Geist der Erde, des Wassers sich deutlich machen? -- Ist der Duft der Blumen, ihr Schmelz, wohl das Sehnen der Erde -- die Begeistrung des Wassers die in den offnen Kelchen, Freiheit hat aufzusteigen zur Sonne, zu dem was sie lieben? -- Die dunkle Erde stößt aus dem Innersten ihre duftenden Seufzer auf aus den Kel¬ chen ihrer Pflanzen, die aus ihrem Busen aufblühen, hinauf in die fessellose Freiheit? -- Das Wasser das von seinen kräuselnden Wellen sich immer weiter treiben läßt, hier in der Blume Stengel, im Saft des Baumes ge¬ mischt mit allen Kräften der Natur, steigt, nimmt Ge¬ stalt an, wird zum Geist, zum Wort, das die Andacht seiner Triebe aushaucht. -- Was ist denn aber die Luft? -- ist die nicht Vermittler zwischen Allen? der Genius der Welt, der leitet, Leben giebt, ewig den Geist durch¬ athmet? -- Was ist aber Geistesathem? -- ist der nicht Erkenntniß, Streben emporzusteigen, sich abzulösen vom Mutterschooß und aufzusteigen zum Geist? ist Ath¬ men im sinnlichen Leben nicht dasselbe? -- drängen sich die Gefühle nicht in Seufzern auf? -- Ohne dies ewige Einsaugen des himmlischen Elements kann der Leib nicht leben, und der Geist stirbt jeden Augenblick ohne jenen leitenden Genius, der sein eigentlicher Lebensathem ist.
Geiſt der Erde, des Waſſers ſich deutlich machen? — Iſt der Duft der Blumen, ihr Schmelz, wohl das Sehnen der Erde — die Begeiſtrung des Waſſers die in den offnen Kelchen, Freiheit hat aufzuſteigen zur Sonne, zu dem was ſie lieben? — Die dunkle Erde ſtößt aus dem Innerſten ihre duftenden Seufzer auf aus den Kel¬ chen ihrer Pflanzen, die aus ihrem Buſen aufblühen, hinauf in die feſſelloſe Freiheit? — Das Waſſer das von ſeinen kräuſelnden Wellen ſich immer weiter treiben läßt, hier in der Blume Stengel, im Saft des Baumes ge¬ miſcht mit allen Kräften der Natur, ſteigt, nimmt Ge¬ ſtalt an, wird zum Geiſt, zum Wort, das die Andacht ſeiner Triebe aushaucht. — Was iſt denn aber die Luft? — iſt die nicht Vermittler zwiſchen Allen? der Genius der Welt, der leitet, Leben giebt, ewig den Geiſt durch¬ athmet? — Was iſt aber Geiſtesathem? — iſt der nicht Erkenntniß, Streben emporzuſteigen, ſich abzulöſen vom Mutterſchooß und aufzuſteigen zum Geiſt? iſt Ath¬ men im ſinnlichen Leben nicht daſſelbe? — drängen ſich die Gefühle nicht in Seufzern auf? — Ohne dies ewige Einſaugen des himmliſchen Elements kann der Leib nicht leben, und der Geiſt ſtirbt jeden Augenblick ohne jenen leitenden Genius, der ſein eigentlicher Lebensathem iſt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0200"n="186"/>
Geiſt der Erde, des Waſſers ſich deutlich machen? —<lb/>
Iſt der Duft der Blumen, ihr Schmelz, wohl das Sehnen<lb/>
der Erde — die Begeiſtrung des Waſſers die in den offnen<lb/>
Kelchen, Freiheit hat aufzuſteigen zur Sonne, zu dem<lb/>
was ſie lieben? — Die dunkle Erde ſtößt aus dem<lb/>
Innerſten ihre duftenden Seufzer auf aus den Kel¬<lb/>
chen ihrer Pflanzen, die aus ihrem Buſen aufblühen,<lb/>
hinauf in die feſſelloſe Freiheit? — Das Waſſer das von<lb/>ſeinen kräuſelnden Wellen ſich immer weiter treiben läßt,<lb/>
hier in der Blume Stengel, im Saft des Baumes ge¬<lb/>
miſcht mit allen Kräften der Natur, ſteigt, nimmt Ge¬<lb/>ſtalt an, wird zum Geiſt, zum Wort, das die Andacht<lb/>ſeiner Triebe aushaucht. — Was iſt denn aber die Luft?<lb/>— iſt die nicht Vermittler zwiſchen Allen? der Genius<lb/>
der Welt, der leitet, Leben giebt, ewig den Geiſt durch¬<lb/>
athmet? — Was iſt aber Geiſtesathem? — iſt der nicht<lb/>
Erkenntniß, Streben emporzuſteigen, ſich abzulöſen vom<lb/>
Mutterſchooß und aufzuſteigen zum Geiſt? iſt Ath¬<lb/>
men im ſinnlichen Leben nicht daſſelbe? — drängen ſich<lb/>
die Gefühle nicht in Seufzern auf? — Ohne dies ewige<lb/>
Einſaugen des himmliſchen Elements kann der Leib nicht<lb/>
leben, und der Geiſt ſtirbt jeden Augenblick ohne jenen<lb/>
leitenden Genius, der ſein eigentlicher Lebensathem iſt.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[186/0200]
Geiſt der Erde, des Waſſers ſich deutlich machen? —
Iſt der Duft der Blumen, ihr Schmelz, wohl das Sehnen
der Erde — die Begeiſtrung des Waſſers die in den offnen
Kelchen, Freiheit hat aufzuſteigen zur Sonne, zu dem
was ſie lieben? — Die dunkle Erde ſtößt aus dem
Innerſten ihre duftenden Seufzer auf aus den Kel¬
chen ihrer Pflanzen, die aus ihrem Buſen aufblühen,
hinauf in die feſſelloſe Freiheit? — Das Waſſer das von
ſeinen kräuſelnden Wellen ſich immer weiter treiben läßt,
hier in der Blume Stengel, im Saft des Baumes ge¬
miſcht mit allen Kräften der Natur, ſteigt, nimmt Ge¬
ſtalt an, wird zum Geiſt, zum Wort, das die Andacht
ſeiner Triebe aushaucht. — Was iſt denn aber die Luft?
— iſt die nicht Vermittler zwiſchen Allen? der Genius
der Welt, der leitet, Leben giebt, ewig den Geiſt durch¬
athmet? — Was iſt aber Geiſtesathem? — iſt der nicht
Erkenntniß, Streben emporzuſteigen, ſich abzulöſen vom
Mutterſchooß und aufzuſteigen zum Geiſt? iſt Ath¬
men im ſinnlichen Leben nicht daſſelbe? — drängen ſich
die Gefühle nicht in Seufzern auf? — Ohne dies ewige
Einſaugen des himmliſchen Elements kann der Leib nicht
leben, und der Geiſt ſtirbt jeden Augenblick ohne jenen
leitenden Genius, der ſein eigentlicher Lebensathem iſt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/200>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.