dem was er von an-
fang gewesen ist/ sagt die Schrifft/ daß er sey des
ewigen unsichtbaren GOttes lebendiges wort/ sonne/
weißheit/ krafft und herrligkeit/ ja GOtt selber/ in
welchem und zu welchem alle dinge geschaffen sind/
desgleichen in welchem alle dinge werden beweget/
regieret/ und das beweglich ist/ und das leben hat/
ja alles das ist/ wer in seiner krafft unterhalten/ als
der Königliche Prophet David sagt/ der himmel
ist durch das wort des HErrn gemacht/ und alle das
himmlische heer durch seines mundes geist. Ps.
XXXIII. Joh. I. Matth. XVI. Actor. XII.

Nun von dem/ was er in der zeit geworden ist/
meldet die Schrifft/ daß er der lebendige Gottes
Sohn ein leiblicher sterblicher mensch geworden ist/
vermindert biß unter die Engel/ hat eines knechtes
gestalt angenommen/ ja er ist sünde und ein fluch ge-
worden/ auff daß er des menschen sünde und ver-
fluchung hinnehme etc. Ps. IIX. Rom. IIX. 2. Cor.
V.
Von dem ersten wollen wir nun die schrifft et-
was wieder einsehen/ darnach auch von dem andern.
Demnach so wird von dem ersten allenthalben in
der schrifft des A. Testaments wolzu verstehen gege-
ben/ aber ausdrücklich wird davon gehandelt in den
schrifften des N. Testaments. Das A. Testament
sonderlich Moses hat seinen verstand fast allenthal-
ben in bildern verborgen/ also daß von dessen stücken
schier nicht ein wort ausdrücklich ausgesprochen
wird/ in dem gantzen Mose/ aber werden lebendigen
geist der wahrheit unter den tödtlichen bildnissen
und buchstaben hervorbringen/ und zu hertzen fassen
kan/ derselbe hat auch in Mose hier von überflüßig
gezeugniß gnug/ als sonderlich in der hütten/ in wel-
cher Gott seine herrlichkeit und wonne durch sein
hoch würdiges wort und willen gantz prächtiglich
und herrlich hat abgemahlet/ dergleichen alle das-
jenige/ das zu dem herrlichen/ heiligen/ wunder barli-
chen/ und unaussprechlichen hause der weißheit/ und
pallast des Aller höchsten gehöret/ wie sich Gott gege
die menschen beweiset/ und wiederum der mensch ge-
gen Gott sich schicken und halten soll/ als wie Gott
will bedienet seyn/ ist alles zusammen in der hütten
Mosis abconterfeyet/ und mit bildern angewiesen/
wie wir zum theil hernach noch anweisen wollen/ ja
die hütte und das gantze gesetz ist eigentlich anders
[Spaltenumbruch] nichts/ denn ein bild des wesens Christi/ und der
schatte der weißheit und der herrlichkeit in dem ver-
borgenen/ denn solches zu begreiffen mag keine
menschliche Philosophie noch hoher verstand erlan-
gen/ dann allein der meister der wahrheit der Heil.
Geist Gottes muß dazu meister und lehrer seyn/ der
lehret auch allein die/ die mit auffrichtigen hertzen zu
dem Herrn treten/ und den schlüssel von ihm em-
pfangen/ und den recht gebrauchen.

Wir wissen wol/ daß die bücher Mosis bey dem
gemeinen mann/ ja auch bey den Gelehrten geringe
geachtet/ ja um verborgenheit der bilder willen von
etlichen auch gantz verachtet werden/ aber die Gott-
fürchtigen recht verständigen halten viel anders/
denn es ist gewiß/ der grund und die rechte hauptsum-
ma aller Göttlicher wahrheit und willens sind die
fünff bücher Mosis/ darnach müssen alle händel
gerichtet seyn (als Esaias spricht) zum gesetz und
zum zeugniß/ oder darin ist kein morgenlicht/ und
was mehr von Propheten und andern lobwürdi-
gen geschrieben ist/ das ist nun in Mose gegründet/
und ist desselben eine erklärung; doch hievon
gnug. Nun wieder zur sache/ nemlich von dem
was wegen CHristi in Mose bezeuget wird.

