Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

grünen Anger herum. Meinst Du ich mach mir keine
Vorwürfe? -- meinst Du ich raffel mich nicht alle Tage
zusammen? -- mit dem festen Vorsatz es durchzuneh¬
men bis es mir ganz geläufig ist? -- aber weißt Du
was mich zerstreut? -- daß ichs allemal schon weiß
noch eh es der Lehrer mir ganz auseinander gesetzt hat,
nun muß ich warten bis er fertig gekaut hat, da neh¬
men unterdeß meine Gedanken Reißaus, und dann ist
es nachher nicht daß ich es nicht gelernt hab, sondern
ich habs nur gar nicht gehört was er gesagt hat; mit
dem Hofmann in Offenbach wars eine andre Sach, er
lehrte so problematisch, er ließ mir hundert interessante
Fragen die er freilich oft unbeantwortet ließ, die oft zu
ganz fremden Dingen führten, aber dies regte mich an,
immer darauf zurückzukehren. Ich will mich damit nicht
entschuldigen, ich weiß daß es ein Fehler, eine Schwäche,
eine Krankheit ist; ich gebs auch nicht auf sie zu be¬
kämpfen, und sollt ich bis an meines Lebens End damit
zu thun haben, ich gebs nicht auf, das fort zu lernen
was mir einmal Begierde ja ich kann wohl sagen Lei¬
denschaft erregt hat. -- Generalbaß! -- Wenn Du ah¬
nen könntest welches Ideal mir in diesem Wort vor den
Sinnen schwebt, und welchen alten Manschettenkerl mir
die Lehrer vorführen und behaupten das sei er, Du

grünen Anger herum. Meinſt Du ich mach mir keine
Vorwürfe? — meinſt Du ich raffel mich nicht alle Tage
zuſammen? — mit dem feſten Vorſatz es durchzuneh¬
men bis es mir ganz geläufig iſt? — aber weißt Du
was mich zerſtreut? — daß ichs allemal ſchon weiß
noch eh es der Lehrer mir ganz auseinander geſetzt hat,
nun muß ich warten bis er fertig gekaut hat, da neh¬
men unterdeß meine Gedanken Reißaus, und dann iſt
es nachher nicht daß ich es nicht gelernt hab, ſondern
ich habs nur gar nicht gehört was er geſagt hat; mit
dem Hofmann in Offenbach wars eine andre Sach, er
lehrte ſo problematiſch, er ließ mir hundert intereſſante
Fragen die er freilich oft unbeantwortet ließ, die oft zu
ganz fremden Dingen führten, aber dies regte mich an,
immer darauf zurückzukehren. Ich will mich damit nicht
entſchuldigen, ich weiß daß es ein Fehler, eine Schwäche,
eine Krankheit iſt; ich gebs auch nicht auf ſie zu be¬
kämpfen, und ſollt ich bis an meines Lebens End damit
zu thun haben, ich gebs nicht auf, das fort zu lernen
was mir einmal Begierde ja ich kann wohl ſagen Lei¬
denſchaft erregt hat. — Generalbaß! — Wenn Du ah¬
nen könnteſt welches Ideal mir in dieſem Wort vor den
Sinnen ſchwebt, und welchen alten Manſchettenkerl mir
die Lehrer vorführen und behaupten das ſei er, Du

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0217" n="203"/>
grünen Anger herum. Mein&#x017F;t Du ich mach mir keine<lb/>
Vorwürfe? &#x2014; mein&#x017F;t Du ich raffel mich nicht alle Tage<lb/>
zu&#x017F;ammen? &#x2014; mit dem fe&#x017F;ten Vor&#x017F;atz es durchzuneh¬<lb/>
men bis es mir ganz geläufig i&#x017F;t? &#x2014; aber weißt Du<lb/>
was mich zer&#x017F;treut? &#x2014; daß ichs allemal &#x017F;chon weiß<lb/>
noch eh es der Lehrer mir ganz auseinander ge&#x017F;etzt hat,<lb/>
nun muß ich warten bis er fertig gekaut hat, da neh¬<lb/>
men unterdeß meine Gedanken Reißaus, und dann i&#x017F;t<lb/>
es nachher nicht daß ich es nicht gelernt hab, &#x017F;ondern<lb/>
ich habs nur gar nicht gehört was er ge&#x017F;agt hat; mit<lb/>
dem Hofmann in Offenbach wars eine andre Sach, er<lb/>
lehrte &#x017F;o problemati&#x017F;ch, er ließ mir hundert intere&#x017F;&#x017F;ante<lb/>
Fragen die er freilich oft unbeantwortet ließ, die oft zu<lb/>
ganz fremden Dingen führten, aber dies regte mich an,<lb/>
immer darauf zurückzukehren. Ich will mich damit nicht<lb/>
ent&#x017F;chuldigen, ich weiß daß es ein Fehler, eine Schwäche,<lb/>
eine Krankheit i&#x017F;t; ich gebs auch nicht auf &#x017F;ie zu be¬<lb/>
kämpfen, und &#x017F;ollt ich bis an meines Lebens End damit<lb/>
zu thun haben, ich gebs nicht auf, das fort zu lernen<lb/>
was mir einmal Begierde ja ich kann wohl &#x017F;agen Lei¬<lb/>
den&#x017F;chaft erregt hat. &#x2014; Generalbaß! &#x2014; Wenn Du ah¬<lb/>
nen könnte&#x017F;t welches Ideal mir in die&#x017F;em Wort vor den<lb/>
Sinnen &#x017F;chwebt, und welchen alten Man&#x017F;chettenkerl mir<lb/>
die Lehrer vorführen und behaupten das &#x017F;ei er, Du<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0217] grünen Anger herum. Meinſt Du ich mach mir keine Vorwürfe? — meinſt Du ich raffel mich nicht alle Tage zuſammen? — mit dem feſten Vorſatz es durchzuneh¬ men bis es mir ganz geläufig iſt? — aber weißt Du was mich zerſtreut? — daß ichs allemal ſchon weiß noch eh es der Lehrer mir ganz auseinander geſetzt hat, nun muß ich warten bis er fertig gekaut hat, da neh¬ men unterdeß meine Gedanken Reißaus, und dann iſt es nachher nicht daß ich es nicht gelernt hab, ſondern ich habs nur gar nicht gehört was er geſagt hat; mit dem Hofmann in Offenbach wars eine andre Sach, er lehrte ſo problematiſch, er ließ mir hundert intereſſante Fragen die er freilich oft unbeantwortet ließ, die oft zu ganz fremden Dingen führten, aber dies regte mich an, immer darauf zurückzukehren. Ich will mich damit nicht entſchuldigen, ich weiß daß es ein Fehler, eine Schwäche, eine Krankheit iſt; ich gebs auch nicht auf ſie zu be¬ kämpfen, und ſollt ich bis an meines Lebens End damit zu thun haben, ich gebs nicht auf, das fort zu lernen was mir einmal Begierde ja ich kann wohl ſagen Lei¬ denſchaft erregt hat. — Generalbaß! — Wenn Du ah¬ nen könnteſt welches Ideal mir in dieſem Wort vor den Sinnen ſchwebt, und welchen alten Manſchettenkerl mir die Lehrer vorführen und behaupten das ſei er, Du

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/217
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/217>, abgerufen am 25.11.2024.