Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnold, Gottfried: Erklärung/ Vom gemeinen Secten-wesen/ Kirchen- und Abendmahl-gehen. Leipzig, 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

man nicht daher auff jener seiten wieder Paulum streite/ so man solche
Christliche versammlung der gläubigen Christen mißbilligen und wehren
will? Uber dieses frage ich/ ob unsere öffentliche gewöhnliche versammlung
auch in erweisung dessen was I. Cor. XIV. 23. -- 33. gelesen wird/ einer
recht Evangelischen Christlichen versammlung ähnlich sey? Wo diese fra-
gen wol erwogen werden/ so wird man klärlich finden/ daß unsere öffentliche
gewöhnliche versammlung zwar an sich in ihrer rechten ordnung gut und
heilsam/ gleichwol aber bey weitem nicht hinlänglich seyn/ daß gläubige
Christen/ die schon im geiste zu einer ziemlichen stärcke kommen sind/ und
stärckere speise bedürffen/ so schlechter dings darbey acquiesciren und zu ih-
rem völligen wachsthum und fortgang gnugsame förderung dadurch er-
langen mögen. Ja/ was braucht es vielen beweiß? Habe ich doch oben
mit Lutheri eigenen worten schon erwiesen/ daß solche art der öffentlichen
versammlung/ wie sie noch jetzo im schwange gehet/ von Luthero keines we-
ges angeordnet sey um derer willen/ die schon Christen sind/ sondern um de-
rer willen/ die noch gar schwach sind/ und erst rechte Christen werden sollen/
daher sie nöthig haben durch einen ordentlichen prediger/ der darzu tüchtig
und bestellet ist/ von dem rechtschaffenen Christlichen wesen unterrichtet zu
weiden. Und damit ich noch mehr erweise/ wie tiefs und gründlich Luthe-
rus
diese sache eingesehen/ und was er mit dem in öffentlicher kirche ange-
ordneten Gottesdienste eigentlich intendiret habe/ so will ich seine worte
anführen/ welche aus dem vor allegirten scripto von Teutscher messe und
ordnung des Gottesdienstes Tom. VII. Witteb. fol. 399. b. also lauten:
Es ist dreyerley unterscheid des Gottesdiensts und der Messe."
Erstlich eine Lateinische zur beybehaltung der Lateinischen"
sprache vor die jugend/ zum andern/ ist die Teutsche messe und"
Gottesdienst/ davon wir jetzt handeln/ welche um der ein-"
fältigen läyen willen geordnet werden sollen. Aber diese zwo"
weisen müssen wir also gehen und geschehen lassen/ daß sie öffent-"
lich in den kirchen vor allem volck gehalten werden/ darunter"
viel sind/ die noch nicht glauben oder Christen sind/ sondern das"
mehrere theil da stehet und gaffer/ daß sie auch etwas neues se-"
hen gerade als wenn wir-mitten unter den Türcken und Heiden"
auff einem freyen platz oder felde GOttes dienst hielten. Denn"
hier ist noch keine geordnete und gewisse versammlung/ darinn"
man könte nach dem Evangelio die Christen regieren/ sondern"
es ist eine öffentliche reitzung zum glauben und zum Christen-"
thum. Aber die dritte weise die rechte art der Evangelischen"

ord-
K 3

man nicht daher auff jener ſeiten wieder Paulum ſtreite/ ſo man ſolche
Chriſtliche verſammlung der glaͤubigen Chriſten mißbilligen und wehren
will? Uber dieſes frage ich/ ob unſere oͤffentliche gewoͤhnliche verſammlung
auch in erweiſung deſſen was I. Cor. XIV. 23. — 33. geleſen wird/ einer
recht Evangeliſchen Chriſtlichen verſammlung aͤhnlich ſey? Wo dieſe fra-
gen wol erwogen werden/ ſo wird man klaͤrlich finden/ daß unſere oͤffentliche
