[Spaltenumbruch]ten/ doch solches irrthums nicht verthei- diger seyn. Darzu daß viel leute noch in solchen landen und städten seyn/ die eu- rer meinung seyn. So nun ein land verdammt/ und in straffe fallen soll/ so müste kraut mit kohl gehen. So hoffe ich je/ ihr seyd des geistes kinder/ davon Christus spricht: Des menschen Sohn ist nicht kommen zu verderben/ sondern se- lig zu machen/ da seine Jünger wolten das fener lassen vom himmel fallen/ gleichwie Elias. Jhr dürfft sieauch in solcher ihreropinionnicht vertheidigen/ sondern sie tragen und unterweisen/ und anmahnen zu zeiten und unzeiten/ wie Paulus sagt. Das seyd ihr aber schul- dig/ daß ihr sie helffet vertheidigen bey der lehre/ die ihr selbst für recht hal- tet/ nicht mit dem schwerdt meine ich euch/ eurer person halben/ sondern mit mündlicher rede und beystand. Möchte auch gerne wissen/ ob Luther die Wal- denser brüder genennet hat/ wie der schreiber anzeigt/ die da solcher meinung seyn sollen.
7. Er führet auch daselbst viel ursachen an/ warum die Zwinglischen von den Luther anern nicht dürffte verfolgt werden: Und zwar vornem- lich/ weil Christus das unkraut auszurotten ver- boten/ und Lutherus selbst solches anfänglich wi- der die Papisten stäts behauptet/ auch die Zwinglischen noch keines irrthums überfüh- ret wären. Worauff er diese bestmöglichst ent- schuldiget/ und die Lutheraner von allem blut- vergiessen und gewaltthätigkeit nachdrücklich abmahnet. Wenn man auch diejenigen perso- nen ansiehet/ welche der Landgraff bey der Re- formation anfänglich gebraucht gehabt/ so sind dieselben meistens Schweitzer oder auch Fran- tzosen und Hugenotten gewesen/ wie oben bey selbiger historie zu sehen ist. Die vornehmsten waren Franciscus Lambertus, Benedictus Are- tius, Andreas Hyperius, Johannes Garnerius, Dionysius Melander &c. welche meist auch von denen Zwinglianern hoch gehalten wurden. Wie denn auch in selbiger Reformation, und ihren neuen kirchen-ordnungen von der Säch- sischen ihren gar sehr abgegangen wurde. Auff dem Hambergischen Synodo anno 1526. wur- den nicht allein die expressiones vom Abend- mahl/ von der Tauffe/ person CHristi und der- gleichen also eingerichtet/ daß sich hernach die Reformirte gantz gerne dazu bekanten: Son- dern man schaffte auch alle und jede bilder aus den kirchen und von den gassen gäntzlich ab/ wie auch alle Altäre/ und ließ nur die so genanten tische zur Communion übrig/ wie noch heutiges tages in denen Heßischen kirchen zu sehen ist. Was über diß der Landgraff auff dem Marbur- gischen Colloquio vor die Schweitzer dißfals ge- than/ ist gleichfals aus selbiger historie zu neh- men.
8. Jn denen Heßischen wechsel-schrifften/ so anno 1632. zu Cassel über dem Käyserlichen Edict wegen der geistlichen güter in folio her- ausgekommen/ werden unter andern urkunden von Philippi Religion gar viel instructiones angeführt/ worinne er durchgehends die spal- tung der Schweitzerischen und Oberländischen [Spaltenumbruch]
kirchen auffzuheben getrachtet habe. Da er denn unter andern also geschrieben de anno 1529. p. 7. So wäre ja zu erbarmen/ weil sie (die gelehrten) in allen stückenunsern Christlichen glauben/ die liebe des näch- sten und die seligkeit angehend/ einig seynd/ daß wir uns solten also von ihnen scheiden.Item anno 30. p. 8. Daß die Rä- the in seinem namen nicht mit zustim- men solten/ einigen menschen/ der jetzo nicht eben mit dem theil/ so Lutherisch genennet wird/ glaubet/ daß CHristus dergestalt wesendlich im brod wäre/ zu verbannen/ zu verurtheilen/ zu richten/ oder abzuthun. Es wird auch in diesen wechsel-schrifften nebenst einem Catechitmo, welcher anno 45. zu Marburg heraus gekom- men/ und mit dem Zwinglischen sehr einstim- mig gewesen/ des Landgrafens eigenes Testa- ment angezogen/ worinnen er die concordiam Buceri wegen des Abendmahls de anno 1536. nochmals approbiret/ und denen Printzen be- fohlen gehabt/ diejenigen Praedicanten/ so nach dieser concordien lehreten/ nicht zu verjagen noch weiter in sie zu dringen. Auch wird daselbst und in der schrifft/ so anno 1607. vom alten glauben der Hessen heraus gekommen/ die kirchen-ordnung nach einander angeführet/ in welcher unter andern der Exorcismus ausge- lassen/ und wegen des Abendmahls verordnet worden/ daß selbiges in den häusern bey denen krancke/ auch zu gleich von andern personen mit solte genommen werden. (vid. c. VII. p. 42.) Und was dergleichen daselbst angeführte Docu- menta mehr seynd/ mit welchen die gegen-ant- wort von Darmstättischer seiten/ so in gedach- ten wechsel-schrifften gleichfals enthalten/ zu conferiren ist/ welche hier viel zu weitläufftig fallen dürffte.