Es ist offenbar gnug/ wie daß Moses von anfang
der schöpffung Gottes wercke beschreibet/ und das
in seinem ersten buche/ in welchem er auch fortan al-
ler creaturen/ die saamen in sich sollen haben/ sonder-
lich des menschen wachsthum/ in rechter pflicht oder
unpflicht bescheidentlich anweiset/ und wird derhal-
ben von den Griechen und uns solches buch nicht
unbillig Genesis oder das buch des wachsthums ge-
nennet. Jn diesem buch wird der edle held Christus
wol belobet/ und von seiner ankunfft bezeuget/ als
der auch gleich einem menschen solte geboren wer-
den/ und gezeuget von einer reinen Jungfrau. Erst
von seinem wesen wird nicht ausdrücklich gespro-
chen/ denn es lehret/ wie die menschen samt allen cre-
aturen von Gott geschaffen sind/ und denn wird von
kinder-zeugung/ wie die erstlich von Gott eingesetzet/
und von den Gottsfürchtigen gehalten ist/ und wie-
derum das wiederspiel von den gottlosen eingefüh-
ret/ und getrennet ist worden. Das ist die haupt-sum-
ma des ersten buches/ und es wird in der gantzen H.
Schrifft von der ehe nicht etwas gefunden/ anders
denn hierinne begriffen ist. Derhalben der rechten ver-
stand von der ehe haben will/ der muß hier wahr-
nehmen; denn Christus selber/ da er die Jüden der
ehe halber straffte/ straffte er sie/ daß sie sich nicht ent-
hielten der ehe wie von anfang/ welches in diesem
buch gelehret wird/ darnach die ehe recht soll und
mag gehalten merden.

Nun wieder in dem andern buch/ welches die Griechen und
Lateiner Exodum, wir aber dasselbe das buch des ausgan-
ges nennen/ indem wird auch mit ausgedruckten worten von
dem/ was Christus ist/ nicht gemeldet: Aber in diesem
wird die hütte beschrieben/ wer die verstehen kan/ der ver-
stehet auch wol daraus/ was Christus ist. Doch wir wissen
wol/ daß derer gar wenig sind. Darum wollen wir ein wenig
davon zu verstehen geben/ also soll das zu erst/ was Chri-
stus sey/ verstanden werden.

Demnach ist die gantze hütte mit ihrer zubehör
nichts anders denn ein bild auf Christum/ und be-
deutet Christum mit alle dem/ was ihm zugehört.
Die Schätze der weißheit Gottes sind in ihm ver-
borgen. Also ist auch mancherley materie/ bereit-
schafft/ und schmuck an der hütten/ die alle bedeu-
ten die mancherley gnade und weißheit Gottes/ die in
Christo seyn/ etliche materie bedeutet auch eigentlich
das wesen Christi/ als gold/ zedern-holtz etc. Solten
wir nun alle und jegliche stücke nach ihrem verstan-

de und
Th. IV. Sect. II. Num. XXVII. Schrifft der Muͤnſteriſchen Wiedertaͤuffer.
[Spaltenumbruch]

Diß iſt dann nun das vornemſte der H. Schrifft
und der allgemeine inhalt daraus wieder/ wenn
diß recht verſtanden wird/ dann einjedes ſtuͤck beſon-
dern deſto leichtlicher begriffen mag werdē. Darum
was deꝛ Schꝛifft veꝛborgen heit in ſich hat/ von dem/
was und wie Chriſtus ſey/ und wie alle dinge von
GOtt/ und durch denſelben geſchaffen und verord-
net ſeyn/ wollen wir etwas wieder anweiſen/ und
damit einem jeden liebhaber der wahrheit und der
heilſamen weißheit GOttes/ welche in der Schrifft
verborgen iſt/ der den ſchluͤſſel der weißheit vorhan-
den hat/ urſach geben/ den kaſten wieder aufzuſchlieſ-
ſen/ und mehr koͤſtliche kleinodien und zierathen dar-
aus zu nehmen/ und das ordentlich/ (wie oben ge-
ſagt) daß mit guter beſcheiden heit| ein jedes kleinod
nach ſeineꝛ wuͤꝛde angegriffen und angelachet weꝛde.
So iſt nun Chriſtus der erſtgeborne von allen crea-
turen/ und das haupt aller dinge/ derhalben gezie-
met ſich auch/ daß wir den ſchatz des rechten verſtan-
des ſeines weſens vors erſte aus dem verſchloſſenen
kaſten/ ſo viel uns der geoͤffnet iſt/ durch Gottes gna-
de hervortragen. Rom. VIII. Col. I. Heb. I.

