Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.Th. IV. Sect. II. Num. XIX. Exempel mehrerer Neutralisten etc. [Spaltenumbruch]
"Obrigkeit mit feuer/ galgen und schwerd ge-"gen die dissentirende waffnet/ solches nicht "mit der lehre CHristi übereinkomme. Also "sehe ich noch die rechte kirche nicht. Jhr schel- "det tapffer auff Stancarum und andere ketzer; "aber was sagt ihr doch von ihnen und ihren "gemeinen/ das sie nicht auch von den eurigen "sagen? Jndessen bleibe ich zweiffelhafft/ und "wer soll hier richter seyn? ---- Lehren wol "Zwinglius und Oecolampadius eben das "vom Abendmal als Calvinus und ihr? Jhr "wisset/ was Calvinus von ein spiel hat gehabt "mit denen von Bern/ kurtz nach dem die Genf- "fische kirche die meisterschafft unter euch bekom- "men. Die von Heydelberg sollen mich nicht "lügen straffen/ wenn ich sage/ daß ihr auch "mit einander uneins seyd: welche auch spre- "chen/ daß ihr den zanck unter ihnen habt ange- "stifftet/ und nicht eher ruhen werdet/ biß ihr "die blühende Universität werdet zerstreuet und "vernichtet haben. Denn ihr habt euch überal "so viel raus genommen/ daß es scheint/ als "wollt ihr über alle kirchen dommiren. Jhr "habt das Pabstthum ausgetrieben/ damit ihr "in dessen stelle treten könnet. Jhr rühmet/ "daß eure confession von vielen völckern ange- "nommen sey. Wir wissen/ wie sie sich haben "unterschrieben/ und auff was arth ihr sie habt "wissen dazu zu bringen etc. ---- Die auff- "bauung auff eure glaubens-gründe gehet un- "ter den Reformirten mit grossem zwiespalt zu/ "ja mit schlagen und schmeissen gegen einander/ "da einer des andern sein werck verwirfft. Ja "man verbrennt diejenigen in euren kirche/ welche "etwas lehre/ das man in eurer kirchen nicht hö- "ret. Streitet das nicht wider eure lehre von der "praedestination? Jhr sagt/ dz ihr die ketzer nicht "strafft/ sondern die Obrigkeit. Mich deucht/ ich "höre diese stimme: Wir dürffen niemand "tödten. Das sagen die Papisten auch. Aber "was sagen die Rechtsgelehrten? Was jemand "durch einen andern thut/ das ist eben so viel/ "als thäte ers selbst. Weiß man denn nicht/ "durch wessen antrieb und anstifften Servetus "verbrant ist worden? etc. Hieraus schleust er "endlich/ daß man in betrachtung aller dieser "dinge nothwendig anstehen müsse/ bey welchen "unter den Evangelischen die rechte wahre kir- "che sey: oder sie müsten mit einander einig- "keit halten/ und sagen/ daß unter ihnen gantz "kein streit/ von der summa und grund der "Christlichen religion sey. Jn des Hottingeri Historia Ecclesiastica Eben daselbst Sec. XVI. P. II. c. 3. p. 474. therum
Th. IV. Sect. II. Num. XIX. Exempel mehrerer Neutraliſten ꝛc. [Spaltenumbruch]