NUM. VI. Von Landgraff Philipps moderati- on in reltgions-sachen.
Hier mag nur zu weiterer entdeckung der son- derbaren moderation, welche dieser Fürst bey dem damaligen religions-gezäncke und einge- rissenem kätzermachen zu beschämung vieler an- dern bewiesen gehabt/ sein nachdenckliches schreiben an Hertzog Johann Friederichen noch mit stehen/ wie selbiges zwar bißhero unterdru- cket/ aber neulichst erst aus einem manuscripto produciret worden ist. Die sache betrifft die in unserer historie offt angeführte confutation oder wiederlegung/ welche anno 1559. von den Jenischen Theologis, sonderlich Flacio, unter dem namen der Hertzogen von Gotha und Weimar/ Lateinisch und Teutsch heraus ge- geben worden/ worinne die so genanten Schwenckfelder/ Antinomer, Widertäuffer/ Sacramentirer/ Osiandristen/ Majoristen und Adiaphoristen sehr hefftig angegriffen worden. Auff diese puncte hat nun der Landgraff alsbald im selbigen jahr folgendes nach einander ge- antwortet/ welches die historie selbiger par- theyen mercklich erläutern kan. Das schrei- ben lautet von wort zu wort also:
Hochgeborner Fürst/ freundlicher lieber" Vetter/ sohn und bruder. Wir haben Euer L." schreiben/ das da gegeben ist auff Grimstein"
den
Th. IV. Sect. I. Num. VI. Von Landgraff Philipps
[Spaltenumbruch]ten/ doch ſolches irꝛthums nicht verthei- diger ſeyn. Darzu daß viel leute noch in ſolchen landen und ſtaͤdten ſeyn/ die eu- rer meinung ſeyn. So nun ein land verdammt/ und in ſtraffe fallen ſoll/ ſo muͤſte kraut mit kohl gehen. So hoffe ich je/ ihr ſeyd des geiſtes kinder/ davon Chriſtus ſpricht: Des menſchen Sohn iſt nicht kommen zu verderben/ ſondern ſe- lig zu machen/ da ſeine Juͤnger wolten das fener laſſen vom himmel fallen/ gleichwie Elias. Jhr duͤrfft ſieauch in ſolcher ihreropinionnicht vertheidigen/ ſondern ſie tragen und unterweiſen/ und anmahnen zu zeiten und unzeiten/ wie Paulus ſagt. Das ſeyd ihr aber ſchul- dig/ daß ihr ſie helffet vertheidigen bey der lehre/ die ihr ſelbſt fuͤr recht hal- tet/ nicht mit dem ſchwerdt meine ich euch/ eurer perſon halben/ ſondern mit muͤndlicher rede und beyſtand. Moͤchte auch gerne wiſſen/ ob Luther die Wal- denſer bruͤder genennet hat/ wie der ſchreiber anzeigt/ die da ſolcher meinung ſeyn ſollen.
