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Arnold, Gottfried: Erklärung/ Vom gemeinen Secten-wesen/ Kirchen- und Abendmahl-gehen. Leipzig, 1700.

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hung das band der liebe und gemeinschafft mit denen frommen hertzen/ die
sich zur öffentlichen communion und kirchen-versamlungen halten/ nicht
zerreissen/ sondern die gemeinschafft in geiste CHristi/ welche das rechte
band ist/ bleibet vor GOtt im verborgenen unverrückt/ so lange CHristus
in mir und in ihnen ist/ und wenn ich auch gleich nach eingeführter weise
der öffentlichen Communion und kirchen-versammlung äusserlich beywoh-
nete/ so könte ich dennoch dadurch mit denen in der gemeinde erfundenen
wahren gläubigen in keine genauere gemeinschafft treten/ weil wir einander
äusserlich unbekant sind/ und auch unsere gemeinschafft in CHristo nach
wie vor ohne erlangte äusserliche bekantschafft nur eine gemeinschafft im
geiste bleibet. Drittens frage ich/ ob ein glaubiger Christ aneine solche
versammlung (darinne der allergröste hauffe böse und von dem wahren
Evangelischen Gottes-dienste im geiste der kindschafft noch entfrembdet ist/
und welche so beschaffen ist/ daß nach Amos V. 21. 22. 23. der HErr in
solche versammlung nicht riechen mag/ und in welcher die noch darunter
befindliche Christliche hertzen so verstecket und verborgen sind/ daß man
solche nicht einmal kennet/ mit seinem gewissen also verbunden sey/ daß er sie
vor die eigentliche versammlung der heiligen erkennen müste/ welche er nach
Pauli vermahnung nicht verlassen solle? Weiter frage ich/ ob nicht vielmehr
aus dem loco Pauli Hebr. X. 25. deutlich erscheine/ daß unsere öffentliche
und gewöhnliche kirchen-versammlung nach ihrer art und weise keine solche
versammlung sey/ wie Paulus allhier beschreibet/ weil ja die glaubigen
(welches doch der grund und medius terminus der vermahnung Pauli an
diesem orte ist) darinn keine freyheit haben/ sich untereinander zu ermah-
nen mit wahrnehmung ihrer selbst und reitzung zur liebe und guten wercken/
sondern solches/ wenn es geschehe/ als ein insolens quid würde angesehen/
und wol gar als eine schädliche neurung bestraffet werden; hingegen aber
nur immerfort ein einiger redet/ wie es ihn gut deuchtet/ und alle andere
Christen schweigen müssen? Frage daher ferner/ ob nicht der spruch Pauli
nach den umständen unserer zeit (da die gewöhnlichen öffentlichen kirchen-
versammlungen zwar an sich in ihrer rechten ordnung gut/ und unverwerff-
lich/ dennoch aber in keiner solchen verfassung stehen/ daß glaubige Chri-
sten durch ihre eigene gaben darinnen sich untereinander erbauen und erwe-
cken mögen) Vielmehr zu einer solchen versammlung anweise/ da wahre
gläubige Christen/ die an einem orte sich befinden und als gläubige ein-
ander bekant und offenbar geworden sind/ sich in rechter liebe und gemein-
schafft der brüderlichen ermahnung fleißig zusammen halten/ und durch die
gaben des geistes sich untereinander zu ihrem wachsthum erbauen/ und ob

