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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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leben/ ehestand/ sinn und religion.
[Spaltenumbruch] man solte nur die sache auff ihn schieben/ und sa-
gen er hätte geirret und genarret/ damit der Land-
graff nicht so sehr geschimpset würde. Er schloß
auch endlich: Es wäre gnug/ daß der Landgraff
die metze mit gutem gewissen haben könte/ laut
seiner beicht/ und der Theologen beicht-raths.
Der Landgraf selbsten beruffte sich auf Luthe-
ri
worte über Gen. XVI. darinn er der Patriar-
chen vielweiberey nicht vor sünde gehalten/
und noch dazu gesetzet hätte: Jch könte es
noch heute nicht wehren/ aber rathen wolte ichs
nicht. Worauf Lutherus zwar seinen ausspruch
hernach limieirte; doch aber zuletzt also be-
schloß: Er solte diese andere Gemahlin nicht
verlassen/ weil er sie unter einem solchem vor-
wand der nothwendigkeit genommen hätte:
Die Sache könte vor GOTT damit wohl
gerechtfertiget werden/ aber vor der welt und
nach den rechten könte und wolte er es nicht
desendiren. Unterdessen nahmen die Papisten
diese dinge zu einem grossen vorwurff so wohl
wieder den Landgrafen/ als auch sonderlich
wider Lutherum selbst auf/ wie in seinen
schrifften häuffig zu finden ist. Und als sonder-
lich Hertzog Heinrich von Braunschweig in
seinen hefftigen schrifften den Landgrafen ei-
nen ketzer/ Widertäuffer und bigamum hieß:
schobe Lutherus die antwort auf den Land-
graffen selbst/ und hieng von denen Fürsten
insgemein diese erinnerung an/ im siebenden
Altenburgischen theil p. 465. Daß ihr Für-
sten zum theil den holtzweg gehet/ da
habt ihrs leider dahin gebracht mit eu-
rem bösen exempel/ daß schier der bauer
es nicht mehr will für sünde halten/
und habt uns zu thun gemacht/ daß wir
mit aller mühe schwerlich den ehestand
für löblich und ehrlich erhalten.
Dabey
er Hertzog Heinrichen zugleich mit vorwirfft/
daß ers wohl noch ärger mit einer Concubine
gemachet/ die er heimlich auf ein schloß brin-
gen lassen/ und ausgesprenget/ als wäre sie ge-
storben/ ihr auch einen Leichen-proceß/ Seel-
messen/ und dergleichen angestellet/ und inzwi-
schen nach wie vor im ehebruch gelebet habe.
Welche schlimme historie mehr als zu viel be-
kant ist. (vid. omnino Seckendorffius L. 3. p.
277. seqq.

5. Jm übrigen daß sich viele sonst gute
gemüther an diese action gar sehr gestossen
gehabt/ siehet man auch aus Käyser Ferdinan-
di
worten/ die er gegen Graf Günthern von
Schwartzburg anno 1562. gebraucht: Es hät-
te nicht viel gefehlet/ Luther hätte ihn auch
auf seine meinung gebracht: Aber als er dem
Landgrafen von Hessen zwey Gemahlinnen
verstattet/ so hätte er ihm nicht mehr glauben
wollen. (vid. Chronic. Manuscript. Pauli Jo-
vii apud Weberum pag.
77.) Was endlich die-
ses Fürstens meinung von der Religion be-
trifft/ mag man aus diesen angeführten um-
ständen unschwer ermessen/ wie es um sein
Christenthum möge gestanden haben. Gleich
wie aber dazumahl und noch immer die jeni-
gen vor rechtgläubig und gut Evangelisch ge-
priesen worden/ welche sie nur zu einer also ge-
nannten parthey äusserlich gehalten/ und die-
selbe etwa mit worten/ oder auch gar mit waf-
fen und bluwergiessen verfechten helffen/ ohne
genaue untersuchung/ ob man dem Evangelio
[Spaltenumbruch] Christi in verläugnung sein selbst und der welt
würcklich gehorsam wäre oder nicht; also gieng
es sonderlich dazumal mit grossen Herren/ die
etwa der Päbstischen sclaverey und thorhei-
ten überdrüßig waren/ und bey der andern
parthey mehr freyheit und andere ihnen an-
ständige sachen funden. Gewiß ists/ daß dieser
Landgraf ein feind des Pabstthums gewesen/
und dahero Lutherus in seinen Tisch-Reden
Cap. 45. pag. 335. von ihm gerühmet: Her-
tzog George (sein Schweher) hätte ihn zum
Erben aller seiner Land und Leute machen
wollen/ wenn er von der Religion hätte wol-
len abweichen.