7. Er fuͤhret auch daſelbſt viel urſachen an/ warum die Zwingliſchen von den Luther anern nicht duͤrfftē verfolgt werden: Und zwar vornem- lich/ weil Chriſtus das unkraut auszurotten ver- boten/ und Lutherus ſelbſt ſolches anfaͤnglich wi- der die Papiſten ſtaͤts behauptet/ auch die Zwingliſchen noch keines irꝛthums uͤberfuͤh- ret waͤren. Worauff er dieſe beſtmoͤglichſt ent- ſchuldiget/ und die Lutheraner von allem blut- vergieſſen und gewaltthaͤtigkeit nachdruͤcklich abmahnet. Wenn man auch diejenigen perſo- nen anſiehet/ welche der Landgraff bey der Re- formation anfaͤnglich gebraucht gehabt/ ſo ſind dieſelben meiſtens Schweitzer oder auch Fran- tzoſen und Hugenotten geweſen/ wie oben bey ſelbiger hiſtorie zu ſehen iſt. Die vornehmſten waren Franciſcus Lambertus, Benedictus Are- tius, Andreas Hyperius, Johannes Garnerius, Dionyſius Melander &c. welche meiſt auch von denen Zwinglianern hoch gehalten wurden. Wie denn auch in ſelbiger Reformation, und ihren neuen kirchen-ordnungen von der Saͤch- ſiſchen ihren gar ſehr abgegangen wurde. Auff dem Hambergiſchen Synodo anno 1526. wur- den nicht allein die expreſſiones vom Abend- mahl/ von der Tauffe/ perſon CHriſti und der- gleichen alſo eingerichtet/ daß ſich hernach die Reformirte gantz gerne dazu bekanten: Son- dern man ſchaffte auch alle und jede bilder aus den kirchen und von den gaſſen gaͤntzlich ab/ wie auch alle Altaͤre/ und ließ nur die ſo genanten tiſche zur Communion uͤbrig/ wie noch heutiges tages in denen Heßiſchen kirchen zu ſehen iſt. Was uͤber diß der Landgraff auff dem Marbur- giſchen Colloquio voꝛ die Schweitzer dißfals ge- than/ iſt gleichfals aus ſelbiger hiſtorie zu neh- men.
8. Jn denen Heßiſchen wechſel-ſchrifften/ ſo anno 1632. zu Caſſel uͤber dem Kaͤyſerlichen Edict wegen der geiſtlichen guͤter in folio her- ausgekommen/ werden unter andern urkunden von Philippi Religion gar viel inſtructiones angefuͤhrt/ worinne er durchgehends die ſpal- tung der Schweitzeriſchen und Oberlaͤndiſchen [Spaltenumbruch]
kirchen auffzuheben getrachtet habe. Da er denn unter andern alſo geſchrieben de anno 1529. p. 7. So waͤre ja zu erbarmen/ weil ſie (die gelehrten) in allen ſtuͤckenunſern Chriſtlichen glauben/ die liebe des naͤch- ſten und die ſeligkeit angehend/ einig ſeynd/ daß wir uns ſolten alſo von ihnen ſcheiden.Item anno 30. p. 8. Daß die Raͤ- the in ſeinem namen nicht mit zuſtim- men ſolten/ einigen menſchen/ der jetzo nicht eben mit dem theil/ ſo Lutheriſch genennet wird/ glaubet/ daß CHriſtus dergeſtalt weſendlich im brod waͤre/ zu verbannen/ zu verurtheilen/ zu richten/ oder abzuthun. Es wird auch in dieſen wechſel-ſchrifften nebenſt einem Catechitmo, welcher anno 45. zu Marburg heraus gekom- men/ und mit dem Zwingliſchen ſehr einſtim- mig geweſen/ des Landgrafens eigenes Teſta- ment angezogen/ worinnen er die concordiam Buceri wegen des Abendmahls de anno 1536. nochmals approbiret/ und denen Printzen be- fohlen gehabt/ diejenigen Prædicanten/ ſo nach dieſeꝛ concordien lehreten/ nicht zu verjagen noch weiter in ſie zu dringen. Auch wird daſelbſt und in der ſchrifft/ ſo anno 1607. vom alten glauben der Heſſen heraus gekommen/ die kirchen-ordnung nach einander angefuͤhret/ in welcher unter andern der Exorciſmus ausge- laſſen/ und wegen des Abendmahls verordnet worden/ daß ſelbiges in den haͤuſern bey denen kranckē/ auch zu gleich von andern perſonen mit ſolte genommen werden. (vid. c. VII. p. 42.) Und was dergleichen daſelbſt angefuͤhrte Docu- menta mehr ſeynd/ mit welchen die gegen-ant- wort von Darmſtaͤttiſcher ſeiten/ ſo in gedach- ten wechſel-ſchrifften gleichfals enthalten/ zu conferiren iſt/ welche hier viel zu weitlaͤufftig fallen duͤrffte.
NUM. VI. Von Landgraff Philipps moderati- on in reltgions-ſachen.