man

hung das band der liebe und gemeinſchafft mit denen frommen hertzen/ die
ſich zur oͤffentlichen communion und kirchen-verſamlungen halten/ nicht
zerreiſſen/ ſondern die gemeinſchafft in geiſte CHriſti/ welche das rechte
band iſt/ bleibet vor GOtt im verborgenen unverruͤckt/ ſo lange CHriſtus
in mir und in ihnen iſt/ und wenn ich auch gleich nach eingefuͤhrter weiſe
der oͤffentlichen Communion und kirchen-verſammlung aͤuſſerlich beywoh-
nete/ ſo koͤnte ich dennoch dadurch mit denen in der gemeinde erfundenen
wahren glaͤubigen in keine genauere gemeinſchafft treten/ weil wir einander
aͤuſſerlich unbekant ſind/ und auch unſere gemeinſchafft in CHriſto nach
wie vor ohne erlangte aͤuſſerliche bekantſchafft nur eine gemeinſchafft im
geiſte bleibet. Drittens frage ich/ ob ein glaubiger Chriſt aneine ſolche
verſammlung (darinne der allergroͤſte hauffe boͤſe und von dem wahren
Evangeliſchen Gottes-dienſte im geiſte der kindſchafft noch entfrembdet iſt/
und welche ſo beſchaffen iſt/ daß nach Amos V. 21. 22. 23. der HErr in
ſolche verſammlung nicht riechen mag/ und in welcher die noch darunter
befindliche Chriſtliche hertzen ſo verſtecket und verborgen ſind/ daß man
ſolche nicht einmal kennet/ mit ſeinem gewiſſen alſo verbunden ſey/ daß er ſie
vor die eigentliche verſammlung der heiligen erkennen muͤſte/ welche er nach
Pauli vermahnung nicht verlaſſen ſolle? Weiter frage ich/ ob nicht vielmehr
aus dem loco Pauli Hebr. X. 25. deutlich erſcheine/ daß unſere oͤffentliche
und gewoͤhnliche kirchen-verſammlung nach ihrer art und weiſe keine ſolche
verſammlung ſey/ wie Paulus allhier beſchreibet/ weil ja die glaubigen
(welches doch der grund und medius terminus der vermahnung Pauli an
dieſem orte iſt) darinn keine freyheit haben/ ſich untereinander zu ermah-
nen mit wahrnehmung ihrer ſelbſt und reitzung zur liebe und guten wercken/
ſondern ſolches/ wenn es geſchehe/ als ein inſolens quid wuͤrde angeſehen/
und wol gar als eine ſchaͤdliche neurung beſtraffet werden; hingegen aber
nur immerfort ein einiger redet/ wie es ihn gut deuchtet/ und alle andere
Chriſten ſchweigen muͤſſen? Frage daher ferner/ ob nicht der ſpruch Pauli
nach den umſtaͤnden unſerer zeit (da die gewoͤhnlichen oͤffentlichen kirchen-
verſammlungen zwar an ſich in ihrer rechten ordnung gut/ und unverwerff-
lich/ dennoch aber in keiner ſolchen verfaſſung ſtehen/ daß glaubige Chri-
ſten durch ihre eigene gaben darinnen ſich untereinander erbauen und erwe-
cken moͤgen) Vielmehr zu einer ſolchen verſammlung anweiſe/ da wahre
glaͤubige Chriſten/ die an einem orte ſich befinden und als glaͤubige ein-
ander bekant und offenbar geworden ſind/ ſich in rechter liebe und gemein-
ſchafft der bruͤderlichen ermahnung fleißig zuſammen halten/ und durch die
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[76/0077] hung das band der liebe und gemeinſchafft mit denen frommen hertzen/ die ſich zur oͤffentlichen communion und kirchen-verſamlungen halten/ nicht zerreiſſen/ ſondern die gemeinſchafft in geiſte CHriſti/ welche das rechte band iſt/ bleibet vor GOtt im verborgenen unverruͤckt/ ſo lange CHriſtus in mir und in ihnen iſt/ und wenn ich auch gleich nach eingefuͤhrter weiſe der oͤffentlichen Communion und kirchen-verſammlung aͤuſſerlich beywoh- nete/ ſo koͤnte ich dennoch dadurch mit denen in der gemeinde erfundenen wahren glaͤubigen in keine genauere gemeinſchafft treten/ weil wir einander aͤuſſerlich unbekant ſind/ und auch unſere gemeinſchafft in CHriſto nach wie vor ohne erlangte aͤuſſerliche bekantſchafft nur eine gemeinſchafft im geiſte bleibet. Drittens frage ich/ ob ein glaubiger Chriſt aneine ſolche verſammlung (darinne der allergroͤſte hauffe boͤſe und von dem wahren Evangeliſchen Gottes-dienſte im geiſte der kindſchafft noch entfrembdet iſt/ und welche ſo beſchaffen iſt/ daß nach Amos V. 21. 22. 23. der HErr in ſolche verſammlung nicht riechen mag/ und in welcher die noch darunter befindliche Chriſtliche hertzen ſo verſtecket und verborgen ſind/ daß man ſolche nicht einmal kennet/ mit ſeinem gewiſſen alſo verbunden ſey/ daß er ſie vor die eigentliche verſammlung der heiligen erkennen muͤſte/ welche er nach Pauli vermahnung nicht verlaſſen ſolle? Weiter frage ich/ ob nicht vielmehr aus dem loco Pauli Hebr. X. 25. deutlich erſcheine/ daß unſere oͤffentliche und gewoͤhnliche kirchen-verſammlung nach ihrer art und weiſe keine ſolche verſammlung ſey/ wie Paulus allhier beſchreibet/ weil ja die glaubigen (welches doch der grund und medius terminus der vermahnung Pauli an dieſem orte iſt) darinn keine freyheit haben/ ſich untereinander zu ermah- nen mit wahrnehmung ihrer ſelbſt und reitzung zur liebe und guten wercken/ ſondern ſolches/ wenn es geſchehe/ als ein inſolens quid wuͤrde angeſehen/ und wol gar als eine ſchaͤdliche neurung beſtraffet werden; hingegen aber nur immerfort ein einiger redet/ wie es ihn gut deuchtet/ und alle andere Chriſten ſchweigen muͤſſen? Frage daher ferner/ ob nicht der ſpruch Pauli nach den umſtaͤnden unſerer zeit (da die gewoͤhnlichen oͤffentlichen kirchen- verſammlungen zwar an ſich in ihrer rechten ordnung gut/ und unverwerff- lich/ dennoch aber in keiner ſolchen verfaſſung ſtehen/ daß glaubige Chri- ſten durch ihre eigene gaben darinnen ſich untereinander erbauen und erwe- cken moͤgen) Vielmehr zu einer ſolchen verſammlung anweiſe/ da wahre glaͤubige Chriſten/ die an einem orte ſich befinden und als glaͤubige ein- ander bekant und offenbar geworden ſind/ ſich in rechter liebe und gemein- ſchafft der bruͤderlichen ermahnung fleißig zuſammen halten/ und durch die gaben des geiſtes ſich untereinander zu ihrem wachsthum erbauen/ und ob man

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Erklärung/ Vom gemeinen Secten-wesen/ Kirchen- und Abendmahl-gehen. Leipzig, 1700, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_cyprian_1700/77>, abgerufen am 25.11.2024.