„Obrigkeit mit feuer/ galgen und ſchwerd ge-„gen die diſſentirende waffnet/ ſolches nicht „mit der lehre CHriſti uͤbereinkomme. Alſo „ſehe ich noch die rechte kirche nicht. Jhr ſchel- „det tapffer auff Stancarum und andere ketzer; „aber was ſagt ihr doch von ihnen und ihren „gemeinen/ das ſie nicht auch von den eurigen „ſagen? Jndeſſen bleibe ich zweiffelhafft/ und „wer ſoll hier richter ſeyn? —— Lehren wol „Zwinglius und Oecolampadius eben das „vom Abendmal als Calvinus und ihr? Jhr „wiſſet/ was Calvinus von ein ſpiel hat gehabt „mit denen von Bern/ kurtz nach dem die Genf- „fiſche kirche die meiſterſchafft unter euch bekom- „men. Die von Heydelberg ſollen mich nicht „luͤgen ſtraffen/ wenn ich ſage/ daß ihr auch „mit einander uneins ſeyd: welche auch ſpre- „chen/ daß ihr den zanck unter ihnen habt ange- „ſtifftet/ und nicht eher ruhen werdet/ biß ihr „die bluͤhende Univerſitaͤt werdet zerſtreuet und „vernichtet haben. Denn ihr habt euch uͤberal „ſo viel raus genommen/ daß es ſcheint/ als „wollt ihr uͤber alle kirchen dommiren. Jhr „habt das Pabſtthum ausgetrieben/ damit ihr „in deſſen ſtelle treten koͤnnet. Jhr ruͤhmet/ „daß eure confeſſion von vielen voͤlckern ange- „nommen ſey. Wir wiſſen/ wie ſie ſich haben „unterſchrieben/ und auff was arth ihr ſie habt „wiſſen dazu zu bringen ꝛc. —— Die auff- „bauung auff eure glaubens-gruͤnde gehet un- „ter den Reformirten mit groſſem zwieſpalt zu/ „ja mit ſchlagen und ſchmeiſſen gegen einandeꝛ/ „da einer des andern ſein werck verwirfft. Ja „man verbreñt diejenigen in euren kirchē/ welche „etwas lehrē/ das man in eurer kirchen nicht hoͤ- „ret. Streitet das nicht wider eure lehre von der „prædeſtination? Jhr ſagt/ dz ihr die ketzer nicht „ſtrafft/ ſondern die Obrigkeit. Mich deucht/ ich „hoͤre dieſe ſtimme: Wir duͤrffen niemand „toͤdten. Das ſagen die Papiſten auch. Aber „was ſagen die Rechtsgelehrten? Was jemand „durch einen andern thut/ das iſt eben ſo viel/ „als thaͤte ers ſelbſt. Weiß man denn nicht/ „durch weſſen antrieb und anſtifften Servetus „verbrant iſt worden? ꝛc. Hieraus ſchleuſt er „endlich/ daß man in betrachtung aller dieſer „dinge nothwendig anſtehen muͤſſe/ bey welchen „unter den Evangeliſchen die rechte wahre kir- „che ſey: oder ſie muͤſten mit einander einig- „keit halten/ und ſagen/ daß unter ihnen gantz „kein ſtreit/ von der ſumma und grund der „Chriſtlichen religion ſey. Jn des Hottingeri Hiſtoria Eccleſiaſtica Eben daſelbſt Sec. XVI. P. II. c. 3. p. 474. therum
