Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

bensgrenzen überbrausten daß ich verwundert war, über
Geist, und überrascht, wo hab ich sie doch gelesen? --
sie standen auf Deiner Stirne geschrieben, -- wie viel
sich kreuzende Stimmen hast Du doch entwirrt in mei¬
ner Brust, und meine wilde Gedankenlosigkeit -- Du hast
sie so sanft eingelenkt, und mir gelehrt, freudig mit spie¬
len. -- Der Sinn der Welt ist mir einleuchtend gewor¬
den durch Dich, ich hätt ihn nimmer geheiligt, ich hätt
ihn immer verachtet. Denn früher dacht ich oft, zu was
ich doch geboren sei? aber nachher wie Du mit mir warst,
da hab ich nicht mehr so gefragt. -- da wußt ich daß
alles Leben ein Werden ist, und nur eine freudige Unge¬
duld hat mich zuweilen noch übermannt, ein übereilend
Erharren der Zukunft, keine Trauer mehr, nein ich weiß
nichts mehr was mich geschmerzt hätt seit dem Augen¬
blick wo ich Dich kenne. -- Dort in Offenbach, der Tage
erinnere ich mich; kanns dem Busen der Erde so üppig
entkeimen als mir die Lebensfülle unter Deinem war¬
men belebenden Hauch? -- O glaub mirs, ich taumelte
oft im Geist, weil die Gedanken so weich sich mir un¬
ter das strömende Gefühl betteten, oft wenn ich am
Abend in die weite Purpur-Landschaft sah, dort, wo ich
aufs Dach stieg blos um zu fühlen wies Leben doch thut
in der Brust, es war mir ja noch so neu, da mußt ich

bensgrenzen überbrauſten daß ich verwundert war, über
Geiſt, und überraſcht, wo hab ich ſie doch geleſen? —
ſie ſtanden auf Deiner Stirne geſchrieben, — wie viel
ſich kreuzende Stimmen haſt Du doch entwirrt in mei¬
ner Bruſt, und meine wilde Gedankenloſigkeit — Du haſt
ſie ſo ſanft eingelenkt, und mir gelehrt, freudig mit ſpie¬
len. — Der Sinn der Welt iſt mir einleuchtend gewor¬
den durch Dich, ich hätt ihn nimmer geheiligt, ich hätt
ihn immer verachtet. Denn früher dacht ich oft, zu was
ich doch geboren ſei? aber nachher wie Du mit mir warſt,
da hab ich nicht mehr ſo gefragt. — da wußt ich daß
alles Leben ein Werden iſt, und nur eine freudige Unge¬
duld hat mich zuweilen noch übermannt, ein übereilend
Erharren der Zukunft, keine Trauer mehr, nein ich weiß
nichts mehr was mich geſchmerzt hätt ſeit dem Augen¬
blick wo ich Dich kenne. — Dort in Offenbach, der Tage
erinnere ich mich; kanns dem Buſen der Erde ſo üppig
entkeimen als mir die Lebensfülle unter Deinem war¬
men belebenden Hauch? — O glaub mirs, ich taumelte
oft im Geiſt, weil die Gedanken ſo weich ſich mir un¬
ter das ſtrömende Gefühl betteten, oft wenn ich am
Abend in die weite Purpur-Landſchaft ſah, dort, wo ich
aufs Dach ſtieg blos um zu fühlen wies Leben doch thut
in der Bruſt, es war mir ja noch ſo neu, da mußt ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0272" n="258"/>
bensgrenzen überbrau&#x017F;ten daß ich verwundert war, über<lb/>
Gei&#x017F;t, und überra&#x017F;cht, wo hab ich &#x017F;ie doch gele&#x017F;en? &#x2014;<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;tanden auf Deiner Stirne ge&#x017F;chrieben, &#x2014; wie viel<lb/>
