Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

was so kugelig unter Deinen Füßen, dich kollernd, stol¬
pernd hinab und hinan verlockt und doch überall so herz¬
lich Dich einladend zum Sitzen, zum Ruhen am Rasen
am Berg und in Dir selber. -- Es haben sich frühe
Wintertage eingestellt, Meline leidet am Halsfieber,
woran hier alles krank liegt, Gunda auch geht wegen
Unwohlsein alle Tage vor Sonnenuntergang zu Bett.
Savigny wohnt mit ihr in einem andern Theil des
Hauses der unter unserer Wohnung liegt, durch Terras¬
sen und Hof geschieden; so bin ich ganz allein mit der
Meline die hübsch ruhig im Schlafzimmer nebenan liegt.
Diese Einsamkeit erquickt und ergötzt mich. Der schwär¬
merische Hausarzt ist Poet, er bringt Gedichte die er in
der Dämmerungsstunde vorliest, -- Träume Schäume,
Liebe Triebe gleiten sanft am Gestade meines Ohrs
dahin; man reicht dem Doktor die Hand, er drückt
sie mit stillem Ernst, mit seelenvoller Miene; weiter wird
nichts gereicht von Lob. -- So schwillt die Knospe des
Leichtsinns leise leise in der Brust, bald wird sie bersten
und in einen fröhlichen Blust ausbrechen, so nennen
die hessischen Bauern die Blüthe. -- Nichts von Rührung,
Erhabnem, Verinnigung, Wonnegefühl, Begeistrung
und aller gebildeten Geisteswirthschaft. -- Was ich an
mir selber bin das theil ich Dir mit, und strenge mich

was ſo kugelig unter Deinen Füßen, dich kollernd, ſtol¬
pernd hinab und hinan verlockt und doch überall ſo herz¬
lich Dich einladend zum Sitzen, zum Ruhen am Raſen
am Berg und in Dir ſelber. — Es haben ſich frühe
Wintertage eingeſtellt, Meline leidet am Halsfieber,
woran hier alles krank liegt, Gunda auch geht wegen
Unwohlſein alle Tage vor Sonnenuntergang zu Bett.
Savigny wohnt mit ihr in einem andern Theil des
Hauſes der unter unſerer Wohnung liegt, durch Terraſ¬
ſen und Hof geſchieden; ſo bin ich ganz allein mit der
Meline die hübſch ruhig im Schlafzimmer nebenan liegt.
Dieſe Einſamkeit erquickt und ergötzt mich. Der ſchwär¬
meriſche Hausarzt iſt Poet, er bringt Gedichte die er in
der Dämmerungsſtunde vorlieſt, — Träume Schäume,
Liebe Triebe gleiten ſanft am Geſtade meines Ohrs
dahin; man reicht dem Doktor die Hand, er drückt
ſie mit ſtillem Ernſt, mit ſeelenvoller Miene; weiter wird
nichts gereicht von Lob. — So ſchwillt die Knospe des
Leichtſinns leiſe leiſe in der Bruſt, bald wird ſie berſten
und in einen fröhlichen Bluſt ausbrechen, ſo nennen
die heſſiſchen Bauern die Blüthe. — Nichts von Rührung,
Erhabnem, Verinnigung, Wonnegefühl, Begeiſtrung
und aller gebildeten Geiſteswirthſchaft. — Was ich an
mir ſelber bin das theil ich Dir mit, und ſtrenge mich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0092" n="78"/>
was &#x017F;o kugelig unter Deinen Füßen, dich kollernd, &#x017F;tol¬<lb/>
pernd hinab und hinan verlockt und doch überall &#x017F;o herz¬<lb/>
lich Dich einladend zum Sitzen, zum Ruhen am Ra&#x017F;en<lb/>
am Berg und in Dir &#x017F;elber. &#x2014; Es haben &#x017F;ich frühe<lb/>