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Der brieff lautet im Teutſchen alſo: Jch<lb/> habe mit wenigen an <hi rendition="#aq">Bullingerum</hi> von dem<lb/><hi rendition="#aq">Paduani</hi>ſchen <hi rendition="#aq">Decano</hi> geſchrieben/ daß er ſich<lb/> moͤchte vor demſelben in acht nehmen: Denn<lb/> er hat eine reiſe nach Bern/ Lucern/ und Zuͤrch<lb/> vor. Jch habe heute einen brieff an einen zu<lb/> Baſel geleſen/ in welchem er alſo geſchrieben<lb/> hat: Du biſt mit verſtand und ſcharffſinnig-<lb/> keit begabt/ daß du gar in vielen Lehr-puncten<lb/> dich weder an <hi rendition="#aq">Lutherum, Zwinglium</hi> noch an-<lb/> dere Secten bindeſt; ſondern allein Jeſu Chri-<lb/> ſto mit gantzem hertzen dieneſt/ inſonderheit/ da<lb/> die Lutheriſche und Zwingliſche Lehre nicht von<lb/> dir entſtanden iſt <hi rendition="#aq">&c.</hi> Welches ich deßwegen<lb/> hieher ſchreibe/ daß man deſto klaͤrer moͤge re-<lb/><cb/> kennen/ wie dieſer betruͤger dafuͤr halte/ daß<lb/> auſſer ihm und etlichen wenigen/ niemand bloß<lb/> auf den eintzigen Chriſtum/ ſondern auf ei-<lb/> nen menſchen ſehe/ und ſich nach demſelben<lb/> richte. Es iſt ein ſchaͤndlicher hochmuth ihm<lb/> ſelber ſo viel zueignen/ daß man alle menſchen<lb/> von der gnade aus-und ſich allein einſchleuſt.<lb/> Allein wie kan einer anders/ der ſich eigener<lb/> offenbarungen ſo hochmuͤthig beruͤhmet/ wie<lb/> dieſer <hi rendition="#aq">Decanus</hi> thut? Er hat zu mir geſagt:<lb/> Eine ſolche Lehre ſey niemals geweſen. Daher<lb/> habe er ſich die Schweitzer als ein freyes volck<lb/> erwehlet/ als von welchen er nicht zweiffele/<lb/> daß ſie ohne furcht die wahrheit wuͤrden an-<lb/> nehmen/ und er hoffe/ daß er gefunden habe/<lb/> wo die wahrheit wuͤrde eine ſtaͤtte finden.</p><lb/> <p>Eben daſelbſt <hi rendition="#aq">Sec. XVI. P. II. c. 3. p. 474.</hi><lb/> findet ſich eine Epiſtel von dem beruͤhmten<lb/> Juriſten zu Freyburg an <hi rendition="#aq">Zwinglium,</hi> worin-<lb/> ne jener ſich ſo weit heraus laͤſt/ daß er zwar<lb/> das Pabſtthum in den meiſten dingen ver-<lb/> wirfft/ und <hi rendition="#aq">Lutheri</hi> meinungen in vielen ſtuͤ-<lb/> cken billiget und lobet/ dennoch aber auch viel<lb/> maͤngel an denen <hi rendition="#aq">Reformatoribus</hi> anmercket.<lb/> Er ſchreibet daſelbſt unter andern alſo: Am <hi rendition="#aq">Lu-<lb/> thero</hi> iſt viel zu loben und zu vertheidigen;“<lb/> doch ſtoͤſt er auch in einigen dingen an. Er“<lb/> hat gar recht gelehret/ daß man alle gute wer-“<lb/> cke GOTT zuſchreiben/ dem eigenen willen“<lb/> aber nichts beymeſſen ſolle. —— Und will ich“<lb/> des mannes ſache hierinne gerne beyſtehen/“<lb/> ſo viel der HErr gnade geben wird. “Von“<lb/> dem ablaß und vergebung der ſuͤnden weiß“<lb/> ich wohl/ was ich glaube/ ich darffs nur“<lb/> nicht ſagen. —— Was <hi rendition="#aq">Lutherus</hi> von“<lb/> der buſſe und vom glauben geſchrieben/ das“<lb/> halt ich alles vor ſehr heilſam. Denn unſer“<lb/> gantzes leben muß dahin gerichtet ſeyn/ daß“<lb/> das boͤſe ſtets ab/ und das gute zunehme/“<lb/> und wir ſtaͤts im kampff wider den feind ge-“<lb/> ruͤſtet ſeyn/ das creutz tragen/ den leib betaͤu-“<lb/> ben/ und taͤglich beſſer werden/ welches die“<lb/> rechte verrichtung der Chriſten iſt. —— Hier-“<lb/> inne folge und lobe ich <hi rendition="#aq">Lutherum.