Demnach ſo zeiget nun die Schꝛifft vornehmlich
von Chꝛiſto als von ſeinem weſen zweyeꝛley. Erſtlich
was er vom anfang geweſen iſt/ zum andern/ was er
in der zeit geworden ſey. Von dem was eꝛ von an-
fang geweſen iſt/ ſagt die Schrifft/ daß er ſey des
ewigen unſichtbaren GOttes lebendiges wort/ ſoñe/
weißheit/ krafft und herꝛligkeit/ ja GOtt ſelber/ in
welchem und zu welchem alle dinge geſchaffen ſind/
desgleichen in welchem alle dinge werden beweget/
regieret/ und das beweglich iſt/ und das leben hat/
ja alles das iſt/ wer in ſeiner krafft unterhalten/ als
der Koͤnigliche Prophet David ſagt/ der himmel
iſt durch das wort des HErꝛn gemacht/ und alle das
himmliſche heer durch ſeines mundes geiſt. Pſ.
XXXIII. Joh. I. Matth. XVI. Actor. XII.

Nun von dem/ was er in der zeit geworden iſt/
meldet die Schrifft/ daß er der lebendige Gottes
Sohn ein leiblicher ſteꝛblicher menſch geworden iſt/
vermindert biß unter die Engel/ hat eines knechtes
geſtalt angenommen/ ja er iſt ſuͤnde und ein fluch ge-
worden/ auff daß er des menſchen ſuͤnde und ver-
fluchung hinnehme ꝛc. Pſ. IIX. Rom. IIX. 2. Cor.
V.
Von dem erſten wollen wir nun die ſchrifft et-
was wieder einſehen/ daꝛnach auch von dem andern.
Demnach ſo wird von dem erſten allenthalben in
der ſchrifft des A. Teſtaments wolzu verſtehen gege-
ben/ aber ausdruͤcklich wird davon gehandelt in den
ſchrifften des N. Teſtaments. Das A. Teſtament
ſonderlich Moſes hat ſeinen verſtand faſt allenthal-
ben in bildern verborgen/ alſo daß von deſſen ſtuͤcken
ſchier nicht ein wort ausdruͤcklich ausgeſprochen
wird/ in dem gantzen Moſe/ aber werden lebendigen
geiſt der wahrheit unter den toͤdtlichen bildniſſen
und buchſtaben hervorbringen/ und zu hertzen faſſen
kan/ derſelbe hat auch in Moſe hier von uͤberfluͤßig
gezeugniß gnug/ als ſonderlich in der huͤtten/ in wel-
cher Gott ſeine herꝛlichkeit und wonne durch ſein
hoch wuͤrdiges wort und willen gantz praͤchtiglich
und herꝛlich hat abgemahlet/ dergleichen alle das-
jenige/ das zu dem herꝛlichen/ heiligen/ wunder barli-
chen/ und unausſpꝛechlichen hauſe deꝛ weißheit/ und
pallaſt des Aller hoͤchſtẽ gehoͤret/ wie ſich Gott gegē
die menſchen beweiſet/ und wiederum der menſch ge-
gen Gott ſich ſchicken und halten ſoll/ als wie Gott
will bedienet ſeyn/ iſt alles zuſammen in der huͤtten
Moſis abconterfeyet/ und mit bildern angewieſen/
wie wir zum theil hernach noch anweiſen wollen/ ja
die huͤtte und das gantze geſetz iſt eigentlich anders
[Spaltenumbruch] nichts/ denn ein bild des weſens Chriſti/ und der
ſchatte der weißheit und der herꝛlichkeit in dem ver-
borgenen/ denn ſolches zu begreiffen mag keine
menſchliche Philoſophie noch hoher verſtand erlan-
gen/ dann allein der meiſter der wahrheit der Heil.
Geiſt Gottes muß dazu meiſter und lehrer ſeyn/ der
lehret auch allein die/ die mit auffrichtigen hertzen zu
dem Herꝛn treten/ und den ſchluͤſſel von ihm em-
pfangen/ und den recht gebrauchen.

Wir wiſſen wol/ daß die buͤcher Moſis bey dem
gemeinen mann/ ja auch bey den Gelehrten geringe
geachtet/ ja um verborgenheit der bilder willen von
etlichen auch gantz verachtet werden/ aber die Gott-
fuͤrchtigen recht verſtaͤndigen halten viel anders/
deñ es iſt gewiß/ der gꝛund und die rechte hauptſum-
ma aller Goͤttlicher wahrheit und willens ſind die
fuͤnff buͤcher Moſis/ darnach muͤſſen alle haͤndel
gerichtet ſeyn (als Eſaias ſpricht) zum geſetz und
zum zeugniß/ oder darin iſt kein morgenlicht/ und
was mehr von Propheten und andern lobwuͤrdi-
gen geſchrieben iſt/ das iſt nun in Moſe gegruͤndet/
und iſt deſſelben eine erklaͤrung; doch hievon
gnug. Nun wieder zur ſache/ nemlich von dem
was wegen CHriſti in Moſe bezeuget wird.