5. Allein es gebens nicht allein so gar viel
urkunden/ sondern auch andere umstände/ daß
er bey ereigneter spaltung zwischen den Luthera-
nern und Zwinglianern sich die härtigkeit jener
gar sehr mißfallen lassen/ und diesen hingegen
immer das wort geredet/ auch beyde partheyen
zu vereinigen sich zum höchsten bemühet gehabt.
Dahero auch schon anno 1543. Sebastian
Franck in seiner Ketzer-Chronicke p. 147. aus-
drücklich schrieb: Den Landgrafen von
Hessen wissen viele nicht zu versteuren/
welcher parthey er sey. Etliche halten
ihn vor einen Obmann und Mittler in
der sache/ etliche mehr auff
Zwinglius
denn auff des Luthers seiten/ etliche an-
ders.
Jn des Dedekenni Consiliis P. I. L. 3.
Sect. 5. p.
324. sindet man ein schreiben Me-
lanchthonis
und Brentii an den Landgrafen de
dato 1530. d. 11. Junii,
worinnen Zwinglii par-
they ihm hefftig verleidet/ und er um GOttes
willen gebeten wird/ in der sache vom Satra-
ment sich nicht abzuwenden/ auch gewünschet/
daß| ihn Gott vor irrthum behütewolle. Hierauff
hat er also geantwortet: Die irrung des Sa-
craments ist nicht eine solche irrung/ wie
jene
(nemlich von der Jüdischen Beschnei-
dung) sondern wir sind allesamt eins/
und glauben und bekennen einen CHri-
stum/ und suchen durch denselben selig zu
werden. Es halten auch/ die ihr irrend
nennet/ GOttes wort in allem wahr/
sondern sie seynd des verstandes in sol-
chen worten des Nachtmahls einer an-
dern meinung/ denn ihr; darum düncket
mich/ die weil sie mit euch in allem eins
seyn/ auch bekennen CHristum der-
massen/ wie ihr bekennet/ auch daß man
CHristum im Nachtmahl durch den
glauben esse/ welches essen zur seligkeit
vonnöthen/ und nicht sagen/ daß GOtt
der HErr diß oder das vermöge/ sondern
daß es dem glauben nach/ und der schrift
nach/ also wie sie anzeigen/ zu verstehen
sey. Dieweil denn CHristus nicht wol
anders mag gegessen werden/ denn von
gläubigen/ und durch den glauben/
dieweil CHRistus einen
clarificirten leib
hat/ und denn ein
clarisicirter leib
nicht den bauch speiset/ deucht mich/
solche meinung wäre ohne nöth/ hof-
fe auch noch zu GOTT dem Allmäch-
tigen/ ihr werdet euch eines bessern be-
dencken. Denn ob ihrs schon um der
lehre willen nicht thun wollet/ so wer-
det ihr doch die andern bedencken/ die
in solchen städten sitzen/ und so sie irre-

ten/
N 3

leben/ eheſtand/ ſinn und religion.
[Spaltenumbruch] man ſolte nur die ſache auff ihn ſchieben/ und ſa-
gen er haͤtte geirꝛet und genarꝛet/ damit der Land-
graff nicht ſo ſehr geſchimpſet wuͤrde. Er ſchloß
auch endlich: Es waͤre gnug/ daß der Landgraff
die metze mit gutem gewiſſen haben koͤnte/ laut
ſeiner beicht/ und der Theologen beicht-raths.