</hi> Es lauf-“<lb/> fen aber auch viel maͤngel bey den Lutheri-“<lb/> ſchen Lehrern mit unter/ daruͤber ich betruͤbt“<lb/> bin. Denn daß geſagt wird/ wenn einer gu-“<lb/> tes thue/ ſo ſuͤndige er/ iſt eine ſchlimme mei-“<lb/> nung/ wenn ſie nicht wol verſtanden wird. —“<lb/> Jch ſehe aber/ daß die Wittenberger dieſen“<lb/> ſatz in <hi rendition="#aq">ſenſu compoſito</hi> verſtehen von einem/“<lb/> der gutes thue/ und eben darinne ſuͤndige/“<lb/> welches ich nicht verſtehe. Denn es ſcheinet“<lb/> mir gar zu abgeſchmackt/ und ſich ſelbſt wi-“<lb/> derſprechend zu ſeyn. Es waͤre beſſer/ daß“<lb/> ſie ſolche <hi rendition="#aq">captioſ</hi>e ſaͤtze/ darinnen man <hi rendition="#aq">ſophi-“<lb/> ſtiſi</hi>eren kan/ bleiben lieſſen/ und die wahre leh-“<lb/> re der weißheit trieben. Carlſtadt ein ſonſt ge-“<lb/> lehrter und aufrichtiger mann ſetzet in ſeinen“<lb/><hi rendition="#aq">Concluſionibus</hi> von dem wortverſtand auch“<lb/> etwas ſeltſames <hi rendition="#aq">&c.</hi> —— Die Wittenberger<lb/> ſuchen <hi rendition="#aq">Eccium</hi> herunter zu machen/ auch dariñe<lb/> wo er recht hat/ und wiederlegen ſich nuretwas“<lb/> weniger. Wie ſicher iſt es doch demuͤtig zu ſeyn/“<lb/> und nicht hoch hinaus wollen/ auch nicht hals-“<lb/> ſtarrig entgegen fechten? daß man lieber“<lb/> weiche/ wo man gleich HErꝛ werden koͤnte/“<lb/> als mit ſchaden nach dem ſieg trachte. Uber“<lb/> wen ruhet wol der geiſt des HErꝛn als uͤber ei-“<lb/> nem demuͤthigen und friedfertigen? Wolte“<lb/> GOtt/ es faͤnde ſich ein frommer mann/ der <hi rendition="#aq">Lu-</hi>“<lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">therum</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [138/0434]
Th. IV. Sect. II. Num. XIX. Exempel mehrerer Neutraliſten ꝛc.
„Obrigkeit mit feuer/ galgen und ſchwerd ge-
„gen die diſſentirende waffnet/ ſolches nicht
„mit der lehre CHriſti uͤbereinkomme. Alſo
„ſehe ich noch die rechte kirche nicht. Jhr ſchel-
„det tapffer auff Stancarum und andere ketzer;
„aber was ſagt ihr doch von ihnen und ihren
„gemeinen/ das ſie nicht auch von den eurigen
„ſagen? Jndeſſen bleibe ich zweiffelhafft/ und
„wer ſoll hier richter ſeyn? —— Lehren wol
„Zwinglius und Oecolampadius eben das
„vom Abendmal als Calvinus und ihr? Jhr
„wiſſet/ was Calvinus von ein ſpiel hat gehabt
„mit denen von Bern/ kurtz nach dem die Genf-
„fiſche kirche die meiſterſchafft unter euch bekom-
„men. Die von Heydelberg ſollen mich nicht
„luͤgen ſtraffen/ wenn ich ſage/ daß ihr auch
„mit einander uneins ſeyd: welche auch ſpre-
„chen/ daß ihr den zanck unter ihnen habt ange-
„ſtifftet/ und nicht eher ruhen werdet/ biß ihr