Hier mag nur zu weiterer entdeckung der ſon- derbaren moderation, welche dieſer Fuͤrſt bey dem damaligen religions-gezaͤncke und einge- riſſenem kaͤtzermachen zu beſchaͤmung vieler an- dern bewieſen gehabt/ ſein nachdenckliches ſchreiben an Hertzog Johann Friederichen noch mit ſtehen/ wie ſelbiges zwar bißhero unterdru- cket/ aber neulichſt erſt aus einem manuſcripto produciret worden iſt. Die ſache betrifft die in unſerer hiſtorie offt angefuͤhrte confutation oder wiederlegung/ welche anno 1559. von den Jeniſchen Theologis, ſonderlich Flacio, unter dem namen der Hertzogen von Gotha und Weimar/ Lateiniſch und Teutſch heraus ge- geben worden/ worinne die ſo genanten Schwenckfelder/ Antinomer, Widertaͤuffer/ Sacramentirer/ Oſiandriſten/ Majoriſten und Adiaphoriſten ſehr hefftig angegriffen worden. Auff dieſe puncte hat nun der Landgraff alsbald im ſelbigen jahr folgendes nach einander ge- antwortet/ welches die hiſtorie ſelbiger par- theyen mercklich erlaͤutern kan. Das ſchrei- ben lautet von wort zu wort alſo:
Hochgeborner Fuͤrſt/ freundlicher lieber“ Vetter/ ſohn und bruder. Wir haben Euer L.“ ſchreiben/ das da gegeben iſt auff Grimſtein“
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[102/0398]
Th. IV. Sect. I. Num. VI. Von Landgraff Philipps
ten/ doch ſolches irꝛthums nicht verthei-
diger ſeyn. Darzu daß viel leute noch in
ſolchen landen und ſtaͤdten ſeyn/ die eu-
rer meinung ſeyn. So nun ein land
verdammt/ und in ſtraffe fallen ſoll/ ſo
muͤſte kraut mit kohl gehen. So hoffe
ich je/ ihr ſeyd des geiſtes kinder/ davon
Chriſtus ſpricht: Des menſchen Sohn iſt
nicht kommen zu verderben/ ſondern ſe-
lig zu machen/ da ſeine Juͤnger wolten
das fener laſſen vom himmel fallen/
gleichwie Elias. Jhr duͤrfft ſieauch in
ſolcher ihrer opinion nicht vertheidigen/
ſondern ſie tragen und unterweiſen/ und
anmahnen zu zeiten und unzeiten/ wie
Paulus ſagt. Das ſeyd ihr aber ſchul-
dig/ daß ihr ſie helffet vertheidigen
bey der lehre/ die ihr ſelbſt fuͤr recht hal-
tet/ nicht mit dem ſchwerdt meine ich
euch/ eurer perſon halben/ ſondern mit
muͤndlicher rede und beyſtand. Moͤchte
auch gerne wiſſen/ ob Luther die Wal-
denſer bruͤder genennet hat/ wie der
ſchreiber anzeigt/ die da ſolcher meinung
ſeyn ſollen.
7. Er fuͤhret auch daſelbſt viel urſachen an/
warum die Zwingliſchen von den Luther anern
nicht duͤrfftē verfolgt werden: Und zwar vornem-
lich/ weil Chriſtus das unkraut auszurotten ver-
boten/ und Lutherus ſelbſt ſolches anfaͤnglich wi-
der die Papiſten ſtaͤts behauptet/ auch die
Zwingliſchen noch keines irꝛthums uͤberfuͤh-
ret waͤren. Worauff er dieſe beſtmoͤglichſt ent-
ſchuldiget/ und die Lutheraner von allem blut-
vergieſſen und gewaltthaͤtigkeit nachdruͤcklich
abmahnet. Wenn man auch diejenigen perſo-
nen anſiehet/ welche der Landgraff bey der Re-
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dieſelben meiſtens Schweitzer oder auch Fran-
tzoſen und Hugenotten geweſen/ wie oben bey
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waren Franciſcus Lambertus, Benedictus Are-
tius, Andreas Hyperius, Johannes Garnerius,
Dionyſius Melander &c. welche meiſt auch von
denen Zwinglianern hoch gehalten wurden.
Wie denn auch in ſelbiger Reformation, und
ihren neuen kirchen-ordnungen von der Saͤch-
ſiſchen ihren gar ſehr abgegangen wurde. Auff
dem Hambergiſchen Synodo anno 1526. wur-
den nicht allein die expreſſiones vom Abend-
mahl/ von der Tauffe/ perſon CHriſti und der-
gleichen alſo eingerichtet/ daß ſich hernach die
Reformirte gantz gerne dazu bekanten: Son-
dern man ſchaffte auch alle und jede bilder aus
den kirchen und von den gaſſen gaͤntzlich ab/ wie
auch alle Altaͤre/ und ließ nur die ſo genanten
tiſche zur Communion uͤbrig/ wie noch heutiges
tages in denen Heßiſchen kirchen zu ſehen iſt.