gewoͤhnliche verſammlung zwar an ſich in ihrer rechten ordnung gut und
heilſam/ gleichwol aber bey weitem nicht hinlaͤnglich ſeyn/ daß glaͤubige
Chriſten/ die ſchon im geiſte zu einer ziemlichen ſtaͤrcke kommen ſind/ und
ſtaͤrckere ſpeiſe beduͤrffen/ ſo ſchlechter dings darbey acquieſciren und zu ih-
rem voͤlligen wachsthum und fortgang gnugſame foͤrderung dadurch er-
langen moͤgen. Ja/ was braucht es vielen beweiß? Habe ich doch oben
mit Lutheri eigenen worten ſchon erwieſen/ daß ſolche art der oͤffentlichen
verſammlung/ wie ſie noch jetzo im ſchwange gehet/ von Luthero keines we-
ges angeordnet ſey um derer willen/ die ſchon Chriſten ſind/ ſondern um de-
rer willen/ die noch gar ſchwach ſind/ und erſt rechte Chriſten werden ſollen/
daher ſie noͤthig haben durch einen ordentlichen prediger/ der darzu tuͤchtig
und beſtellet iſt/ von dem rechtſchaffenen Chriſtlichen weſen unterrichtet zu
weiden. Und damit ich noch mehr erweiſe/ wie tiefſ und gruͤndlich Luthe-
rus
dieſe ſache eingeſehen/ und was er mit dem in oͤffentlicher kirche ange-
ordneten Gottesdienſte eigentlich intendiret habe/ ſo will ich ſeine worte
anfuͤhren/ welche aus dem vor allegirten ſcripto von Teutſcher meſſe und
ordnung des Gottesdienſtes Tom. VII. Witteb. fol. 399. b. alſo lauten:
Es iſt dreyerley unterſcheid des Gottesdienſts und der Meſſe.‟
Erſtlich eine Lateiniſche zur beybehaltung der Lateiniſchen‟
ſprache vor die jugend/ zum andern/ iſt die Teutſche meſſe und‟
Gottesdienſt/ davon wir jetzt handeln/ welche um der ein-‟
faͤltigen laͤyen willen geordnet werden ſollen. Aber dieſe zwo‟
weiſen muͤſſen wir alſo gehen und geſchehen laſſen/ daß ſie oͤffent-‟
lich in den kirchen vor allem volck gehalten werden/ darunter‟
viel ſind/ die noch nicht glauben oder Chriſten ſind/ ſondern das‟
mehrere theil da ſtehet und gaffer/ daß ſie auch etwas neues ſe-‟
hen gerade als wenn wir-mitten unter den Tuͤrcken und Heiden‟
auff einem freyen platz oder felde GOttes dienſt hielten. Denn‟
hier iſt noch keine geordnete und gewiſſe verſammlung/ darinn‟
man koͤnte nach dem Evangelio die Chriſten regieren/ ſondern‟
es iſt eine oͤffentliche reitzung zum glauben und zum Chriſten-‟
thum. Aber die dritte weiſe die rechte art der Evangeliſchen‟

ord-
K 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0078" n="77"/>
man nicht daher auff jener &#x017F;eiten wieder <hi rendition="#aq">Paulum</hi> &#x017F;treite/ &#x017F;o man &#x017F;olche<lb/>
Chri&#x017F;tliche ver&#x017F;ammlung der gla&#x0364;ubigen Chri&#x017F;ten mißbilligen und wehren<lb/>
will? Uber die&#x017F;es frage ich/ ob un&#x017F;ere o&#x0364;ffentliche gewo&#x0364;hnliche ver&#x017F;ammlung<lb/>
auch in erwei&#x017F;ung de&#x017F;&#x017F;en was <hi rendition="#aq">I. Cor. XIV.</hi> 23. &#x2014; 33. gele&#x017F;en wird/ einer<lb/>
recht Evangeli&#x017F;chen Chri&#x017F;tlichen ver&#x017F;ammlung a&#x0364;hnlich &#x017F;ey? Wo die&#x017F;e fra-<lb/>
gen wol erwogen werden/ &#x017F;o wird man kla&#x0364;rlich finden/ daß un&#x017F;ere o&#x0364;ffentliche<lb/>
gewo&#x0364;hnliche ver&#x017F;ammlung zwar an &#x017F;ich in ihrer rechten ordnung gut und<lb/>
heil&#x017F;am/ gleichwol aber bey weitem nicht hinla&#x0364;nglich &#x017F;eyn/ daß gla&#x0364;ubige<lb/>