„die bluͤhende Univerſitaͤt werdet zerſtreuet und
„vernichtet haben. Denn ihr habt euch uͤberal
„ſo viel raus genommen/ daß es ſcheint/ als
„wollt ihr uͤber alle kirchen dommiren. Jhr
„habt das Pabſtthum ausgetrieben/ damit ihr
„in deſſen ſtelle treten koͤnnet. Jhr ruͤhmet/
„daß eure confeſſion von vielen voͤlckern ange-
„nommen ſey. Wir wiſſen/ wie ſie ſich haben
„unterſchrieben/ und auff was arth ihr ſie habt
„wiſſen dazu zu bringen ꝛc. —— Die auff-
„bauung auff eure glaubens-gruͤnde gehet un-
„ter den Reformirten mit groſſem zwieſpalt zu/
„ja mit ſchlagen und ſchmeiſſen gegen einandeꝛ/
„da einer des andern ſein werck verwirfft. Ja
„man verbreñt diejenigen in euren kirchē/ welche
„etwas lehrē/ das man in eurer kirchen nicht hoͤ-
„ret. Streitet das nicht wider eure lehre von der
„prædeſtination? Jhr ſagt/ dz ihr die ketzer nicht
„ſtrafft/ ſondern die Obrigkeit. Mich deucht/ ich
„hoͤre dieſe ſtimme: Wir duͤrffen niemand
„toͤdten. Das ſagen die Papiſten auch. Aber
„was ſagen die Rechtsgelehrten? Was jemand
„durch einen andern thut/ das iſt eben ſo viel/
„als thaͤte ers ſelbſt. Weiß man denn nicht/
„durch weſſen antrieb und anſtifften Servetus
„verbrant iſt worden? ꝛc. Hieraus ſchleuſt er
„endlich/ daß man in betrachtung aller dieſer
„dinge nothwendig anſtehen muͤſſe/ bey welchen
„unter den Evangeliſchen die rechte wahre kir-
„che ſey: oder ſie muͤſten mit einander einig-
„keit halten/ und ſagen/ daß unter ihnen gantz
„kein ſtreit/ von der ſumma und grund der
„Chriſtlichen religion ſey.
Jn des Hottingeri Hiſtoria Eccleſiaſtica
T. IX. P. V. cap. 3. pag. 522. findet ſich noch ein
ſolcher Neutraliſte in Oswaldi Myconii brieff
an Rudolphum Gvaltherum, nemlich ein De-
canus von Padua, welchen er zwar nicht nen-
net. Der brieff lautet im Teutſchen alſo: Jch
habe mit wenigen an Bullingerum von dem
Paduaniſchen Decano geſchrieben/ daß er ſich
moͤchte vor demſelben in acht nehmen: Denn
er hat eine reiſe nach Bern/ Lucern/ und Zuͤrch
vor. Jch habe heute einen brieff an einen zu
Baſel geleſen/ in welchem er alſo geſchrieben
hat: Du biſt mit verſtand und ſcharffſinnig-
keit begabt/ daß du gar in vielen Lehr-puncten
dich weder an Lutherum, Zwinglium noch an-
dere Secten bindeſt; ſondern allein Jeſu Chri-
ſto mit gantzem hertzen dieneſt/ inſonderheit/ da
die Lutheriſche und Zwingliſche Lehre nicht von
dir entſtanden iſt &c. Welches ich deßwegen
hieher ſchreibe/ daß man deſto klaͤrer moͤge re-
kennen/ wie dieſer betruͤger dafuͤr halte/ daß
auſſer ihm und etlichen wenigen/ niemand bloß
auf den eintzigen Chriſtum/ ſondern auf ei-
nen menſchen ſehe/ und ſich nach demſelben
richte. Es iſt ein ſchaͤndlicher hochmuth ihm
ſelber ſo viel zueignen/ daß man alle menſchen
von der gnade aus-und ſich allein einſchleuſt.
