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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

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nur ihr eigen ist, -- gewiß war diese Seligkeit einmal
die Deine, -- und jetzt wo Du ihren Duft einathmest
fühlst Du den Geist der Rose die längst verblühte in
Dir fortblühen.

Was ist Erinnerung? -- Erinnerung ist viel tiefer
als sich auf das besinnen was wir erlebten. Auch in
ihren Verwandlungen berührt sie ewig den Geist -- sie
ist unendlich -- sie wird Gefühl -- dann wird sie Ge¬
danke, der reizt den Geist zur Leidenschaft; als Leiden¬
schaft erzeugt sie den Geist aufs Neue.

Aus jedem Lebenskeim entsteht Leben, Leben erzeugt
fortwährend Lebenskeime die alle blühen müssen. Alles
Erlebte ist Lebenskeim, die Erinnerung trägt sie im Schooß.

Ich weiß wohl warum von Rosen die Rede war
mit den Sternen. -- Einmal war ich heiter geworden
wie der Ephraim fort war, -- und dann schwamm noch
röthlich Gewölk am Himmel als ich oben auf der freien
Warte ankam, und dann will ich nie wieder unfrei ath¬
men! das ist nicht meine Sach, unter der Last keuchen!
-- setzest Du mir nicht einmal ums andre immer wie¬
der neue Flügelpaare an, und die Sterne wie lehren
die mich doch die Flügel schwingen! und trag ich nicht
Dein Leben in meiner Brust und meines auch? -- und
wenn ich so viel Flügel hab was soll mir eine Last

sein?

nur ihr eigen iſt, — gewiß war dieſe Seligkeit einmal
die Deine, — und jetzt wo Du ihren Duft einathmeſt
fühlſt Du den Geiſt der Roſe die längſt verblühte in
Dir fortblühen.

Was iſt Erinnerung? — Erinnerung iſt viel tiefer
als ſich auf das beſinnen was wir erlebten. Auch in
ihren Verwandlungen berührt ſie ewig den Geiſt — ſie
iſt unendlich — ſie wird Gefühl — dann wird ſie Ge¬
danke, der reizt den Geiſt zur Leidenſchaft; als Leiden¬
ſchaft erzeugt ſie den Geiſt aufs Neue.

Aus jedem Lebenskeim entſteht Leben, Leben erzeugt
fortwährend Lebenskeime die alle blühen müſſen. Alles
Erlebte iſt Lebenskeim, die Erinnerung trägt ſie im Schooß.

Ich weiß wohl warum von Roſen die Rede war
mit den Sternen. — Einmal war ich heiter geworden
wie der Ephraim fort war, — und dann ſchwamm noch
röthlich Gewölk am Himmel als ich oben auf der freien
Warte ankam, und dann will ich nie wieder unfrei ath¬
men! das iſt nicht meine Sach, unter der Laſt keuchen!
— ſetzeſt Du mir nicht einmal ums andre immer wie¬
der neue Flügelpaare an, und die Sterne wie lehren
die mich doch die Flügel ſchwingen! und trag ich nicht
Dein Leben in meiner Bruſt und meines auch? — und
wenn ich ſo viel Flügel hab was ſoll mir eine Laſt

ſein?
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[288/0302] nur ihr eigen iſt, — gewiß war dieſe Seligkeit einmal die Deine, — und jetzt wo Du ihren Duft einathmeſt fühlſt Du den Geiſt der Roſe die längſt verblühte in Dir fortblühen. Was iſt Erinnerung? — Erinnerung iſt viel tiefer als ſich auf das beſinnen was wir erlebten. Auch in ihren Verwandlungen berührt ſie ewig den Geiſt — ſie iſt unendlich — ſie wird Gefühl — dann wird ſie Ge¬ danke, der reizt den Geiſt zur Leidenſchaft; als Leiden¬ ſchaft erzeugt ſie den Geiſt aufs Neue. Aus jedem Lebenskeim entſteht Leben, Leben erzeugt fortwährend Lebenskeime die alle blühen müſſen. Alles Erlebte iſt Lebenskeim, die Erinnerung trägt ſie im Schooß. Ich weiß wohl warum von Roſen die Rede war mit den Sternen. — Einmal war ich heiter geworden wie der Ephraim fort war, — und dann ſchwamm noch röthlich Gewölk am Himmel als ich oben auf der freien Warte ankam, und dann will ich nie wieder unfrei ath¬ men! das iſt nicht meine Sach, unter der Laſt keuchen! — ſetzeſt Du mir nicht einmal ums andre immer wie¬ der neue Flügelpaare an, und die Sterne wie lehren die mich doch die Flügel ſchwingen! und trag ich nicht Dein Leben in meiner Bruſt und meines auch? — und wenn ich ſo viel Flügel hab was ſoll mir eine Laſt ſein?

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/302>, abgerufen am 22.11.2024.