Was uͤber diß der Landgraff auff dem Marbur-
giſchen Colloquio voꝛ die Schweitzer dißfals ge-
than/ iſt gleichfals aus ſelbiger hiſtorie zu neh-
men.
8. Jn denen Heßiſchen wechſel-ſchrifften/
ſo anno 1632. zu Caſſel uͤber dem Kaͤyſerlichen
Edict wegen der geiſtlichen guͤter in folio her-
ausgekommen/ werden unter andern urkunden
von Philippi Religion gar viel inſtructiones
angefuͤhrt/ worinne er durchgehends die ſpal-
tung der Schweitzeriſchen und Oberlaͤndiſchen
kirchen auffzuheben getrachtet habe. Da er
denn unter andern alſo geſchrieben de anno
1529. p. 7. So waͤre ja zu erbarmen/ weil
ſie (die gelehrten) in allen ſtuͤckenunſern
Chriſtlichen glauben/ die liebe des naͤch-
ſten und die ſeligkeit angehend/ einig
ſeynd/ daß wir uns ſolten alſo von ihnen
ſcheiden. Item anno 30. p. 8. Daß die Raͤ-
the in ſeinem namen nicht mit zuſtim-
men ſolten/ einigen menſchen/ der jetzo
nicht eben mit dem theil/ ſo Lutheriſch
genennet wird/ glaubet/ daß CHriſtus
dergeſtalt weſendlich im brod waͤre/ zu
verbannen/ zu verurtheilen/ zu richten/
oder abzuthun. Es wird auch in dieſen
wechſel-ſchrifften nebenſt einem Catechitmo,
welcher anno 45. zu Marburg heraus gekom-
men/ und mit dem Zwingliſchen ſehr einſtim-
mig geweſen/ des Landgrafens eigenes Teſta-
ment angezogen/ worinnen er die concordiam
Buceri wegen des Abendmahls de anno 1536.
nochmals approbiret/ und denen Printzen be-
fohlen gehabt/ diejenigen Prædicanten/ ſo nach
dieſeꝛ concordien lehreten/ nicht zu verjagen noch
weiter in ſie zu dringen. Auch wird daſelbſt
und in der ſchrifft/ ſo anno 1607. vom alten
glauben der Heſſen heraus gekommen/ die
kirchen-ordnung nach einander angefuͤhret/
in welcher unter andern der Exorciſmus ausge-
laſſen/ und wegen des Abendmahls verordnet
worden/ daß ſelbiges in den haͤuſern bey denen
kranckē/ auch zu gleich von andern perſonen mit
ſolte genommen werden. (vid. c. VII. p. 42.)
Und was dergleichen daſelbſt angefuͤhrte Docu-
menta mehr ſeynd/ mit welchen die gegen-ant-
wort von Darmſtaͤttiſcher ſeiten/ ſo in gedach-
ten wechſel-ſchrifften gleichfals enthalten/ zu
conferiren iſt/ welche hier viel zu weitlaͤufftig
fallen duͤrffte.
NUM. VI.
Von Landgraff Philipps moderati-
on in reltgions-ſachen.
Hier mag nur zu weiterer entdeckung der ſon-
derbaren moderation, welche dieſer Fuͤrſt bey
dem damaligen religions-gezaͤncke und einge-
riſſenem kaͤtzermachen zu beſchaͤmung vieler an-
dern bewieſen gehabt/ ſein nachdenckliches
ſchreiben an Hertzog Johann Friederichen noch
mit ſtehen/ wie ſelbiges zwar bißhero unterdru-
cket/ aber neulichſt erſt aus einem manuſcripto
produciret worden iſt. Die ſache betrifft die
in unſerer hiſtorie offt angefuͤhrte confutation
oder wiederlegung/ welche anno 1559. von den
Jeniſchen Theologis, ſonderlich Flacio, unter
dem namen der Hertzogen von Gotha und
Weimar/ Lateiniſch und Teutſch heraus ge-
geben worden/ worinne die ſo genanten
Schwenckfelder/ Antinomer, Widertaͤuffer/
Sacramentirer/ Oſiandriſten/ Majoriſten und
Adiaphoriſten ſehr hefftig angegriffen worden.
Auff dieſe puncte hat nun der Landgraff alsbald
im ſelbigen jahr folgendes nach einander ge-
antwortet/ welches die hiſtorie ſelbiger par-
theyen mercklich erlaͤutern kan. Das ſchrei-
ben lautet von wort zu wort alſo:
Hochgeborner Fuͤrſt/ freundlicher lieber“
Vetter/ ſohn und bruder. Wir haben Euer L.“
ſchreiben/ das da gegeben iſt auff Grimſtein“
den
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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/398>, abgerufen am 20.11.2024.
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