Chri&#x017F;ten/ die &#x017F;chon im gei&#x017F;te zu einer ziemlichen &#x017F;ta&#x0364;rcke kommen &#x017F;ind/ und<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rckere &#x017F;pei&#x017F;e bedu&#x0364;rffen/ &#x017F;o &#x017F;chlechter dings darbey <hi rendition="#aq">acquie&#x017F;cir</hi>en und zu ih-<lb/>
rem vo&#x0364;lligen wachsthum und fortgang gnug&#x017F;ame fo&#x0364;rderung dadurch er-<lb/>
langen mo&#x0364;gen. Ja/ was braucht es vielen beweiß? Habe ich doch oben<lb/>
mit <hi rendition="#aq">Lutheri</hi> eigenen worten &#x017F;chon erwie&#x017F;en/ daß &#x017F;olche art der o&#x0364;ffentlichen<lb/>
ver&#x017F;ammlung/ wie &#x017F;ie noch jetzo im &#x017F;chwange gehet/ von <hi rendition="#aq">Luthero</hi> keines we-<lb/>
ges angeordnet &#x017F;ey um derer willen/ die &#x017F;chon Chri&#x017F;ten &#x017F;ind/ &#x017F;ondern um de-<lb/>
rer willen/ die noch gar &#x017F;chwach &#x017F;ind/ und er&#x017F;t rechte Chri&#x017F;ten werden &#x017F;ollen/<lb/>
daher &#x017F;ie no&#x0364;thig haben durch einen ordentlichen prediger/ der darzu tu&#x0364;chtig<lb/>
und be&#x017F;tellet i&#x017F;t/ von dem recht&#x017F;chaffenen Chri&#x017F;tlichen we&#x017F;en unterrichtet zu<lb/>
weiden. Und damit ich noch mehr erwei&#x017F;e/ wie tief&#x017F; und gru&#x0364;ndlich <hi rendition="#aq">Luthe-<lb/>
rus</hi> die&#x017F;e &#x017F;ache einge&#x017F;ehen/ und was er mit dem in o&#x0364;ffentlicher kirche ange-<lb/>
ordneten Gottesdien&#x017F;te eigentlich <hi rendition="#aq">intendir</hi>et habe/ &#x017F;o will ich &#x017F;eine worte<lb/>
anfu&#x0364;hren/ welche aus dem vor <hi rendition="#aq">allegirt</hi>en <hi rendition="#aq">&#x017F;cripto</hi> von Teut&#x017F;cher me&#x017F;&#x017F;e und<lb/>
ordnung des Gottesdien&#x017F;tes <hi rendition="#aq">Tom. VII. Witteb. fol. 399. b.</hi> al&#x017F;o lauten:<lb/><hi rendition="#fr">Es i&#x017F;t dreyerley unter&#x017F;cheid des Gottesdien&#x017F;ts und der Me&#x017F;&#x017F;e.&#x201F;<lb/>
Er&#x017F;tlich eine Lateini&#x017F;che zur beybehaltung der Lateini&#x017F;chen&#x201F;<lb/>
&#x017F;prache vor die jugend/ zum andern/ i&#x017F;t die Teut&#x017F;che me&#x017F;&#x017F;e und&#x201F;<lb/>
Gottesdien&#x017F;t/ davon wir jetzt handeln/ welche um der ein-&#x201F;<lb/>
fa&#x0364;ltigen la&#x0364;yen willen geordnet werden &#x017F;ollen. Aber die&#x017F;e zwo&#x201F;<lb/>
wei&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir al&#x017F;o gehen und ge&#x017F;chehen la&#x017F;&#x017F;en/ daß &#x017F;ie o&#x0364;ffent-&#x201F;<lb/>
lich in den kirchen vor allem volck gehalten werden/ darunter&#x201F;<lb/>
viel &#x017F;ind/ die noch nicht glauben oder Chri&#x017F;ten &#x017F;ind/ &#x017F;ondern das&#x201F;<lb/>
mehrere theil da &#x017F;tehet und gaffer/ daß &#x017F;ie auch etwas neues &#x017F;e-&#x201F;<lb/>
hen gerade als wenn wir-mitten unter den Tu&#x0364;rcken und Heiden&#x201F;<lb/>
auff einem freyen platz oder felde GOttes dien&#x017F;t hielten. Denn&#x201F;<lb/>
hier i&#x017F;t noch keine geordnete und gewi&#x017F;&#x017F;e ver&#x017F;ammlung/ darinn&#x201F;<lb/>
man ko&#x0364;nte nach dem Evangelio die Chri&#x017F;ten regieren/ &#x017F;ondern&#x201F;<lb/>
es i&#x017F;t eine o&#x0364;ffentliche reitzung zum glauben und zum Chri&#x017F;ten-&#x201F;<lb/>
