bischen heilte mit beaume de chiron; Du wirst noch Hals und Bein brechen, prophezeihte sie, wo jetzt so viel glatte Stellen am Berg sind vom schmelzenden Schnee. Ich schriebs hierher, wenns geschieht so hat sie richtig prophezeiht. Aber gewiß, solche Übungen die einem die Natur lehrt sind Vorbereitungen für die Seele, alles wird Instinkt auch im Geist, er besinnt sich nicht, ob er soll oder nicht, es lehrt ihn das Gleichgewicht halten wie im Klettern und Springen, es entwickelt eine Kraft die dagagirt und detachirt; das heißt: das Sehnen nach einem Pfeiler sich in der Welt anzulehnen, oder nach einem Stock um weiter zu kommen, wird einem lä¬ cherlich; bald merkt man daß man auf ziemlichen Wegen recht gut allein gehen kann, und auf steilem Pfad läßt sich durch Übung große Freiheit erwerben. Ängstlichkeit und Unerfahrenheit verleiten doch nicht nach dem ersten Strauch am Weg zu greifen, der durch Biegen und Bre¬ chen zum Verräther wird und dem Vertrauen den Hals bricht; und ich möcht wissen ob der ganze innere Mensch, nicht deutlich und kräftig hervorgehen könnt aus dem äußern, und ob "auf dem Seiltanzen" nicht eine hö¬ here diplomatische Kunstanlage entwicklen könnt wie all der Wust von Intriguengeist, und Correspondenz voll Leerheit, und Observanzen voll Kleinlichkeit, -- oder "mit
bischen heilte mit beaume de chiron; Du wirſt noch Hals und Bein brechen, prophezeihte ſie, wo jetzt ſo viel glatte Stellen am Berg ſind vom ſchmelzenden Schnee. Ich ſchriebs hierher, wenns geſchieht ſo hat ſie richtig prophezeiht. Aber gewiß, ſolche Übungen die einem die Natur lehrt ſind Vorbereitungen für die Seele, alles wird Inſtinkt auch im Geiſt, er beſinnt ſich nicht, ob er ſoll oder nicht, es lehrt ihn das Gleichgewicht halten wie im Klettern und Springen, es entwickelt eine Kraft die dagagirt und detachirt; das heißt: das Sehnen nach einem Pfeiler ſich in der Welt anzulehnen, oder nach einem Stock um weiter zu kommen, wird einem lä¬ cherlich; bald merkt man daß man auf ziemlichen Wegen recht gut allein gehen kann, und auf ſteilem Pfad läßt ſich durch Übung große Freiheit erwerben. Ängſtlichkeit und Unerfahrenheit verleiten doch nicht nach dem erſten Strauch am Weg zu greifen, der durch Biegen und Bre¬ chen zum Verräther wird und dem Vertrauen den Hals bricht; und ich möcht wiſſen ob der ganze innere Menſch, nicht deutlich und kräftig hervorgehen könnt aus dem äußern, und ob „auf dem Seiltanzen“ nicht eine hö¬ here diplomatiſche Kunſtanlage entwicklen könnt wie all der Wuſt von Intriguengeiſt, und Correſpondenz voll Leerheit, und Obſervanzen voll Kleinlichkeit, — oder „mit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0096"n="82"/>
bischen heilte mit <hirendition="#aq">beaume de chiron</hi>; Du wirſt noch<lb/>
Hals und Bein brechen, prophezeihte ſie, wo jetzt ſo viel<lb/>
glatte Stellen am Berg ſind vom ſchmelzenden Schnee.<lb/>
Ich ſchriebs hierher, wenns geſchieht ſo hat ſie richtig<lb/>
prophezeiht. Aber gewiß, ſolche Übungen die einem die<lb/>
Natur lehrt ſind Vorbereitungen für die Seele, alles<lb/>
wird Inſtinkt auch im Geiſt, er beſinnt ſich nicht, ob<lb/>
er ſoll oder nicht, es lehrt ihn das Gleichgewicht halten<lb/>
wie im Klettern und Springen, es entwickelt eine Kraft<lb/>
die dagagirt und detachirt; das heißt: das Sehnen nach<lb/>
einem Pfeiler ſich in der Welt anzulehnen, oder nach<lb/>
einem <hirendition="#g">Stock</hi> um weiter zu kommen, wird einem lä¬<lb/>
cherlich; bald merkt man daß man auf ziemlichen Wegen<lb/>
recht gut allein gehen kann, und auf ſteilem Pfad läßt ſich<lb/>
durch Übung große Freiheit erwerben. Ängſtlichkeit und<lb/>
Unerfahrenheit verleiten doch nicht nach dem erſten<lb/>
Strauch am Weg zu greifen, der durch Biegen und Bre¬<lb/>
chen zum Verräther wird und dem Vertrauen den Hals<lb/>
bricht; und ich möcht wiſſen ob der ganze innere Menſch,<lb/>
nicht deutlich und kräftig hervorgehen könnt aus dem<lb/>
äußern, und ob „auf dem Seiltanzen“ nicht eine hö¬<lb/>
here diplomatiſche Kunſtanlage entwicklen könnt wie all<lb/>
der Wuſt von Intriguengeiſt, und Correſpondenz voll<lb/>
Leerheit, und Obſervanzen voll Kleinlichkeit, — oder „mit<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[82/0096]
bischen heilte mit beaume de chiron; Du wirſt noch
Hals und Bein brechen, prophezeihte ſie, wo jetzt ſo viel
glatte Stellen am Berg ſind vom ſchmelzenden Schnee.
Ich ſchriebs hierher, wenns geſchieht ſo hat ſie richtig
prophezeiht. Aber gewiß, ſolche Übungen die einem die
Natur lehrt ſind Vorbereitungen für die Seele, alles
wird Inſtinkt auch im Geiſt, er beſinnt ſich nicht, ob
er ſoll oder nicht, es lehrt ihn das Gleichgewicht halten
wie im Klettern und Springen, es entwickelt eine Kraft
die dagagirt und detachirt; das heißt: das Sehnen nach
einem Pfeiler ſich in der Welt anzulehnen, oder nach
einem Stock um weiter zu kommen, wird einem lä¬
cherlich; bald merkt man daß man auf ziemlichen Wegen
recht gut allein gehen kann, und auf ſteilem Pfad läßt ſich
durch Übung große Freiheit erwerben. Ängſtlichkeit und
Unerfahrenheit verleiten doch nicht nach dem erſten
Strauch am Weg zu greifen, der durch Biegen und Bre¬
chen zum Verräther wird und dem Vertrauen den Hals
bricht; und ich möcht wiſſen ob der ganze innere Menſch,
nicht deutlich und kräftig hervorgehen könnt aus dem
äußern, und ob „auf dem Seiltanzen“ nicht eine hö¬
here diplomatiſche Kunſtanlage entwicklen könnt wie all
der Wuſt von Intriguengeiſt, und Correſpondenz voll
Leerheit, und Obſervanzen voll Kleinlichkeit, — oder „mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/96>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.