Wintertage einge&#x017F;tellt, Meline leidet am Halsfieber,<lb/>
woran hier alles krank liegt, Gunda auch geht wegen<lb/>
Unwohl&#x017F;ein alle Tage vor Sonnenuntergang zu Bett.<lb/>
Savigny wohnt mit ihr in einem andern Theil des<lb/>
Hau&#x017F;es der unter un&#x017F;erer Wohnung liegt, durch Terra&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en und Hof ge&#x017F;chieden; &#x017F;o bin ich ganz allein mit der<lb/>
Meline die hüb&#x017F;ch ruhig im Schlafzimmer nebenan liegt.<lb/>
Die&#x017F;e Ein&#x017F;amkeit erquickt und ergötzt mich. Der &#x017F;chwär¬<lb/>
meri&#x017F;che Hausarzt i&#x017F;t Poet, er bringt Gedichte die er in<lb/>
der Dämmerungs&#x017F;tunde vorlie&#x017F;t, &#x2014; Träume Schäume,<lb/>
Liebe Triebe gleiten &#x017F;anft am Ge&#x017F;tade meines Ohrs<lb/>
dahin; man reicht dem Doktor die Hand, er drückt<lb/>
&#x017F;ie mit &#x017F;tillem Ern&#x017F;t, mit &#x017F;eelenvoller Miene; weiter wird<lb/>
nichts gereicht von Lob. &#x2014; So &#x017F;chwillt die Knospe des<lb/>
Leicht&#x017F;inns lei&#x017F;e lei&#x017F;e in der Bru&#x017F;t, bald wird &#x017F;ie ber&#x017F;ten<lb/>
und in einen fröhlichen Blu&#x017F;t ausbrechen, &#x017F;o nennen<lb/>
die he&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Bauern die Blüthe. &#x2014; Nichts von Rührung,<lb/>
Erhabnem, Verinnigung, Wonnegefühl, Begei&#x017F;trung<lb/>
und aller gebildeten Gei&#x017F;teswirth&#x017F;chaft. &#x2014; Was ich an<lb/>
mir &#x017F;elber bin das theil ich Dir mit, und &#x017F;trenge mich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0092] was ſo kugelig unter Deinen Füßen, dich kollernd, ſtol¬ pernd hinab und hinan verlockt und doch überall ſo herz¬ lich Dich einladend zum Sitzen, zum Ruhen am Raſen am Berg und in Dir ſelber. — Es haben ſich frühe Wintertage eingeſtellt, Meline leidet am Halsfieber, woran hier alles krank liegt, Gunda auch geht wegen Unwohlſein alle Tage vor Sonnenuntergang zu Bett. Savigny wohnt mit ihr in einem andern Theil des Hauſes der unter unſerer Wohnung liegt, durch Terraſ¬ ſen und Hof geſchieden; ſo bin ich ganz allein mit der Meline die hübſch ruhig im Schlafzimmer nebenan liegt. Dieſe Einſamkeit erquickt und ergötzt mich. Der ſchwär¬ meriſche Hausarzt iſt Poet, er bringt Gedichte die er in der Dämmerungsſtunde vorlieſt, — Träume Schäume, Liebe Triebe gleiten ſanft am Geſtade meines Ohrs dahin; man reicht dem Doktor die Hand, er drückt ſie mit ſtillem Ernſt, mit ſeelenvoller Miene; weiter wird nichts gereicht von Lob. — So ſchwillt die Knospe des Leichtſinns leiſe leiſe in der Bruſt, bald wird ſie berſten und in einen fröhlichen Bluſt ausbrechen, ſo nennen die heſſiſchen Bauern die Blüthe. — Nichts von Rührung, Erhabnem, Verinnigung, Wonnegefühl, Begeiſtrung und aller gebildeten Geiſteswirthſchaft. — Was ich an mir ſelber bin das theil ich Dir mit, und ſtrenge mich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/92
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/92>, abgerufen am 25.11.2024.