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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

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dann bin ich nicht mehr in eigner Macht und muß mirs
aufbürden lassen daß ich aus Rücksichten mein besseres
Selbst verwerfe. Hör! wenn ich eine schwierige
Aufgabe im Leben hätte
ich würde nicht zu erfahr¬
nen Weltleuten gehen, die zu fragen, nicht zu solchen
die es verstehen mit dem irdischen Leben einen Handel
abzuschließen, nicht zu denen die das Recht der Welt
handhaben, ich würde die Unmündigen fragen; ich würde
denken, die Kinder haben die himmlische Weisheit, zu der
wir müssen zurückkommen wenn wir das Rechte thun
wollen, was eigentlich unser Theil am Himmelreich ist,
denn wir bauen selbst den Himmel durch unser edles
freies Thun, sonst kommt er nicht zur Welt; aber
es ist Verwirrung in aller Sprache, jeder will das
andre und keiner versteht den andern, und drum kann
die innere Stimme allein die Sprache des Rechts wie¬
der lehren; o wer sie sprechen läßt der thut Großes
und bleibt dennoch einfache Natur, denn Natur ist groß,
und der Mensch soll groß werden; wächst er am
Leib und breitet seinen Stamm aus, so soll er auch am
Geist wachsen und seinen Stamm ausbreiten. Und wie
in der sinnlichen Natur, Nahrung, Pflege, Wachsthum,
Sicherung aus dem eignen Organismus sich hervor bildet,
warum nicht im Geist? Was ist Geistesleben als sein Entste¬

dann bin ich nicht mehr in eigner Macht und muß mirs
aufbürden laſſen daß ich aus Rückſichten mein beſſeres
Selbſt verwerfe. Hör! wenn ich eine ſchwierige
Aufgabe im Leben hätte
ich würde nicht zu erfahr¬
nen Weltleuten gehen, die zu fragen, nicht zu ſolchen
die es verſtehen mit dem irdiſchen Leben einen Handel
abzuſchließen, nicht zu denen die das Recht der Welt
handhaben, ich würde die Unmündigen fragen; ich würde
denken, die Kinder haben die himmliſche Weisheit, zu der
wir müſſen zurückkommen wenn wir das Rechte thun
wollen, was eigentlich unſer Theil am Himmelreich iſt,
denn wir bauen ſelbſt den Himmel durch unſer edles
freies Thun, ſonſt kommt er nicht zur Welt; aber
es iſt Verwirrung in aller Sprache, jeder will das
andre und keiner verſteht den andern, und drum kann
die innere Stimme allein die Sprache des Rechts wie¬
der lehren; o wer ſie ſprechen läßt der thut Großes
und bleibt dennoch einfache Natur, denn Natur iſt groß,
und der Menſch ſoll groß werden; wächſt er am
Leib und breitet ſeinen Stamm aus, ſo ſoll er auch am
Geiſt wachſen und ſeinen Stamm ausbreiten. Und wie
in der ſinnlichen Natur, Nahrung, Pflege, Wachsthum,
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[85/0099] dann bin ich nicht mehr in eigner Macht und muß mirs aufbürden laſſen daß ich aus Rückſichten mein beſſeres Selbſt verwerfe. Hör! wenn ich eine ſchwierige Aufgabe im Leben hätte ich würde nicht zu erfahr¬ nen Weltleuten gehen, die zu fragen, nicht zu ſolchen die es verſtehen mit dem irdiſchen Leben einen Handel abzuſchließen, nicht zu denen die das Recht der Welt handhaben, ich würde die Unmündigen fragen; ich würde denken, die Kinder haben die himmliſche Weisheit, zu der wir müſſen zurückkommen wenn wir das Rechte thun wollen, was eigentlich unſer Theil am Himmelreich iſt, denn wir bauen ſelbſt den Himmel durch unſer edles freies Thun, ſonſt kommt er nicht zur Welt; aber es iſt Verwirrung in aller Sprache, jeder will das andre und keiner verſteht den andern, und drum kann die innere Stimme allein die Sprache des Rechts wie¬ der lehren; o wer ſie ſprechen läßt der thut Großes und bleibt dennoch einfache Natur, denn Natur iſt groß, und der Menſch ſoll groß werden; wächſt er am Leib und breitet ſeinen Stamm aus, ſo ſoll er auch am Geiſt wachſen und ſeinen Stamm ausbreiten. Und wie in der ſinnlichen Natur, Nahrung, Pflege, Wachsthum, Sicherung aus dem eignen Organismus ſich hervor bildet, warum nicht im Geiſt? Was iſt Geiſtesleben als ſein Entſte¬

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/99>, abgerufen am 24.11.2024.