&#x017F;ich kreuzende Stimmen ha&#x017F;t Du doch entwirrt in mei¬<lb/>
ner Bru&#x017F;t, und meine wilde Gedankenlo&#x017F;igkeit &#x2014; Du ha&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;o &#x017F;anft eingelenkt, und mir gelehrt, freudig mit &#x017F;pie¬<lb/>
len. &#x2014; Der Sinn der Welt i&#x017F;t mir einleuchtend gewor¬<lb/>
den durch Dich, ich hätt ihn nimmer geheiligt, ich hätt<lb/>
ihn immer verachtet. Denn früher dacht ich oft, zu was<lb/>
ich doch geboren &#x017F;ei? aber nachher wie Du mit mir war&#x017F;t,<lb/>
da hab ich nicht mehr &#x017F;o gefragt. &#x2014; da wußt ich daß<lb/>
alles Leben ein Werden i&#x017F;t, und nur eine freudige Unge¬<lb/>
duld hat mich zuweilen noch übermannt, ein übereilend<lb/>
Erharren der Zukunft, keine Trauer mehr, nein ich weiß<lb/>
nichts mehr was mich ge&#x017F;chmerzt hätt &#x017F;eit dem Augen¬<lb/>
blick wo ich Dich kenne. &#x2014; Dort in Offenbach, der Tage<lb/>
erinnere ich mich; kanns dem Bu&#x017F;en der Erde &#x017F;o üppig<lb/>
entkeimen als mir die Lebensfülle unter Deinem war¬<lb/>
men belebenden Hauch? &#x2014; O glaub mirs, ich taumelte<lb/>
oft im Gei&#x017F;t, weil die Gedanken &#x017F;o weich &#x017F;ich mir un¬<lb/>
ter das &#x017F;trömende Gefühl betteten, oft wenn ich am<lb/>
Abend in die weite Purpur-Land&#x017F;chaft &#x017F;ah, dort, wo ich<lb/>
aufs Dach &#x017F;tieg blos um zu fühlen wies Leben doch thut<lb/>
in der Bru&#x017F;t, es war mir ja noch &#x017F;o neu, da mußt ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[258/0272] bensgrenzen überbrauſten daß ich verwundert war, über Geiſt, und überraſcht, wo hab ich ſie doch geleſen? — ſie ſtanden auf Deiner Stirne geſchrieben, — wie viel ſich kreuzende Stimmen haſt Du doch entwirrt in mei¬ ner Bruſt, und meine wilde Gedankenloſigkeit — Du haſt ſie ſo ſanft eingelenkt, und mir gelehrt, freudig mit ſpie¬ len. — Der Sinn der Welt iſt mir einleuchtend gewor¬ den durch Dich, ich hätt ihn nimmer geheiligt, ich hätt ihn immer verachtet. Denn früher dacht ich oft, zu was ich doch geboren ſei? aber nachher wie Du mit mir warſt, da hab ich nicht mehr ſo gefragt. — da wußt ich daß alles Leben ein Werden iſt, und nur eine freudige Unge¬ duld hat mich zuweilen noch übermannt, ein übereilend Erharren der Zukunft, keine Trauer mehr, nein ich weiß nichts mehr was mich geſchmerzt hätt ſeit dem Augen¬ blick wo ich Dich kenne. — Dort in Offenbach, der Tage erinnere ich mich; kanns dem Buſen der Erde ſo üppig entkeimen als mir die Lebensfülle unter Deinem war¬ men belebenden Hauch? — O glaub mirs, ich taumelte oft im Geiſt, weil die Gedanken ſo weich ſich mir un¬ ter das ſtrömende Gefühl betteten, oft wenn ich am Abend in die weite Purpur-Landſchaft ſah, dort, wo ich aufs Dach ſtieg blos um zu fühlen wies Leben doch thut in der Bruſt, es war mir ja noch ſo neu, da mußt ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/272
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/272>, abgerufen am 24.11.2024.