Der Landgraf ſelbſten beruffte ſich auf Luthe-
ri
worte uͤber Gen. XVI. darinn er der Patriar-
chen vielweiberey nicht vor ſuͤnde gehalten/
und noch dazu geſetzet haͤtte: Jch koͤnte es
noch heute nicht wehren/ aber rathen wolte ichs
nicht. Worauf Lutherus zwar ſeinen ausſpruch
hernach limieirte; doch aber zuletzt alſo be-
ſchloß: Er ſolte dieſe andere Gemahlin nicht
verlaſſen/ weil er ſie unter einem ſolchem vor-
wand der nothwendigkeit genommen haͤtte:
Die Sache koͤnte vor GOTT damit wohl
gerechtfertiget werden/ aber vor der welt und
nach den rechten koͤnte und wolte er es nicht
deſendiren. Unterdeſſen nahmen die Papiſten
dieſe dinge zu einem groſſen vorwurff ſo wohl
wieder den Landgrafen/ als auch ſonderlich
wider Lutherum ſelbſt auf/ wie in ſeinen
ſchrifften haͤuffig zu finden iſt. Und als ſonder-
lich Hertzog Heinrich von Braunſchweig in
ſeinen hefftigen ſchrifften den Landgrafen ei-
nen ketzer/ Widertaͤuffer und bigamum hieß:
ſchobe Lutherus die antwort auf den Land-
graffen ſelbſt/ und hieng von denen Fuͤrſten
insgemein dieſe erinnerung an/ im ſiebenden
Altenburgiſchen theil p. 465. Daß ihr Fuͤr-
ſten zum theil den holtzweg gehet/ da
habt ihrs leider dahin gebracht mit eu-
rem boͤſen exempel/ daß ſchier der bauer
es nicht mehr will fuͤr ſuͤnde halten/
und habt uns zu thun gemacht/ daß wir
mit aller muͤhe ſchwerlich den eheſtand
fuͤr loͤblich und ehrlich erhalten.
Dabey
er Hertzog Heinrichen zugleich mit vorwirfft/
daß ers wohl noch aͤrger mit einer Concubine
gemachet/ die er heimlich auf ein ſchloß brin-
gen laſſen/ und ausgeſprenget/ als waͤre ſie ge-
ſtorben/ ihr auch einen Leichen-proceß/ Seel-
meſſen/ und dergleichen angeſtellet/ und inzwi-
ſchen nach wie vor im ehebruch gelebet habe.
Welche ſchlimme hiſtorie mehr als zu viel be-
kant iſt. (vid. omnino Seckendorffius L. 3. p.
277. ſeqq.

5. Jm uͤbrigen daß ſich viele ſonſt gute
gemuͤther an dieſe action gar ſehr geſtoſſen
gehabt/ ſiehet man auch aus Kaͤyſer Ferdinan-
di
worten/ die er gegen Graf Guͤnthern von
Schwartzburg anno 1562. gebraucht: Es haͤt-
te nicht viel gefehlet/ Luther haͤtte ihn auch
auf ſeine meinung gebracht: Aber als er dem
Landgrafen von Heſſen zwey Gemahlinnen
verſtattet/ ſo haͤtte er ihm nicht mehr glauben
wollen. (vid. Chronic. Manuſcript. Pauli Jo-
vii apud Weberum pag.
77.) Was endlich die-
ſes Fuͤrſtens meinung von der Religion be-
trifft/ mag man aus dieſen angefuͤhrten um-
ſtaͤnden unſchwer ermeſſen/ wie es um ſein
Chriſtenthum moͤge geſtanden haben. Gleich
wie aber dazumahl und noch immer die jeni-
gen vor rechtglaͤubig und gut Evangeliſch ge-
prieſen worden/ welche ſie nur zu einer alſo ge-
nannten parthey aͤuſſerlich gehalten/ und die-
ſelbe etwa mit worten/ oder auch gar mit waf-
fen und bluwergieſſen verfechten helffen/ ohne
genaue unterſuchung/ ob man dem Evangelio
[Spaltenumbruch] Chriſti in verlaͤugnung ſein ſelbſt und der welt
wuͤrcklich gehorſam waͤre oder nicht; alſo gieng
es ſonderlich dazumal mit groſſen Herren/ die
etwa der Paͤbſtiſchen ſclaverey und thorhei-
ten uͤberdruͤßig waren/ und bey der andern
parthey mehr freyheit und andere ihnen an-
ſtaͤndige ſachen funden. Gewiß iſts/ daß dieſer
Landgraf ein feind des Pabſtthums geweſen/
und dahero Lutherus in ſeinen Tiſch-Reden
Cap. 45. pag. 335. von ihm geruͤhmet: Her-
tzog George (ſein Schweher) haͤtte ihn zum
Erben aller ſeiner Land und Leute machen
wollen/ wenn er von der Religion haͤtte wol-
len abweichen.