thum. Aber die dritte wei&#x017F;e die rechte art der Evangeli&#x017F;chen&#x201F;</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">K</hi> 3</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">ord-</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0078] man nicht daher auff jener ſeiten wieder Paulum ſtreite/ ſo man ſolche Chriſtliche verſammlung der glaͤubigen Chriſten mißbilligen und wehren will? Uber dieſes frage ich/ ob unſere oͤffentliche gewoͤhnliche verſammlung auch in erweiſung deſſen was I. Cor. XIV. 23. — 33. geleſen wird/ einer recht Evangeliſchen Chriſtlichen verſammlung aͤhnlich ſey? Wo dieſe fra- gen wol erwogen werden/ ſo wird man klaͤrlich finden/ daß unſere oͤffentliche gewoͤhnliche verſammlung zwar an ſich in ihrer rechten ordnung gut und heilſam/ gleichwol aber bey weitem nicht hinlaͤnglich ſeyn/ daß glaͤubige Chriſten/ die ſchon im geiſte zu einer ziemlichen ſtaͤrcke kommen ſind/ und ſtaͤrckere ſpeiſe beduͤrffen/ ſo ſchlechter dings darbey acquieſciren und zu ih- rem voͤlligen wachsthum und fortgang gnugſame foͤrderung dadurch er- langen moͤgen. Ja/ was braucht es vielen beweiß? Habe ich doch oben mit Lutheri eigenen worten ſchon erwieſen/ daß ſolche art der oͤffentlichen verſammlung/ wie ſie noch jetzo im ſchwange gehet/ von Luthero keines we- ges angeordnet ſey um derer willen/ die ſchon Chriſten ſind/ ſondern um de- rer willen/ die noch gar ſchwach ſind/ und erſt rechte Chriſten werden ſollen/ daher ſie noͤthig haben durch einen ordentlichen prediger/ der darzu tuͤchtig und beſtellet iſt/ von dem rechtſchaffenen Chriſtlichen weſen unterrichtet zu weiden. Und damit ich noch mehr erweiſe/ wie tiefſ und gruͤndlich Luthe- rus dieſe ſache eingeſehen/ und was er mit dem in oͤffentlicher kirche ange- ordneten Gottesdienſte eigentlich intendiret habe/ ſo will ich ſeine worte anfuͤhren/ welche aus dem vor allegirten ſcripto von Teutſcher meſſe und ordnung des Gottesdienſtes Tom. VII. Witteb. fol. 399. b. alſo lauten: Es iſt dreyerley unterſcheid des Gottesdienſts und der Meſſe.‟ Erſtlich eine Lateiniſche zur beybehaltung der Lateiniſchen‟ ſprache vor die jugend/ zum andern/ iſt die Teutſche meſſe und‟ Gottesdienſt/ davon wir jetzt handeln/ welche um der ein-‟ faͤltigen laͤyen willen geordnet werden ſollen. Aber dieſe zwo‟ weiſen muͤſſen wir alſo gehen und geſchehen laſſen/ daß ſie oͤffent-‟ lich in den kirchen vor allem volck gehalten werden/ darunter‟ viel ſind/ die noch nicht glauben oder Chriſten ſind/ ſondern das‟ mehrere theil da ſtehet und gaffer/ daß ſie auch etwas neues ſe-‟ hen gerade als wenn wir-mitten unter den Tuͤrcken und Heiden‟ auff einem freyen platz oder felde GOttes dienſt hielten. Denn‟ hier iſt noch keine geordnete und gewiſſe verſammlung/ darinn‟ man koͤnte nach dem Evangelio die Chriſten regieren/ ſondern‟ es iſt eine oͤffentliche reitzung zum glauben und zum Chriſten-‟ thum. Aber die dritte weiſe die rechte art der Evangeliſchen‟ ord- K 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_cyprian_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_cyprian_1700/78
Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Erklärung/ Vom gemeinen Secten-wesen/ Kirchen- und Abendmahl-gehen. Leipzig, 1700, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_cyprian_1700/78>, abgerufen am 22.11.2024.