Es iſt offenbar gnug/ wie daß Moſes von anfang
der ſchoͤpffung Gottes wercke beſchreibet/ und das
in ſeinem erſten buche/ in welchem er auch fortan al-
ler creaturen/ die ſaamen in ſich ſollen haben/ ſonder-
lich des menſchen wachſthum/ in rechter pflicht oder
unpflicht beſcheidentlich anweiſet/ und wird derhal-
ben von den Griechen und uns ſolches buch nicht
unbillig Geneſis oder das buch des wachsthums ge-
nennet. Jn dieſem buch wird der edle held Chriſtus
wol belobet/ und von ſeiner ankunfft bezeuget/ als
der auch gleich einem menſchen ſolte geboren wer-
den/ und gezeuget von einer reinen Jungfrau. Erſt
von ſeinem weſen wird nicht ausdruͤcklich geſpro-
chen/ denn es lehret/ wie die menſchen ſamt allen cre-
aturen von Gott geſchaffen ſind/ und denn wird von
kinder-zeugung/ wie die erſtlich von Gott eingeſetzet/
und von den Gottsfuͤrchtigen gehalten iſt/ und wie-
derum das wiederſpiel von den gottloſen eingefuͤh-
ret/ und getreñet iſt worden. Das iſt die haupt-ſum-
ma des erſten buches/ und es wird in der gantzen H.
Schrifft von der ehe nicht etwas gefunden/ anders
deñ hierinne begriffen iſt. Derhalben der rechten ver-
ſtand von der ehe haben will/ der muß hier wahr-
nehmen; denn Chriſtus ſelber/ da er die Juͤden der
ehe halber ſtraffte/ ſtraffte er ſie/ daß ſie ſich nicht ent-
hielten der ehe wie von anfang/ welches in dieſem
buch gelehret wird/ darnach die ehe recht ſoll und
mag gehalten merden.

Nun wieder in dem andern buch/ welches die Griechen und
Lateiner Exodum, wir aber daſſelbe das buch des ausgan-
ges nennen/ indem wird auch mit ausgedruckten worten von
dem/ was Chriſtus iſt/ nicht gemeldet: Aber in dieſem
wird die huͤtte beſchrieben/ wer die verſtehen kan/ der ver-
ſtehet auch wol daraus/ was Chriſtus iſt. Doch wir wiſſen
wol/ daß derer gar wenig ſind. Darum wollen wir ein wenig
davon zu verſtehen geben/ alſo ſoll das zu erſt/ was Chri-
ſtus ſey/ verſtanden werden.

Demnach iſt die gantze huͤtte mit ihrer zubehoͤr
nichts anders denn ein bild auf Chriſtum/ und be-
deutet Chriſtum mit alle dem/ was ihm zugehoͤrt.
Die Schaͤtze der weißheit Gottes ſind in ihm ver-
borgen. Alſo iſt auch mancherley materie/ bereit-
ſchafft/ und ſchmuck an der huͤtten/ die alle bedeu-
ten die mancherley gnade uñ weißheit Gottes/ die in
Chriſto ſeyn/ etliche materie bedeutet auch eigentlich
das weſen Chriſti/ als gold/ zedern-holtz ꝛc. Solten
wir nun alle und jegliche ſtuͤcke nach ihrem verſtan-

