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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Vorrede.

ES ist bey eingang in diese erläuterung und fortsetzung der kir-
chen- und ketzer-historie nicht eben viel nothwendiges vorher
zu erinnern: Sondern die gleich im anfang allhier gesetzten
zeugnisse glaubwürdiger Scribenten mögen an statt einer
ausführlichen einleitung in dieses buch dienen. Angesehen
dieselbe nebenst denen allgemeinen anmerckungen von den
ketzer-geschichten in der historie selist schon zur gnüge zeigen
können/ daß nicht ohne ursache an der wahrheit vieler ankla-
gen wider diesen oder jenen ketzer gezweiffelt/ und also die sache fernerweit zu un-
tersuchen nöthig und nützlich geachtet werde. Nachdem man aber hinter den
grund einer beschuldigung nicht füglicher und gewisser kommen mag/ als wo man
des beklagten eigene bekäntnisse/ erklärungen und andere solche documenta vor-
legt und genau durchforschet: so ist ebenfalls in dieser sache vor dienlich erach-
ter worden/ eine und die andere schrifft von bekanten personen/ die man insgemein
als ketzer beschrieben/ vor augen zu legen/ jedoch aber das urtheil von denselben
nicht selbst zu fällen/ sondern andern in Göttlichen wahrheiten gegründeten und
erfahrnen Lesern bescheidentlich zu überlassen. Wobey denn zuförderst öffentlich
und in optima forma protestiret wird/ daß alle falsche/ ungerechte/ gottlose oder
sonst verkehrte absichten/ mißbräuche/ consequentien oder folgen hier durchaus und
ernstlich removirt und verworffen werden/ vielweniger das geringste zum eintrag
und schaden der ewigen Göttlichen wahrheit geschehen sey; sondern daß nächst
Göttlicher führung und weißheit vornemlich folgende wichtige ursachen und
gründe dieses vorhaben zuläßig und unsträfflich gemachet. Nehmlich (1) weil
überhaupt bey allen und jeden Lehrern/ auch denen gemeinen Schul-theologen und
Polemicis gebräuchlich/ und auch (wenn man die nothwendigkeit des disputirens
und widerlegens ansehen wolte) nöthig ist/ daß bey denen fragen von der lehre
dieses oder jenes ketzers man allzeit seine eigne worte/ woferne man selbige noch
haben kan/ beyfüget/ und daraus jene erkennet und beurtheilet; ohne daß man da-
bey im geringsten besorgete/ es möchten andere daraus geärgert oder verführet
werden.

Zweytens/ weil auch wol gantze schrifften und bücher derer ketzer unter
den schrifften derer Historicorum, Theologen, Juristen und anderer anzutreffen
sind/ ebenfalls ohne die geringste beysorge einiges daraus der wahrheit entstehen-
den schadens; wie die exempel alter und neuer Scribenten am tage/ und in der kir-
chen-historie selbst unter denen allegaten häuffig zufinden sind.

Drittens/ weil eben aus solchen gantzen schrifften derer ketzer nach ihrer völlt-
gen structur, connexion, weitläufftigeren erklärungen/ bedingungen/ ausnah-
men und dergleichen/ ihr gantzer aneinanderhangender sinn und ausdruck genau und
sicherlich mag heraus genommen/ und betrachtet werden: Dahingegen gemei-
niglich aus abgebrochenen/ verstümmelten/ und offt mitten aus dem text und der
connexion heraus gerissenen worten und sätzen auch ein verkehrter wiedriger und
und von den Auctoren niemals intendirter verstand genommen/ und als irrig ver-
dammet wird/ wie aus so vielen streit-schrifften/ und systematibus derer ketzer-
macherklar am tag ist.

Viertens/ weil eben solche schrifften derer berüchtigten personen noch hin und
wieder unter der andern ihren zu befinden/ und man also von anfang her kein be-
dencken gehabt/ selbige zu publiciren/ und zwar in den gemeinsten sprachen/ ob wol
die meisten solcher schrifften auch untergangen und unter druckt worden sind.

Funfftens/ weil sich sonst diejenigen/ von welchen solche leute verdammet wor-
den/ des hierinne begangenen unrechts und falsi sehr verdächtig machen würden/
daferne sie nicht leiden noch zugeben wolten/ daß zum wenigsten eine und andere
eigene erklärung und bekäntniß einiger so genanten ketzer auch frey von andern/ und

nicht
A. K. H. Vierter Theil. A 2


Vorrede.

