daß ich im Rheingau bei langen Wegen die oft vier bis fünf Stunden weit waren, mir sagte ich will nicht müde sein, und dann, als sei ich neu geboren den Weg wieder zurücklegte. Das vermag der Geist über den Leib, aber über den Geist selbst, da ist der innerliche Geist der ihn zähmt oder weckt noch nicht stark. -- Ja vielleicht bin ichs selbst der ihn verläugnet; aber Dich nicht. In Dir konnt er mit mir sprechen. Und es ist nicht aller Tage Abend, betrachte Alles als ein Vorspiel, als ein Strömen noch verwirrter und verirrter Gefühle und Kräfte. Ach verzweifelst Du daß je das Gewölk in meinem Geist sich theile? und das Licht Ordnung herabstrahle? -- Ich hab Zuversicht, ich verzweifle nicht, ein ewiger Trieb zu empfangen, ein rasches Bewegen in meiner Seele die sagen mir gut. -- Und Du wirst mich nicht verwerfen. -- Es wird ja schon wieder Tag! die Eos tritt aus der Dunstluft hervor und mir ist wohl geworden über dem Schreiben; ich träume nicht mehr daß der Donnerer mein Schiff zerschmettre und in die Wellen versenke,-- weil es gefrevelt ist, an Ihm der auf hephästischen Rädern die Rosse zum Sonnenmeer treibt sie da zu baden. Nein! ich führ neben Dir her am Strand die reinen Lämmer Ihm entgegen; und ich gehöre zu Dir, wenn Du sein gehörst. -- Bettine.
daß ich im Rheingau bei langen Wegen die oft vier bis fünf Stunden weit waren, mir ſagte ich will nicht müde ſein, und dann, als ſei ich neu geboren den Weg wieder zurücklegte. Das vermag der Geiſt über den Leib, aber über den Geiſt ſelbſt, da iſt der innerliche Geiſt der ihn zähmt oder weckt noch nicht ſtark. — Ja vielleicht bin ichs ſelbſt der ihn verläugnet; aber Dich nicht. In Dir konnt er mit mir ſprechen. Und es iſt nicht aller Tage Abend, betrachte Alles als ein Vorſpiel, als ein Strömen noch verwirrter und verirrter Gefühle und Kräfte. Ach verzweifelſt Du daß je das Gewölk in meinem Geiſt ſich theile? und das Licht Ordnung herabſtrahle? — Ich hab Zuverſicht, ich verzweifle nicht, ein ewiger Trieb zu empfangen, ein raſches Bewegen in meiner Seele die ſagen mir gut. — Und Du wirſt mich nicht verwerfen. — Es wird ja ſchon wieder Tag! die Eos tritt aus der Dunſtluft hervor und mir iſt wohl geworden über dem Schreiben; ich träume nicht mehr daß der Donnerer mein Schiff zerſchmettre und in die Wellen verſenke,— weil es gefrevelt iſt, an Ihm der auf hephäſtiſchen Rädern die Roſſe zum Sonnenmeer treibt ſie da zu baden. Nein! ich führ neben Dir her am Strand die reinen Lämmer Ihm entgegen; und ich gehöre zu Dir, wenn Du ſein gehörſt. — Bettine.
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daß ich im Rheingau bei langen Wegen die oft vier
bis fünf Stunden weit waren, mir ſagte ich will nicht
müde ſein, und dann, als ſei ich neu geboren den Weg
wieder zurücklegte. Das vermag der Geiſt über den
Leib, aber über den Geiſt ſelbſt, da iſt der innerliche
Geiſt der ihn zähmt oder weckt noch nicht ſtark. — Ja
vielleicht bin ichs ſelbſt der ihn verläugnet; aber Dich
nicht. In Dir konnt er mit mir ſprechen. Und es iſt
nicht aller Tage Abend, betrachte Alles als ein Vorſpiel,
als ein Strömen noch verwirrter und verirrter Gefühle
und Kräfte. Ach verzweifelſt Du daß je das Gewölk
in meinem Geiſt ſich theile? und das Licht Ordnung
herabſtrahle? — Ich hab Zuverſicht, ich verzweifle nicht,
ein ewiger Trieb zu empfangen, ein raſches Bewegen
in meiner Seele die ſagen mir gut. — Und Du wirſt
mich nicht verwerfen. — Es wird ja ſchon wieder Tag!
die Eos tritt aus der Dunſtluft hervor und mir iſt
wohl geworden über dem Schreiben; ich träume nicht
mehr daß der Donnerer mein Schiff zerſchmettre und in
die Wellen verſenke,— weil es gefrevelt iſt, an Ihm der
auf hephäſtiſchen Rädern die Roſſe zum Sonnenmeer
treibt ſie da zu baden. Nein! ich führ neben Dir her
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/284>, abgerufen am 24.11.2024.
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