5. Allein es gebens nicht allein ſo gar viel
urkunden/ ſondern auch andere umſtaͤnde/ daß
er bey ereigneter ſpaltung zwiſchen den Luthera-
nern und Zwinglianern ſich die haͤrtigkeit jener
gar ſehr mißfallen laſſen/ und dieſen hingegen
immer das wort geredet/ auch beyde partheyen
zu vereinigen ſich zum hoͤchſten bemuͤhet gehabt.
Dahero auch ſchon anno 1543. Sebaſtian
Franck in ſeiner Ketzer-Chronicke p. 147. aus-
druͤcklich ſchrieb: Den Landgrafen von
Heſſen wiſſen viele nicht zu verſteuren/
welcher parthey er ſey. Etliche halten
ihn vor einen Obmann und Mittler in
der ſache/ etliche mehr auff
Zwinglius
denn auff des Luthers ſeiten/ etliche an-
ders.
Jn des Dedekenni Conſiliis P. I. L. 3.
Sect. 5. p.
324. ſindet man ein ſchreiben Me-
lanchthonis
und Brentii an den Landgrafen de
dato 1530. d. 11. Junii,
worinnen Zwinglii par-
they ihm hefftig verleidet/ und er um GOttes
willen gebeten wird/ in der ſache vom Satra-
ment ſich nicht abzuwenden/ auch gewuͤnſchet/
daß| ihn Gott vor irꝛthum behuͤtēwolle. Hierauff
hat er alſo geantwortet: Die irrung des Sa-
craments iſt nicht eine ſolche irrung/ wie
jene
(nemlich von der Juͤdiſchen Beſchnei-
dung) ſondern wir ſind alleſamt eins/
und glauben und bekennen einen CHri-
ſtum/ und ſuchen durch denſelben ſelig zu
werden. Es halten auch/ die ihr irrend
nennet/ GOttes wort in allem wahr/
ſondern ſie ſeynd des verſtandes in ſol-
chen worten des Nachtmahls einer an-
dern meinung/ denn ihr; darum duͤncket
mich/ die weil ſie mit euch in allem eins
ſeyn/ auch bekennen CHriſtum der-
maſſen/ wie ihr bekennet/ auch daß man
CHriſtum im Nachtmahl durch den
glauben eſſe/ welches eſſen zur ſeligkeit
vonnoͤthen/ und nicht ſagen/ daß GOtt
der HErꝛ diß oder das vermoͤge/ ſondern
daß es dem glauben nach/ und der ſchrift
nach/ alſo wie ſie anzeigen/ zu verſtehen
ſey. Dieweil denn CHriſtus nicht wol
anders mag gegeſſen werden/ denn von
glaͤubigen/ und durch den glauben/
dieweil CHRiſtus einen
clarificirten leib
hat/ und denn ein
clariſicirter leib
nicht den bauch ſpeiſet/ deucht mich/
ſolche meinung waͤre ohne noͤth/ hof-
fe auch noch zu GOTT dem Allmaͤch-
tigen/ ihr werdet euch eines beſſern be-
dencken. Denn ob ihrs ſchon um der
lehre willen nicht thun wollet/ ſo wer-
det ihr doch die andern bedencken/ die
in ſolchen ſtaͤdten ſitzen/ und ſo ſie irre-

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[101/0397] leben/ eheſtand/ ſinn und religion. man ſolte nur die ſache auff ihn ſchieben/ und ſa- gen er haͤtte geirꝛet und genarꝛet/ damit der Land- graff nicht ſo ſehr geſchimpſet wuͤrde. Er ſchloß auch endlich: Es waͤre gnug/ daß der Landgraff die metze mit gutem gewiſſen haben koͤnte/ laut ſeiner beicht/ und der Theologen beicht-raths. Der Landgraf ſelbſten beruffte ſich auf Luthe- ri worte uͤber Gen. XVI. darinn er der Patriar- chen vielweiberey nicht vor ſuͤnde