ergehen. "Ich hab doch in meinem Leben noch keine kleine Eichel gesehen der bang war es werde kein Baum aus ihr wachsen," gab er zur Antwort; und dabei legte er mir wieder die Hand auf den Kopf und sagte so freund¬ lich: "jetzt haben wir die Eichel in die Erde gelegt und gedeckt und jetzt wollen wir sie ruhig liegen lassen und sehen was Sonne und Regen thut." -- Du glaubst gar nicht wie fabelig mich der Mann macht, zu den an¬ dern darf ich nicht von ihm sprechen, das kannst Du wohl denken, denn sonst würde meine Andacht mir für Verrücktheit ausgelegt werden; aber die Patriarchen¬ würde strahlt mich an aus ihm, und ich spreche der gan¬ zen Welt Hohn, daß solche einfache große und heilige Charaktere nicht Platz finden unter ihren Lapalien, und überhaupt geh ich nach Vornehmheit, und diese hat der Mann; und seh doch nur einen auftreten in der mensch¬ lichen Gesellschaft, ob nicht aller mühselig erzwickter Rang ihn so des gesunden Verstandes beraubt, daß er nur als Narr sich selbst genug zu thun glaubt. -- Weise sein kann keiner der der Narrheit eine höhere Überzeugung opfert, denn aller Verstand deucht mir ein Spiel von Aberwitz, wenn der heiligen Weisheit nicht alle Opfer gebracht sind. Das meine ich so: wenn nicht alle äußeren Vortheile, Würden und Ruhm, nichts gel¬
ergehen. „Ich hab doch in meinem Leben noch keine kleine Eichel geſehen der bang war es werde kein Baum aus ihr wachſen,“ gab er zur Antwort; und dabei legte er mir wieder die Hand auf den Kopf und ſagte ſo freund¬ lich: „jetzt haben wir die Eichel in die Erde gelegt und gedeckt und jetzt wollen wir ſie ruhig liegen laſſen und ſehen was Sonne und Regen thut.“ — Du glaubſt gar nicht wie fabelig mich der Mann macht, zu den an¬ dern darf ich nicht von ihm ſprechen, das kannſt Du wohl denken, denn ſonſt würde meine Andacht mir für Verrücktheit ausgelegt werden; aber die Patriarchen¬ würde ſtrahlt mich an aus ihm, und ich ſpreche der gan¬ zen Welt Hohn, daß ſolche einfache große und heilige Charaktere nicht Platz finden unter ihren Lapalien, und überhaupt geh ich nach Vornehmheit, und dieſe hat der Mann; und ſeh doch nur einen auftreten in der menſch¬ lichen Geſellſchaft, ob nicht aller mühſelig erzwickter Rang ihn ſo des geſunden Verſtandes beraubt, daß er nur als Narr ſich ſelbſt genug zu thun glaubt. — Weiſe ſein kann keiner der der Narrheit eine höhere Überzeugung opfert, denn aller Verſtand deucht mir ein Spiel von Aberwitz, wenn der heiligen Weisheit nicht alle Opfer gebracht ſind. Das meine ich ſo: wenn nicht alle äußeren Vortheile, Würden und Ruhm, nichts gel¬
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ergehen. „Ich hab doch in meinem Leben noch keine kleine
Eichel geſehen der bang war es werde kein Baum aus
ihr wachſen,“ gab er zur Antwort; und dabei legte er mir
wieder die Hand auf den Kopf und ſagte ſo freund¬
lich: „jetzt haben wir die Eichel in die Erde gelegt und
gedeckt und jetzt wollen wir ſie ruhig liegen laſſen und
ſehen was Sonne und Regen thut.“ — Du glaubſt gar
nicht wie fabelig mich der Mann macht, zu den an¬
dern darf ich nicht von ihm ſprechen, das kannſt Du
wohl denken, denn ſonſt würde meine Andacht mir für
Verrücktheit ausgelegt werden; aber die Patriarchen¬
würde ſtrahlt mich an aus ihm, und ich ſpreche der gan¬
zen Welt Hohn, daß ſolche einfache große und heilige
Charaktere nicht Platz finden unter ihren Lapalien, und
überhaupt geh ich nach Vornehmheit, und dieſe hat der
Mann; und ſeh doch nur einen auftreten in der menſch¬
lichen Geſellſchaft, ob nicht aller mühſelig erzwickter
Rang ihn ſo des geſunden Verſtandes beraubt, daß er
nur als Narr ſich ſelbſt genug zu thun glaubt. —
Weiſe ſein kann keiner der der Narrheit eine höhere
Überzeugung opfert, denn aller Verſtand deucht mir ein
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/226>, abgerufen am 22.11.2024.
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