Allein wie kan einer anders/ der ſich eigener
offenbarungen ſo hochmuͤthig beruͤhmet/ wie
dieſer Decanus thut? Er hat zu mir geſagt:
Eine ſolche Lehre ſey niemals geweſen. Daher
habe er ſich die Schweitzer als ein freyes volck
erwehlet/ als von welchen er nicht zweiffele/
daß ſie ohne furcht die wahrheit wuͤrden an-
nehmen/ und er hoffe/ daß er gefunden habe/
wo die wahrheit wuͤrde eine ſtaͤtte finden.
Eben daſelbſt Sec. XVI. P. II. c. 3. p. 474.
findet ſich eine Epiſtel von dem beruͤhmten
Juriſten zu Freyburg an Zwinglium, worin-
ne jener ſich ſo weit heraus laͤſt/ daß er zwar
das Pabſtthum in den meiſten dingen ver-
wirfft/ und Lutheri meinungen in vielen ſtuͤ-
cken billiget und lobet/ dennoch aber auch viel
maͤngel an denen Reformatoribus anmercket.
Er ſchreibet daſelbſt unter andern alſo: Am Lu-
thero iſt viel zu loben und zu vertheidigen;“
doch ſtoͤſt er auch in einigen dingen an. Er“
hat gar recht gelehret/ daß man alle gute wer-“
cke GOTT zuſchreiben/ dem eigenen willen“
aber nichts beymeſſen ſolle. —— Und will ich“
des mannes ſache hierinne gerne beyſtehen/“
ſo viel der HErr gnade geben wird. “Von“
dem ablaß und vergebung der ſuͤnden weiß“
ich wohl/ was ich glaube/ ich darffs nur“
nicht ſagen. —— Was Lutherus von“
der buſſe und vom glauben geſchrieben/ das“
halt ich alles vor ſehr heilſam. Denn unſer“
gantzes leben muß dahin gerichtet ſeyn/ daß“
das boͤſe ſtets ab/ und das gute zunehme/“
und wir ſtaͤts im kampff wider den feind ge-“
ruͤſtet ſeyn/ das creutz tragen/ den leib betaͤu-“
ben/ und taͤglich beſſer werden/ welches die“
rechte verrichtung der Chriſten iſt. —— Hier-“
inne folge und lobe ich Lutherum. Es lauf-“
fen aber auch viel maͤngel bey den Lutheri-“
ſchen Lehrern mit unter/ daruͤber ich betruͤbt“
bin. Denn daß geſagt wird/ wenn einer gu-“
tes thue/ ſo ſuͤndige er/ iſt eine ſchlimme mei-“
nung/ wenn ſie nicht wol verſtanden wird. —“
Jch ſehe aber/ daß die Wittenberger dieſen“
ſatz in ſenſu compoſito verſtehen von einem/“
der gutes thue/ und eben darinne ſuͤndige/“
welches ich nicht verſtehe. Denn es ſcheinet“
mir gar zu abgeſchmackt/ und ſich ſelbſt wi-“
derſprechend zu ſeyn. Es waͤre beſſer/ daß“
ſie ſolche captioſe ſaͤtze/ darinnen man ſophi-“
ſtiſieren kan/ bleiben lieſſen/ und die wahre leh-“
re der weißheit trieben. Carlſtadt ein ſonſt ge-“
lehrter und aufrichtiger mann ſetzet in ſeinen“
Concluſionibus von dem wortverſtand auch“
etwas ſeltſames &c. —— Die Wittenberger
ſuchen Eccium herunter zu machen/ auch dariñe
wo er recht hat/ und wiederlegen ſich nuretwas“
weniger. Wie ſicher iſt es doch demuͤtig zu ſeyn/“
und nicht hoch hinaus wollen/ auch nicht hals-“
ſtarrig entgegen fechten? daß man lieber“
weiche/ wo man gleich HErꝛ werden koͤnte/“
als mit ſchaden nach dem ſieg trachte. Uber“
wen ruhet wol der geiſt des HErꝛn als uͤber ei-“
nem demuͤthigen und friedfertigen? Wolte“
GOtt/ es faͤnde ſich ein frommer mann/ der Lu-“
therum
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