gehalten/ und noch dazu geſetzet haͤtte: Jch koͤnte es noch heute nicht wehren/ aber rathen wolte ichs nicht. Worauf Lutherus zwar ſeinen ausſpruch hernach limieirte; doch aber zuletzt alſo be- ſchloß: Er ſolte dieſe andere Gemahlin nicht verlaſſen/ weil er ſie unter einem ſolchem vor- wand der nothwendigkeit genommen haͤtte: Die Sache koͤnte vor GOTT damit wohl gerechtfertiget werden/ aber vor der welt und nach den rechten koͤnte und wolte er es nicht deſendiren. Unterdeſſen nahmen die Papiſten dieſe dinge zu einem groſſen vorwurff ſo wohl wieder den Landgrafen/ als auch ſonderlich wider Lutherum ſelbſt auf/ wie in ſeinen ſchrifften haͤuffig zu finden iſt. Und als ſonder- lich Hertzog Heinrich von Braunſchweig in ſeinen hefftigen ſchrifften den Landgrafen ei- nen ketzer/ Widertaͤuffer und bigamum hieß: ſchobe Lutherus die antwort auf den Land- graffen ſelbſt/ und hieng von denen Fuͤrſten insgemein dieſe erinnerung an/ im ſiebenden Altenburgiſchen theil p. 465. Daß ihr Fuͤr- ſten zum theil den holtzweg gehet/ da habt ihrs leider dahin gebracht mit eu- rem boͤſen exempel/ daß ſchier der bauer es nicht mehr will fuͤr ſuͤnde halten/ und habt uns zu thun gemacht/ daß wir mit aller muͤhe ſchwerlich den eheſtand fuͤr loͤblich und ehrlich erhalten. Dabey er Hertzog Heinrichen zugleich mit vorwirfft/ daß ers wohl noch aͤrger mit einer Concubine gemachet/ die er heimlich auf ein ſchloß brin- gen laſſen/ und ausgeſprenget/ als waͤre ſie ge- ſtorben/ ihr auch einen Leichen-proceß/ Seel- meſſen/ und dergleichen angeſtellet/ und inzwi- ſchen nach wie vor im ehebruch gelebet habe. Welche ſchlimme hiſtorie mehr als zu viel be- kant iſt. (vid. omnino Seckendorffius L. 3. p. 277. ſeqq. 5. Jm uͤbrigen daß ſich viele ſonſt gute gemuͤther an dieſe action gar ſehr geſtoſſen gehabt/ ſiehet man auch aus Kaͤyſer Ferdinan- di worten/ die er gegen Graf Guͤnthern von Schwartzburg anno 1562. gebraucht: Es haͤt- te nicht viel gefehlet/ Luther haͤtte ihn auch auf ſeine meinung gebracht: Aber als er dem Landgrafen von Heſſen zwey Gemahlinnen verſtattet/ ſo haͤtte er ihm nicht mehr glauben wollen. (vid. Chronic. Manuſcript. Pauli Jo- vii apud Weberum pag. 77.) Was endlich die- ſes Fuͤrſtens meinung von der Religion be- trifft/ mag man aus dieſen angefuͤhrten um- ſtaͤnden unſchwer ermeſſen/ wie es um ſein Chriſtenthum moͤge geſtanden haben. Gleich wie aber dazumahl und noch immer die jeni- gen vor rechtglaͤubig und gut Evangeliſch ge- prieſen worden/ welche ſie nur zu einer alſo ge- nannten parthey aͤuſſerlich gehalten/ und die- ſelbe etwa mit worten/ oder auch gar mit waf- fen und bluwergieſſen verfechten helffen/ ohne genaue unterſuchung/ ob man dem Evangelio Chriſti in verlaͤugnung ſein ſelbſt und der welt wuͤrcklich gehorſam waͤre oder nicht; alſo gieng es ſonderlich dazumal mit groſſen Herren/ die etwa der Paͤbſtiſchen