de und
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[207/0503] Th. IV. Sect. II. Num. XXVII. Schrifft der Muͤnſteriſchen Wiedertaͤuffer. Diß iſt dann nun das vornemſte der H. Schrifft und der allgemeine inhalt daraus wieder/ wenn diß recht verſtanden wird/ dann einjedes ſtuͤck beſon- dern deſto leichtlicher begriffen mag werdē. Darum was deꝛ Schꝛifft veꝛborgen heit in ſich hat/ von dem/ was und wie Chriſtus ſey/ und wie alle dinge von GOtt/ und durch denſelben geſchaffen und verord- net ſeyn/ wollen wir etwas wieder anweiſen/ und damit einem jeden liebhaber der wahrheit und der heilſamen weißheit GOttes/ welche in der Schrifft verborgen iſt/ der den ſchluͤſſel der weißheit vorhan- den hat/ urſach geben/ den kaſten wieder aufzuſchlieſ- ſen/ und mehr koͤſtliche kleinodien und zierathen dar- aus zu nehmen/ und das ordentlich/ (wie oben ge- ſagt) daß mit guter beſcheiden heit| ein jedes kleinod nach ſeineꝛ wuͤꝛde angegriffen und angelachet weꝛde. So iſt nun Chriſtus der erſtgeborne von allen crea- turen/ und das haupt aller dinge/ derhalben gezie- met ſich auch/ daß wir den ſchatz des rechten verſtan- des ſeines weſens vors erſte aus dem verſchloſſenen kaſten/ ſo viel uns der geoͤffnet iſt/ durch Gottes gna- de hervortragen. Rom. VIII. Col. I. Heb. I. Demnach ſo zeiget nun die Schꝛifft vornehmlich von Chꝛiſto als von ſeinem weſen zweyeꝛley. Erſtlich was er vom anfang geweſen iſt/ zum andern/ was er in der zeit geworden ſey. Von dem was eꝛ von an- fang geweſen iſt/ ſagt die Schrifft/ daß er ſey des ewigen unſichtbaren GOttes lebendiges wort/ ſoñe/ weißheit/ krafft und herꝛligkeit/ ja GOtt ſelber/ in welchem und zu welchem alle dinge geſchaffen ſind/ desgleichen in welchem alle dinge werden beweget/ regieret/ und das beweglich iſt/ und das leben hat/ ja alles das iſt/ wer in ſeiner krafft unterhalten/ als der Koͤnigliche Prophet David ſagt/ der himmel iſt durch das wort des HErꝛn gemacht/ und alle das himmliſche heer durch ſeines mundes geiſt. Pſ. XXXIII. Joh. I. Matth. XVI. Actor. XII. Nun von dem/ was er in der zeit geworden iſt/ meldet die Schrifft/ daß er der lebendige Gottes Sohn ein leiblicher ſteꝛblicher menſch geworden iſt/ vermindert biß unter die Engel/ hat eines knechtes geſtalt angenommen/ ja er iſt ſuͤnde und ein fluch ge- worden/ auff daß er des menſchen ſuͤnde und ver- fluchung hinnehme ꝛc. Pſ. IIX. Rom. IIX. 2. Cor. V. Von dem erſten wollen wir nun die ſchrifft et- was wieder einſehen/ daꝛnach auch von dem andern. Demnach ſo wird von dem erſten allenthalben in der ſchrifft des A. Teſtaments wolzu verſtehen gege- ben/ aber ausdruͤcklich wird davon gehandelt in den ſchrifften des N. Teſtaments. Das A. Teſtament ſonderlich Moſes hat ſeinen verſtand faſt allenthal- ben in bildern verborgen/ alſo daß von deſſen ſtuͤcken ſchier nicht ein wort ausdruͤcklich ausgeſprochen wird/ in dem gantzen Moſe/ aber werden lebendigen geiſt der wahrheit unter den toͤdtlichen bildniſſen und buchſtaben hervorbringen/ und zu hertzen faſſen kan/ derſelbe hat auch in Moſe hier von uͤberfluͤßig gezeugniß gnug/ als ſonderlich in der huͤtten/ in wel- cher Gott ſeine herꝛlichkeit und wonne durch ſein hoch wuͤrdiges wort und willen gantz praͤchtiglich und herꝛlich hat abgemahlet/ dergleichen alle das- jenige/ das zu dem herꝛlichen/ heiligen/ wunder barli- chen/ und unausſpꝛechlichen hauſe deꝛ weißheit/ und pallaſt des Aller hoͤchſtẽ gehoͤret/ wie ſich Gott gegē die menſchen beweiſet/ und wiederum der menſch ge- gen Gott ſich ſchicken und halten ſoll/ als wie Gott will bedienet ſeyn/ iſt alles zuſammen in der huͤtten Moſis abconterfeyet/ und mit bildern angewieſen/ wie wir zum theil hernach noch anweiſen wollen/ ja die huͤtte und das gantze geſetz iſt eigentlich