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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

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bischen heilte mit beaume de chiron; Du wirst noch
Hals und Bein brechen, prophezeihte sie, wo jetzt so viel
glatte Stellen am Berg sind vom schmelzenden Schnee.
Ich schriebs hierher, wenns geschieht so hat sie richtig
prophezeiht. Aber gewiß, solche Übungen die einem die
Natur lehrt sind Vorbereitungen für die Seele, alles
wird Instinkt auch im Geist, er besinnt sich nicht, ob
er soll oder nicht, es lehrt ihn das Gleichgewicht halten
wie im Klettern und Springen, es entwickelt eine Kraft
die dagagirt und detachirt; das heißt: das Sehnen nach
einem Pfeiler sich in der Welt anzulehnen, oder nach
einem Stock um weiter zu kommen, wird einem lä¬
cherlich; bald merkt man daß man auf ziemlichen Wegen
recht gut allein gehen kann, und auf steilem Pfad läßt sich
durch Übung große Freiheit erwerben. Ängstlichkeit und
Unerfahrenheit verleiten doch nicht nach dem ersten
Strauch am Weg zu greifen, der durch Biegen und Bre¬
chen zum Verräther wird und dem Vertrauen den Hals
bricht; und ich möcht wissen ob der ganze innere Mensch,
nicht deutlich und kräftig hervorgehen könnt aus dem
äußern, und ob "auf dem Seiltanzen" nicht eine hö¬
here diplomatische Kunstanlage entwicklen könnt wie all
der Wust von Intriguengeist, und Correspondenz voll
Leerheit, und Observanzen voll Kleinlichkeit, -- oder "mit

bischen heilte mit beaume de chiron; Du wirſt noch
Hals und Bein brechen, prophezeihte ſie, wo jetzt ſo viel
glatte Stellen am Berg ſind vom ſchmelzenden Schnee.
Ich ſchriebs hierher, wenns geſchieht ſo hat ſie richtig
prophezeiht. Aber gewiß, ſolche Übungen die einem die
Natur lehrt ſind Vorbereitungen für die Seele, alles
wird Inſtinkt auch im Geiſt, er beſinnt ſich nicht, ob
er ſoll oder nicht, es lehrt ihn das Gleichgewicht halten
wie im Klettern und Springen, es entwickelt eine Kraft
die dagagirt und detachirt; das heißt: das Sehnen nach
einem Pfeiler ſich in der Welt anzulehnen, oder nach
einem Stock um weiter zu kommen, wird einem lä¬
cherlich; bald merkt man daß man auf ziemlichen Wegen
recht gut allein gehen kann, und auf ſteilem Pfad läßt ſich
durch Übung große Freiheit erwerben. Ängſtlichkeit und
Unerfahrenheit verleiten doch nicht nach dem erſten
Strauch am Weg zu greifen, der durch Biegen und Bre¬
chen zum Verräther wird und dem Vertrauen den Hals
bricht; und ich möcht wiſſen ob der ganze innere Menſch,
nicht deutlich und kräftig hervorgehen könnt aus dem
äußern, und ob „auf dem Seiltanzen“ nicht eine hö¬
here diplomatiſche Kunſtanlage entwicklen könnt wie all
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[82/0096] bischen heilte mit beaume de chiron; Du wirſt noch Hals und Bein brechen, prophezeihte ſie, wo jetzt ſo viel glatte Stellen am Berg ſind vom ſchmelzenden Schnee. Ich ſchriebs hierher, wenns geſchieht ſo hat ſie richtig prophezeiht. Aber gewiß, ſolche Übungen die einem die Natur lehrt ſind Vorbereitungen für die Seele, alles wird Inſtinkt auch im Geiſt, er beſinnt ſich nicht, ob er ſoll oder nicht, es lehrt ihn das Gleichgewicht halten wie im Klettern und Springen, es entwickelt eine Kraft die dagagirt und detachirt; das heißt: das Sehnen nach einem Pfeiler ſich in der Welt anzulehnen, oder nach einem Stock um weiter zu kommen, wird einem lä¬ cherlich; bald merkt man daß man auf ziemlichen Wegen recht gut allein gehen kann, und auf ſteilem Pfad läßt ſich durch Übung große Freiheit erwerben. Ängſtlichkeit und Unerfahrenheit verleiten doch nicht nach dem erſten Strauch am Weg zu greifen, der durch Biegen und Bre¬ chen zum Verräther wird und dem Vertrauen den Hals bricht; und ich möcht wiſſen ob der ganze innere Menſch, nicht deutlich und kräftig hervorgehen könnt aus dem äußern, und ob „auf dem Seiltanzen“ nicht eine hö¬ here diplomatiſche Kunſtanlage entwicklen könnt wie all der Wuſt von Intriguengeiſt, und Correſpondenz voll Leerheit, und Obſervanzen voll Kleinlichkeit, — oder „mit

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/96>, abgerufen am 24.11.2024.