ſclaverey und thorhei- ten uͤberdruͤßig waren/ und bey der andern parthey mehr freyheit und andere ihnen an- ſtaͤndige ſachen funden. Gewiß iſts/ daß dieſer Landgraf ein feind des Pabſtthums geweſen/ und dahero Lutherus in ſeinen Tiſch-Reden Cap. 45. pag. 335. von ihm geruͤhmet: Her- tzog George (ſein Schweher) haͤtte ihn zum Erben aller ſeiner Land und Leute machen wollen/ wenn er von der Religion haͤtte wol- len abweichen. 5. Allein es gebens nicht allein ſo gar viel urkunden/ ſondern auch andere umſtaͤnde/ daß er bey ereigneter ſpaltung zwiſchen den Luthera- nern und Zwinglianern ſich die haͤrtigkeit jener gar ſehr mißfallen laſſen/ und dieſen hingegen immer das wort geredet/ auch beyde partheyen zu vereinigen ſich zum hoͤchſten bemuͤhet gehabt. Dahero auch ſchon anno 1543. Sebaſtian Franck in ſeiner Ketzer-Chronicke p. 147. aus- druͤcklich ſchrieb: Den Landgrafen von Heſſen wiſſen viele nicht zu verſteuren/ welcher parthey er ſey. Etliche halten ihn vor einen Obmann und Mittler in der ſache/ etliche mehr auff Zwinglius denn auff des Luthers ſeiten/ etliche an- ders. Jn des Dedekenni Conſiliis P. I. L. 3. Sect. 5. p. 324. ſindet man ein ſchreiben Me- lanchthonis und Brentii an den Landgrafen de dato 1530. d. 11. Junii, worinnen Zwinglii par- they ihm hefftig verleidet/ und er um GOttes willen gebeten wird/ in der ſache vom Satra- ment ſich nicht abzuwenden/ auch gewuͤnſchet/ daß| ihn Gott vor irꝛthum behuͤtēwolle. Hierauff hat er alſo geantwortet: Die irrung des Sa- craments iſt nicht eine ſolche irrung/ wie jene (nemlich von der Juͤdiſchen Beſchnei- dung) ſondern wir ſind alleſamt eins/ und glauben und bekennen einen CHri- ſtum/ und ſuchen durch denſelben ſelig zu werden. Es halten auch/ die ihr irrend nennet/ GOttes wort in allem wahr/ ſondern ſie ſeynd des verſtandes in ſol- chen worten des Nachtmahls einer an- dern meinung/ denn ihr; darum duͤncket mich/ die weil ſie mit euch in allem eins ſeyn/ auch bekennen CHriſtum der- maſſen/ wie ihr bekennet/ auch daß man CHriſtum im Nachtmahl durch den glauben eſſe/ welches eſſen zur ſeligkeit vonnoͤthen/ und nicht ſagen/ daß GOtt der HErꝛ diß oder das vermoͤge/ ſondern daß es dem glauben nach/ und der ſchrift nach/ alſo wie ſie anzeigen/ zu verſtehen ſey. Dieweil denn CHriſtus nicht wol anders mag gegeſſen werden/ denn von glaͤubigen/ und durch den glauben/ dieweil CHRiſtus einen clarificirten leib hat/ und denn ein clariſicirter leib nicht den bauch ſpeiſet/ deucht mich/ ſolche meinung waͤre ohne noͤth/ hof- fe auch noch zu GOTT dem Allmaͤch- tigen/ ihr werdet euch eines beſſern be- dencken. Denn ob ihrs ſchon um der lehre willen nicht thun wollet/ ſo wer- det ihr doch die andern bedencken/ die in ſolchen ſtaͤdten ſitzen/ und ſo ſie irre- ten/ N 3

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/397>, abgerufen am 22.12.2024.