anders nichts/ denn ein bild des weſens Chriſti/ und der ſchatte der weißheit und der herꝛlichkeit in dem ver- borgenen/ denn ſolches zu begreiffen mag keine menſchliche Philoſophie noch hoher verſtand erlan- gen/ dann allein der meiſter der wahrheit der Heil. Geiſt Gottes muß dazu meiſter und lehrer ſeyn/ der lehret auch allein die/ die mit auffrichtigen hertzen zu dem Herꝛn treten/ und den ſchluͤſſel von ihm em- pfangen/ und den recht gebrauchen. Wir wiſſen wol/ daß die buͤcher Moſis bey dem gemeinen mann/ ja auch bey den Gelehrten geringe geachtet/ ja um verborgenheit der bilder willen von etlichen auch gantz verachtet werden/ aber die Gott- fuͤrchtigen recht verſtaͤndigen halten viel anders/ deñ es iſt gewiß/ der gꝛund und die rechte hauptſum- ma aller Goͤttlicher wahrheit und willens ſind die fuͤnff buͤcher Moſis/ darnach muͤſſen alle haͤndel gerichtet ſeyn (als Eſaias ſpricht) zum geſetz und zum zeugniß/ oder darin iſt kein morgenlicht/ und was mehr von Propheten und andern lobwuͤrdi- gen geſchrieben iſt/ das iſt nun in Moſe gegruͤndet/ und iſt deſſelben eine erklaͤrung; doch hievon gnug. Nun wieder zur ſache/ nemlich von dem was wegen CHriſti in Moſe bezeuget wird. Es iſt offenbar gnug/ wie daß Moſes von anfang der ſchoͤpffung Gottes wercke beſchreibet/ und das in ſeinem erſten buche/ in welchem er auch fortan al- ler creaturen/ die ſaamen in ſich ſollen haben/ ſonder- lich des menſchen wachſthum/ in rechter pflicht oder unpflicht beſcheidentlich anweiſet/ und wird derhal- ben von den Griechen und uns ſolches buch nicht unbillig Geneſis oder das buch des wachsthums ge- nennet. Jn dieſem buch wird der edle held Chriſtus wol belobet/ und von ſeiner ankunfft bezeuget/ als der auch gleich einem menſchen ſolte geboren wer- den/ und gezeuget von einer reinen Jungfrau. Erſt von ſeinem weſen wird nicht ausdruͤcklich geſpro- chen/ denn es lehret/ wie die menſchen ſamt allen cre- aturen von Gott geſchaffen ſind/ und denn wird von kinder-zeugung/ wie die erſtlich von Gott eingeſetzet/ und von den Gottsfuͤrchtigen gehalten iſt/ und wie- derum das wiederſpiel von den gottloſen eingefuͤh- ret/ und getreñet iſt worden. Das iſt die haupt-ſum- ma des erſten buches/ und es wird in der gantzen H. Schrifft von der ehe nicht etwas gefunden/ anders deñ hierinne begriffen iſt. Derhalben der rechten ver- ſtand von der ehe haben will/ der muß hier wahr- nehmen; denn Chriſtus ſelber/ da er die Juͤden der ehe halber ſtraffte/ ſtraffte er ſie/ daß ſie ſich nicht ent- hielten der ehe wie von anfang/ welches in dieſem buch gelehret wird/ darnach die ehe recht ſoll und mag gehalten merden. Nun wieder in dem andern buch/ welches die Griechen und Lateiner Exodum, wir aber daſſelbe das buch des ausgan- ges nennen/ indem wird auch mit ausgedruckten worten von dem/ was Chriſtus iſt/ nicht gemeldet: Aber in dieſem wird die huͤtte beſchrieben/ wer die verſtehen kan/ der ver- ſtehet auch wol daraus/ was Chriſtus iſt. Doch wir wiſſen wol/ daß derer gar wenig ſind. Darum wollen wir ein wenig davon zu verſtehen geben/ alſo ſoll das zu erſt/ was Chri- ſtus ſey/ verſtanden werden. Demnach iſt die gantze huͤtte mit ihrer zubehoͤr nichts anders denn ein bild auf Chriſtum/ und be- deutet Chriſtum mit alle dem/ was ihm zugehoͤrt. Die Schaͤtze der weißheit Gottes ſind in ihm ver- borgen. Alſo iſt auch mancherley materie/ bereit- ſchafft/ und ſchmuck an der huͤtten/ die alle bedeu- ten die mancherley gnade uñ weißheit Gottes/ die in Chriſto ſeyn/ etliche materie bedeutet auch eigentlich das weſen Chriſti/ als gold/ zedern-holtz ꝛc. Solten wir nun alle und jegliche ſtuͤcke nach ihrem verſtan- de und

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/503>, abgerufen am 22.12.2024.