ES iſt bey eingang in dieſe erlaͤuterung und fortſetzung der kir-
chen- und ketzer-hiſtorie nicht eben viel nothwendiges vorher
zu erinnern: Sondern die gleich im anfang allhier geſetzten
zeugniſſe glaubwuͤrdiger Scribenten moͤgen an ſtatt einer
ausfuͤhrlichen einleitung in dieſes buch dienen. Angeſehen
dieſelbe nebenſt denen allgemeinen anmerckungen von den
ketzer-geſchichten in der hiſtorie ſeliſt ſchon zur gnuͤge zeigen
koͤnnen/ daß nicht ohne urſache an der wahrheit vieler ankla-
gen wider dieſen oder jenen ketzer gezweiffelt/ und alſo die ſache fernerweit zu un-
terſuchen noͤthig und nuͤtzlich geachtet werde. Nachdem man aber hinter den
grund einer beſchuldigung nicht fuͤglicher und gewiſſer kommen mag/ als wo man
des beklagten eigene bekaͤntniſſe/ erklaͤrungen und andere ſolche documenta vor-
legt und genau durchforſchet: ſo iſt ebenfalls in dieſer ſache vor dienlich erach-
ter worden/ eine und die andere ſchrifft von bekanten perſonen/ die man insgemein
als ketzer beſchrieben/ vor augen zu legen/ jedoch aber das urtheil von denſelben
nicht ſelbſt zu faͤllen/ ſondern andern in Goͤttlichen wahrheiten gegruͤndeten und
erfahrnen Leſern beſcheidentlich zu uͤberlaſſen. Wobey denn zufoͤrderſt oͤffentlich
und in optima forma proteſtiret wird/ daß alle falſche/ ungerechte/ gottloſe oder
ſonſt verkehrte abſichten/ mißbraͤuche/ conſequentien oder folgen hier durchaus und
ernſtlich removirt und verwoꝛffen weꝛden/ vielweniger das geringſte zum eintrag
und ſchaden der ewigen Goͤttlichen wahrheit geſchehen ſey; ſondern daß naͤchſt
Goͤttlicher fuͤhrung und weißheit vornemlich folgende wichtige urſachen und
gruͤnde dieſes vorhaben zulaͤßig und unſtraͤfflich gemachet. Nehmlich (1) weil
uͤberhaupt bey allen und jeden Lehrern/ auch denen gemeinen Schul-theologen und
Polemicis gebraͤuchlich/ und auch (wenn man die nothwendigkeit des diſputirens
und widerlegens anſehen wolte) noͤthig iſt/ daß bey denen fragen von der lehre
dieſes oder jenes ketzers man allzeit ſeine eigne worte/ woferne man ſelbige noch
haben kan/ beyfuͤget/ und daraus jene erkennet und beurtheilet; ohne daß man da-
bey im geringſten beſorgete/ es moͤchten andere daraus geaͤrgert oder verfuͤhret
werden.

Zweytens/ weil auch wol gantze ſchrifften und buͤcher derer ketzer unter
den ſchrifften derer Hiſtoricorum, Theologen, Juriſten und anderer anzutreffen
ſind/ ebenfalls ohne die geringſte beyſorge einiges daraus der wahrheit entſtehen-
den ſchadens; wie die exempel alter und neuer Scribenten am tage/ und in der kir-
chen-hiſtorie ſelbſt unter denen allegaten haͤuffig zufinden ſind.

Drittens/ weil eben aus ſolchen gantzen ſchrifften derer ketzer nach ihrer voͤllt-
gen ſtructur, connexion, weitlaͤufftigeren erklaͤrungen/ bedingungen/ ausnah-
men und dergleichen/ ihr gantzer aneinanderhangender ſinn und ausdruck genau uñ
ſicherlich mag heraus genommen/ und betrachtet werden: Dahingegen gemei-
niglich aus abgebrochenen/ verſtuͤmmelten/ und offt mitten aus dem text und der
connexion heraus geriſſenen worten und ſaͤtzen auch ein verkehrter wiedriger und
und von den Auctoren niemals intendirter verſtand genommen/ und als irrig ver-
dammet wird/ wie aus ſo vielen ſtreit-ſchrifften/ und ſyſtematibus derer ketzer-
macherklar am tag iſt.

Viertens/ weil eben ſolche ſchrifften derer beruͤchtigten perſonen noch hin und
wieder unter der andern ihren zu befinden/ und man alſo von anfang her kein be-
dencken gehabt/ ſelbige zu publiciren/ und zwar in den gemeinſten ſprachen/ ob wol
die meiſten ſolcher ſchrifften auch untergangen und unter druckt worden ſind.

Funfftens/ weil ſich ſonſt diejenigen/ von welchen ſolche leute verdammet wor-
den/ des hierinne begangenen unrechts und falſi ſehr verdaͤchtig machen wuͤrden/
daferne ſie nicht leiden noch zugeben wolten/ daß zum wenigſten eine und andere
eigene erklaͤrung und bekaͤntniß einiger ſo genanten ketzer auch frey von andern/ uñ

nicht
A. K. H. Vierter Theil. A 2
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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/299>, abgerufen am 20.11.2024.